Mencke, Thomas: Thema: DNA-Polymorphismus des endothelialen leukozytären Adhäsionsmoleküls-1 bei Patienten (unter 50 Jahren) mit interventionsbedürftigen Koronararterienstenosen |
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Das Modell der Adhäsionskaskade beschreibt eine Folge von Adhäsionszuständen, welche durch die initiale Bildung von Mediatoren und Aktivierung des Endotheliums in der Nähe des Entzündungsherdes in Gang gesetzt wird (Carlos et al. 1994
). Die Selektine vermitteln die Adhäsion von Leukozyten an die Endothelzellen im traumatisierten und entzündeten Gewebe (Tedder et al. 1995
). Alle Selektine ermöglichen das Rollen von zirkulierenden Monozyten, Neutrophilen und Lymphozyten entlang von stimuliertem Endothelium (Abbassi et al. 1993
, Dore´et al. 1993
, Hogg et al. 1995
, Ley et al. 1993
). Intravitale Mikroskopie konnte klar das Rollen von Neutrophilen entlang der Gefäßwand in postkapillären Venolen nachweisen und dieses Phänomen ist während akuter Entzündungsvorgänge deutlich verstärkt (Dore´ et al. 1993
, Lasky 1992
, Wegner 1994
). Lymphozyten können wahrscheinlich auch ohne die Vermittlung der Selektine über ihre alpha4 Integrine (
4ß7) rollen (Hogg et al. 1995
).
Die Adhäsionskaskade mit den drei Phasen tether/rolling (Halten/Rollen), trigger/glue (Triggerung/Anheften) und migration (Migration) ist in der Abbildung 13 dargestellt.
Das Selektin-vermittelte Rollen erfolgt im Gegensatz zur glue-Phase (Interaktion Integrin-Immunglobulin-Superfamilie) ohne Leukozytenaktivierung (Hogg et al. 1995
). Rollen findet nur unter den Bedingungen des Blutflusses statt und resultiert aus Scherkräften, die auf den einzelnen Monozyten wirken und Selektin-vermittelten Bindungszuständen (Carlos et al. 1994
). Die Monozyten und Neutrophilen rollen mit Geschwindigkeiten, die unter denen von frei fließenden Leukozyten liegen, so daß die juxtakrine Triggerung der Integrinrezeptoren auf den Leukozyten erfolgen kann (McEver et al. 1995
).
Nach der Phase des tether erfolgt eine weitere Aktivierung des Endotheliums und nun auch der Leukozyten durch Zytokine (Interleukine), Chemokine (Tumornekrosefaktor-; TNF-
, platelet-activating factor; PAF) und chemotaktische Substanzen (C5a; Bevilacqua et al. 1993
, Rinder et al. 1996
, Wegner 1994
). Die Interaktion zwischen den Integrinen auf der Oberfläche der Monozyten und Neutrophilen und ICAM-1, ICAM-2 und VCAM-1 (Immunglobulin-Superfamilie) auf den Endothelzellen bedingt eine stärkere Adhäsion (glue) und letztendlich die transendotheliale Migration in den subendothelialen Raum (Bevilacqua 1993
, Bevilacqua et al. 1994
, Carlos et al. 1994
).
Das Phänomen des Rollens konnte bisher in den Arterien noch nicht nachgewiesen werden, möglicherweise ist der Anteil der rollenden Leukozyten kleiner als in der Mikrozirkulation (Carlos et al. 1994
).
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Abbildung 13 Die Adhäsionskaskade mit den drei Phasen tether/rolling (Halten/Rollen), trigger/glue (Triggerung/Anheften) und migration (Migration).
Die erste Phase ist charakterisiert durch das Rollen der Monozyten bzw. der Neutrophilen auf dem Endothelium, welches die Selektine, wie das ELAM-1 vermitteln. Die 2. Stufe ist die Aktivierung der Monozyten bzw. Neutrophilen durch Chemokine wie C5a, infolgedessen eine stärkere Adhäsion durch die Interaktion von Integrinen (z.B. VLA-4) mit Mitgliedern aus der Immunglobulin-Superfamilie (z.B. VCAM-1) resultiert. Auch in der 3. Phase, der Migration, erfolgt ein Zusammenspiel von Integrinen wie LFA-1 und Vertretern aus der Immunglobulin-Superfamilie wie ICAM-1 (Lasky 1992
, Wegner 1994
). (ELAM-1=endotheliales leukozytäres Adhäsionsmolekül-1, sLe x=sialyl Lewis x, VLA-4=
4ß1-Integrin, LFA-1=lymphozytäres funktionsassoziiertes Molekül-1, ICAM-1=interzelluläres Adhäsionsmolekül-1, VCAM-1=vaskuläres zelluläres Adhäsionsmolekül-1)
Die Adhäsion von Monozyten und Lymphozyten an das Endothelium der großen Arterien ist eines der ersten Ereignisse in der Pathogenese der Arteriosklerose. Die transendotheliale Migration der Monozyten in den subendothelialen Raum, die Akkumulation in der Intima und Entwicklung zu Schaumzellen (foam cells) und die Synthese von Zytokinen und Wachstumsfaktoren sind entscheidende pathogenetische Faktoren.
