Das Nord-Süd-Problem in der Wallfahrtsforschung.Quellenlage und Definitionsfrage
Humboldt-Universität zu Berlin
Wallfahrtsforschung für mittelalterliche Zeiten wird durch die nachmittelalterlichen Konfessionsveränderungen zum Quellenproblem, weil die bisherigen kirchengeschichtlichen, landeshistorischen und volkskundlichen Interessen unterschiedliche Blickrichtungen mit sich gebracht haben. Spezifische Regionalentwicklungen eröffneten wie verhinderten manche Zugänge. Heute geht interdisziplinäres kulturwissenschaftliches Arbeiten von dem Versuch aus, religiöse Kulte der Vergangenheit phänomenologisch genauer zu fassen und damit eher sozialhistorisch verankert zu betrachten als bloß theologiegeschichtlich einzuordnen. Ein Hauptproblem bleibt die damit zusammenhängende Definitionsfrage, was denn ein Wallfahrts- oder Kultort als locus sanctus im Raumgefüge von Kulturlandschaften sei. Ablaßtermine, Patroziniumsfeste, Reliquienbesitz und Heiltumsverehrung besonderer Art, Bruderschaftskonkurse, liturgische Prozessionsziele von sogenannten Kreuzgängen oder Kirchfahrten, Votivkulte an Feld- und Waldkapellen zählen zwar zu gewissen Zeiten und Anlässen alle zum weiten Anwendungsbereich des Wallfahrtswesens, machen aber je allein keine peregrinatio aus. Pilgerschaft des homo viator ist vielmehr der lange Weg, die "Fahrt" der Vielen zu entfernten Orten. Die Pragmatik der historischen Absteckung von Kulträumen erfordert allerdings die genaue Kenntnis des Gesamtgeschehens von außergemeindlichem "geläuff".
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