Mencke, Thomas: Thema: “DNA-Polymorphismus des endothelialen leukozytären Adhäsionsmoleküls-1 bei Patienten (unter 50 Jahren) mit interventionsbedürftigen Koronararterienstenosen”

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Kapitel 1. Einleitung

1.1. Arteriosklerose

Der Begriff Arteriosklerose wurde 1833 von Lobstein geprägt und folgendermaßen erklärt: “Nom compose d´artère et de sclerosis, épaissement avec induration” (zusammengesetzter Name aus Arterie und Sklerose, Kondensation und Induration; Girndt 1994 siehe , Just et al. 1994 siehe ). Die Arteriosklerose ist nicht nur eine selbständige Erkrankung, sondern ein Prozeß, der den Hauptanteil zur Pathogenese des Myokardinfarktes, des ischämischen Hirninfarktes, und der Gangrän der Extremitäten beiträgt (Fuster et al. 1996 siehe , Ross 1993 siehe ). Die Arterio-sklerose ist keine einheitliche Erkrankung. So gibt es keine generell akzeptierte Definition. Heute wird der von Marchand geprägte Begriff Atherosklerose im allgemeinen bevorzugt. Ein Nachteil dieses Begriffes liegt darin, daß das Atherom und die Induration bei frühen Formen fehlen. Deshalb erscheint der Begriff Arteriosklerose besser zu sein (Just et al. 1994 siehe ).

Unter Arteriosklerose versteht man einen morphologischen Symptomenkomplex von Veränderungen der Gefäßintima, bestehend aus örtlichen Ansammlungen von Fetten, komplexen Kohlenhydraten, Blutbestandteilen sowie fibrösem Gewebe und Calcium, verbunden mit Veränderungen der Gefäßmedia. Dies führt zur Verdickung und Verhärtung der Arterienwand (Hornbostel et al. 1992 siehe , Stobbe et al. 1996 siehe ). Die funktionelle Abgrenzung der natürlichen Alterung der Arterien mit fortschreitendem Elastizitätsverlust der Gefäßwand von der krankheitserzeugenden Arteriosklerose ist schwierig (Hornbostel et al. 1992 siehe ). Mit dem normalen Altern kommt es zu einer langsamen, anscheinend kontinuierlichen symmetrischen Zunahme der Intimadicke. Die Intimaverdickung entsteht durch eine diffuse Akkumulation von glatten Muskelzellen und Bindegewebe, verbunden mit einer zunehmenden Ansammlung von Lipiden (besonders Cholesterinester und Phospholipide). Diese diffuse, altersbezogene Intimaverdickung muß von fokal diskret aufgeworfenen fibrösen Plaques, einem charakteristischen Merkmal der Arteriosklerose, unterschieden werden (Isselbacher et al. 1995 siehe ).

Die pathophysiologischen Mechanismen, die zur Arteriosklerose führen, sind komplex und werden in der Regel durch zahlreiche genetische Faktoren (polygenetisch) sowie Umweltfaktoren beeinflußt (multifaktorielles Geschehen; Chamberlain et al. 1990 siehe , Gross et al. 1996 siehe , Miserez et al. 1995 siehe ). Einige nur auf einem einzelnen Gendefekt beruhende (monogenetische) Störungen können allerdings durch Beeinflussung eines entsprechenden Risikofaktors zu einer Beschleunigung der Arterioskleroseentwicklung führen, so daß andere Gene oder Umweltfaktoren in den Hintergrund treten (Miserez et al. 1995 siehe ). Der Systemcharakter der Arteriosklerose bedingt eine hohe Koinzidenz des Befalls mehrerer Stromgebiete, wie der koronaren, zerebralen, viszeralen und peripheren Arterien (Hornbostel et al. 1992 siehe ). Andererseits werden verschiedene Gefäße in verschiedenen Lebensaltern und in unterschiedlichem Ausmaß einbezogen (Isselbacher et al. 1995 siehe ). Dabei kommt der koronaren Herzkrankheit,


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synonym mit der ischämischen Herzkrankheit, eine besondere Bedeutung zu, ist sie doch die häufigste Todesursache auf der Welt (Gross et al. 1996 siehe ).

1.1.1. Die koronare Herzkrankheit

Die koronare Herzkrankheit ist die Manifestation der Arteriosklerose an den Koronararterien (Gross et al. 1996 siehe ). Die koronare Herzkrankheit bezeichnet eine akute oder chronische Störung der Herzfunktion, die aus einem Mißverhältnis zwischen Sauerstoffangebot und Sauerstoffbedarf des gesamten Myokards oder bestimmter Myokardbezirke resultiert. In etwa 90% der Fälle liegt der Sauerstoffmangelversorgung eine stenosierende und/oder okkludierende Arteriosklerose der extramuralen Herzkranzgefäße zugrunde, in etwa 10% besteht eine hämodynamisch wirksame Einengung des intramuralen Strombettes (Stobbe et al. 1996 siehe ).

Die koronare Herzkrankheit ist heute der zuverlässigste verfügbare Indikator für eine Arteriosklerose (Isselbacher et al. 1995 siehe ). In annähernd 95% der Fälle wird die koronare Herzerkrankung durch arteriosklerotische Gefäßveränderung bedingt (Dieterich et al. 1993 siehe ). Je nach Ausprägungsgrad der Stenosen und entsprechender Einschränkung der Koronarreserve (Fähigkeit einer Steigerung der Durchblutung der Koronargefäße zur Deckung eines erhöhten Sauerstoffbedarfs unter Belastung; normalerweise um den Faktor 5; Stobbe et al. 1996 siehe , Zink et al. 1990 siehe ) kommt es zu den klinischen Bildern der Angina pectoris und des Myokardinfarktes mit seinen möglichen Komplikationen wie Herzinsuffizienz, maligne Herzrhythmusstörungen bis hin zum plötzlichen Herztod (Stobbe et al. 1996 siehe ).

1.1.2. Epidemiologie

Nach Angaben der WHO ist die koronare Herzkrankheit derzeit die häufigste Todesursache auf der Welt (Gross et al. 1996 siehe ). Die Prävalenz wird für Männer mittleren Alters von der WHO mit 20%, die Inzidenz mit 1% pro Jahr angegeben (Stobbe et al. 1996 siehe ). Die Inzidenz der koronaren Herzerkrankung hat starke regionale Schwankungen (Gross et al. 1996 siehe ). In den Vereinigten Staaten ist die Mortalität bei weißen Männern im Alter von 35-55 Jahren 5mal höher als bei weißen Frauen dieser Altersgruppe (Isselbacher et al. 1995 siehe ). Jenseits des 65. Lebensjahres gleichen sich die Mortalitätsziffern annähernd an (Fuster et al. 1996 siehe ). Nach Daten aus der Framingham-Studie ist die Erstmanifestation der koronaren Herzkrankheit bei fast 50% der Männer ein Myokardinfarkt, dagegen bei fast 48% der Frauen die Angina pectoris (Fuster et al. 1996 siehe ). Die Mortalität an der koronaren Herzkrankheit hat seit Mitte der 60er Jahre in den Vereinigten Staaten abgenommen, zur Zeit sinkt sie 3-4% pro Jahr (Fuster et al. 1996 siehe , Gross et al. 1996 siehe ). Auch in der Bundesrepublik Deutschland sinken die Zahlen seit 1981 zwar langsam, aber stetig (Gross et al. 1996 siehe ).


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1.1.3. Ätiologie der Arteriosklerose

Die Ursachen der Arteriosklerose sind häufig komplexer Natur; sie können durch zahlreiche genetische Faktoren und Umweltfaktoren modifiziert werden (Chamberlain et al. 1990 siehe , Hegele 1992 siehe , Lusis et al. 1992 siehe , Miserez et al. 1995 siehe ). Einige Stoffwechselkrankheiten führen zwar bereits im Kindesalter zur Arterio-sklerose, in der Regel beansprucht ihre Entwicklung jedoch mehrere Jahrzehnte. Trotz der Komplexität atherogenetischer Mechanismen ließen sich anhand epidemiologischer Untersuchungen einzelne Parameter identifizieren, deren verstärkte oder verminderte Ausprägung das Arterioskleroserisiko erhöhen (Chamberlain et al. 1990 siehe , Lusis et al. 1992 siehe , Miserez et al. 1995 siehe ). Diese Risikofaktoren sind in der Tabelle 1 zusammengestellt (Isselbacher et al. 1995 siehe ).

Tabelle 1 Risikofaktoren für die Arteriosklerose

Risikofaktoren für die Arteriosklerose
Männliches Geschlecht
Eigenanamnese einer zerebrovaskulären Erkrankung oder einer peripheren arteriellen Verschlußkrankheit
Familienanmnese einer vorzeitigen koronaren Herzkrankheit (<55 Jahren bei Eltern oder Geschwistern)
Zigarettenrauchen (gegenwärtig mehr als 10 Zigaretten täglich)
Hyperlipidämie (Hypercholesterinämie, Hypertriglyzeridämie)
Niedriges HDL-Cholesterin (<0,9 mmol/l bzw. <35 mg/dl)
Hypertonie
Diabetes mellitus
Hyperinsulinismus
(Abdominale) Adipositas
Hohes Lipoprotein (a)

Die frühzeitige Arteriosklerose scheint oft familiär aufzutreten (Chamberlain et al. 1990 siehe , Goldbourt et al. 1994 siehe ). Unter vielen Umständen kann sie der Vererbung von Risikofaktoren wie der Hypertonie, dem Diabetes mellitus und der Hyperlipidämie zugeschrieben werden (Isselbacher et al. 1995 siehe ). Das frühzeitige Auftreten eines Myokardinfarktes bei eineiigen Zwillingen im


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Vergleich zu zweieiigen Zwillingen belegt eine genetische Prädisposition (Chamberlain et al. 1990 siehe ). Versteht man arteriosklerotische Erkrankungen als komplex regulierte pathophysiologische Prozesse, die selbst bei ein und demselben Individuum in verschiedenen Gefäßgebieten noch variieren können, so ist anzunehmen, daß sehr wahrscheinlich eine Vielzahl von Genen an diesen Vorgängen beteiligt sind und die individuelle genetische Disposition bestimmen. Es gibt kein “Arteriosklerose-Gen” (Goldbourt et al. 1986 siehe , Schunkert et al. 1995 siehe ). Eines der am aktivsten untersuchten Gebiete der Arterioskleroseforschung ist der Lipoproteinstoffwechsel mit seinen beteiligten Genen. Neben den am Lipoproteinstoffwechsel beteiligten Genen wurde für einige andere Genorte eine Assoziation zum Arterioskleroserisiko gefunden (Goldbourt et al. 1986 siehe , Schunkert et al. 1995 siehe ). In der Tabelle 2 sind die Genorte, die mit dem Arterioskleroserisiko korrelieren oder die eine Krankheit (mit)verursachen, die typischerweise zum frühzeitigen Auftreten einer symptomatischen Arteriosklerose führt, aufgeführt (Schunkert et al. 1995 siehe ).