Die Endothelzellen nehmen am arteriosklerotischen Prozeß mit der Exprimierung von zellulären Adhäsionsmolekülen (CAM) auf ihrer Zelloberfläche teil (Fuster et al. 1996
, Ross 1993
). Die Adhäsionskaskade ermöglicht den Monozyten, in die Gefäßwand zu migrieren. Die klassischen Familien der Adhäsionskaskade (Selektine, Integrine, Immunglobulin-Superfamilie) wurden bisher teilweise in experimentell induzierten arteriosklerotischen Läsionen von Tieren und in explantierten Herzen, in resezierten Gewebestücken (nach chirurgischer
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Rekonstruktion bzw. Resektion) und postmortal nachgewiesen (Davies et al. 1993In hypercholesterinämischen Tiermodellen wurde die VCAM-1-Expression auf arteriellen Endothelzellen über frühen arteriosklerotischen Läsionen (Cybulsky et al. 1991
) und auf glatten Muskelzellen (Jang et al. 1994
) nachgewiesen. Beim Menschen sind folgende Mitglieder der Immunglobulin-Superfamilie bisher nachgewiesen worden: ICAM-1 (Davies et al. 1993
, Johnson-Tidey et al. 1994
, Poston et al. 1992
, Printseva et al. 1992
, Wal et al. 1992
, Wood et al. 1993
) und VCAM-1 (Davies et al. 1993
, Gallo 1995
, Wood et al. 1993
).
Die Endothelzellen über arteriosklerotischen Läsionen zeigen eine verstärkte Expression von P-Selektin (Johnson-Tidey et al. 1994
). Der Nachweis vom endothelialen leukozytären Adhäsionsmolekül-1 (ELAM-1, E-Selektin) auf dem Endothelium über arteriosklerotischen Läsionen in menschlichen Koronararterien konnte mehrmals erbracht werden (Davies et al. 1993
, Gallo 1995
, Wal et al. 1992
, Wood et al. 1993
). Dabei fand sich ELAM-1 während aller Stadien einer arteriosklerotischen Läsion und nicht in arteriellen Gefäßgebieten ohne eine zelluläre Infiltration (Gallo 1995
, Wal et al. 1992
).
Wood konnte ELAM-1 in der Intima aller Koronararteriensegmente nachweisen, möglicherweise ein Ausdruck genereller Aktivierung des Endotheliums (Wood et al. 1992). Neue Gefäße in der Media und Intima von fortgeschrittenen Läsionen zeigten nur in einigen Herden eine ELAM-1-Expression, welche dann mit Makrophagen und T-Lymphozyten vergesellschaftet war. Diese induzieren wahrscheinlich die ELAM-1-Expression durch Bildung von Zytokinen (IL-1, TNF-, IFN-
), wobei mRNA für IFN-
und IL-1 in arteriosklerotischen Läsionen bereits nachgewiesen worden ist (Wood et al. 1993
).
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In der vorliegenden Studie wurde nach einem DNA-Polymorphismus im endothelialen leukozytären Adhäsionsmolekül-1(ELAM-1, E-Selektin)-Gen gesucht, wobei in der epidermal growth factor(EGF)-Domäne (A561C), in der 5´untranslatierten(5´UT)-Region (G98T) und in der Membran(TM)-Domäne (C1839T) Polymorphismen mit Hilfe der Einzelstrang-Konformationspolymorphismus(SSCP)-Analyse gefunden wurden.
Es wurden Patienten mit einer frühzeitigen interventionspflichtigen Koronarar-teriensklerose untersucht, wobei der A561C-Polymorphismus in der EGF-Domäne und der G98T-Polymorphismus in der 5´UT-Region bei Patienten mit 40 Jahren und jünger (40 Jahren) signifikant häufiger auftreten als bei Patienten mit 50 Jahren oder jünger, aber älter als 40 Jahren (
50/>40 Jahren).
