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4.  Ergebnisse

4.1. Darstellung der veränderten klinischen Forderungen an die Autopsie

4.1.1. Pränatale Diagnostik und Genetik

Um den Rahmen der Veränderungen zu verdeutlichen werden zunächst Zahlen aus der Charité Berlin (Campus Charité Mitte) angegeben, die dankenswerterweise von Herrn Prof. Bollmann, Funktionsbereich „Pränatale Diagnostik und Therapie“, und Frau Prof. Körner, „Institut für Medizinische Genetik“, zur Verfügung gestellt wurden.

Pränatale Diagnostik

In den letzten Jahren war ein Anstieg der Anzahl der pränatal-sonographisch untersuchten Patientinnen, der durchgeführten Ultraschalluntersuchungen und der invasiven Eingriffe zu verzeichnen (Tab. 14).

Tab. 14: Pränatale Untersuchungen und invasive Eingriffe im Funktionsbereich „Pränatale Diagnostik und Therapie“ der Charité, Campus Charité Mitte, 1995 bis 2000

Untersuchungen/ invasive Eingriffe

1995

1996

1997

1998

1999

2000

Anzahl der Patientinnen

3623

3911

4020

4226

4125

4394

Ultraschalluntersuchungen

8718

10.000

11.000

13.000

12.375

9873

Invasive Eingriffe

Total

1322

1450

1609

1633

1556

k.A.

Amniozentese

660

821

900

1061

1034

918

Chordozentese

443

415

460

341

326

227

Chorionzottenbiopsie

83

126

114

100

97

125

Fruchtwasserauffüllungen

43

21

46

11

7

12

Punktion von Körperhöhlen

41

41

36

46

17

k.A.

Intrauterine Transfusionen

29

11

28

25

27

14

Kardiozentese

6

4

4

k.A.

3

22

Infolgedessen erhöhte sich die Zahl der Feten, bei denen sehr differenzierte und komplexe Befunde detailliert und zunehmend in früheren Schwangerschaftswochen beschrieben wurden. Demzufolge wird zunehmend eine sorgfältige Abklärung aller pränatalen Befunde gefordert (s.1.2).

Genetik

Bei etwa einem Drittel der Schwangeren, die im Funktionsbereich „Pränatale Diagnostik und Therapie“ der Charité, untersucht werden, wurde ein pränataler invasiver Eingriff mit dem Ziel einer zytogenetischen Untersuchung des entnommenen Materials durchgeführt. Indikation für invasive Eingriffe sind seit 1989 zunehmend mehr sonographisch diagnostizierte Fehlbildungen und pathologische Befunde der Feten, welche auf eine deutliche Verbesserung der Qualität des pränatalen Ultraschalls zurückzuführen sind. In dem Zeitraum davor stand die Altersindikation im Vordergrund.

Die zytogenetischen Untersuchungen wurden zu einem großen Teil am Institut für Medizinische Genetik der Charité durchgeführt. Einen Überblick über die Anzahl der zytogenetischen Untersuchungen an pränatal entnommenem Material von 1995 bis 2000 spiegelt die Tab. 15 wieder.


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Tab. 15: Prä- und postnatal durchgeführte zytogenetische Untersuchungen im Institut für Medizinische Genetik der Charité (Campus Charité Mitte) von 1995 bis 2000

Zytogenetischen Untersuchungen

1995

1996

1997

1998

1999

2000

Pränatal

Fruchtwasser

771

802

746

957

870

883

Fetalblut

342

347

349

318

277

221

Chorionzotten

71

114

99

109

103

125

Total

1184

1263

1194

1384

1250

1229

Postnatal

Lymphozyten

515

624

411

437

312

309

Explantate (fetales Material)

  

42

56

68

62

Total

1699

1887

1647

1877

1630

1600

4.1.2. Alter der Feten zum Zeitpunkt der Autopsie

Anhand der retrospektiven Studie zum Schwangerschaftsalter der Feten bei der Autopsie (s. 3.1) konnte gezeigt werden, dass sich der durchschnittliche Zeitpunkt der Beendigung der Schwangerschaften seit 1993 signifikant in frühere Wochen der Schwangerschaft verlagert hat (Abb. 19).

Abb. 19: Verteilung der Feten in den Schwangerschaftswochen zum Obduktionszeitpunkt innerhalb der drei Zeiträume

Eine Autopsie wurde bei Feten vor Vollendung der 20. Schwangerschaftswoche in 24% der Fälle im Zeitraum A (1988-1992, n = 89), in 45% im Zeitraum B (1993-1997, n = 186) und in 48% im Zeitraum C (1998-2000, n = 157) durchgeführt. Der Anteil der Feten vor Vollendung der 20. Schwangerschaftswoche lag im Zeitraum B (1993-1997) und C (1998-2000) damit signifikant höher (p< 0.0001) als im Zeitraum A.

Organfehlbildungen, die in zahlreichen Autopsiefällen mehrere Organsysteme betrafen, lagen in folgender Häufigkeit vor: Fehlbildungen des zentralen Nervensystems (30%), des kardiovaskulären Systems (21%), des Urogenitaltraktes (14%), des Skelettsystems (9%) des Gastrointestinaltraktes (8%) und des Respirationstraktes (8%), (Tab. 16). In 63 Fällen kam es aufgrund von Veränderungen der Plazenta zur Beendigung der Schwangerschaft (z.B. Fetofetales Transfusionssyndrom, kurze Nabelschnur-Sequenz). In 79 Fällen wurden „weitere Befunde“ oder chromosomale Aberrationen ohne Nachweis von pathomorphologischen Befunden des Fetus diagnostiziert.


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Tab. 16: Häufigkeit von Fehlbildungen (n) der untersuchten Organsysteme innerhalb der drei Zeiträume: Zeitraum A (1988-1992, 370 Autopsiefälle); Zeitraum B (1993-1997, 413 Autopsiefälle) und Zeitraum C (1998-2000, 328 Autopsiefälle)

Organsystem

Zeitraum A

(1988-92)

Zeitraum B

(1993-97)

Zeitraum C

(1998-2000)

 

n

%

n

%

n

%

n

%

Zentrales Nervensystem

419

30

168

41

159

27

92

23

Kardiovaskuläres System

299

21

66

16

135

23

98

25

Urogenitaltrakt

201

14

62

15

88

15

51

13

Skelettsystem

127

9

33

8

53

9

41

10

Gastrointestinaltrakt

116

8

29

7

53

9

34

9

Respirationstrakt

90

8

16

4

41

7

33

8

Plazenta

63

4

16

4

24

4

23

6

Weitere

79

6

20

5

35

6

24

6

Total

1394

100

410

100

588

100

396

100

4.2. Vergleich pränataler und autoptischer Diagnostik

Von insgesamt 105 ausgewerteten Autopsiefällen aus dem Jahre 2000 wurden 338 pränatale Diagnosen und 47 pränatale Verdachtsdiagnosen mit den Autopsiediagnosen verglichen (Tab. 17). Dabei zeigte sich, dass in 36% identische pränatale und autoptische Diagnosen und in 19% der pränatalen Diagnosen zusätzliche autoptische Befunde (Diagnosen) vorlagen. Der Anteil an pränatal-sonographisch falsch-negativen Diagnosen betrug 22% und an falsch-positiven Diagnosen hingegen 12%. 11% der pränatal-sonographisch erhobenen Diagnosen konnten autoptisch nicht mehr verifiziert werden.

Bei 5 Fällen war die pränatale Diagnostik wegen positiver zytogenetischer Befunde bzw. bereits pränatal diagnostizierter multipler Fehlbildungen inkomplett. In diesen Fällen wurden die autoptischen Diagnosen der pränatal nicht untersuchten Organe nicht ausgewertet.

Tab. 17: Ergebnis des Vergleichs autoptischer Diagnosen mit pränatalen Diagnosen und Verdachtsdiagnosen

Ergebnis des Vergleichs

Anzahl der pränatalen und
autoptischen Diagnosen (%)

Anzahl der pränatalen Verdachtsdiagnosen
und autoptischen Diagnosen (%)

Identisch (id)

121 (36%)

18 (26%)

Zusätzliche Diagnosen (idz)

64 (19%)

10 (21%)

Falsch-positiv (f-p)

42 (12%)

14 (30%)

Falsch-negativ (f-n)

75 (22%)

1 (2%)

Nicht verifizierbar (nv)

36 (11%)

4 (9%)

Total

338 (100%)

47 (100%)

Zieht man von den insgesamt betrachteten 338 pränatalen und autoptischen Diagnosen die 121 [Seite 40↓]identischen Diagnosen ab, so erhält man 217 divergente Diagnosen. In Analogie ergeben sich bei den 47 pränatalen Verdachtsdiagnosen durch Abzug der identischen 18 pränatalen Verdachtsdiagnosen und autoptischen Diagnosen 29 divergente Verdachtsdiagnosen und autoptische Diagnosen. Für diese wurden die Fehlerursachen entsprechend der in Material und Methode definierten Kategorien (s. 3.3) ausgewertet. Dabei zeigte sich, dass bei dem überwiegenden Anteil der zusätzlichen, falsch-positiven und falsch-negativen pränatalen Diagnosen die Ursachen auf physikalisch bedingte Grenzen der Erkennbarkeit bzw. Probleme der prinzipiellen Sichtbarkeit zurückzuführen sind (Tab. 18). Im Gegensatz dazu waren die Fehlerursachen der autoptisch nicht verifizierbaren pränatalen Diagnosen hauptsächlich ablauf- bzw. lagerungsbedingt (Kategorien III.3, III.4).

