Unscharfe Mengen in der DDR
Während die zur Mitte der 1960er Jahre begründete mathematische Theorie der Fuzzy Sets – „unscharfer Mengen“ – erst zu Beginn der 1980er Jahre in Japan und danach in den USA und Westeuropa bekannt und erfolgreich wurde, gab es in der DDR schon in den späten 1970er Jahren eine „GDR Working Group for Fuzzy Sets and Systems“, die sich monatlich zum Seminar „Theorie unscharfer Signale und Systeme“ traf. Nur wenige DDR-Wissenschaftler haben zur Theorie unscharfer Mengen Grundlagenforschung betrieben und neue Ergebnisse publiziert. Vielmehr wurden die Fuzzy-Methoden als Elemente von Kybernetik und Systemtheorie verstanden und in der Technik angewendet. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die bis zu Stalins Tod als „bürgerlich- idealistisch“ diffamierte Kybernetik zwar in den 1960er Jahren sogar als besonders förderungswürdige „kommunistische Wissenschaft“ galt, um den „wissenschaftlich-technischen Höchststand“ schnell zu erreichen. Nach den Liberalisierungstendenzen in der CSSR, dem sowjetische Einmarsch 1968 und der Ablösung Ulbrichts von der Funktion des ersten Sekretärs der SED und des Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates wurde gegen Kybernetik und Systemtheorie in den nichttechnischen Wissenschaften allerdings wieder aggressiv vorgegangen. Die „wissenschaftlich-technische Revolution“ (WTR) war jedoch unumkehrbar, daher konnten Kybernetik und Systemtheorie in der Technik weiterhin betrieben werden, und dazu zählten auch die Anwendungen der Theorie der Fuzzy Sets. Als 1972 das International Institute for Applied System Analysis (IIASA) in Laxenburg bei Wien gegründet wurde, war die DDR daher auch deren Mitgliedsstaat, vertreten durch Manfred Peschel, der die „GDR Working Group for Fuzzy Sets and Systems“ gegründet hatte.
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