Da die Polymorphismen in der EGF- und TM-Domäne jeweils zu einem Aminosäureaustausch (Ser128Arg bzw. Leu554Phe) führen, könnte das Bin-dungsverhalten bzw. die Verankerung des Moleküls in der endothelialen Zellmembran alteriert sein. Der 5´UT-Polymorphismus verändert möglicherweise die Regulation der Expression.
Die Assoziationsanalyse zeigte für die Hypertriglyzeridämie und eine positive Familienanamnese eine positive Korrelation mit den EGF- und 5´UT-Polymor-phismen. Die Hypertriglyzeridämie als Risikofaktor ist nicht generell akzeptiert (Isselbacher et al. 1995
). Die positive Assoziation mit einem Myokardinfarkt bei Geschwistern oder Eltern könnte auf einen pathogenetischen Mechanismus bei familiär gehäufter koronarer Herzkrankheit hinweisen.
In den letzten Jahren ist es im Zusammenhang mit den Fortschritten der Molekularbiologie zunehmend möglich geworden, die anerkannten Risikofaktoren auf einen genetischen Hintergrund hin zu untersuchen und die ihnen zugrunde liegenden Genstörungen zu charakterisieren.
Dieser Ansatz hat darüber hinaus zur Identifizierung weiterer Gene geführt, von denen angenommen wird, daß sie zum Teil unabhängig von diesen klassischen Faktoren zu einem erhöhten Arterioskleroserisiko führen (Miserez et al. 1995
). Dazu zählen: das angiotensin-converting-enzyme(ACE)-Gen (Arbustini et al. 1995
, Cambien et al. 1992
, Schunkert et al. 1995
), das Angiotensinogen-Gen (Ishigami et al. 1995
, Miserez et al. 1995
), der ß-Fibrinogen-Locus (Miserez et al. 1995
, Schunkert et al. 1995
), Heterozygotie und Homozygotie für Cystathion-ß-Synthase-Defekte (Fuster et al. 1996
, Miserez et al. 1995
, Schunkert et al. 1995
), 6A6A-Polymorphismus des Stromelysin-Promoters (Ye et al. 1995
). Prospektive Studien bestätigten diese Ergebnisse teilweise aus epidemiologischer Sicht; bei einzelnen dieser Risikofaktoren sind diese Daten aber noch widersprüchlich (Miserez et al. 1995
).
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Eine vollständige inflammatorische Antwort erfordert die Expression und Funktion von zellulären Adhäsionsmolekülen (CAM). Es sind bisher zwei kongenitale Defekte (LAD-1, LAD-2) bei den CAMs bekannt, welche durch wiederkehrende Infektionen charakterisiert sind (Bevilacqua et al. 1994Es gibt eine ganze Anzahl von Kandidatengenen auf der Ebene der zellulären Interaktionen, die in den arteriosklerotischen Prozeß involviert sind. Je nach der spezifischen Alteration könnten Veränderungen auf der Ebene der zellulären Interaktionen einen protektiven Effekt haben oder eine Prädisposition zur Entwicklung einer Arteriosklerose induzieren. Veränderungen der zellulären Adhäsionsmoleküle könnten zu einer verstärkten Bindung von Leukozyten oder Thrombozyten an das Endothelium führen und somit die Progression der arteriosklerotischen Läsion bedingen (Lusis et al. 1992
).
Das endotheliale leukozytäre Adhäsionsmolekül-1 (ELAM-1, E-Selektin) wird auf dem Endothelium über arteriosklerotischen Läsionen in Koronararterien exprimiert (Davies et al. 1993
, Gallo 1995
, Wal et al. 1992
, Wood et al. 1993
). Die Expression von ELAM-1 (Davies et al. 1993
, Gallo 1995
, Wal et al. 1992
, Wood et al. 1993
), ICAM-1 (Davies et al. 1993
, Johnson-Tidey et al. 1994
, Poston et al. 1992
, Printseva et al. 1992
, Wal et al. 1992
, Wood et al. 1993
) und VCAM-1 (Davies et al. 1993
, Gallo 1995
, Wood et al. 1993
) in arterio-sklerotischen Läsionen und die lokale Bildung von chemotaktischen Substanzen und Zytokinen (Wood et al. 1993
) lassen vermuten, daß zelluläre Adhäsionsmoleküle bei der Rekrutierung der Monozyten zu einer arteriosklerotischen Läsion eine wichtige Rolle spielen (Fuster et al. 1996
). Noch konnte allerdings nicht endgültig gezeigt werden, daß das rolling-Phänomen, welches in den postkapillären Venolen bewiesen ist (Lasky 1992
, Wegner 1994
), sich in Arterien ereignet (Fuster et al. 1996
). ELAM-1 erkennt u.a. sialyl Lewis x (sLe x, ein Oligosaccharid; Brandley et al. 1990
, Cummings et al. 1992
, Graves et al. 1994
, Springer et al. 1991
, Zhou et al. 1991
) auf Leukozyten.