Tab. 18: Ergebnis des Vergleichs der pränataler und autoptischer Diagnosen (in Klammern pränatale Verdachtsdiagnosen) in Anhängigkeit von den Fehlerursachenkategorien

Fehlerursachen

Ergebnis des Vergleichs
(in Klammern Verdachtsdiagnosen)

Kategorie

Kurzbezeichnung

idz

f-p

f-n

nv

I.1

Fachspezifische Befunddefinitionen

1

6

  

7

II.2

Erkennbarkeitsgrenzen

45 (8)

23 (11)

46 (1)

 

114 (20)

III.2

SSW-abhängige Befunddarstellbarkeit

11

9 (2)

18

 

38 (2)

III.3

Form der Schwangerschaftsbeendigung

   

8

8

III.4

Zeit- und lagerungsbedingte Folgen

   

28 (4)

28 (4)

IV.1

Maternale Adipositas

7 (2)

3 (1)

8

 

18 (3)

IV.2

Fetaler Fruchtwassermangel

 

1

3

 

4

Total

64 (10)

42 (14)

75 (1)

36 (4)

217 (29)

Für den Vergleich im Rahmen der vorliegenden retrospektiven Studie (Tab. 17 und Tab. 18) mußte ein Teil der Fehlerursachen (Kategorien I.2-I.4, II.1, II.3, III.1, IV.3-IV.4, V.2-V.3) nicht herangezogen werden. Bei einigen Faktoren handelt es sich um allgemeine fachspezifische und technische Aussagen (I.2-I.4 und II.1, s. 3.3). Qualität und Einstellung der eingesetzten Technik waren optimal (II.3; s. Tab. 6). Die Zeitdifferenz zwischen prä- und postmortaler Untersuchung war fast zu vernachlässigen (III.1, s.3.3), da nach Stellen der Abbruchdiagnose der induzierte Abort meist bereits nach wenigen Tagen erfolgte. Die ungünstige Lage des Fetus spielte für das Stellen der Abbruchdiagnose keine Rolle, da so lange geschallt wurde, bis die Befunde sichtbar waren (IV.4). Die Vertrautheit mit dem technischen System wurde vorausgesetzt (V.2, V.3). Feten mit intrauteriner Wachstumsretardierung wurden in der Studie nicht verglichen (IV.3; s. 3.3 Ausschlusskriterien).

Die häufigstenfalsch-negativen Diagnosen betrafen das Urogenitalsystem, das Skelettsystem und das respiratorische System (Tab. 19). Dabei ist festzustellen, dass die pränatal-sonographische Diagnostik einer Lungenhypoplasie generell und insbesondere in sehr frühen Schwangerschaftswochen noch ausgesprochen problematisch ist (Achrion et al. 1998, Chaoui et al. 1999).


[Seite 41↓]

Tab. 19: Anzahl der falsch-negativen pränatalen Diagnosen und ihre Fehlerursachen

Organsystem

Autopsiediagnosen

Zahl

Fehlerursachen
Kurzbezeichnung (Kategorie)

Zentrales Nervensystem

Mikrophthalmie

Mikrozephalus

Dolichozephalus

Anophthalmie

3

2

1

1

Erkennbarkeitsgrenzen (II.2), SSW-abh.Befunddarstellbarkeit (III.2)

SSW-abh. Befunddarstellbarkeit (III.2), fetaler FW-Mangel (IV.2)

SSW-abh. Befunddarstellbarkeit (III.2)

Erkennbarkeitsgrenzen (II.2)

Kardiovaskuläres System

Ventrikelseptumdefekt

A. lusoria

Ductus arteriosus-Agenesie

Mitralklappenhypoplasie

Aortenisthmusstenose

3

1

1

1

1

Erkennbarkeitsgrenzen (II.2), maternale Adipositas (IV.1)

Erkennbarkeitsgrenzen (II.2)

Erkennbarkeitsgrenzen (II.2)

Erkennbarkeitsgrenzen (II.2)

Erkennbarkeitsgrenzen (II.2)

Respirator.System

Lungenhypoplasie

9

Erkennbarkeitsgrenze (II.2), maternale Adipositas (IV.1)

Gastrointestinales System

Analatresie

Dünndarmatresie

Zystische Pankreasdysplasie

Ösophagusatresie

2

1

1

1

Erkennbarkeitsgrenzen (II.2)

maternale Adipositas (IV.1)

Erkennbarkeitsgrenzen (II.2)

Erkennbarkeitsgrenzen (II.2)

Urogenitalsystem

Hufeisenniere,

Nierenagenesie/ ­hypoplasie

Beckenniere/ Doppelniere, Harnblasenhypoplasie,

Urethrahypoplasie/ ­agenesie

Multizyst. Nierendysplasie

Hydronephrose,

Ureterhypoplasie

Uterushypoplasie

Agenesie äußeres Genitale

4

2/2

2/1

2

2/2

1

1

1

1

1

Erkennbarkeitsgrenzen (II.2)

fetaler FW-Mangel (IV.2)/ Erkennbarkeitsgrenzen (II.2)

Erkennbarkeitsgrenzen (II.2)

Erkennbarkeitsgrenzen (II.2)

Erkennbarkeitsgrenzen (II.2)

Erkennbarkeitsgrenzen (II.2)

Erkennbarkeitsgrenzen (II.2)

Erkennbarkeitsgrenzen (II.2)

Erkennbarkeitsgrenzen (II.2)

Erkennbarkeitsgrenzen (II.2)

Skelettsystem

Hypoplasie untere Extremität

Skoliose/ Brachydactylie

Clavicula-/ Ulnahypoplasie

Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte

Postaxiale Hexadactylie

Beckenfehlbildung/ Klumpfuß

Syndactylie/ Kamptodactylie

Aplasie 12. Rippe

4

2/2

1/1

1

1

1/1

1/1

1

Erkennbarkeitsgrenzen (II.2), SSW-abh.Befunddarstellbarkeit (III.2)

Erkennbarkeitsgrenzen (II.2)

SSW-abhängige Befunddarstellbarkeit (III.2)

Erkennbarkeitsgrenze (II.2)

Erkennbarkeitsgrenze (II.2)

Erkennbarkeitsgrenze (II.2)/ fetaler FW-Mangel (IV.2)

Erkennbarkeitsgrenze (II.2)

fetaler Fruchtwassermangel (IV.2)

weitere

Gaumenspalte,

Thymushypoplasie,

Zwerchfelldefekt,

Situs inversus totalis

4

2

1

1

Erkennbarkeitsgrenze (II.2)

Erkennbarkeitsgrenze (II.2)

SSW-abh. Befunddarstellbarkeit (III.2)

Erkennbarkeitsgrenze (II.2)

Total

N=75

 

Abkürzungen: FW-Fruchtwasser, SSW-Schwangerschaftswoche


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Die häufigsten falsch-positiven Diagnosen waren im Bereich des kardiovaskulären Systems, des Urogenitalsystems und des zentralen Nervensystems nachzuweisen (Tab. 20). Im Bereich des kardiovaskulären Systems handelt es sich dabei in erster Linie um Herzscheidewanddefekte von Feten aus sehr frühen Schwangerschaftswochen (13.-19. Schwangerschaftswoche) bei eingeschränkter Diagnostik aufgrund physikalisch bedingter Grenzen bei der prinzipiellen Sichtbarkeit. Die letzten sonographischen Diagnosen erfolgten durchschnittlich 4-5 Tage vor dem Zeitpunkt der Schwangerschaftsbeendigung. Die Autopsie wurde durchschnittlich 2-3 Tage später durchgeführt.