Tabelle 2 Genorte, die mit dem Arterioskleroserisiko korrelieren oder die eine Krankheit (mit)verursachen, die typischerweise zum frühzeitigen Auftreten einer symptomatischen Arteriosklerose führt (LDL=Low-Density Lipoprotein, HDL= High-Density Lipoprotein, Apo=Apolipoproteine)

Gen Genetische Defekte/ Erkrankungen
Lipoproteinstoffwechsel
LDL-Rezeptor familiäre Hypercholesterinämie
ApoA-I HDL-Defizienz
ApoB familiär defektes ApoB
ApoE Typ-III-Hyperlipoproteinämie
Apo(a) erhöhtes Lipoprotein (a)
Lipoproteinlipase Chylomikronämie
saure Cholesterinesterhydrolase Cholesterinesterspeicherkrankheit
andere
Fibrinogen Myokardinfarkt
Cystathion-ß-Synthase Homocysteinurie
Angiotensin-Konversionsenzym Myokardinfarkt

Bisher sind ungefähr 500 Gene (fast 10% vom bisher katalogisierten menschlichen Genom) mit kardiovaskulären Phänotypen assoziiert worden. So ist es wahrscheinlich, daß bei der Entstehung aller kardiovaskulären Erkrankungen mindestens ein genetischen Faktor beteiligt ist (Dietz et al.


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1994 siehe ). Es ist anzunehmen, daß mindestens 100 Gene bei der Arterio-skleroseentstehung beteiligt sind (Lusis et al. 1992 siehe ).

Kandidatengene (ein Gen, dessen Assoziation mit einer dementsprechenden Störung nicht bewiesen ist bzw. welches wegen seiner Funktion eine Störung verursachen kann; Gallo et al. 1995 siehe , Miserez et al. 1995 siehe ) sind Gene, deren Proteinprodukte in folgenden Bereichen involviert sind: in der Lipoproteinstruktur und im Lipoprotein- und Lipidmetabolismus, Kontrolle des Wachstums von arteriosklerotischen Läsionen, Thrombogenese, Thrombolyse oder Fibrinolyse, Regulation des Blutdruckes und der Koronardurchblutung und Proteinprodukte, die in arteriosklerotischen Läsionen nachweisbar sind (Goldbourt et al. 1994 siehe ). Weiterhin sind genetische Polymorphismen innerhalb der zellulären und molekularen Prozesse in arteriosklerotischen Läsionen (Wachstumsfaktoren, Zytokine, Adhäsionsmoleküle und Enzyme) zu erwarten (Fuster et al. 1996 siehe ). Abhängig von den hervorgerufenen Veränderungen könnte es zu einer Schutzwirkung oder zu einer Prädisposition für die Entwicklung einer Arteriosklerose kommen. Polymorphismen der Adhäsionsmoleküle könnten die Bindung der Leukozyten oder Thrombozyten an das Endothelium verstärken und die Progression der Läsionen bewirken (Lusis et al. 1992 siehe ). In der vorliegenden Studie wird ein möglicher DNA-Polymorphismus im endothelialen leukozytären Adhäsionsmolekül-1 (E-Selektin, ELAM-1) untersucht.

Die familiäre Hypercholesterinämie wird durch Defekte im Low-Density-Lipoprotein(LDL)-Rezeptor-Gen verursacht und führt heterozygot und homozygot zur Cholesterinerhöhung (heterozygot zwei- bis dreifach, homozygot sechs- bis zehnfach). Eine der häufigsten familiären Hyperlipoproteinämien ist die familiäre gemischte Hyperlipidämie, die wahrscheinlich durch eine Überproduktion Apolipoprotein(Apo)-B-haltiger Partikel verursacht wird. Die Patienten der betroffenen Familien haben einen wechselnden Lipoprotein-Phänotyp mit Hypercholesterinämie und/oder Hypertriglyzeridämie. Eine Kopplung mit dem ApoA-I/C-III/A-IV-Locus auf Chromosom 11 ist nachgewiesen worden (Schunkert et al. 1995 siehe ). HDL-Mangelsyndrome, die durch niedriges High-Density Lipoprotein (HDL) charakterisiert sind, betreffen alle den ApoA-I/C-III/A-IV-Locus. Es findet keine Synthese von ApoA-I und normalen HDL-Partikeln statt, welches mit einer schweren koronaren Herzkrankheit assoziiert ist (Karathanasis et al. 1983 siehe , Eckardstein et al. 1990 siehe ). Der Lipoprotein(a)-Spiegel wird von verschiedenen Allelen bestimmt. Lipoprotein(a) (Lp(a)) ist ein LDL-Partikel, an welches das Glykoprotein Apo(a) gebunden ist, und das hohe Homologie zu Plasminogen zeigt. Bisher wurden 11 verschiedene Isoformen bzw. Allele entdeckt, die wahrscheinlich eine unterschiedliche Anzahl von “kringle IV”-Regionen widerspiegeln (Lusis et al. 1992 siehe ). Lp(a) ist ein unabhängiger Risikofaktor für die Entwicklung einer Arteriosklerose und in arteriosklerotischen Läsionen nachweisbar (Berg 1992 siehe ). Der ApoE-Genlocus ist durch drei Allele charakterisiert: E2, E3 und E4, wobei das E2-Allel mit den niedrigsten und das E4-Allel mit den höchsten LDL-Cholesterin-Spiegeln einhergeht (Boerwinkle et al. 1987 siehe , Breslow 1992 siehe , Miserez et al. 1995 siehe , Schunkert et al. 1995 siehe ). Das E4-Allel ist mit einem erhöhten Arterioskleroserisiko verbunden (Eto et al. 1989 siehe , Isselbacher et al. 1995 siehe , Porkka et al. 1994 siehe , Schunkert et al. 1995 siehe ). Die familiär defekte ApoB-


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100-Erkrankung (FDB) bedingt eine Mutation in der LDL-Rezeptor-Bindungsregion von ApoB und führt damit zu einer Hypercholesterinämie (Breslow 1992 siehe , Tybjaerg-Hausen 1995 siehe ).

Neben den am Lipoproteinstoffwechsel beteiligten Genen wurde für einige andere Genorte eine Assoziation zum Arterioskleroserisiko gefunden (Schunkert et al. 1995 siehe ). Der Plasma-Fibrinogen-Spiegel ist ein unabhängiger Risikofaktor der koronaren Herzkrankheit (Fuster et al. 1996 siehe , Humphries et al. 1995 siehe , Miserez et al. 1995 siehe , Schunkert et al. 1995 siehe ). Außerdem ist der ß-Fibrinogen-Locus unabhängig vom Fibrinogenspiegel mit einem erhöhten Arterioskleroserisiko assoziiert (Miserez et al. 1995 siehe , Schunkert et al. 1995 siehe ). Heterozygote und homozygote Defekte der Cystathion-ß-Synthase führen zur Hyperhomo-cyst(e)inämie, die unabhängig von anderen Risikofaktoren mit der koronaren Herzkrankheit assoziiert ist (Fuster et al. 1996 siehe , Miserez et al. 1995 siehe , Schunkert et al. 1995 siehe ). Das a-Allel des Angiotensinogen-Gens ist ebenfalls mit einem erhöhten Arterioskleroserisiko verbunden (Ishigami et al. 1995 siehe , Miserez et al. 1995 siehe ). Der Angiotensin-Konversionsenzym(angiotensin-converting-enzyme; ACE)-Deletionspolymorphismus ist mit einem erhöhten Risiko für Myokardinfarkte und Koronararteriosklerose assoziiert, unabhängig von anderen Risikofaktoren (Arbustini et al. 1995 siehe , Cambien et al. 1992 siehe ). Von den drei möglichen ACE-Genotypen (II, ID, DD) ist der ACE-Spiegel bei der homozygoten Deletionsform (DD) am höchsten (Arbustini et al. 1995 siehe ). Der 6A6A-Polymorphismus des Stromelysin-Promoters ist mit einer Progression der koronaren Herzkrankheit (<20% Stenose) assoziiert (Ye et al. 1995 siehe ). Stromelysin gehört zur Familie der Metalloproteinasen, welche extrazelluläre Matrix abbauen, insbesondere Proteoglykane (Ye et al. 1995 siehe ). Das H2-Allel der Lipoproteinlipase ist mit der Entwicklung einer Arteriosklerose assoziiert (Mattu et al. 1994 siehe , Schunkert et al. 1995 siehe , Thorn et al. 1990 siehe ). Die saure Cholesterinesterhydrolase, welche die Cholesterinesterspeicherkrankheit verursacht, ist ebenfalls mit einem erhöhten Arterioskleroserisiko assoziiert (Schunkert et al. 1995 siehe ).

Weitere Gene, die mit der Entwicklung einer koronaren Herzkrankheit assoziiert scheinen, sind folgende: die thermolabile Methylentetrahydrofolatreduktase (Kang et al. 1991 siehe ), der LAL Insertions/Deletions Polymorphismus von ApoB (Peacock et al. 1992 siehe ), der XbaI Polymorphismus von ApoB (Tybjaerg-Hansen et al. 1991 siehe ), ein Glutamin/Histidin Polymorphismus von Apo-IV (Eckardstein et al. 1993 siehe ), Polymorphismus des Insulin-Gens (Mandrup-Poulsen et al. 1984 siehe , Mandrup-Poulsen et al. 1986 siehe ) und viele andere.

Bei einzelnen dieser Risikofaktoren sind die Daten aber noch widersprüchlich.