Die Lektin- und die EGF-Domäne von ELAM-1 (E-Selektin) sind in die Zelladhäsion involviert (Graves et al. 1994
, Kansas et al. 1994
, McEver et al. 1995
, Tedder et al. 1995
). Die in dieser Studie gefundene Mutation in der EGF-Domäne von Adenin zu Cytosin an Position 561 (A561C) resultiert in einem Aminosäureaustausch von Serin zu Arginin an Position 128 (Ser128Arg). Die EGF-Domäne von ELAM-1 ist hinsichtlich der Faltung und der Position der Disulfidbrücken ähnlich anderer EGF-Domänen. Charakteristischerweise sind die Lektin- und die EGF-Domäne nur an den Positionen 135-139 der EGF-Domäne miteinander verbunden. Allerdings scheint sich die relative Anordnung der beiden Domänen kaum zu verändern (Graves et al. 1994
, Mills 1993
). In experimentellen Untersuchungen konnten bereits an Mutationen in der Lektindomäne
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Bindungsstudien mit Neutrophilen bzw. mit Sialyl Lewis x (sLe x) durchgeführt werden (Erbe et al. 1992In der 5´UT-Region wurde ein Guanin zu Thymin Polymorphismus an Position 98 (G98T) gefunden. Da es sich um einen nichttranslatierten Bereich des ELAM-1 Gens handelt, spielen möglicherweise veränderte Regulationsvorgänge eine Rolle. Interessanterweise wurde die A561C-Mutation in der EGF-Domäne nur bei einem Patienten nicht in Zusammenhang mit der G98T-Mutation in der 5´UT-Region gefunden. Innerhalb der Patientengruppe 40 Jahre fanden sich die beiden Mutationen immer gemeinsam.
Die in dieser Studie gefundene Mutation von Cytosin zu Thymin an Position 1839 (C1839T) resultiert in einem Aminosäureaustausch von Leucin zu Phenylalanin an Position 554 (Leu554Phe). Die sich anschließenden SCR-Domänen tragen indirekt zur Adhäsion bei, indem sie für die richtige Präsentation und Stabilisierung der Lektin-EGF-Domänen sorgen (Tedder et al. 1995
). Ob der TM-Domäne eine ähnliche Stabilisierungsfunktion zukommt, ist unklar. Bei Patienten im septischen Schock lassen sich u.a. lösliche Formen von E-Selektin im Plasma nachweisen (Bevilacqua et al. 1994
, Martin et al. 1995
, Tedder et al. 1995
). Eventuell ist die Position der mutierten TM-Domäne in der Zellmembran verändert. Dies könnte die Verankerung alterieren und eine veränderte Bildung von löslichen E-Selektin bedingen. Möglicherweise kommt dem gestörten Verhältnis von löslichen-/gebundenen E-Selektin eine Rolle bei der Arterioskleroseentstehung zu.
Der A561C-Polymorphismus in der EGF-Domäne und der G98T-Polymorphismus in der 5´UT-Region traten bei den Patienten 40 Jahre signifikant häufiger auf, als bei den Patienten
50/>40 Jahre (p-Wert jeweils 0,0393).
Für die C1839T-Mutation in der TM-Domäne trat diese Assoziation nicht auf.
Mit 41,5% treten die beiden ersten Polymorphismen fast doppelt so häufig bei den Patienten 40 Jahren auf, im Vergleich zu den Patienten
50/>40 Jahre (21,6%).
Diese Ergebnisse lassen den Schluß zu, daß die Polymorphismen in der EGF-Domäne und in der 5´UT-Region mit einer frühzeitigen interventionspflichtigen Koronararteriosklerose assoziiert sind. Zukünftig sollte die DNA-Polymorphismusanalyse des ELAM-1(E-Selektin)-Gens bei weiteren Patientenaltersgrup-
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pen (<30 Jahre, >50 Jahre, >60 Jahre) erfolgen, um die Altersabhängigkeit weiter zu untersuchen.Die Untersuchung einer möglichen Assoziation der DNA-Polymorphismen mit den Risikofaktoren für eine koronare Herzkrankheit ergab signifikante Assoziationen sowohl für eine Hypertriglyzeridämie als auch für eine positive Familienanamnese mit der A561C-Mutation in der EGF-Domäne und mit dem G98T-Polymorphismus in der 5´UT-Region.