Tab. 20: Anzahl der falsch-positiven pränatalen Diagnosen und ihre Fehlerursachen

Organsystem

Pränatale Diagnosen

Zahl

Fehlerursachen
Kurzbezeichnung (Kategorie)

Zentrales Nervensystem

Kleinhirnwurmagenesie

Holoprosenzephalie

Enzephalozele

Inienzephalus

2

1

1

1

Erkennbarkeitsgrenzen (II.2)

SSW-abh. Befunddarstellbarkeit (III.2)

SSW-abh. Befunddarstellbarkeit (III.2)

SSW-abh. Befunddarstellbarkeit (III.2)

Kardiovaskuläres System

VSD

AVSD

Rechter Aortenbogen

TAC

DORV

9

2

1

1

1

Erkennbarkeitsgrenzen (II.2), III.2, IV.1

SSW-abh. Befunddarstellbarkeit (III.2)

Maternale Adipositas (IV.1)

Erkennbarkeitsgrenzen (II.2)

SSW-abh. Befunddarstellbarkeit (III.2)

Respiratorisches System

Lungenhypoplasie

4

Erkennbarkeitsgrenzen (II.2)

Gastrointestinales System

Darmduplikatur

1

Erkennbarkeitsgrenzen (II.2)

Urogenitalsystem

Polyzyst. Nierendysplasie

Nierenagenesie

Multizyst. Nierendysplasie

Nierenhypoplasie

3

2

1

1

Fachspezifische Befunddefinition (I.1)

Fetaler Fruchtwassermangel (IV.2), II.2

Erkennbarkeitsgrenzen (II.2)

Fetaler FW-Mangel (IV.2)

Skelettsystem

Klumpfuß

Lordose LWS

2

1

Erkennbarkeitsgrenzen (II.2)

SSW-abh. Befunddarstellbarkeit (III.2)

Plazenta

Blasenmole

3

Fachspezifische Befunddefinition (I.1)

weitere

Thymushypoplasie

Mesenterialzyste

Thymusaplasie

2

2

1

Erkennbarkeitsgrenzen (II.2)

SSW-abh. Befunddarstellbarkeit (III.2)

SSW-abh. Befunddarstellbarkeit (III.2)

Total

N=42

 

Abkürzungen: FW-Fruchtwasser, SSW-Schwangerschaftswoche

Die häufigsten pränatal-sonographischen Diagnosen, die pathologisch-anatomisch nicht mehr verifizierbar waren, betrafen vor allem das zentrale Nervensystem, wobei dies am häufigsten auf zeit- und lagerungsbedingte Faktoren zurückzuführen war.

An einem Fallbeispiel eines Fetus mit reno-hepato-pankreatischer Dysplasie und Situs inversus totalis soll gezeigt werden, wie relevant die Autopsie zur Diagnostik komplexer Fehlbildungsmuster sein kann (Tab. 21).


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Tab. 21: Pränatal-sonographische und pathologisch-anatomische Diagnosen eines Fetus aus der 21. Schwangerschaftswoche, Z.n. vorzeitiger Schwangerschaftsbeendigung

Pränatal­sonographische Diagnosen
(in Klammern Verdachtsdiagnosen)

Autoptische Diagnosen

Ergebnis des Vergleichs

Fehlerursachen Kurz­bezeichnung (Kategorie)

(Zystische Nierendysplasie beidseits)

Diffuse multizystische Nierendysplasie beidseits

Identisch

 

(Lungenhypoplasie)

Sekundäre Lungenhypoplasie

Identisch

 

(Mitralklappendysplasie)

Mitralklappendysplasie

Identisch

 

Kritische Aortenklappenstenose

Aortenklappenstenose

Identisch

 
 

Beginnende Endokardfibroelastose

Falsch-negativ

Erkennbarkeitsgrenze (II.2)

Situs inversus totalis

Falsch-negativ

Erkennbarkeitsgrenze (II.2)

Dextropositio cordis

Falsch-negativ

Erkennbarkeitsgrenze (II.2)

Zystische Pankreasdysplasie, Gallengangsmikrozysten, Portalfeldfibrose

Falsch-negativ

Erkennbarkeitsgrenze (II.2)

Zweigelappte Milz

Falsch-negativ

Erkennbarkeitsgrenze (II.2)

Reno-hepato-pankreatische Dysplasie/

Ivemark-Syndrom

  

Trotz hochspezialisierter pränatal-sonographischer Technik mit der Diagnostik multipler und detaillierter Fehlbildungen, kann es in Einzelfällen problematisch sein, spezielle Fehlbildungen zu erkennen, z.B. einen Situs inversus totalis (Abb. 20a-d).

Abb. 20: Vergleich pränatal-sonographischer und autoptischer Befunde, 21. SSW.
a: Pränatal-sonographischer Befund einer multizystischen Nierendysplasie beidseits, B-Bild.
b: Autoptische Bestätigung der multizystischen Nierendysplasie beidseits.
c: Thoraxsitus, Ansicht von kaudal, pränatal-sonographisch vermutete Sinistropositio cordis mit links liegender Aorta descendens, B-Bild.
d: Thorakaler Situs bei Situs inversus totalis mit Dextropositio cordis und rechtem Aortenbogen.


[Seite 44↓]

4.3. Aktueller Stand der Standardisierung von Autopsieprotokollen

4.3.1. Internationale Richtlinien

In den internationalen Richtlinien wird übereinstimmend darauf hingewiesen, dass die Autopsie von Feten bzw. perinatalen Todesfällen sowohl der Qualitätskontrolle der pränatalen Diagnostik bzw. Klinik dient als auch für eine genaue Fehlbildungsanalyse eine Voraussetzung darstellt. Zur adäquaten Wahl der Autopsietechnik finden sich in den internationalen Richtlinien der letzten Jahre Angaben (Tab. 22).

Tab. 22: Einschätzung der internationalen Richtlinien anhand der Kriterien des modernen Anforderungsspektrums an die Autopsie von Feten

Kriterien des Anforderungsspektrums

Royal College of Pathologists (1993)

National Advisory Board for CESDI (1993)

SPP­Vorschlag (1994)

Valdés­Dapena/ Kalousek/Huff (1997)

Kalousek / Wilson (1998)

Sheaff / Hopster (2001)

A

Adäquate Wahl der Autopsietechnik

*

*

*

+

+

+

B

Qualitätskontrolle der pränatalen Diagnostik

+

+

+

+

+

+

C

Systematische Fehlbildungsanalyse

+

+

+

+

+

+

D

Korrespondierende Befunddarstellung (pränatal-postmortal)

*

*

*

*

*

*

E

Elektronische Befund- und Bilddokumentation

+

+

+

*

*

+

F

Einheitliche Nomenklatur der Diagnosen

+

+

+

+

+

+

G

Materialasservierung

*

*

*

*

*

*

Abkürzungen: CESDI-Confidential Enquiry into Stillbirths and Deaths in Infancy, SPP- Society of Pediatric Pathology
+ berücksichtigt, * keine Angaben


[Seite 45↓]

Detaillierte Angaben zu Geräten und Instrumenten am Autopsiearbeitsplatz werden von Valdés-Dapena, Kalousek und Huff (1997) gemacht. Auf das Problem der korrespondierenden Befunddarstellung (pränatal-postmortal) weist explizid nur das Royal College of Pathologists (1993) hin.Über die Möglichkeit einer elektronischen Befund- und Bilddokumentation finden sich nur in den Richtlinien der Society of Pediatric Pathology (1994) Angaben. Die einheitliche Nomenklatur der Diagnosen wird in allen angegebenen internationalen Richtlinien diskutiert. In den Richtlinien finden sich genaue Angaben zur Asservierung von Organmaterial im Rahmen der Routine- und erweiterten Diagnostik. Spezielle Hinweise für eine langfristige und systematische Materialasservierung für spätere molekularzytogenetische Untersuchungen liegen nicht vor.

Nach den Richtlinien des Royal College of Pathologists (1993) sollte der Autopsiebericht als einfacher Standard in einem befundabhängigen flexiblen Format vorliegen und in elektronischer Form erstellt werden, falls das in dem entsprechendem Institut für Pathologie technisch möglich ist. Neben einer Qualitätskontrolle der pränatalen Diagnostik und einer systematischen Fehlbildungsanalyse, sollte eine einheitliche Nomenklatur der Hauptbefunde zur Kodierung erfolgen. Auf die Bedeutung der Zeitdauer der Erstellung des Autopsieberichtes wird detailliert hingewiesen. So sollte bereits nach 48 Stunden ein Erstbefund , nach 2-3 Wochen der Abschlussbericht und nach 4-6 Wochen einschließlich des neuropathologischen Befundes vorliegen.