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1.1.4. Pathogenese der Arteriosklerose

Die Entwicklung der arteriosklerotischen Läsionen ist durch alle zellulären Kom-

ponenten einer inflammatorisch-fibroproliferativen Antwort auf eine Schädigung charakterisiert (Fuster et al. 1996 siehe , Ross 1993 siehe ). Die Bildung der verschiedenen Läsionen wird durch charakteristische Besonderheiten der Arterienwand modifiziert. Diese beinhalten die Funktion des Endotheliums und die Fähigkeit der glatten Muskelzellen in der Media und Intima, auf bestimmte Faktoren zu reagieren und somit eine arteriosklerotische Läsion zu bilden. Dementsprechend ist der Prozeß der Arteriosklerose kein degenerativer, sondern vielmehr ein aktiver Prozeß, der die Elemente der chronischen Entzündungsvorgänge und der Reparaturvorgänge in der Arterienwand beinhaltet (Fuster et al. 1996 siehe ).

Trotz zahlreicher morphologischer, biochemischer und epidemiologischer Untersuchungen ist die Pathogenese der Arteriosklerose bis heute nicht eindeutig geklärt (Gross et al. 1996 siehe ). Eine einheitliche pathogenetische Kaskade gibt es nach überwiegender Auffassung nicht. Vielmehr wird sie durch eine Vielzahl auslösender Mechanismen in Gang gesetzt. Die pathogenetischen Prozesse selbst sind komplex und greifen vielfach ineinander (Hornbostel et al. 1992 siehe ).

In der formalen Pathogenese der Arteriosklerose spielen 5 Komponenten eine entscheidende Rolle: das Endothel, die glatten Muskelzellen (SMC) der Arterienwand, die Monozyten/Makrophagen, die Thrombozyten und die Lipoproteine des Plasmas (Hornbostel et al. 1992 siehe ).

Im 19. Jahrhundert wurden zwei Hypothesen zur Erklärung der Pathogenese der Arteriosklerose favorisiert: die Inkrustationshypothese von Rokitansky (die Intimaverdickung resultiert von Fibrinablagerungen mit nachfolgender Organisation durch Fibroblasten und gefolgt durch Lipidakkumulation) und die Lipidhypothese von Virchow (Lipidakkumulation in der Arterienwand durch verstärkte Lipidablagerungen aus dem Blut; Fuster et al. 1992a siehe ). Diese zwei Hypothesen sind durch Ross in der sogenannten “response-to-injury”-Hypothese (Ver-letzungstheorie) zusammengefaßt worden (Fuster et al. 1992a siehe , Fuster et al. 1996 siehe , Ross 1986 siehe , Ross 1993 siehe ).

1.1.4.1. Hypothesen

Die Monozytenhypothese legt auf der Grundlage eines einzelnen, in den Läsionen gefundenen Isoenzyms nahe, daß die Intimaproliferation wie bei einem benignen Tumor aus der Vermehrung einer einzelnen, individuellen glatten Muskelzelle resultiert (Fuster et al. 1996 siehe , Isselbacher et al. 1995 siehe ). Benditt und Benditt konnten die Monoklonalität von glatten Muskelzellen in arteriosklerotischen Läsionen nachweisen (Benditt et al. 1973 siehe ). Die Auslösung des Prozesses könnte u. a. durch eine Virusinfektion erfolgen (Girndt 1994 siehe ).

Die fokale klonale Sequenz beinhaltet, daß die glatten Muskelzellen der Intima normalerweise unter der Feedbackkontrolle durch die angrenzende Media unterliegen, indem die glatten Muskelzellen Mitoseinhibitoren bilden. Mit zuneh-


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menden Alter treten vermehrt Störungen dieses Feedbackkontrollsystems auf, wenn diese Kontrollzellen zugrunde gehen (Isselbacher et al. 1995 siehe ).

Die lysosomale Hypothese legt dar, daß eine alterierte Lysosomenfunktion zur Entstehung der Arteriosklerose beitragen kann. Die erhöhte Speicherung von Cholesterinestern in der glatten Muskelzelle der Arterien könnte mit dem relativen Mangel an Aktivität der lysosomalen Cholesterinesterhydrolase zu-sammenhängen (Isselbacher et al. 1995 siehe ).

Die Lipidhypothese der Arteriosklerose geht von der Vorstellung aus, daß mit der Höhe der Cholesterinkonzentration im Blut unmittelbar und kausal das Risiko der Entwicklung einer Arteriosklerose verbunden ist (Girndt 1994 siehe )). Die Lipide des Blutes können nach dieser Theorie auch ohne Vorliegen weiterer Faktoren eine Arteriosklerose auslösen und unterhalten. Diese Vorstellung wird durch zahlreiche tierexperimentelle Untersuchungen gestützt. Eine Vielzahl epidemiologischer Untersuchungen hat auch beim Menschen eine Assoziation zwischen den Blutspiegeln von Cholesterin oder anderen Lipiden und der Manifestation arteriosklerotischer Gefäßerkrankungen nachgewiesen (Girndt 1994 siehe )). Durch eine medikamentöse Senkung des Cholesterinspiegels kann die Progression der koronaren Herzkrankheit reduziert und die Anzahl koronarer Ereignisse wie Myokardinfarkt oder plötzlicher Herztod vermindert werden (Stierle et al. 1995 siehe ). Die Hyperlipoproteinämie ist stärkster Risikofaktor für die koronare Herzkrankheit (Stobbe et al. 1996 siehe ). So kommt es zuerst zu funktionellen Beeinträchtigungen und nachfolgend zu morphologisch faßbaren Endothelzellschädigungen (Girndt 1994 siehe )).

Die response-to-injury-Hypothese (Verletzungstheorie) wird am breitesten für die Arterioskleroseentstehung akzeptiert, die mit einer Vielzahl experimenteller Beweise übereinstimmt (Hornbostel et al. 1992 siehe , Isselbacher et al. 1995 siehe ). Nach dieser Vorstellung sind die die Intima auskleidenden Endothelzellen und möglicherweise auch die darunter liegenden glatten Muskelzellen wiederholten oder kontinuierlichen Schädigungen durch chemische, mechanische, immunologische oder toxische Einflüsse ausgesetzt (Fuster et al. 1996 siehe , Hornbostel et al. 1992 siehe , Ross 1993 siehe ). Die geschädigten Zellen induzieren eine spezifische, chronische Entzündungsreaktion mit nachfolgender fibroproliferativer Antwort. Die Dysfunktion des Endothels wird durch die verschiedenen Risikofaktoren hervorgerufen und bedingt die Bildung von Adhäsionsmolekülen (endotheliale leukozytäre Adhäsionsmolekül-1; ELAM-1, P-Selektin, VCAM-1 und ICAM-1) auf der Oberfläche des Endothels. Diese Adhäsionsmoleküle sind in der Lage, zirkulierende Monozyten und T-Lymphozyten zu binden (Fuster et al. 1996 siehe , Ross 1993 siehe ).


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1.1.4.2. Histologische Klassifikation

Arteriosklerotische Veränderungen können nach Stary in 8 verschiedene Typen von Läsionen eingeteilt werden (Fuster et al. 1996 siehe , Just et al. 1994 siehe ). Jeder Typ ist charakterisiert durch einen bestimmten Aufbau, durch Zellen und eine charakteristische extrazelluläre Matrix und anderes. Die Tabelle 3 gibt eine Übersicht über die Einteilung der arteriosklerotischen Läsionen nach Stary.

Tabelle 3 Übersicht über die Einteilung, Nomenklatur und Beschreibung von arteriosklerotischen Läsionen nach Stary (KL=Klinik, x=vorhanden, -=fehlend)

Typ Nomenklatur KL Beschreibung
I Initialläsion - Lipoproteinakkumulation in der Intima; Lipid in den Makrophagen; keine Intimadesorgani-sation; Veränderungen nur mikroskopisch oder chemisch nachweisbar
  darr    

II

IIa

IIb

Fettstreifen progredient nicht progredient - Lipoproteinakkumulation in der Intima; Lipid in den Makrophagen und glatten Muskelzellen; keine Intimadesorganisation; mit bloßen Auge sichtbar
  darr    
III Präatherom - Veränderungen vom Typ IIa plus multiple extrazelluläre Lipidablagerungen; Mikroskopisch Gewebeschäden und Desorganisation sichtbar
  darr    
IV Atherom x/- Veränderungen vom Typ IIa plus konfluierende extrazelluläre Lipidmassen (Lipidkern) und ausgeprägte Zerstörung der Intima
  darr    
V Fibroatherom x/- Veränderungen vom Typ IV plus Entwicklung einer Kollagenschicht und Vermehrung der glatten Muskelzellen oberhalb des Lipidkerns
  darr    
VI

VIa

VIb

VIc

komplizierte Läsion Fissur Hämatom Thrombus x/- Veränderungen vom Typ IV oder V plus Fissur oder Erosion und/oder Hämatom und/oder Thrombus
  darr    
VII kalzifizierte Läsion x/- Jede fortgeschrittene Läsion, die vorrangig aus Calcium besteht; wesentliche strukturelle Deformität
  darr    
VIII fibrotische Läsion x/- Jede fortgeschrittene Läsion, die vorrangig aus Kollagen besteht; Lipid kann fehlen


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Die Nummern I-VI repräsentieren die übliche Reihenfolge, wie sich die arterio-sklerotischen Läsionen von der primären Akkumulation von Lipoproteinen und Makrophagen bis hin zum Atherom und Fibroatherom entwickeln (Just et al. 1994 siehe ). Das morphologische Korrelat der Arteriosklerose ist das Atherom (Stobbe et al. 1996 siehe ). Das Atherom ist gekennzeichnet durch Schaumzellen (Makrophagen nehmen oxidierte LDL über den Scavenger-Rezeptor auf und speichern diese im Zytoplasma, hauptsächlich in den Lysosomen; Fuster et al. 1996 siehe , Hecht et al. 1988 siehe ), Bindegewebsfasern, glatte Muskelzellen und nekrotische Areale. Umgeben wird es von einer bindegewebigen Deckplatte (Stobbe et al. 1996 siehe ). Die Nummern VII und VIII repräsentieren morphologische Varianten, welche Typ VI vorangehen oder folgen. Die Typen I und II werden als frühe Läsionen bezeichnet, die Typen IV bis VIII als fortgeschrittene Läsionen (Fuster et al. 1996 siehe , Just et al. 1994 siehe ). In den zwei ersten Jahrzehnten treten die Typen I und II auf. Ab dem 3. Lebensjahrzehnt werden die Typen III und IV beobachtet. Ab der 4. Dekade treten normalerweise die fortgeschrittenen Läsionen auf (Just et al. 1994 siehe ).