Das männliche Geschlecht ist als irreversibler Risikofaktor der Atherosklerose zu betrachten (Classen et al. 1994
, Isselbacher et al. 1995
) und ist einer der stärksten und am besten dokumentierten Risikofaktoren der koronaren Herzkrankheit (Fuster et al. 1996
). Allerdings sind die zugrundeliegenden pathogenetischen Mechanismen unklar.
In der vorliegenden Studie war der Anteil der Männer und der Frauen mit den Polymorphismen in der EGF-Domäne und 5´UT-Region annähernd gleich (Männer jeweils: 30,5%, Frauen jeweils 30,0%). Bei den Frauen trat die TM-Mutation überhaupt nicht auf. Der Frauenanteil betrug 10,9% von allen Patienten, welches das Geschlechterverhältnis in der Literatur recht gut widerspiegelt (Männer : Frauen (<60 Jahre) 4:1; Classen et al. 1994
, 5:1 Stobbe et al. 1996
, 10:1; Framingham-Studie, Fuster et al. 1996
).
Die koronare Herzkrankheit ist heute der zuverlässigste verfügbare Indikator für eine Arteriosklerose (Isselbacher et al. 1995
). Praktisch alle Patienten mit einem Myokardinfarkt, definiert durch Änderungen des Elektrokardiogramms und der Enzyme, haben eine koronare Arteriosklerose (Isselbacher et al.1995
). In annähernd 95% wird die koronare Herzerkrankung durch arteriosklerotische Gefäßveränderung bedingt (Dieterich et al. 1993
).
Insofern ist es nicht weiter erstaunlich, daß 77 Patienten (86,5%) einen Myokardinfarkt hatten. Von den Patienten 40 Jahren ohne Myokardinfarkt wurde bei keinem der Patienten ein DNA-Polymorphismus gefunden, wobei sich nur 3 Patienten (8,6%) in dieser Gruppe befanden.
Die frühzeitige Arteriosklerose scheint oft familiär aufzutreten (Chamberlain et al. 1990
, Goldbourt et al. 1994
, Isselbacher et al. 1995
). Die Familienanamnese einer koronaren Herzkrankheit, besonders die einer frühzeitig auftretenden Erkrankung, ist ein starker unabhängiger Risikofaktor (Fuster et al. 1996
). Mit der
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Untersuchung weiterer Kandidatengene wird sich dieses unerklärbare Risiko dementsprechend vermindern (Fuster et al. 1996Genetische Polymorphismen sind innerhalb der zellulären und molekularen Prozesse in arteriosklerotischen Läsionen (Wachstumsfaktoren, Zytokine, Adhäsionsmoleküle und Enzyme) zu erwarten (Fuster et al. 1996
). In dieser Studie konnte ein DNA-Polymorphismus im Bereich der zellulären Adhäsionsmoleküle (CAM) aufgezeigt werden.
Es zeigte sich eine statistisch signifikanter höherer Polymorphismusanteil (A561C-Mutation in der EGF-Domäne und G98T-Polymorphismus in der 5´UT-Region) bei den Patienten 50 Jahren (p=0,0441) und
40 Jahren (p=0,0344) mit einer positiven Familienanamnese gegenüber denen, ohne einer positiven Familienanamnese.
Zur weiteren Abklärung dieser Assoziation sollten in der Zukunft Familienmitglieder einer Polymorphismusanalyse unterzogen werden.
Rauchen ist eine der Hauptursachen für die Entstehung der koronaren Herzkrankheit (Study group 1987
). Bei 5 Assoziationsanalysen von Risikofaktoren, die in longitudinalen Studien während des Lebens bestimmt wurden, mit arteriosklerotischen Läsionen (nach dem Tod durch Autopsie klassifiziert) konnte in einer Untersuchung die Assoziation mit der Koronararteriensklerose und in allen Untersuchungen die Assoziation mit der Aortensklerose gezeigt werden (Fuster et al. 1996
).