Das von der Society of Pediatric Pathology (1994) vorgeschlagene Modell eines perinatalen Autopsieprotokolls beeinhaltet Vorschläge zur einheitlichen Durchführung von Autopsien von Feten und perinatalen Todesfällen. Ziel dieses Vorschlages ist, mit Hilfe eines Standardformates und unter Anwendung einer für die Kinderpathologie anerkannten Sektionsmethode (z.B. “Perinatal autopsy manual” von Valdés-Dapena und Huff, 1983) eine systematische Abklärung aller relevanten Befunde und deren Dokumentation, auch ausserhalb des Rahmens der Routine für Klinik, Lehre und Forschung.

Auf die Einbeziehung der genetischen Befunde, des postmortalen Radiogramms und des Plazentabefundes in den Autopsiebericht, weisen Valdés-Dapena, Kalousek und Huff (1997) hin.

Kalousek und Wilson (1998) weist besonders auf die Bedeutung der Pränatalbefunde unter Einbeziehung der Familienanamnese, mütterlicher Erkrankungen, spezieller Erkrankungen während der Schwangerschaft und der Laborparameter für die Autopsie hin. Weiterhin sollte der Zuschnitt der Plazenta und die Obduktion des Fetus am unfixierten Material wegen zytogenetischer, mikrobiologischer und biochemischer Untersuchungen erfolgen. Außerdem sollte der Transportweg des Materials unter Einhaltung der Kühlkette von kurzer Zeitdauer sein.

Shaff und Hopster (2001) gliedern in ihrem Handbuch über die postmortale Technik die Autopsie in Planung (einschließlich Anamnese der Patientin), Durchführung, Diskussion der postmortalen Befunde einschließlich des Plazentabefundes und Abschluss der Autopsie. Ein spezielles Vorgehen bei der Autopsie entsprechend dem Erhaltungszustand, dem Alter und der möglich vorliegenden Fehlbildungen des Fetus bzw. Totgeborenen wird anhand eines Entscheidungsschemas vorgeschlagen. Bei Feten mit einem Körpergewicht < 25 g wird eine longitudinale Sektionsmethode empfohlen.

Generell wird in den internationalen Richtlinien für die Autopsie von Feten bzw. perinatalen Todesfällen darauf hingewiesen, dass die Autopsien von einem erfahrenen Kinderpathologen, einem Pathologen mit Kompetenz auf dem Gebiet der Kinderpathologie oder unter Anleitung eines solchen Kollegen durchgeführt werden sollten.

4.3.2. Autopsieprotokolle deutscher Universitätsinstitute

Die Autopsieprotokolle weisen erhebliche Unterschiede hinsichtlich ihrer Form und Ausführlichkeit auf. Die Kriterien „Adäquate Wahl der Autopsietechnik“ (A) und „Materialasservierung“ (G) wurden nicht ausgewertet (s. 3.2).

Qualitätskontrolle der pränatalen Diagnostik (B)

Die Kenntnis bzw. Integration klinischer Befunde hat erhebliche Bedeutung für die gezielte, klinisch relevante Obduktion und Darstellung der postmortalen Befunde.

Es fanden sich 7 Protokolle ohne klinische Angaben, 6 Protokolle mit Angabe der klinischen Diagnose und 8 Protokolle mit ausführlichen klinischen Informationen (Anamnese, detaillierte Befunde).

Darüber hinaus wurden in erster Linie anamnestische Angaben zum Schwangerschaftsverlauf und zu Vorerkrankungen der Mutter dargestellt.

Systematische Fehlbildungsanalyse (C)

Durch die Autopsie wird geklärt, ob eine Fehlbildung isoliert vorliegt oder ein Teilsymptom multipler [Seite 46↓]Fehlbildungen ist.

Die Einordnung pathologischer Autopsiebefunde im Rahmen der fetalen Entwicklung hat für die pränatale Diagnostik und Differentialdiagnostik insofern Bedeutung, als somit pränatale Diagnosen bzw. Differentialdiagnosen retrospektiv neu eingeordnet werden können.

Eine mögliche Form der Darstellung dieses Zusammenhangs fand sich nur in einem Autopsieprotokollmuster. Hier wurden die klinisch-pathologischen den morphologischen Korrelaten zugeordnet.

Korrespondierende Befunddarstellung (D)

Wie bereits dargelegt wurde, ist für die klinische Relevanz der fetalpathologischen Dokumentation die Gegenüberstellung der interdisziplinären Befunde wichtig. In den meisten der untersuchten Protokolle ist die Gegenüberstellung von Befunden schon aufgrund ungenügender klinischer und anamnestischer Angaben nicht möglich.

Lediglich anhand pränataler Diagnosen, die in 14 Protokollen dokumentiert wurden, d.h. in 2/3 aller ausgewerteten Protokolle ist ein Vergleich mit den Befunden der Autopsie möglich (und in 3 Protokollen realisiert).

Eine solche Gegenüberstellung wird an einem Fallbeispiel des eigenen Untersuchungsmaterials veranschaulicht (s. 4.2, Abb. 20). Dabei ist anzumerken, dass die pathologischen Diagnosen neben der Bestätigung oder Nichtbestätigung der klinischen Diagnosen in vielen Fällen eine Präzisierung dieser Befunde darstellen, die für die sonographische Feindiagnostik und Aussage bei der Elternberatung von erheblicher Bedeutung sein können.

Neben dem Befund- und Diagnosenvergleich sind insbesondere fetale Maße und Gewichte durch die Fetalautopsie objektivierbar. Folgende interdisziplinär erhobenen biometrischen Werte sind vergleichbar (Anzahl dokumentierter Vergleiche in der Klammer):

Eine vergleichende Darstellung pränataler und postmortaler Messwerte ist in keinem der ausgewerteten Protokolle realisiert wurden. Es wurden keine pränatal erhobenen Maßzahlen in die Autopsiedokumentation aufgenommen. Der Vergleich mit altersentsprechenden Normwerten erfolgte nur in drei Protokollen.

Elektronische Befund- und Bilddokumentation (E)

In nur einem Fall wurde eine Datenbank zur Autopsiebefunddokumentation verwendet (Charité, Berlin). In den meisten Fällen (Tab. 23) wird die Struktur durch die Verwendung von Befunderfassungsbögen vorgegeben.

Tab. 23: Art und Weise der Befunderfassung

Art der Befunderfassung

Anzahl der Protokolle

Verwendung von Befunderfassungsbögen

14

Verwendung von Datenbanken

1

Keine Textvorgaben, aber einheitliche Strukturierung

6

Die Bilddokumentation erfolgte in den Protokollen fast ausschließlich in Form von Fotografien makroskopischer Befunde. Fetogramme und Karyogramme wurden in keinem Autopsieprotokoll aufgenommen. Es fanden sich jedoch in 4 Fällen Angaben über die Anfertigung entsprechender Befunde. Mikroskopische Bilder fanden sich ebenfalls in keinem Protokoll.

Hinsichtlich der Integration von Bildern konnte folgendes festgestellt werden:

Historisch bedingt werden Autopsiebilder bevorzugt im Anhang dokumentiert.


[Seite 47↓]

Bilder pränatal-diagnostischer Untersuchungen waren in keinem der untersuchten Protokolle vorhanden. Voraussetzung hierfür wäre die Zugriffsmöglichkeit auf das entsprechende Bildarchiv.

Einheitliche Nomenklatur der Diagnosen (F)

Die Mehrzahl der untersuchten Autopsieprotokolle (57%) basiert auf standardisierten Erfassungsbögen. Die Vorgabe von alternativen Befunden, zwischen denen durch Markierung eine Zuordnung (Auswahl) getroffen werden muss, entspricht auch einer terminologischen Standardisierung. Allerdings lag diesen institutsinternen Standards kein anerkannter Standard zu Grunde. Erst durch konsequente Verwendung eines solchen Systems (z..B. SNOMED) könnten direkte statistische Auswertungen vorgenommen werden.

Die in den Protokollen verwendete Terminologie entsprach inhaltlich bereits im Wesentlichen derartigen Schlüsselsystemen, auch wenn dies nicht explizit ausgewiesen wurde. So orientierte sich beispielsweise die Bezeichnung der anatomischen Strukturen überwiegend an der Pariser Nomina Anatomica von 1955. Die Bezeichnung pathologischer Untersuchungsbefunde ist durch die gesetzliche Codierungspflicht durch den ICD 10 vereinheitlicht, wobei die Codierung für angeborene Fehlbildungen, Deformitäten und Chromosomenanomalien z.T. unbrauchbar ist.

4.4. Anforderungskatalog an die Autopsie von Feten

Aus den klinischen Forderungen an die Autopsie eines Fetus lassen sich allgemeine Anforderungen an die Methodik der Autopsie und ihre Dokumentation ableiten, die nachfolgend in einem Anforderungskatalog zusammengestellt werden sollen.