Die Gefäßschädigung spielt eine zentrale Rolle bei der Initiierung und Entwicklung der Arteriosklerose (Fuster et al. 1992a siehe ). Fuster legt eine pathophysiologische Klassifikation der Gefäßschädigung dar, die 3 Typen der Schädigung (gleichbedeutend mit Zunahme der Schädigung) unterscheidet (Fuster et al. 1992a siehe , Kumar et al. 1994 siehe ).

Die Typ I-Schädigung wird durch eine Hypercholesterinämie, vasoaktive Amine, Immunkomplexe, Infektionen, Zigarettenrauchen und anderes hervorgerufen. Dies führt zu einer Akkumulation von Monozyten/Makrophagen und Lipiden an diesen Stellen.

Die Freisetzung von toxischen Substanzen durch Monozyten/Makrophagen führt zu einer Typ II-Schädigung mit Anlagerung von Thrombozyten und Makrophagen an das Endothelium mit nachfolgender Freisetzung von verschiedenen Wachstumsfaktoren, die zu einer Migration und Proliferation von glatten Muskelzellen führen und die Bildung eines Atheroms bedingen.

Bei Aufbrechen der Atheromkapsel entsteht eine Typ III-Schädigung mit Thrombusbildung (Fuster et al. 1992a siehe , Kumar et al. 1994 siehe ). Die Entwicklung der arteriosklerotischen Läsionen ist variabel und stark von den Risikofaktoren abhängig (Kumar et al. 1994 siehe ).

Die Klassifikation der Gefäßschädigung und Gefäßreaktion nach Fuster ist in der Tabelle 4 dargestellt.


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Tabelle 4 Klassifikation der Gefäßschädigung und Gefäßreaktion

Typ Beschreibung Lipidakkumulation / Monozytenadhäsion Thrombozytenanlagerung/ Thrombose Proliferation von glatten Muskelzellen
I Funktionelle Alteration der Endothelzellen ohne wesentliche morpholo-gische Veränderungen mäßig nein schwach
II Abtragung der Endothel-schicht und Schädigung der Intima, aber mit intakter Lamina elastica interna ? geringfügig mäßig
III Schädigung der Intima und Media ? mäßig ausgeprägt

1.1.4.3. Die “response-to-injury”-Hypothese und zelluläre Interaktionen

Zelluläre Komponenten der Pathogenese der Arteriosklerose umfassen die Endothelzellen, glatte Muskelzellen, Thrombozyten, T-Lymphozyten und Monozyten/Makrophagen.

Die Monozyten/Makrophagen nehmen eine zentrale Rolle bei der Atherogenese ein, da sie zu jeder Zeit nachweisbar sind (Fuster et al. 1996 siehe , Ross 1993 siehe ). Die eigentlichen Aufgaben umfassen die Antigenpräsentation, die Synthese von bioaktiven Substanzen und die Phagozytose (Scavenger-Funktion; Fuster et al. 1996 siehe ). Das gemeinsame Vorkommen von Makrophagen und T-Lymphozyten und die Expression von MHC-Klasse-II-Antigenen (HLA-DR) durch Makrophagen macht eine Immunantwort wahrscheinlich (Fuster et al. 1996 siehe , Just et al. 1994 siehe ). In Frage kommende Antigene sind: oxidierte Low-Density Lipoproteine (oxidierte LDL), advanced glycosylation end products (AGEs), Chlamydia pneumoniae Antigene und möglicherweise virale Antigene (Fuster et al. 1996 siehe , Jaross et al. 1995 siehe ). Immunkomplexe von Autoantikörpern und oxidierte LDL wurden im Plasma und in Läsionen nachgewiesen (Jaross et al. 1995 siehe ).

Monozyten/Makrophagen synthetisieren innerhalb der Leukozyten die größte Vielfalt an bioaktiven Substanzen (Fuster et al 1996 siehe , Ross 1993 siehe ), welche in der Tabelle 5 auf der linken Seite aufgeführt sind. Substanzen, die innerhalb von arteriosklerotischen Läsionen und experimentell nachgewiesen wurden, sind auf der rechten Seite der Tabelle dargestellt.


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Tabelle 5 Substanzen, die von Monozyten/Makrophagen synthetisiert werden (links) und diejenigen, die in arteriosklerotischen Läsionen nachgewiesen worden sind (rechts, Auswahl)

Substanzen, die von Monozyten/Makrophagen synthetisiert werden Substanzen, die in arteriosklerotischen Läsionen und experimentell nachgewiesen wurden
Zytokine und Immunmodulierende Faktoren Interleukine (IL-1, IL-6, IL-8)
  Monocyte chemoattractant protein-1 (MCP-1)
  Monocyte colony-stimulating factor (M-CSF)
  Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-alpha)
Enzyme und Enzyminhibitoren (Gerinnung, Lipoproteinstoffwechsel) 15-Lipoxygenase
Enzyme und Enzyminhibitoren (Hydrolyse von extrazellulärer Matrix) Kollagenase
Substanzen, die die Migration und Wachstum anderer Zellen steuern Platelet-derived growth factor (PDGF)
  Heparin-binding epidermal growth factor (HB-EGF)
Faktoren, die den Gefäßtonus beeinflussen Endothelin-1
Adhäsionsmoleküle Adhäsionsmoleküle (VCAM-1, ICAM-1)
Regulatoren des Lipoproteinstoffwechsels Rezeptor für LDL-receptor-related protein
Proteine der extrazellulären Martix Rezeptor für modifiziertes LDL (Scavenger-Rezeptor)
Zytotoxische Substanzen, Sauerstoffradikale Rezeptor für advanced glycosylation end products (AGEs)
Leukotriene, Prostaglandine andere

Interleukin-1 (IL-1) und Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-alpha) induzieren die Expression von zellulären Adhäsionsmolekülen, wie des endothelialen leukozytären Adhäsionsmoleküls-1 (E-Selektin, ELAM-1), welches weitere Monozyten zur Läsion rekrutiert. Monocyte chemoattractant protein-1 (MCP-1) und monocyte colony-stimulating factor (M-CSF) wirken chemotaktisch auf weitere Monozyten und M-CSF unterdrückt die Apoptose von Makrophagen. Die 15-Lipoxygenase katalysiert die Oxidation von LDL zu oxidierten LDL, welches zu einer ver-stärkten Rekrutierung und Migration von Monozyten führt, d.h. es wirkt selbst chemotaktisch, indem es die Synthese von MCP-1 durch Endothelzellen und die Expression von Adhäsionsmolekülen durch Endothelzellen verstärkt (E-Selektin, ICAM-1, VCAM-1; Fuster et al. 1996 siehe , Just 1994 siehe ). Platelet-derived growth factor (PDGF) und heparin-binding epidermal growth factor (HB-EGF) üben ihre Wirkung u.a. auf glatte Muskelzellen aus (Chemotaxis, Proliferation). Endothelin-1, welches zu den wirksamsten Vasokonstriktoren des Organismus


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zählt, ist gleichzeitig ein Mitogen für den glatten Muskel (Girndt 1994 siehe ), Lusis et al. 1992 siehe ).

Der Grad der Oxidation von LDL korreliert mit der Abnahme der Erkennung durch den LDL-Rezeptor und gleichzeitig erhöht sich die Affinität für andere Rezeptoren, wie die Scavenger-Rezeptoren Klasse A und B (Fuster et al. 1996 siehe ). Die verstärkte Phagozytose der Makrophagen bedingt weitere oxidative Modifikationen von LDL durch entstehende reaktive Sauerstoffradikale (Fuster et al. 1996 siehe ). Während der LDL-Rezeptor bei einer Hypercholesterinämie down-reguliert wird, tritt dies beim Scavenger-Rezeptor nicht auf (Lusis et al. 1992 siehe ). Die Expression von Adhäsionsmolekülen wie VCAM-1 und ICAM-1 verstärkt die Rekrutierung und Migration von Monozyten/Makrophagen in die arteriosklerotische Läsion (Davies et al. 1993 siehe , Fuster et al. 1996 siehe , Ross 1993 siehe , Wal et al. 1992 siehe ).

Die Migration der glatten Muskelzellen der Media in die Intima, wo sie beginnen zu proliferieren und extrazelluläre Matrix zu bilden, ist der pathophysiologische Hauptmechanismus bei der Entwicklung eines Fettstreifens (frühe Läsion) in ein Atherom (fortgeschrittene Läsion; Fuster et al. 1996 siehe , Goldbourt et al. 1994 siehe , Just et al. 1994, Ross 1993 siehe ). In der reifen Arterie haben sich die glatten Muskelzellen in den kontraktilen Phänotyp differenziert. In Reaktion auf eine akute Schädigung (beispielsweise perkutane transluminale koronare Angioplastie; PTCA) oder subakute Schädigung (wie Lipidakkumulation und Oxidation) wandeln sich die glatten Muskelzellen in einen synthetischen nicht-kontraktilen Phänotyp zurück. Diese phänotypische Umwandlung wird durch Veränderungen der äußeren Bedingungen und Faktoren wie Veränderungen in der Zusammensetzung der extrazellulären Matrix und durch verstärkte Migrationsfähigkeit und erhöhte Empfindlichkeit gegenüber chemotaktischen Faktoren ausgelöst.

Glatte Muskelzellen der Intima, die den synthetischen Phänotyp exprimieren, sind empfindlich gegenüber Wachstumsfaktoren, die von Thrombozyten, Endothelzellen, glatten Muskelzellen und Monozyten/Makrophagen gebildet werden (Fuster et al. 1996 siehe , Goldbourt et al. 1994 siehe , Ross 1993 siehe ). In den Tabellen 6 und 7 sind zum einen die äußeren Faktoren aufgeführt, die die phänotypischen Veränderungen bewirken und zum anderen die Wachstumsfaktoren aufgeführt, welche die Proliferation von glatten Muskelzellen bewirken (Fuster et al. 1996 siehe , Girndt 1994 siehe ), Goldbourt et al. 1994 siehe , Ross 1993 siehe ).