Die Wirkung des chronischen Zigarettenrauchens könnte zu einer wiederholten toxischen Schädigung der Endothelzellen führen und dadurch die Arteriosklerose beschleunigen (Isselbacher et al. 1995
). Hypoxie stimuliert in humanen Zellkulturen die Proliferation arterieller glatter Muskelzellen. Da Zigarettenrauchen mit hohen Spiegeln von Carboxyhämoglobin und geringerer Sauerstoffabgabe an das Gewebe verbunden ist, könnte auch dieser Mechanismus pathogenetische Bedeutung haben. Außerdem vermindert sich möglicherweise die Abbaufähigkeit der Lysosomen in den glatten Muskelzellen (Isselbacher et al. 1995
).
79 Patienten (88,8%) waren Zigarettenraucher in der vorliegenden Studie. Der Anteil der Zigarettenraucher mit den Polymorphismen war höher als der Anteil der Nichtraucher. Allerdings ergab sich keine statistische Signifikanz und die Gruppe der Nichtraucher war klein (10 Patienten; 11,2%).
Die Hypercholesterinämie ist ein unabhängiger Risikofaktor (Study group 1987
) und geht eindeutig mit einer erhöhten Inzidenz an frühzeitiger koronarer Herzkrankheit einher (Isselbacher et al. 1995
, Kannel et al. 1971
). Die Entwicklung
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der Arteriosklerose wird ungefähr im quantitativen Verhältnis zum Ausmaß der Hypercholesterinämie beschleunigt (Isselbacher et al. 1995Mit Ausnahme der Patienten 50/>40 Jahre mit dem Polymorphismus in der 5´UT-Region und der Patienten
40 Jahre mit dem Polymorphismus in der TM-Domäne, hatten die normocholesterinämischen Patienten einen höheren Anteil der DNA-Polymorphismen als diejenigen mit einer Hypercholesterinämie. Es trat aber keine statistische Signifikanz auf.
Obwohl die Hypertriglyzeridämie statistisch mit einer koronaren Herzkrankheit assoziiert worden ist, ist unklar, ob erhöhte Triglyzeridwerte kausal mit der Entwicklung einer Arteriosklerose verbunden sind (Lusis et al. 1992
). Eine ganze Anzahl von epidemiologischen Studien konnte in univariaten Analysen eine Assoziation zeigen, die aber bei multivariaten Analysen (multivariate Analysen beziehen andere Risikofaktoren, wie HDL-Cholesterin mit ein) verloren ging (Carlson et al. 1981
, Lusis et al.1992
). Triglyzeride scheinen ein unabhängiger kardiovaskulärer Risikofaktor bei den Frauen und Männern zu sein, die niedrige HDL-Cholesterin Werte (<1,04 mmol/l bzw. <40 mg/dl bzw. <0,9 mmol/l bzw. <35 mg/dl) haben (Assmann et al. 1992
, Castelli 1986
, Study group 1987
).
Bei der Assoziationsanalyse korrelierten die Polymorphismen der EGF-Domäne und der 5´UT-Region mit erhöhten Triglyzeridwerten (Patienten 40 Jahre: beide Polymorphismen; p=0,0436, Patienten
50 Jahre: Polymorphismus in der 5´UT-Region; p=0,0202).
Ein pathogenetischer Mechanismus bzw. eine Wechselwirkung zwischen dem endothelialen leukozytären Adhäsionsmolekül-1 und einem erhöhten Triglyzeridspiegel sind möglich (Lusis et al. 1992
). Wenn die Triglyzeridwerte nur leicht erhöht sind, sind es oft die kleinen, relativ triglyzeridarmen Lipoproteine (Intermediary Density Lipoproteine; IDL, kleine Very Low Density Lipoproteine; VLDL wie ß-VLDL), die erhöht sind. Diese Partikel können ähnlich wie das Low-Density Lipoprotein (LDL) in die arterielle Intima eindringen (Lusis et al. 1992
) und oxidiert werden (Fuster et al. 1996
). Ob sie (wie oxidierte LDL) die Expression von Adhäsionsmolekülen induzieren können, ist nicht bekannt. Dies betrifft auch nur leichte Hypertriglyzeridämien, da bei schweren Formen das triglyzeridreiche Chylomikron das Hauptlipoprotein ist. Chylomikronen haben kaum einen arteriellen Influx (Lusis et al. 1992
).
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Der High-density Lipoprotein(HDL)-Spiegel korreliert invers mit der Entwicklung einer frühzeitigen koronaren Herzkrankheit (Assmann et al. 1992
, Classen et al. 1994
, Isselbacher et al. 1995
). In der Framingham-Studie war ein niedriges HDL-Cholesterin ein wichtigerer Lipidrisikofaktor als erhöhte Werte für Gesamtcholesterin oder LDL (Isselbacher et al. 1995
, Kannel et al. 1979
, Kronmal et al. 1993
).