Der Anforderungskatalog wird in Voraussetzungen, Autopsieplanung, -durchführung und Dokumentation gegliedert. Kursiv geschrieben sind die im Rahmen der vorliegenden Arbeit abgeleiteten Anforderungen, während die übrigen Anforderungen den gegenwärtigen Stand in der nationalen und internationalen Literatur repräsentieren.

Voraussetzungen

Autopsieplanung entsprechend pränataler Befunde

Durchführung einer gezielten Autopsie des Fetus

Elektronische Dokumentation im abschließenden Autopsiebericht

Bereitstellung des Autopsieberichtes/ Falldiskussion mit Klinikern

Der elektronische Autopsiebericht sollte allen beteiligten Ärzten so schnell wie möglich elektronisch zur Verfügung stehen. Im Zentrum der Diskussion sollte die Fehleranalyse bei diskrepanten Befunden stehen (Qualitätssicherung). Hierfür ist die gemeinsame Kategorisierung der Fehler (s. 3.3) anzustreben.

4.5. Strategien bei der Sektion von Feten

4.5.1. Feten mit spezieller Fragestellung

Vorschlag des Untersuchungsganges

Für eine Autopsie von Feten mit spezieller Fragestellung wird zur Entscheidungshilfe folgendes schrittweises Vorgehen vorgeschlagen (Abb. 21):

  1. Vor Beginn der Autopsie: Information über interdisziplinäre Befunde;
  2. Untersuchung der Plazenta: als Standard oder gezielt bei Zwillings- bzw. Mehrlingsschwangerschaft (Vogel 1996);
  3. Autopsie des Fetus: als Standardautopsie nach internationalen Richtlinien (SPP 1994)bei Feten ohne pränatal erkennbare Erkrankung und als gezielte Autopsie bei Fehlbildungen, Infektionen, Stoffwechselerkrankungen oder Tumoren.

Abb. 21: Autopsiestrategie für Feten/ Plazentauntersuchung
* Vogel 1996
** SPP 1994

Bei Verdacht auf multiple Fehlbildungen des Fetus (z.B. syndromale Erkrankung, Disruption, Chromosomopathie, Sequenz, Entwicklungsfelddefekt) ist es erforderlich, natives Material (z.B. [Seite 49↓]Fibroblasten, Knorpelzellen) für eine zytogenetische Untersuchung zu entnehmen (Abb. 22). Am bereits formalinfixierten Material lässt sich eine In-situ-Hybridisierung oder DNA-Zytometrie durchführen.

Zur Abklärung einer intrauterinen Infektion (bakteriell, viral, mykotisch), können die Erreger an nativem Material (Körperflüssigkeiten oder Gewebe) in der Kultur oder z.T. an formalinfixiertem Material mittels Immunhistologie oder PCR nachgewiesen werden.

Für die Diagnostik von Stoffwechselerkrankungen müssen Gewebeproben des Fetus zur Durchführung entsprechender biochemischer Untersuchungen schockgefroren werden.

Bei pränataler Diagnose eines Tumors (im Rahmen einer syndromalen Erkrankung), sollte natives Tumormaterial für eine molekularpathologische Untersuchung zur Abklärung einer möglichen genetischen Aberration schockgefroren werden.

Abb. 22: Befundabhängige Materialentnahme/ -asservierung (Fetus/ Plazenta)

ein befundabhängiges Vorgehen bei der Autopsie empfohlen (Abb. 23). Dabei ist es notwendig, bestimmte Veränderungen bereits in situ, vor der Organentnahme abzuklären.

Bei Fehlbildungen des zentralen Nervensystems, wie Hydrozephalus, Anenzephalus, Fehlbildungen des IV. Ventrikels oder Myelomeningozelen ist primär eine unterschiedliche Vorgehensweise in situ erforderlich: z.B. beim Hydrozephalus: Vorfixieren des Gehirns mit Formalininjektion durch die Fontanellen in die Ventrikel, beim Anenzephalus: komplette Entnahme und Einbettung der Area cerebrovasculosa, bei Fehlbildungen des IV. Ventrikels: Eröffnung der Halswirbelsäule und des Os occipitale von dorsal und bei einer Myelomeningozele : ovaläre Sektion der Zele mit proximalem und distalem Segment.

Beim diagnostischen Vorgehen am kardiovaskulären System ist es erforderlich, in situ eine atypische Herzposition sowie Herzfehler mit/ ohne pathologische Gefäßabgänge/-einmündungen und /-verläufe zu beurteilen. Die eigentliche Herzsektion, z.B. als Segmentanalyse nach Anderson, läßt sich sowohl in situ als auch am entnommenen Herz-Lungenpaket durchführen. Eine Herz/Gefäßsektion unter dem Stereomikroskop sollte ggf. bei Feten und grundsätzlich bei Embryonen durchgeführt werden. Bei sehr detaillierten Diagnosen (z.B. dem Nachweis einer ventrikulokoronaren Kommunikation) sollte das pathologische Segment, ggf. eine komplette Einbettung des Herzens mit anschließender Aufarbeitung in Serienschnitten erfolgen (Tennstedt et al. 2000a).

Bei Fehlbildungen im Bereich des Respirationstraktes, wie z.B. der Lungengewebesequestration müssen die Hals- und Thoraxorgane einschließlich der zu- und abfließenden Gefäße in situ präpariert werden. Dabei sollte besonders auf Äste aus der Aorta und zu den großen Venen geachtet werden. Nach Entnahme der Lungen lassen sich Lungenzysten/ eine zystische adenomatoide Malformation, [Seite 50↓]eine Lungenhypoplasie oder Larynxatresie gut beurteilen. Zur Abklärung zystischer Lungenveränderungen werden für Lokalisation und Ausdehnung Frontalschnitte beider Lungenflügel angefertigt und zur Typisierung der Erkrankung die Größe der Zysten bestimmt und Parallelschnitte für die Histologie entnommen. Für die Diagnose einer Lungenhypoplasie ist nach der Messung der Lungengewichte die Bestimmung des Lungen-Körpergewichts-Quotienten unerlässlich. Beim Vorliegen einer Larynxatresie sollte das entsprechende Larynxsegment quer eingebettet und aufgestuft werden.

In situ lassen sich im Bereich des Gastrointestinaltraktes Rotationsstörungen, Darmatresie/ Analatresie und Kloakenfehlbildung beurteilen. Bei einer Darmatresie erfolgt die Bestimmung der Lokalisation und dazugehörigen Gefäßversorgung. Für die mikroskopische Untersuchung sollte ein Gewebeblock aus atretischem Segment mit proximalem und distalem Übergang, bei einer Analatresie das atretische Segment mit proximalem Übergang aufgearbeitet werden. Bei einer Kloakenfehlbildung empfiehlt sich nach Sondierung unter dem Stereomikroskop ggf. die Entnahme eines Gewebeblockes von Harnblase, (Uterus/ Vagina) und Rektum.

Bei Fehlbildungen der Nieren und der ableitenden Harnwege sollten in situ die Nierengrößen, die Form des Nierenbeckens und die Durchgängigkeit des Ureterabgangs sowie die zu- und abführenden Gefäße untersucht werden. Beim Vorliegen von Zystennieren müssen Zystengröße, Lokalisation sowie Rinden-Markstruktur beurteilt werden. Für die Diagnose einer Ureterabgangsstenose / oder einer - Mündungsstenose in die Harnblase bzw. einer Urethrastenose sollten erst die Lichtungen sondiert werden (cave: Vasa aberrantia abklären), anschließend wird das Einbetten eines Gewebeblocks mit subpelvinem Ureterabgang oder -einmündung in die Harnblase oder bei einer Urethrastenose eines Gewebeblocks mit Urethra, Symphyse und angrenzenden Schambeinen und bei einer Prune-belly-Sequenz eines Gewebeblocks mit Harnblasenwand, Bauchdecke und Rückenmarksegment für die mikroskopische Untersuchung empfohlen.

Bei Verdacht auf eine Skelett dysplasie bei der Autopsie, sollten nach Anfertigung eines gezielten postmortalen Radiogramms, Femur, Rippe und ein befallener langer Röhrenknochen mit Ossifikation mikroskopisch untersucht werden.

Abb. 23: Befundabhängiges Vorgehen bei Fehlbildungen des Fetus


[Seite 51↓]

4.5.2. Sektionsstrategie bei Herzfehlbildungen

Vergleich der Sektionsstrategien

Für die Diagnostik von Herzfehlbildungen können verschiedene Sektionsmethoden eingesetzt werden (s. 3.6).

Im folgenden Abschnitt wird dargestellt, worin die Unterschiede zwischen den Methoden und deren optimalen Einsatzgebieten liegen (Tab. 24).