Tabelle 6 Übersicht über die äußeren Faktoren, die bei der phänotypischen Differenzierung der glatten Muskelzelle eine Rolle spielen (SMC=smooth muscle cell, glatte Muskelzelle)

Äußere Faktoren, welche den Phänotyp der Muskelzelle bestimmen
Schädigung/atherogenetische Faktoren Lipide/Lipidprodukte, mechanische Schädigung, Toxine/chemische Substanzen, Entzündungsmediatoren/-zellen, Viren
Endothelzelleinflüsse Kontakt zwischen Endothelzelle und SMC, Kontrolle der Gefäßpermeabilität

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Extrazelluläre Matrix
Adhäsionsmoleküle, Komponenten der extrazellulären Matrix
Mechanische Faktoren aktive Dehnung/Spannung, passive Dehnung, hämodynamische Kräfte
Humorale Substanzen Wachstumsfaktoren/-inhibitoren
Neuronale Faktoren Neurotransmitter, Kontrolle des Gefäßtonus
SMC-SMC Interaktionen Zell-Zellkontakt, autokrine Faktoren
Sauerstoffspannung  

Die Entwicklung einer arteriosklerotischen Läsion beinhaltet drei hauptsächliche Prozesse:

  1. Die Migration, Proliferation und Akkumulation von Makrophagen, T-Lymphozyten und glatten Muskelzellen in der Intima,
  2. die Bildung von extrazellulärer Matrix (elastische Fasern, Kollagen, Proteoglykane) durch die glatten Muskelzellen und
  3. die Akkumulation von Lipid in Makrophagen und Muskelzellen und in der extrazellulären Matrix (Ross 1993 siehe ).

Die “response-to-injury”-Hypothese (Verletzungshypothese) beschreibt, wie durch ein atherogenes Agens eine Dysfunktion des Endothels ausgelöst wird. Das eigentliche auslösende Agens wurde bisher nicht identifiziert, mögliche Kandidaten sind oxidierte Lipide (oxidierte LDL), Zytokine oder Proteasen, Änderungen der Scherkräfte, freie Radikale, Homocysteine oder eine virale Infektion (Fuster et al. 1996 siehe ). Möglicherweise wirken diese schädigenden Agenzien durch den Transkriptionsfaktor nuclear factor-kappa B (NF-kB), welcher für die unangemessene Genexpression in Endothelzellen verantwortlich ist (Fuster et al. 1996 siehe ).

Viele Reaktionen der Endothelzellen sind mit der Arteriosklerosegenese assoziiert, wie die Expression von Adhäsionsmolekülen auf der Endothelzelloberfläche (ELAM-1, VCAM-1, ICAM-1), die veränderte Synthese von Wachstumsfaktoren, chemotaktischen und vasoaktiven Substanzen, die Fähigkeit LDL zu oxidieren und auf oxidierte Lipoproteine zu reagieren, prokoagulatorische Fähigkeiten zu entwickeln und die Fähigkeit, die Permeabilität der Gefäßwand zu verändern. Zuerst entsteht eine lokale, spezialisierte Entzündungsreaktion in der Arterienwand. Bleibt die Wirkung des schädigenden Agens nicht aus, resul-


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tiert daraus eine toxische Schädigung der Zellen der Arterienwand mit darauf folgender fibroproliferativer Reaktion (Fuster et al. 1996 siehe , Ross 1993 siehe ).

Tabelle 7 Darstellung der Wachstumsfaktoren, welche die Proliferation von glatten Muskelzellen bewirken bzw. inhibieren (SMC=smooth muscle cell, glatte Muskelzelle)

Wachstumsfaktoren Ursprung Wirkungen
Platelet derived growth factor (PDGF) Thrombozyten, Makrophagen, SMC, Endothelzellen Wichtigster Wachstumsfaktor für SMC, verstärkt Expression vom LDL-Rezeptor, aktiviert Kollagensynthese, chemotaktisch für SMC und Monozyten, induziert Bildung von Insulin-like growth factor (IGF I) in SMC
Fibroblast growth factor (FGF) Alle Zellen Stimuliert Wachstum von SMC und Endothel-zellen, chemotaktisch für Fibroblasten und Endothelzellen, stimuliert Angiogenese
Heparin-binding EGF-like factor (HB-EGF) Makrophagen, SMC Stimuliert Proliferation und Migration von SMC
Tumornekrose-faktor-alpha (TNF-alpha) Makrophagen, Lymphozyten (T-, B-), SMC Verstärkung der Expression von Adhäsions-molekülen/Induktion der Expression von ELAM-1 auf Endothelzellen, aktiviert Makrophagen, induziert IL-1 Sekretion
Transforming growth factor-beta (TGF-beta) Lymphozyten (T-, B-) Stimuliert Wachstum von SMC in niedriger Konzentration, hemmt Wachstum bei hoher Konzentration, stimuliert Kollagensynthese, stimuliert Sekretion von Plasminogen activator inhibitor-1 (PAI-1)
Interleukin-1 (IL-1) Makrophagen, Endothelzellen, SMC Verstärkung der Expression von Adhäsions-molekülen, Induktion der Expression von E-Selektin (ELAM-1) auf Endothelzellen, stimu-liert Wachstum von SMC, induziert Zytokin- und Prostaglandinsynthese in Makrophagen
Interferon-gamma (IFN-gamma) T-Lymphozyten Induktion der Expression von MHC-Klasse-II-Antigenen, aktiviert Funktionen der Makrophagen, inhibiert Wachstum von SMC

Insgesamt ist der arteriosklerotische Prozeß weniger ein degenerativer als vielmehr ein proliferativer Prozeß, der von zellulären Schäden und Nekrosen begleitet wird (Girndt 1994 siehe )). So kann eine wiederholte oder chronische Schädigung zu einer langsam fortschreitenden Läsion führen, die eine allmähliche Zunahme der glatten Muskelzellen der Intima, der Makrophagen, von Bindegewebe und Lipiden beinhaltet (Isselbacher et al. 1995 siehe ).


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Einzelne oder wenige Episoden einer Schädigung können jedoch zu einer proliferativen Antwort führen, die sich im Unterschied zur ständigen oder chronischen Schädigung zurückbilden kann (Isselbacher et al. 1995 siehe ).

In der Abbildung 1 ist die Pathogenese der Arteriosklerose nach Ross zusammengefaßt (Hornbostel et al. 1992 siehe ).

Abbildung 1 Pathogenese der Arteriosklerose (response-to-injury-Hypothese)

nach Ross: Eine Hyperlipidämie oder andere Risikofaktoren führen zur funktionellen oder morphologischen Endotheldysfunktion bzw. -schädigung mit Monozyten- und Thrombozytenadhäsion vermittelt durch zelluläre Adhäsions-


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moleküle (CAM) wie des endothelialen leukozytären Adhäsionsmoleküls-1 (ELAM-1, E-Selektin), ICAM-1 oder VCAM-1, wobei PDGF (platelet derived growth factor) und andere Wachstumsfaktoren freigesetzt werden. Wichtigste Wirkung ist die Proliferation und Imigration glatter Muskelzellen der Media in die Intima. Die Muskelzellen bilden dabei große Mengen von Kollagen, Elastin und Proteoglykanen, die wesentliche Bestandteile des atheromatösen Plaques darstellen. Aus den eingewanderten Monozyten/Makrophagen und glatten Muskelzellen bilden sich Schaumzellen. Wahrscheinlich gibt es noch endothelunabhängige Mechanismen, die die Proliferation glatter Muskelzellen steigern.

1.1.5. Funktion und Rolle der Arterienwand bei der Arteriosklerose

Die normale Arterienwand besteht aus 3 Schichten: der Intima, der Media und der Adventitia (Leonhardt 1990 siehe ). Die einschichtige, durchgängige Schicht aus Endothelzellen ist metabolisch sehr aktiv und produziert zahlreiche, Gefäßvolumen und Thrombozyten beeinflussende, Substanzen (Isselbacher et al. 1995 siehe ).

Durch pathophysiologische Einflüsse bzw. schädigende Faktoren kann es zu einer endothelialen Dysfunktion kommen, charakterisiert durch erhöhte Permeabilität für Plasmalipoproteine, verstärkte Adhäsion für Leukozyten (Monozyten, T-Lymphozyten) und durch eine funktionelle Imbalance der pro- und antithrombotischen Faktoren, der Wachstumsstimulatoren und -inhibitoren und der vasoaktiven (vasodilatatorisch, vasokonstriktorisch) Substanzen (Fuster et al. 1996 siehe ).

In der Tabelle 8 sind die pro- und die antithrombotischen Faktoren dargestellt.

Das Endothelium synthetisiert auch eine Vielzahl von Zytokinen, Wachstumsfaktoren und -inhibitoren, die parakrin (Wirkung auf Monozyten/Makrophagen und Muskelzellen) und autokrin (Wirkung auf Endothelzellen) wirken (Fuster et al. 1996 siehe ). Diese Faktoren sind in der Tabelle 9 zusammengefaßt.

Das Endothelium der Koronararterien reguliert den Gefäßtonus durch die Synthese und Abgabe von vasoaktiven Substanzen. Beim intakten Endothelium resultiert eine Vasodilatation oder eine abgeschwächte Vasokonstriktion (Ryan et al. 1992 siehe ). Die vasodilatatorischen und vasokonstriktorischen Substanzen sind in der Tabelle 10 zusammengestellt.


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Tabelle 8 Die pro- und antithrombotischen Faktoren, die von der Endothelzelle gebildet werden

PROTHROMBOTISCH ANTITHROMBOTISCH
platelet-activating factor (PAF) Prostazyklin (PGI2)
Gewebefaktor Thrombomodulin
von Willebrand Faktor ecto-ADPase
plasminogen activator inhibitor-1 (PAI-1) tissue plasminogen activator (tPA)
andere Gerinnungsfaktoren Urokinase
  heparin-like molecules

Tabelle 9 Zytokine und Wachstumsfaktoren, die von der Endothelzelle gebildet werden

Zytokine Wachstumsfaktoren
Interleukin-1(IL-1)-alpha platelet-derived growth factor (PDGF-A, -B)
Interleukin-1(IL-1)-beta insulin-like growth factor (IGF-1)
Interleukin-6 basic fibroblast growth factor (bFGF)
Interleukin-8 heparin-binding EGF-like growth factor
monocyte chemotactic protein (MCP-1) transforming growth factor-beta
colony stimulating factors (GM-/M-CSF)  

Tabelle 10 Vasodilatatorische und vasokonstriktorische Substanzen, die von der Endothelzelle gebildet werden

Vasodilatatorisch Vasokonstriktorisch
Prostazyklin (PGI2) Endothelin-1
endothelium-derived relaxing factor/ Stickstoffmonoxid (EDRF)/NO Angiotensin-II
andere "EDRF-ähnliche" Substanzen Prostaglandine

Tierexperimentelle Untersuchungen haben eine erhöhte Permeabilität für Plasmalipoproteine, wie Low-Density Lipoprotein (LDL) und ß-Very-Low-Density Lipoprotein (ß-VLDL), durch Transzytose in den subendothelialen Raum demonstriert (Fuster et al. 1996 siehe , Just et al. 1994 siehe , Lusis et al. 1992 siehe ). Normales Low-Density Lipoprotein (LDL) kann auch durch rezeptorvermittelte Endozytose über den LDL-Rezeptor in die Endothelzelle aufgenommen werden (Silbernagl et al. 1988 siehe ). Bei Vorliegen einer Hypercholesterinämie ist allerdings dieser Rezeptor meistens down reguliert (Fuster et al. 1996 siehe , Lusis et al. 1992 siehe ). Endothelzellen sind nicht nur in der Lage, LDL zu modifizieren d.h. oxidierte LDL zu bilden, sondern können oxidierte LDL auch endozytotisch über den sogenannten Scavenger-Rezeptor aufnehmen (Fuster et al. 1996 siehe , Just et al. 1992).