Mechanismen von HDL, den arteriosklerotischen Prozeß zu hemmen sind: Förderung des Cholesterineffluxes aus der arteriosklerotischen Läsion, kompetitive Hemmung der LDL-Cholesterinaufnahme in die Zellen, Hemmung der Aggregation von LDL-Partikeln, Verringerung der Bildung von oxidierten LDL und Verlängerung der Halbwertszeit von Prostazyclin (Kannel et al. 1979
, Lusis et al. 1992
).
In der Studie zeigte sich für alle drei Polymorphismen ein erhöhter Anteil bei den Patienten mit niedrigen HDL-Spiegeln im Vergleich zu normalen HDL-Cholesterinwerten. Eine statistische Signifikanz ergab sich aber nicht.
Die Prävalenz der koronaren Herzkrankheit ist bei Patienten mit Diabetes mellitus erhöht (Lusis et al. 1992
). Ein klinisch manifester Diabetes mellitus ist ein gesicherter unabhängiger Risikofaktor für die Entstehung einer Koronarsklerose (Classen et al. 1994
, Isselbacher et al. 1995
, Study group 1987
). Möglicherweise beschleunigt die diabetische Stoffwechsellage den arteriosklerotischen Prozeß, als das sie ihn initiiert (Lusis et al. 1992
).
Es ist unklar, ob eine Beziehung zwischen dem Grad der Hyperglykämie und dem Risiko einer koronaren Herzkrankheit besteht (Lusis et al. 1992
). Eine Hyperglykämie induziert die Akkumulation von Sorbitol in der Arterienwand, welches osmotisch wirkt und zu einer verminderten Oxygenation der Zellen führt. Außerdem stimuliert eine hohe Glukosekonzentration die Proliferation glatter Muskelzellen (Isselbacher et al. 1995
). Die Menge an hochglykosylierten Endprodukten (advanced glycosylation end products; AGEs) ist in den Arterien von Diabetikern im Vergleich zu Nichtdiabetikern erhöht (Fuster et al. 1996
, Isselbacher et al. 1995
). Diese AGEs haben vielfältige Wirkungen auf den arterio-sklerotischen Prozeß (Festhalten von Lipoproteinen in der Gefäßwand, Modifizierung von Lipoproteinen, Inaktivierung von Stickstoffmonoxid; NO; Fuster et al. 1996
).
8 Patienten (9,0%) hatten einen Diabetes mellitus, von denen 3 Patienten die Polymorphismen in der EGF-Domäne und 5´UT-Region hatten und 2 Patienten die Mutation in der TM-Domäne. Eine genauere Untersuchung der Wechselwirkung der DNA-Polymorphismen im ELAM-1-Gen mit dem Risikofaktor Diabetes mellitus würde eine größere Patientenanzahl erfordern. Assoziationen konnten mit den vorliegenden Daten nicht gefunden werden.
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Die Adipositas führt zu einer Insulinresistenz in peripheren Geweben (vor allem im Muskel- und Fettgewebe), die zu einem kompensatorischen Hyperinsulinismus führt. Infolge des Hyperinsulinismus werden verstärkt triglyzeridreiche Lipoproteine produziert, die zu erhöhten Triglyzerid- und Cholesterinspiegeln im Plasma führen. Möglicherweise besteht eine direkte Wirkung von Insulin auf den Stoffwechsel der Arterienwand, die zu einer verstärkten endogenen Lipidsynthese führt und damit zu einer Arteriosklerose prädisponiert (Isselbacher et al. 1995
). Insulin kann die Proliferation glatter Muskelzellen von Arterien stimulieren (Isselbacher et al. 1995
).
Die Adipositas besitzt wohl keine unmittelbare atherogene Wirkung (Gross et al. 1996
, Stobbe et al. 1996
). Sie prädisponiert aber zu einem Diabetes mellitus, einer Hyperlipoproteinämie und einer Hypertonie (Gross et al. 1996
). Allerdings hat die Framingham-Studie gezeigt, daß ein 20%iges Übergewicht (dies entspricht dem BMI oberhalb der 85. Perzentile) mit deutlichen Gesundheitsrisiken und mit einem deutlichen Anstieg der Mortalität einhergeht (Hornbostel et al. 1992
, Isselbacher et al. 1995
).
Die Verteilung der DNA-Polymorphismen bei den Patienten mit einem erhöhten Body-Mass-Index (BMI) und mit einem normalen BMI war annähernd gleich-verteilt, so daß keine Assoziation vorliegt.