Tab. 24: Unterschiedliche Sektionstechniken bei Herzfehlbildungen, Prinzip, Voraussetzungen und Ergebnisse

Lfd. Nr.

Methode

Prinzip

Voraussetzungen

Ergebnisse

Vorteile

Nachteile

1.

Sequenzanalyse nach Anderson

• Beurteilung der grundlegenden Segmente:
- Herzvorhöfe
- Herzkammern
- große Arterien
• und ihrer Relationen zueinander

• Herzen ca. ab 18. SSW
• Ab ca. 20 mm Herzlänge

• Einfach durchführbar
• Systematische Befundbeschreibung
• Weitgehend zerstörungsfrei

• Für Anfänger schwieriger als „Berliner Methode“

2.

„Berliner Methode“
(Modifikation der Sequenzanalyse)

• Beschreibung der Befunde konsequent in Richtung des angenommenen Blutstromes
• Zusätzlich venöses Segment

• Herzen ca. ab 18. SSW
• Ab ca. 20 mm Herzlänge

• Siehe Sequenzanalyse einfacher für „Anfänger“
• Berücksichtigung von Messdaten
• Beurteilung von Zuständen nach Eingriffen möglich

• Makroskopisch sehr kleine Befunde nicht erfassbar

3.

Sektion entsprechend der Ultraschall-Vorzugsebene

• Festlegung von Ultraschallschnittebenen, zu denen die Sektionsbefunde korrespondierend dargestellt werden sollen

• Herzen ca. ab 17. SSW
• Ab ca. 15 mm Herzlänge
• Ultraschallbefund erforderlich

• Befunddarstellung in Korrelation zum Ultraschall für Kliniker verständlicher
• Ideal für Lehr-/Weiterbildungszwecke

• Erfahrung notwendig
• Darstellung von nur einer korrelierenden Schnittebene möglich
• Weitere Befunde können zerstört werden

4.

Stereo-mikroskopische Sektion

• Sektion direkt unter dem Stereomikroskop
• Autopsiestrategie in Abhängigkeit vom pathologischen Befund

• Herzen bis ca. 18. SSW (Embryonen immer, detaillierte Befunde bei Feten)
• Bis ca. 20 mm Herzlänge

• Darstellung sehr kleiner, makroskopisch nicht mehr erfassbarer Befunde möglich

• Abh. von angewendeter Methode (Lfd.Nr. 1,2,3)

5.

Mikroskopie/ Serienschnitte

• Paraffineinbettung des gesamten Herzens
• Anfertigen von Serienschnitten

• Herzen bis ca. 14. SSW; ggf. pathologisches Segment nach 14. SSW
• Bis ca. 10 mm Herzlänge

• Darstellung sehr kleiner, stereomikroskopisch nicht mehr erfassbarer Befunde möglich

• keine systematische Befundbeschreibung
• kein dreidimensionaler Eindruck
• Präparat zerstört

Mit der Anderson’schen Segmentanalyse erfolgt eine Beurteilung der drei grundlegenden Segmente und ihrer Relation zueinander. Im Gegensatz zur Berliner Methode, bei der die Herzstrukturen in Richtung des angenommenen Blutstroms beschrieben werden, erfolgt keine Berücksichtigung von Messdaten und Zuständen, die infolge diagnostischer und therapeutischer [Seite 52↓]Eingriffe am malformierten Herzen zu erwarten sind. Bei Anwendung der speziellen Sektionstechnik nach Ultraschallbefunden mit Festlegung einer pathologisch-anatomischen Vorzugsschnittebene, kann nur eine korrelierende pathologisch-anatomische Schnittebene zum pränatalen Ultraschall präpariert werden (Abb. 24).

Abb. 24: Tricuspidalatresie mit Ventrikelseptumdefekt, 22. SSW.
A: Pränatale Ultraschallschnittebene 1 (Vierkammerblick)-Schema. RA-rechtes Atrium, LA-linkes Atrium, RV-rechter Ventrikel, LV-linker Ventrikel, Ao-Aorta.
B: Pränatale Ultraschallschnittebene 1 (Vierkammerblick)-B-Bild-Technik. VSD-Ventrikelseptumdefekt.
C: Pathologisch-anatomisches Korrelat. IVS-interventrikuläres Septum.

Die Durchführung einer speziellen Sektionstechnik mit Festlegung einer pränatal-sonographischen Vorzugsschnittebene ist aufgrund der festgelegten Schnittebenen im Ultraschall nur bei drei Ebenen (Vierkammerebene, Abgang der Aorta und des Trunkus pulmonalis) sinnvoll.

Durch Anwendung der stereomikroskopischen Sektionstechnik konnten im eigenen Untersuchungsmaterial bei kleinen Herzen detaillierte Befunde dargestellt werden. So gelang z.B. die Darstellung einer ventrikulo-koronaren Kommunikation zwischen rechtem Ventrikel und einem Ast der rechten Koronararterie mit Pulmonalklappenatresie bei intaktem interventrikulärem Septum bei einem Fetus aus der 17. Schwangerschaftswoche (Abb. 25).

Abb. 25: Ventrikulokoronare Kommunikation (VCC) zwischen einem Ast der rechten Koronararterie und dem rechten Ventrikel, 17. SSW. Stereomikroskop

Abb. 26: Ventrikulokoronare Kommunikation zwischen dem rechten Ventrikel und der rechten Koronararterie, 14. SSW. Farbdoppler-Ultraschall. V-C-Fistula- ventrikulokoronare Fistel

Bei sehr kleinen Herzen aus frühen Schwangerschaftswochen (bis ca. 14. SSW) sind pathologische Befunde, die pränatal-sonographisch erhoben wurden, z.T. makroskopisch nicht mehr darstellbar, so dass der Pathologe die Diagnose nur noch anhand der Ergebnisse der mikroskopischen Sektion stellen kann. Das lässt sich am folgenden Fall einer ventrikulo-koronaren Kommunikation zwischen dem rechtem Ventrikel und der rechten Koronararterie mit Pulmonalstenose bei Dysplasie der Valva pulmonalis und intaktem interventrikulärem Septum (14. SSW) darstellen (Abb. 26).


[Seite 53↓]

Makroskopisch konnte ein regelrecht im Thorax lokalisiertes und altersentsprechend großes Herz mit regelrechten Abgängen der großen Gefäße dargestellt werden (Abb. 27). Aorta und Trunkus pulmonalis wiesen identische Durchmesser auf (jeweils 3 mm).

Abb. 27: Fetales Herz mit einer Länge von 1,5 cm, 14. SSW. Aorta und Trunkus pulmonalis mit regelrechten Durchmessern, je 3 mm. Stereomikroskopische Aufnahme. AO-Aorta, TP-Truncus pulmonalis

Abb. 28: Ventriulokoronare Kommunikation (VCC). Primitiver Gefäßkanal im rechten Ventrikel (HE, Vergr. 10:100)

Die histologische Aufarbeitung zeigte ein spongiöses Myokard mit einem primitiven Gefäßkanal im rechten Ventrikel (Abb. 28) als morphologisches Korrelat für die im pränatalen Ultraschall angegebene ventrikulokoronare Kommunikation. Die Valva pulmonalis zeigte drei dysplastische Taschenklappen.

Optimale Wahl der Sektionsstrategie

Die Durchführung einer speziellen Sektionstechnik mit Festlegung einer pathologisch-anatomischen Vorzugsschnittebene sollte nur in ausgewählten repräsentativen Fällen für die Erstellung von Lehrmaterial erfolgen. Die Methode führt zu keiner besseren Diagnostik der Herzfehlbildung und da das Herz weitgehend zerstört wird, ist ein Teil der Befunde nach der Präparation nicht mehr darstellbar.

Für die Routineobduktion von Herzfehlbildungen wird eine optimale Wahl der Sektionsstrategie in Abhängigkeit von der Schwangerschaftswoche und der Herzgröße vorgeschlagen (Abb. 29).


[Seite 54↓]

Abb. 29: Sektionsstrategien für die Routineobduktion von Herzfehlbildungen.

Diese Obduktionsstrategie muss relativiert werden, da sie einerseits einen guten Erhaltungszustand des Herzens voraussetzt, was besonders für die stereomikroskopische und mikroskopische Sektion von Bedeutung ist. Weiterhin spielt der Ausbildungsstand des Obduzenten eine Rolle, d.h. für weniger erfahrene Kollegen ist die „Berliner Methode“ einfacher durchzuführen. Die Auswahl der jeweiligen Sektionsstrategie wird nach der klinischen Fragestellung beeinflusst. D.h. z.B. die Anwendung der mikroskopischen Sektion mit der Anfertigung von Serienschnitten eines pathologischen Herzsegmentes zur Abklärung der klinischen Diagnose bzw. Verdachtsdiagnose.