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Eine Endothelschädigung bzw. eine Dysfunktion des Endothels wird durch die chronische Einwirkung von Risikofaktoren wie Hyperlipidämie (LDL, oxidierte LDL), Hypertonus, Diabetes mellitus, Zigarettenrauchen und anderen Faktoren ausgelöst und so könnten Störungen in der Homöostase der einzelnen Systeme in der Endothelzelle bedeutenden Anteil bei der Entwicklung von arteriosklerotischen Läsionen haben (Fuster et al. 1996 siehe ).

Während der Transzytose können LDL oxidiert werden und nach Ablagerung dieser oxidierten LDL im subendothelialen Raum, haben sie verschiedene Effekte auf die extrazelluläre Matrix und Zellen (Monozyten/Makrophagen, T-Lymphozyten, glatte Muskelzellen, Endothelzellen; Fuster et al. 1996 siehe , Just et al. 1994 siehe , Lusis et al. 1992 siehe , Ross 1993 siehe ). Oxidierte LDL und eine wichtige Komponente davon, Lysophosphatidylcholin (Lysolezithin, LPC), bewirken antivasodilatatorische (provasokonstriktorische), proinflammatorische und prothrombotische (antifibrinolytische) Effekte der Endothelzellen (Fuster et al. 1992b siehe , Just et al. 1994 siehe ). Die Effekte auf die anderen Zellen beinhalten die Beeinflussung von Zellaktivierungen, Zytokinfreisetzungen und Signalwegen (Just et al. 1994 siehe ).

Oxidierte LDL induzieren die Bildung von Adhäsionsmolekülen auf Endothelzellen (ELAM-1, VCAM-1, ICAM-1), welche Monozyten und T-Lymphozyten binden (Fuster et al. 1996 siehe , Ross 1993 siehe ). Lysophosphatidylcholin wirkt selbst chemotaktisch auf Monozyten (Lusis et al. 1992 siehe ). Weiterhin induzieren oxidierte LDL in Monozyten die Bildung von bisher nicht bekannten Zytokinen, welche zu einer verstärkten Expression von Adhäsionsmolekülen auf Endothelzellen (ELAM-1, VCAM-1, ICAM-1) führen (Fuster et al. 1996 siehe ).

Frühe arteriosklerotische Läsionen sind durch eine verstärkte Adhäsion von Monozyten an das Endothel charakterisiert (Fuster et al. 1992a siehe , Fuster et al. 1996 siehe , Lusis et al. 1992 siehe , Ross 1993 siehe ). Nach Migration in den subendothelialen Raum wandeln sie sich in ortsständige Makrophagen um (Isselbacher et al. 1995 siehe ), die eine ganze Anzahl von Substanzen sezernieren können, die eine Progression der Läsion bewirken (Fuster et al. 1996 siehe ).


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1.2. Zelluläre Adhäsionsmoleküle

Interaktionen zwischen Zellen der Gefäßwand und Leukozyten und Thrombozyten spielen eine wichtige Rolle im Prozeß der Entwicklung der Arteriosklerose (Lusis et al. 1992 siehe , Ross 1993 siehe ). Eine besondere Eigenschaft einer inflammatorischen Reaktion ist die lokale Akkumulation von Leukozyten (Sluiter et al. 1993 siehe ). Nach der Adhäsion der Leukozyten an das Endothelium kommt es zur Migration dieser Leukozyten in den subendothelialen Raum als Antwort auf verschiedene Entzündungsmediatoren (Lusis et al. 1992 siehe ).

Die Adhäsion von Monozyten an das Endothelium ist eines der ersten Veränderungen, die in arteriosklerotischen Läsionen auftreten (Fuster et al. 1996 siehe , Ross 1993 siehe ). Spezifische Adhäsionsmoleküle auf der Endotheloberfläche, welche die Adhäsion und Migration der Leukozyten vermitteln, werden durch Entzündungsmediatoren induziert oder verstärkt exprimiert (Lusis et al. 1992 siehe ).

Die Extravasation von Leukozyten verläuft dabei nicht in einem Schritt, sondern als Prozeß aus wenigstens 3 Schritten, der als Adhäsionskaskade bezeichnet wird (Carlos et al. 1994 siehe , Froese et al. 1994 siehe , Sluiter et al. 1993 siehe , Wegner 1994 siehe ). An dieser Adhäsionskaskade, welche aus “tether” bzw. “rolling” (“Halten” bzw. “Rollen”), “trigger” und “glue” (“Triggerung” und “Anheftung”) und “migration” (“Migration”) besteht, nehmen verschiedene Adhäsionsmoleküle (Selektine, Integrine, Immunglobuline) und Chemokine teil (Carlos et al. 1994 siehe , Froese et al. 1994 siehe , Fuster et al. 1996 siehe , Ross 1993 siehe , Wegner 1994 siehe ). In vivo-Daten, die dieses Konzept unterstützen, sind bisher nur von der Mikrozirkulation erhalten worden, so daß nicht mit letzter Bestimmtheit das Modell der Adhäsionskaskade auf die großen Arterien übernommen werden kann (Fuster et al. 1996 siehe ). Die Möglichkeit der Induktion von Adhäsionsmolekülen durch Lipide bzw. oxidierte Lipide (oxidierte LDL) und das ausschließliche Vorkommen von Monozyten/Makropha-gen bei fast völligem Fehlen von Neutrophilen sind Besonderheiten in arterio-sklerotischen Läsionen (Bevilacqua et al. 1994 siehe , Fuster et al. 1996 siehe ).

Zelluläre Adhäsionsmoleküle (cell adhesion molecules; CAM) vermitteln Zellinteraktionen zwischen Immunzellen einerseits und zwischen Leukozyten und Endothelzellen andererseits (Laffon et al. 1995 siehe ). Der Begriff “Adhäsionsmoleküle” ist insofern eine inkomplette Beschreibung, da er nur die Adhäsion zwischen Zellen beschreibt. Zelluläre Adhäsionsmoleküle bewirken nicht nur die Adhäsion, sondern übertragen auch Signale in das Zellinnere und regulieren damit die Immunantwort der Zelle im Rahmen des Entzündungsgeschehens (Wegner 1994 siehe ). So wird als Synonym gelegentlich der Begriff “akzessorische Rezeptoren” (“accessory receptors”) gebraucht (Wegner 1994 siehe ).

Bisher sind wenigstens 5 Familien innerhalb der zellulären Adhäsionsmoleküle bekannt: die Selektine, die Integrine, die Immunglobulin-Superfamilie, die Cadherine und die Addressine, außerdem noch Proteoglykane und Sialomucine (Bevilacqua et al. 1994 siehe , Carlos et al. 1994 siehe , Hogg et al. 1995 siehe , Jang et al. 1994 siehe , Laffon et al. 1995 siehe , Wegner 1994 siehe ). Im Rahmen der Atherogenese sind hauptsächlich die Selektine, die Integrine und die Immunglobulin-Superfamilie an den


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Interaktionen von Leukozyten und Endothelzellen beteiligt (Carlos et al. 1994 siehe , Laffon et al. 1995 siehe , Sluiter et al. 1993 siehe ).

Die zellulären Adhäsionsmoleküle sind in vielen physiologischen und pathologischen Zuständen beteiligt, wie lymphocyte homing, bei der Immunantwort, bei Entzündungsvorgängen, bei der zellvermittelten Zytotoxizität, bei der Metastasierung und Thrombose (Laffon et al. 1995 siehe ). Andere Funktionen sind Bindung von Parasiten (z.B. Malaria), Viren (z.B. Rhinoviren) und Tumorzellen und ihre Teilnahme bei der Signaltransduktion (Carlos et al. 1994 siehe ). Die Adhäsionsmoleküle, welche bisher auf (nichtlymphatischen) Endothelzellen gefunden wurden und welche bei der Leukozytenadhäsion beteiligt sind, sind in der Tabelle 11 dargestellt (Bevilacqua et al. 1993 siehe , Carlos et al. 1994 siehe , Hogg et al. 1993 siehe , Hogg et al. 1995 siehe , McEver et al. 1995 siehe , Sluiter et al. 1993 siehe , Tedder et al.1995 siehe ). Es sind jeweils die Liganden auf den Leukozyten, die basale Expression und die Stimulatoren der Expression der zellulären Adhäsionsmoleküle (CAM) angegeben.

Die Integrine auf den Leukozyten vermitteln die Adhäsion der Leukozyten an die Endothelzellen durch die Bindung an die zellulären Adhäsionsmoleküle der Immunglobulin-Superfamilie (McEver 1992 siehe ). Neben der Vermittlung der “glue” (“Anheften”)-Phase der Adhäsionskaskade sind sie auch für die Migrationsphase verantwortlich (Hogg et al. 1993 siehe , Wegner 1994 siehe ). Normalerweise sind die Integrine auf den Leukozyten inaktiv bzw. binden die Adhäsionsmoleküle aus der Immunglobulin-Superfamilie mit sehr niedriger Affinität (Hogg et al. 1993 siehe ). Die Leukozytenaktivierung resultiert in einer schnellen, aber vorübergehenden Affinitätssteigerung der Rezeptoren (McEver 1992 siehe ). Die Mechanismen dieser Affinitätssteigerung sind noch unklar (McEver 1992 siehe ). Die Integrine sind heterodimere Transmembran-Glykoproteine, welche aus zwei nichtkovalent assoziierten alpha- und beta-Untereinheiten bestehen (Carlos et al. 1994 siehe , Froese et al. 1994 siehe ). Die Rezeptorfamilie setzt sich aus verschiedenen Kombinationen von einer der 12 bis 15 alpha-Untereinheiten (alpha1-alpha15) mit einer der 8 beta-Untereinheiten (ß1-ß8) zusammen (Carlos et al. 1994 siehe , Froese et al. 1994 siehe ). Die Bindungsstelle der Integrine wird durch Anteile von beiden Untereinheiten geformt und wird nach der beta-Untereinheit benannt (Froese et al. 1994 siehe ). Die Aktivierung der Integrine während der Wechselwirkung mit dem Endothelium erfolgt durch Mediatoren, wie platelet activating factor (PAF), Interleukin-8 (IL-8), macrophage inhibitory protein(MIP)-1ß und einigen chemotaktischen Molekülen, die an ihre Rezeptoren auf den Leukozyten binden (Hogg et al. 1993 siehe ).