4.6. Telepathologie

Die beiden Pilotstudien zur Telepathologie (Autopsiestudie-online, Herzstudie-offline) zeigen, dass es prinzipiell möglich, diagnostische Probleme telepathologisch zu lösen. Die Qualität der übertragenen Bilder stellte in den durchgeführten Studien keine Schwierigkeit dar. Bei der Präsentation der Fälle sind jedoch Probleme zu lösen, deren sich die telepathologischen Partner erst bewusst werden müssen. Dies betrifft beispielsweise die anatomisch korrekte Zuordnung und Interpretation von Detailsaufnahmen.

Die Integration des Telepathologiesystems TPS in die Arbeitsabläufe der Fetalpathologie erwies sich als problemlos, da der Zugriff auf bereits vorhandene und genutzte technische Geräte, wie PC mit angeschlossenem Makroviewer und Stereomikroskop, möglich war.

Es war eine Einarbeitung in die TPS Software notwendig. Je nach Vertrautheit mit dem PC und Vorwissen variierte diese Einarbeitungszeit. Im Durchschnitt benötigten die Pathologen bis zum relativ sicheren Umgang mit dem System etwa 2-3 Wochen, bei einem täglichen Umgang mit dem System 1 bis 2 Stunden.

4.6.1. Einfluss der Kompression auf die Bildqualität

Im folgenden Abschnitt sollen die Ergebnisse aus der Untersuchung des Einflusses der Kompression auf die Bildqualität dargestellt werden. Als Ausgangsbilder wurden Bilder mit einer Auflösung von [Seite 55↓]1200 dpi verwendet. Das ist die Auflösung, welche im Ergebnis einer Auflösungsstudie (Wehrstedt, Dissertation 2001) ohne sichtbare Qualitätseinbußen bestimmt wurde. Die Dateigröße des Ausgangsbildes vor der Kompression betrug 4,6 MB.

Ergebnisse der Kompressionsverfahren

Die Ergebnisse werden als Summations-Grafiken und als Schwellenplots dargestellt.

JPEG-Kompression

Abb. 30: Kompressionsstudie JPEG PowerPoint-Präsentation, Summationsgrafik
A: 0,5-fache Vergrößerung
B: 3,5-fache Vergrößerung

Die JPEG-Studie dauerte pro Vergrößerung mit je 10 Bildpaaren etwa 7 min. (individuelle Schwankung 4-10 min.). Die 50-Prozent-Schwelle wird laut Definition bei 1:100 in der 0,5-fachen Vergrößerung und 4 und bei 1:110 in der 3,5-fachen Vergrößerung festgelegt.

Abb. 31: Kompressionsstudie JPEG PowerPoint-Präsentation, Individuelle Schwellen
A: 0,5-fache Vergrößerung
B: 3,5-fache Vergrößerung

Die individuellen Schwellen der Pathologen liegen größtenteils am unteren Ende der Kompressionsreihe. Die Ausnahmen werden von jüngeren Pathologen gebildet. Die Teilnehmer, die das Original zu einem sehr frühen Zeitpunkt erkennen sind nicht identisch. Die individuellen Schwellen der älteren Teilnehmer sind am unteren Ende der Kompressionsreihe zu finden.


[Seite 56↓]

WAVELET-Kompression

Abb. 32: Kompressionsstudie Wavelet PowerPoint-Präsentation, Summationsgrafik
A: 0,5-fache Vergrößerung
B: 3,5-fache Vergrößerung

Die WAVELET-Studie dauerte pro Vergrößerung mit je 13 Bildpaaren etwa 10 min. (individuelle Schwankung 8-13 min.). Die 50-Prozent-Schwelle wird laut Definition bei 1:140 in der 0,5-fachen Vergrößerung, sowie bei 1:100 in der 3,5-fachen Vergrößerung festgelegt.

Abb. 33: Kompressionsstudie WAVELET PowerPoint-Präsentation, Individuelle Schwellen
A: 0,5-fache Vergrößerung
B: 3,5-fache Vergrößerung

Die individuellen Schwellen sind verteilt über die gesamte Kompressionsreihe, jedoch sind es nicht immer die gleichen Teilnehmer, die das Original sehr früh erkennen. In der 3,5-fachen Vergrößerung gibt es zwei Teilnehmer, die bei jedem Bildpaar das Original erkannt haben, deshalb sind in dieser Vergrößerung nur die individuellen Schwellen von 18 Teilnehmern enthalten. Die individuellen Schwellen der Pathologen sind größtenteils am unteren Ende der Kompressionsreihe lokalisiert. Dort liegen auch die Schwellen der älteren Teilnehmer.

Vergleich der Kompressionsverfahren

In der vorliegenden Arbeit wurden die Kompressionsverfahren JPEG und WAVELET untersucht. Dabei lag der Schwerpunkt auf der Analyse der möglichen Kompressionsraten und dem dabei resultierenden Qualitätsverlust.

Für die Untersuchung wurde ein Ausgangsbild mit einer Dateigröße von 4,6 MB verwendet. Das JPEG-Verfahren erlaubte hierbei eine maximale Kompressionsrate von 1:170 (die Dateigröße war nach der Kompression 27 kB). Das WAVELET-Verfahren hingegen konnte das Ausgangsbild maximal mit einer Kompressionsrate von 1:5750 komprimieren (die Dateigröße betrug nach dieser Kompression 1 kB). In der Abbildung 34 werden die Bilder, die mit JPEG und WAVELET maximal komprimiert wurden, gegenüber gestellt (rechtes und linkes Bild). Die Abbildung 34 b zeigt ein Bild, [Seite 57↓]welches mit dem WAVELET-Verfahren mit einer Kompressionsrate von 1:170 komprimiert wurde (die Dateigröße war nach der Kompression 27 kB). Das entspricht der maximalen Kompression bei der JPEG-Kompression.

Abb. 34 a: 0,5-fache Vergrößerung; Maximale JPEG-Kompression (1:170)
PSNR = 25,8 dB

Abb. 34 b: 0,5-fache Vergrößerung; WAVELET-Kompression (1:170)
PSNR = 39,5

Abb. 34 c: 0,5-fache Vergrößerung; Maximale WAVELET-Kompression (1:5750)
PSNR = 23,2

Es ist erkennbar, dass mit den maximal komprimierten Bildern keine Diagnostik mehr möglich ist (rechtes und linkes Bild).

Der objektive Vergleich der beiden Kompressionsverfahren erfolgt auf der Grundlage der PSNR-Werte.

Abbildung 35.a verdeutlicht die Abnahme der Qualität (Parameter ist der PSNR-Wert) mit zunehmender Kompressionsrate bei beiden Verfahren. Jedoch fällt die Kurve bei der WAVELET-Kompression nicht so steil wie bei der JPEG-Kompression. Deshalb werden bei WAVELET erst bei höheren Kompressionsfaktoren zum JPEG-Algorithmus vergleichbare PSNR-Werte erreicht (Tab. 25).

Tab. 25: Vergleich der Kompressionen von JPEG und WAVELET

PSNR

Kompressionsrate

(dB)

JPEG

WAVELET

43

1:20

1:40

40

1:50

1:110

39

1:60

1:190

32

1:140

1:1000

In der Abbildung 35 b werden die Qualitätsstufen, nach denen man komprimieren konnte, den PSNR-Werten gegenüber gestellt. Dabei wird deutlich, dass die Qualitätsstufen des JPEG-Verfahrens deutlich besser ausfallen, als die Qualitätsstufen bei der WAVELET-Kompression (Tab. 26).


[Seite 58↓]

Tab. 26: Vergleich der Kompressionsraten der Qualitätsstufen von JPEG und WAVELET

Qualitätsstufe

Kompressionsrate

 

JPEG

WAVELET

1

1:170

1:5750

10

1:140

1:4600

20

1:110

1:3833

30

1:100

1:3066

40

1:80

1:2300

50

1:70

1:1533

60

1:60

1:1150

70

1:50

1:580

80

1:40

1:190

90

1:20

1:40

100

1:5

1:1,5

Das erklärt, warum die einzelnen Qualitätsstufen bei JPEG höhere PSNR-Werte aufweisen als bei WAVELET, da bei dem WAVELET-Verfahren die Qualitätsstufen sehr viel höhere Kompressionsraten erreichen (Tab. 27).