Innerhalb der Integrin-Familie sind nur 5 Mitglieder an der Adhäsion von Leukozyten an das Endothelium beteiligt: die beta2-Integrine (LFA-1; CD11a/CD18, MAC-1; CD11b/CD18, p150/95; CD11c/CD18), das beta1-Integrin VLA-4 (alpha4ß1, CD49d/CD29) und alpha4ß7 (Carlos et al. 1994 siehe ).


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Tabelle 11 Übersicht über die zellulären Adhäsionsmoleküle (CAM) auf den Endothelzellen, welche bei der leukozytären Adhäsion beteiligt sind

CAM Familie Basale Expression Stimulatoren der Expression Liganden auf den Leukozyten Familie
E-Selektin
(ELAM-1)
Selektin fehlt IL-1,
TNF-alpha,
ODFR,
IFN-gamma,
LPS
Slea,
Slex,
L-Selektin (LAM-1),
ESL-1,
PSGL-1
Zucker
Zucker
Selektin
Glykoprot.
Mucin
P-Selektin
(GMP-140)
Selektin fehlt (in WPG) Histamin,
Thrombin,
ODFR
Slea,
Slex,
PSGL-1
Zucker
Zucker
Mucin
ICAM-1 Ig niedrig IL-1,
TNF-alpha,
IFN-gamma
LFA-1 (CD11a/CD18),
Mac-1 (CD11b/CD18)
Integrin
Integrin
ICAM-2 Ig mäßig keine LFA-1 (CD11a/CD18) Integrin
VCAM-1 Ig sehr niedrig IL-1, TNF-alpha VLA-4 (CD49d/CD29,
alpha4beta1),
alpha4beta7
(CD49d/beta7)
Integrin
Integrin
?
?
?
?
?
?
?
?
p150,95(CD11cCD18)
L-Selektin (LAM-1)
Integrin
Selektin
PECAM-1 (CD31) Ig ? ? PECAM-1 (CD31) Ig
Fibronektin (CS-1) Glyko-protein ? ? VLA-4 (CD49d/CD29,
alpha4beta1)
Integrin

(ELAM-1=endotheliales leukozytäres Adhäsionsmolekül-1, GMP-140=granuläres Membranprotein-140, LAM-1=leukozytäres Adhäsionsmolekül-1, ICAM-1=interzelluläres Adhäsionsmolekül-1, VCAM-1=vaskuläres zelluläres Adhäsionsmolekül-1, PECAM=platelet-endothelial cell adhesion molecule, IL-1=Interleukin-1, TNF-alpha=Tumornekrosefaktor-alpha, IFN-gamma=Interferon-gamma, ODFR= oxygen-derived free radicals (freie Sauerstoffradikale), LPS=Lipopolysaccharide, SLe a=sialyl Lewis a, SLe x=sialyl Lewis x, LFA-1=lymphozytäres funktionsassoziiertes Molekül-1, Glykoprot.=Glykoprotein, Ig=Immunglobulin-Superfamilie, WPG= Weibel-Palade Granula)

Die Immunglobulin-Superfamilie besteht aus zellulären Oberfächenmolekülen, die entweder in der Antigenerkennung (C1-Typ) oder in der Komplementbindung oder zellulären Adhäsion (C2-Typ) involviert sind (Carlos et al. 1994 siehe ). Die C2-Typen sind durch eine oder mehrere extrazelluläre Immunglobulin-ähnliche Domänen, eine Membranregion und einen zytoplasmatischen Anteil (wenn der Rezeptor membrangebunden ist) charakterisiert (Carlos et al. 1994 siehe , Froese et al. 1994 siehe ).


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Innerhalb der Immunglobulin-Superfamilie werden 5 Mitglieder durch Endothelzellen exprimiert, die an der Leukozytenadhäsion beteiligt sind: das interzelluläre Adhäsionsmolekül-1 (ICAM-1), das interzelluläre Adhäsionsmolekül-2 (ICAM-2), das platelet-endothelial cell adhesion molecule-1 (PECAM-1) und das mucosal addressin (MAdCAM-1; Carlos et al. 1994 siehe ).

1.2.1. Selektine

Die Selektine sind eine Familie von drei Proteinen, die Adhäsionen zwischen Leukozyten und den Endothelzellen einerseits und zwischen Leukozyten und Thrombozyten andererseits vermitteln (Rosen et al. 1994 siehe ). Die Selektin-Familie besteht aus drei zellulären Oberflächenmolekülen: E-Selektin (endotheliales leukozytäres Adhäsionsmolekül-1, ELAM-1, CD62E), P-Selektin (platelet activation dependent granule-external membrane protein, PADGEM, granule membrane protein-140, GMP-140, CD62P) und L-Selektin (leukozytäres Adhäsionsmolekül-1, LAM-1, MEL-14, CD62L; Bevilacqua et al. 1989 siehe , Bevilacqua et al. 1993 siehe , Carlos et al. 1994 siehe , Collins et al. 1991 siehe , Johnston et al. 1990 siehe , Tedder et al. 1989 siehe ). Die Präfixe charakterisieren den Ort der Expression: E (endothelial), P (platelet) und L (leukocyte; Carlos et al. 1994 siehe ). E-Selektin und P-Selektin werden von Endothelzellen exprimiert, P-Selektin außerdem von Thrombozyten und L-Selektin wird nur auf Leukozyten exprimiert (Carlos et al. 1994 siehe ).

Der Begriff “Selektin” verbindet im Namen das Vorhandensein einer Lektindomäne und die selektive Expression und Funktion dieser Moleküle (Bevilacqua 1993 siehe ). Strukturelle Gemeinsamkeiten der drei Selektine betreffen das Vorhandensein einer C-Typ Lektindomäne (Calcium abhängig) mit einer endständigen Aminogruppe (Charakteristikum der carbohydrate recognition domain; CRD, Kohlenhydrat-Erkennungsdomäne-Superfamilie), gefolgt durch eine epidermal growth factor(EGF)-Domäne, short consensus repeats (SCRs), ähnlich denen im Komplementsystem, eine Membran(transmembrane)-Domäne (TM) und einen zytoplasmatischen Anteil (Bevilacqua 1993 siehe , Day 1994 siehe , Rosen et al. 1994 siehe , Tedder et al. 1995 siehe ). Die Aminosäuresequenz der Lektindomäne ist bei allen Selektinen zu ungefähr 60% gleich, auch bei der EGF-Domäne besteht eine vergleichbare Ähnlichkeit (Bevilacqua et al. 1993 siehe ). In der Tabelle 12 sind die drei Selektine, deren Expression und Regulation zusammengefaßt.

Die Selektin-Familie vermittelt die Phase des “tether” bzw. “rolling” (“Halten” bzw. “Rollen”) der Adhäsionskaskade, bevor die eigentliche Adhäsion und Migration der Leukozyten in den subendothelialen Raum stattfindet (Abbassi et al. 1993 siehe , Tedder et al. 1995 siehe , Wegner 1994 siehe ). In Kontrast zu anderen zellulären Adhäsionsmolekülen ist die Funktion der Selektine auf die Interaktion von Leukozyten und Thrombozyten und Endothelium beschränkt (Tedder et al. 1995 siehe ). P-Selektin wird innerhalb von Minuten von den alpha-Granula der Thrombozyten und Weibel-Palade Granula der Endothelzellen zur Zelloberfläche verlagert. Auf Monozyten, Neutrophilen und einigen Lymphozyten wird L-Selektin kontinuierlich exprimiert und nach Aktivierung der Zellen abgestoßen (Bevilacqua 1993 siehe , Lefer et al. 1994 siehe , Wegner 1994 siehe ).


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Tabelle 12 Die Selektin-Familie der zellulären Adhäsionsmoleküle

Selektin Synonyme Expression durch Regulation Bindung an
E-Selektin ELAM-1, CD62E Endothelium durch IL-1, TNF, LPS; Induktion der Ex-pression (in Stunden); RNA, Proteinsynthese Monozyten, Neutrophile, einige T-Zellen
P-Selektin PADGEM, GMP-140, CD62P Thrombozyten, Endothelium durch Thrombin, Hista-min und andere;aus gespeicherten Granula (in Minuten); Induktion durch Zytokine (in Stunden) Monozyten, Neutrophile, einige T-Zellen
L-Selektin LAM-1, LECAM-1, CD62L, MEL-14 Monozyten, Neutrophile, Lymphozyten kontinuierliche Ex-pression auf der Ober-fläche; Modulation der Aktivität; Abstoßung nach der zellulären Aktivierung aktiviertes Endothelium, high endothelial venules (HEV) von Lymphknoten

(ELAM-1=endotheliales leukozytäres Adhäsionsmolekül-1, PADGEM=platelet activation dependent granule-external membrane protein, GMP-140=granule membrane protein-140, LAM-1=leukozytäres Adhäsionsmolekül-1, IL-1=In-terleukin-1, TNF=Tumornekrosefaktor, LPS=Lipopolysaccharid)

Alle Selektine vermitteln das Rollen der Leukozyten in den postkapillären Venolen der Mikrozirkulation, um im Rahmen des inflammatorischen Prozesses das Blutgefäßsystem zu verlassen und in das Gewebe einzudringen (Abbassi et al. 1993 siehe , Dore´et al. 1993 siehe , Lefer et al. 1994 siehe , Ley et al. 1993 siehe ). Ob das Phänomen des Rollens auch in Venen oder Arterien stattfindet, ist noch nicht geklärt worden (Fuster et al. 1996 siehe ).