Tab. 27: Vergleich der 50-Prozent-Schwellen bei JPEG und WAVELET mit Angabe des PSNR-Wertes

 

0,5-fache Vergrößerung

2-fache Vergrößerung

3,5-fache Vergrößerung

Kompressionsrate

PSNR

Kompressionsrate

PSNR

Kompressionsrate

PSNR

JPEG

1:100

38 dB

1:100

38 dB

1:110

36 dB

WAVELET

1:140

40 dB

1:110

40,4 dB

1:100

40,8 dB

Abbildung 23 stellt die 50-Prozent-Schwellen für die einzelnen Ebenen für JPEG und WAVELET aus der Kompressionsstudie gegenüber, dabei wird zusätzlich das objektive Bildkriterium PSNR angegeben. Es zeigt sich, dass bei JPEG niedrigere PSNR-Werte akzeptiert werden, während bei der WAVELET-Kompression gleiche Kompressionsraten erreicht werden, die aber objektiv eine höhere Qualität aufweisen.

4.6.2. Autopsiestudie zur Evaluierung der Telepathologie (online)

Mit Hilfe einer telepathologischen Anleitung des noch unerfahrenen Obduzenten im Sektionssaal durch einen erfahrenen Pathologen konnten alle 10 fetalen Sektionen schrittweise problemlos durchgeführt werden. Im Durchschnitt dauerte die Autopsie unter Nutzung des Telepathologiesystems etwa 60 min (25-110 min, s. Tab. 28). Die Anwesenheit eines Assistenten für die Bedienung der technischen Geräte war sehr hilfreich, aber nicht unbedingt notwendig. Ohne Assistenten muss man etwa mit einem 30%-igen Mehrbedarf an Zeit rechnen. Dies liegt an der Schwierigkeit, gleichzeitig zu demonstrieren und mit der Maus das System zu bedienen.


[Seite 59↓]

Tab. 28: Diagnosen und Dauer der Autopsien von Routinefällen unter Nutzung des TPS

Fall-Nr.

Diagnose

SSW

Zeit (min)

1

Schwere Wachstumsretardierung

26.

50

2

Trisomie 18

34.

70

3

Trisomie 21

23.

75

4

Spontanabort, Z.n. vorzeitigem Blasensprung

23.

30

5

Makrozephalie, Ventrikelseptumdefekt, Pulmonalklappenstenose

23.

85

6

Trisomie 18

15.

25

7

Reno-hepato-pankreatische Dysplasie/ Ivemark-Syndrom

21.

110

8

Truncus arteriosus communis (Typ I), Hygroma colli

19.

70

9

Omphalocele, Zwerchfelldefekt, Lungenhypoplasie links, Ventrikelseptumdefekt

21.

65

10

Triploidie

15.

50

Bei der Online-Konsultation während der Autopsie wurden hauptsächlich dynamische Bilder übertragen. Dies ermöglichte eine Live-Diskussion zwischen dem Obduzenten und dem erfahrenen Pathologen am jeweils zu präparierenden Organ bzw. Organpaket unter der Vermittlung eines räumlichen Eindruckes. Es zeigte sich, dass mit Hilfe der Telepathologie ein wenig erfahrener Assistenzarzt einen erfahrenen Kollegen konsultieren kann, ohne dass dieser im Sektionssaal anwesend sein muss.

4.6.3. Herzstudie zur Evaluierung der Telepathologie (offline)

Die Anzahl der Bilder pro Falldatei lag zwischen 3 und 7, die Größe der Dateien zwischen 439 und 942 KB (Tab. 29).

Tab. 29: Praktikabilität: kürzeste Antwortzeit, Anzahl der Bilder, Größe der e-mail

Fall-Nr.

Herzfehlbildung

Rückfragen

Minimale Antwortzeit (Tage)

Anzahl der Bilder

Größe der Falldatei in KB (komprimiert)

1

IAA („Typ B“)

Ja

1

4

572

2

AVSD (Rastelli Typ a),
ASD (Typ II)

Ja

1

5

845

3

DORV

Nein

1

6

942

4

DORV

Ja

2

3

616

5

TGA

Nein

1

4

603

6

TOF

Ja

2

6

819

7

TGA

Nein

1

7

711

8

HLH

Nein

1

7

791

9

HLH

Ja

1

5

799

10

AOVS

Nein

1

3

439


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Alle 10 dargestellten Herzfehler konnten diagnostiziert werden. Bei 5 Herzfehlbildungsfällen gab es seitens der Experten Rückfragen. Diese bezogen sich auf weitere spezielle Herzbefunde, die in der ursprünglichen Anfrage nicht erfasst waren und auf zusätzliche bildliche Darstellungen von pathologischen Befunden, die auf den präsentierten Bildern nicht problemlos erkennbar waren (Tab. 30). Die Ursachen hierfür lagen darin, dass einzelne pathologische Befunde primär vom Obduzenten nicht erkannt oder anders interpretiert wurden. Nach erneuter Text- und Bildbefundübermittlung der primär nicht vollständig lösbaren Fälle, konnten in allen Fällen abschließende Diagnosen gestellt werden, wobei die minimale Antwortzeit 1-2 Tage dauerte.

Tab. 30: Detaillierte Angaben zu den Rückfragen

Fall-Nr.

Herzfehlbildung

Rückfragen

Anzahl der zusätzlichen Bilder

1

IAA („Type B“)

Morphologie der Aortenklappenklappe?

Größe des linken Ventrikels?

2

2

AVSD (Rastelli Type a),

ASD (Type II)

Determination des AVSD-Typs?

Verbindung der Aortenausflußbahn mit LV oder RV?

2

3

DORV

Ist der VSD perimembranös?

Liegt eine Ebstein’s Malformation vor?

3

4

DORV

Relation der Mitralklappe zum VSD?

Vergleich der Größen des LV und RV?

3

5

TGA

Keine

-

6

TOF

 

Subpulmonale Stenose?

Überreiten der Aorta?

2

7

TGA

 

Keine

-

8

HLH

Aortenisthmusstenose?

Aortenatresie?

2

9

HLH

Morphologie des Vorhofseptums?

Aortenisthmusstenose?

1

10

AOVS

Ursprung der Koronararterien?

Morphologie der TV und PV?

Morphologie des Foramen ovale?

1

Die Auswertung der Fragebögen, die zu den telepathologischen Herzfallpräsentationen an die Experten mitgeschickt wurden, ergab:

Der zeitliche Aufwand pro Fall dauerte durchschnittlich 1-2 h. Er umfasste die Kompression der Herzbilder, die bei der Autopsie im Befunddokumentationssystem bereits gespeichert wurden, deren Kopie in die Powerpoint-Präsentation sowie die Zusammenstellung der Textbefunde. Da fetale Herzsektionen zeitlich aufwendig sind, fällt die Zeit für die Erstellung der telepathologischen Anfrage nicht so erheblich ins Gewicht, denn es entfallen das aufwendige Verpacken und der Postweg.

Die Struktur und die Inhalte der Powerpoint-Datei waren für alle konsultierten Experten verständlich. In etwa 1/3 der Fälle gab es seitens der Experten Rückfragen mit der Bitte weitere Informationen bzw. Bilder zu liefern. Nach Beantwortung der Rückfragen der Experten konnten alle Fälle abgeschlossen werden.

In der Tab. 31 werden die einzelnen Arbeitsschritte einer konventionellen und telepathologischen Konsultation gegenübergestellt. Dabei wird deutlich, dass die telepathologische Konsultation im Vergleich zur konventionellen Konsultation in einem deutlich kürzeren Zeitintervall abläuft.

Tab. 31: Vergleich der Arbeitsschritte bei konventioneller und telepathologischer Konsultation (online)

Arbeitsschritt

Konventionell

Telepathologisch

Bemerkung

Zeitbedarf

Bemerkung

Zeitbedarf

Befund­ und Material­versand

Vorbereitung

Anschreiben mit Fragestellung, Falldaten, Objektträger, Paraffinblöcke bzw. Organe/­organpakete

ca. 1-2 h

Fet unter Makroskop/ Stereomikroskop bereit legen

ca. 1-2 min

Transport

Postweg

ca. 1-2 d

elektronisch

entfällt (live)

Fallvorstellung

schriftliche Form

-

Demonstration am Fetus/ Organ

ca. 10 min bis 1 h

Diagnostik
(zweite Meinung)

Antwortschreiben

ca. 1-2 d

verbal online

ca. 10 min

Fallabschluss

Diktat des Autopsieberichtes

ca. 1 h

elektronische Erfassung der Text­ und Bildbefunde mit abschließender Diagnose

ca. 30 min

Archivierung

Ablage des Schriftwechsels und Bildmaterials

ca. 10 min

Speicherung in Falldatenbank

ca. 1 min

Σ

 

ca. 2-4 Tage

 

ca. 1-2 Stunden


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22.06.2005