E-Selektin wird nur nach Aktivierung durch Zytokine (IL-1, TNF-alpha, LPS=bakte-rielles Endotoxin) in den Endothelzellen innerhalb von 4 bis 6 Stunden de novo synthetisiert. An Orten der Entzündung findet sich die Expression des endothelialen leukozytären Adhäsionsmoleküls-1 auf dem Endothelium des Gefäßsystems. Es kommt außerdem auf den Endothelzellen über arteriosklerotischen Läsionen, besonders bei denen mit einer starken Akkumulation von Monozyten/Makrophagen und Lymphozyten vor (Bevilacqua et al. 1994 siehe , Davies et al. 1993 siehe , Gallo 1995 siehe , Poston et al. 1992 siehe , Wal et al. 1992 siehe , Wood et al. 1993 siehe ). Weitere nachgewiesene oder wahrscheinliche Vorkommen sind: Vaskulitiden, Sepsis, adult respiratory distress syndrome (ARDS), Asthma bronchiale, entzündliche Darmerkrankungen, Hepatitis, Arthritis, in Rejektion befindliche transplantierte Nieren und Herzen, Metastasierung und Dermatosen (z.B. Psoriasis). Bei Patienten im septischen Schock lassen sich lösliche Formen von E-Selektin im Plasma nachweisen (Bevilacqua et al. 1994 siehe , Tedder et al. 1995 siehe ).


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1.2.2. .Struktur vom endothelialen leukozytären Adhäsionsmolekül-1(ELAM-1, E-Selektin)

Die Selektine sind einzigartig, was das Vorkommen der drei extrazellulären Domänen (Lektin-, EGF-, SCR-Domäne) in enger Beziehung zueinander betrifft. Wahrscheinlich ist diese enge Verwandtschaft wichtig für die Rezeptorfunktion (Tedder et al. 1995 siehe ).

Die Lektin- und die EGF-Domäne sind in die Zelladhäsion involviert (Graves et al. 1994 siehe , Kansas et al. 1994 siehe , McEver et al. 1995 siehe , Tedder et al. 1995 siehe ). Die SCR-Domänen tragen indirekt zur Adhäsion bei, indem sie für die richtige Präsentation und Stabilisierung der Lektin-EGF-Domänen sorgen (Tedder et al. 1995 siehe ). Die Anzahl der SCR-Domänen schwankt bei den drei Selektinen: L-Selektin hat zwei SCR-Domänen, P-Selektin hat neun und E-Selektin besitzt sechs SCR-Domänen (Bevilacqua 1993 siehe , Graves et al. 1994 siehe ). Möglicherweise wird die funktionelle Affinität durch die Proteininteraktionen zwischen der EGF-Domäne und den SCR-Domänen und Proteinstrukturen der Liganden beeinflußt (Cummings et al. 1992 siehe , Rosen et al. 1994 siehe ). Die Lektin-Domäne bedingt ein kohlenhydratspezifisches Bindungsverhalten (Graves et al. 1994 siehe ).

Während die Erkennung der beiden anderen vaskulären Adhäsionsmoleküle, der Integrine und der Immunglobulin-Superfamilie auf der Interaktion von Proteinstrukturen basiert, erfolgt die Erkennung bei den Selektinen vorwiegend durch Kohlenhydratstrukturen, wie sialyl Lewis x (sLe x; Brandley et al. 1990 siehe , Cummings et al. 1992 siehe , Graves et al. 1994 siehe , Munro et al. 1992 siehe , Phillips et al. 1990 siehe , Springer et al. 1991 siehe , Tyrell et al. 1991 siehe , Zhou et al. 1991 siehe ). Diese Oligo-saccharidstruktur befindet sich reichlich auf zirkulierenden Monozyten und Neutrophilen. Auch L-Selektin präsentiert bestimmte Kohlenhydratstrukturen auf Leukozyten für die Interaktion mit E-Selektin (ELAM-1) auf Endothelzellen (Bevilacqua 1993 siehe , Cummings et al. 1992 siehe ).

Das endotheliale leukozytäre Adhäsionsmolekül (ELAM-1, E-Selektin) ist ein 115-kDa Glykoprotein (Collins et al. 1991 siehe , Cummings et al. 1992 siehe ). Die Struktur der Domänen vom ELAM-1 ist in der Abbildung 2 zu sehen (Bevilacqua et al. 1993 siehe , Wegner 1994 siehe ).

Abbildung 2 Struktur der Domänen vom ELAM-1 (Lektin=Lektindomäne, EGF =epidermal growth factor-Domäne, SCR=short consensus repeat-Domänen, TM=transmembrane(Membran)-Domäne, CYTO=cytoplasmatische Sequenz)

Die DNA-Struktur des ELAM-1-Gens wurde 1989 von Bevilacqua beschrieben (Bevilacqua et al. 1989 siehe ). Das menschliche Gen besteht aus 14 Exonen und ist


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auf dem langen Arm des Chromosoms 1 lokalisiert. Auch die Gene für die beiden anderen Selektine (P-, L-Selektin) sind auf dem langen Arm des Chromosoms 1 lokalisiert (Collins et al. 1991 siehe ). Die Proteinstruktur bzw. die Domänenstruktur von E-Selektin korreliert mit der Genstruktur (Collins et al. 1991 siehe ). Die EGF-Domäne wird durch ein separates Exon (Exon 4) kodiert. Die SCR-Domänen sind jeweils in einzelnen Exons enthalten (Exon 5-Exon 10). Auch die Membran(TM)-Domäne wird von einem separaten Exon (Exon 11) kodiert. Exon 1 enthält die 5´untranslatierte(5´UT)-Region. Exon 2 kodiert den Rest der 5´UT-Region und den größten Teil des Signalpeptides (Collins et al. 1991 siehe ). Die Tabelle 13 stellt die Positionen und die Länge der Exons vom menschlichen E-Selektin (ELAM-1) und die sie kodierenden Domänen dar (Bevilacqua et al. 1989 siehe , Collins et al. 1991 siehe ).

Tabelle 13 Darstellung der Positionen und der Längen der Exons vom menschlichen endothelialen leukozytären Adhäsionsmolekül-1 (ELAM-1, E-Se-lektin; UT=untranslatiert, bp=Basenpaare, As=Aminosäuren)

Eiweißstruktur von E-Selektin (ELAM-1) Position der Exons im humanen ELAM-1 Gen
Domänen Exon Domäne Länge bp As
  1

2

5´UT

Signalpeptid

x

85

x

12

Lektindomäne 3 Lektin 384 128
EGF-Domäne 4 EGF 108 36
short consensus

repeat(SCR)-Domäne

5

6

7

8

9

10

SCR1

SCR2

SCR3

SCR4

SCR5

SCR6

186

186

189

189

189

177

62

62

63

63

63

59

(TM)-Domäne 11 TM 108 36
zytoplasmatische

(CYTO)- Domäne

12

13

CYTO

CYTO+3´UT

22

73

7

19

  14 3´UT x x


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1.3. Ziele der vorliegenden Arbeit

In der vorliegenden Arbeit sollte das Gen des endothelialen leukozytären Adhäsionsmoleküls-1 (ELAM-1, E-Selektin) auf DNA-Polymorphismen untersucht werden, um einen möglichen genetischen Hintergrund von zellulären Interaktionen, die in den arteriosklerotischen Prozeß involviert sind, zu untersuchen.

Die Adhäsion von Monozyten an das Endothelium ist eine der ersten Veränderungen, die in arteriosklerotischen Läsionen auftreten (Fuster et al. 1996 siehe , Lusis et al. 1992 siehe , Ross 1993 siehe ). Die Endothelzellen nehmen am arteriosklerotischen Prozeß mit der Exprimierung von zellulären Adhäsionsmolekülen (CAM) wie dem endothelialen leukozytären Adhäsionsmolekül-1 (ELAM-1, E-Selektin) auf ihrer Zelloberfläche teil (Fuster et al. 1996 siehe , Ross 1993 siehe ). Die Adhäsionskaskade ermöglicht den Monozyten, in die Gefäßwand zu migrieren.

Angesichts der entscheidenden Bedeutung des E-Selektins für die Interaktion der Leukozyten mit den Endothelzellen, sollte geklärt werden, ob ein DNA-Polymorphismus dieses Moleküls eine Rolle bei der frühzeitigen Arteriosklerose der Koronararterien spielt. Aus diesem Grund sollten folgende Fragen geklärt werden:

  1. Gibt es einen DNA-Polymorphismus des ELAM-1-Gens?
  2. Prädisponiert ein möglicher DNA-Polymorphismus des ELAM-1-Gens zu einer frühzeitigen Koronararteriensklerose?
  3. Ist der analysierte Polymorphismus unabhängig von anderen Risiko-faktoren einer Koronararteriosklerose?
  4. Prädisponiert ein möglicher Polymorphismus zu einer Mehrgefäßerkrankung der Koronararterien?

Patienten mit 50 Jahren oder jünger (le50 Jahre) mit interventionspflichtigen Koronararterienstenosen wurden durch die Einzelstrang-Konformationspolymorphismus(SSCP)-Analyse und durch direkte Sequenzierung auf Polymorphismen im ELAM-1-Gen untersucht. Folgende Aufgaben wurden im einzelnen erfüllt:

  1. Untersuchung des endothelialen leukozytären Adhäsionsmoleküls-1 (ELAM-1, E-Selektin)-Gens auf einen DNA-Polymorphismus
  2. Assoziationsanalyse zum Vergleich der Häufigkeiten des DNA-Polymorphismus in Abhängigkeit vom Alter (Patienten le40 Jahre, Patienten le50/>40 Jahre)

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  3. Assoziationsanalyse zum Vergleich der Häufigkeiten des DNA-Polymorphismus in Abhängigkeit von den Risikofaktoren (männliches Geschlecht, Eigenanamnese einer koronaren Herzkrankheit, Familien-anamnese einer koronaren Herzkrankheit (bei Eltern oder Geschwistern), Zigarettenrauchen, Hyperlipidämie (Hypercholesterinämie, Hypertriglyzeridämie), niedriges HDL-Cholesterin (<0,9 mmol/l bzw. <35 mg/dl), Diabetes mellitus, Adipositas und arterielle Hypertonie
  4. Assoziationsanalyse zum Vergleich der Häufigkeiten des DNA-Polymorphismus in Abhängigkeit vom Ausmaß der Gefäßerkrankung (Ein-/ Mehr(Zwei- und Drei)gefäßerkrankungen)

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Wed Jun 3 18:03:36 1998