Ein hoher Blutdruck ist ein wichtiger Risikofaktor für die Atherosklerose (Isselbacher et al. 1995
), insbesondere dann, wenn sie schon zu einer linksventrikulären Hypertrophie geführt hat. Bei Hypertonie und Hypertrophie ist nach der Framingham-Studie das Risiko, am Koronartod zu sterben, um den Faktor vier bis acht erhöht (Stobbe et al. 1996
).
In mehreren Studien konnte auch eine positive Korrelation zwischen erhöhten Blutdruckwerten und arteriosklerotischen Läsionen (bestimmt postmortem durch Autopsie) gezeigt werden (Fuster et al. 1996
). Durch die Erzeugung einer Verletzung an den Endothelzellen an speziellen Hochdruckgebieten im Arterienbaum kann die Hypertonie die Arteriosklerose direkt verstärken. Zusätzlich verändert sich die Endothelpermeabilität und erhöht sich die Aktivität der lysosomalen Enzyme (Isselbacher et al. 1995
). Möglicherweise erhöht sich auch die Proliferationsfähigkeit der glatten Muskelzellen (Isselbacher et al. 1995
).
37 Patienten (41,6%) von 89 Patienten hatten eine arterielle Hypertonie. Die Polymorphismen in der EGF-Domäne und in der 5´UT-Region waren bei den Patienten mit Hypertonus und ohne Hypertonus annähernd gleichverteilt.
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Hinsichtlich der Mutation in der TM-Domäne war der Anteil der Patienten ohne Hypertonus (19,2%) um den Faktor 3,5 höher als derjenige mit Hypertonus (5,4%). Diese positive Tendenz erreichte aber keine statistische Signifikanz und die Zahl der Patienten mit diesem Polymorphismus ist relativ gering (n=12).Seite 78
Die angiografische Darstellung eines veränderten Gefäßlumens ist der beste Beweis einer Arteriosklerose (Isselbacher et al. 1995
). Wenn der arteriosklerotische Prozeß vom Fettstreifen (Typ IIa nach Stary, Fuster et al. 1996
, Just et al. 1994
) zum exzentrischen lipidgefüllten Plaque (Atherom, Typ IV nach Stary, Fuster et al. 1996
, Just et al. 1994
) fortschreitet, wird die Einengung des Gefäßlumens durch die Koronarangiographie sichtbar. Mit Ausnahme von Personen mit hohen Cholesterinspiegeln, kann das Atherom bei nur geringer Gefäßeinengung in der Angiographie unsichtbar bleiben (Fuster et al. 1996
). Autopsieuntersuchungen und Einsatz vom intravaskulären Ultraschall haben eine mögliche Unterschätzung der Plaquegröße gezeigt (Fuster et al. 1996
). Die Koronarangiografie ist aber noch immer der Goldstandart in der Diagnostik der koronaren Herzkrankheit und auch nur die genaue Kenntnis der Koronaranatomie (Lokalisation und Ausmaß der Stenosen) kann über die Notwendigkeit und Art von Revaskularisationsmaßnahmen entscheiden (Classen et al. 1994
, Fuster et al. 1992a
, Fuster et al. 1996
, Gross et al. 1996
).
Mit Ausnahme der Patienten 40 Jahre mit dem Polymorphismus in der TM-Domäne waren die drei Polymorphismen bei den Patienten mit einer Mehrgefäßerkrankung öfter vorhanden. Es lag aber keine statistische Signifikanz vor. Nur bei den Patienten
50/>40 Jahre fand sich eine positive Tendenz (p=0,057; Eingefäßerkrankung: 5,0% der Patienten mit dem Polymorphismus in der TM-Domäne, Mehrgefäßerkrankung: 25,8%). Allerdings trat diese Tendenz nur in dieser Altersgruppe auf und es gibt nur insgesamt 9 Mutationen.
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Der arteriosklerotische Prozeß, der unter normalen Umständen eine protektive Antwort auf Verletzungen des Endotheliums und der glatten Muskelzellen der arteriellen Gefäßwand darstellt, ist durch die Bildung von Atheromen und von komplizierten Läsionen in Begleitung einer Entzündung charakterisiert (Fuster et al. 1996
, Ross 1993
). Die fortgeschrittenen Läsionen (Typ IV bis Typ VIII nach Stary; Fuster et al. 1996
, Just et al. 1994
), die von einer exzessiven inflammatorisch-fibroproliferativen Antwort auf verschiedene Arten der Verletzung resultieren, führen zur Lumeneinengung der Arterien und zum klinischen Bild der koronaren Herzkrankheit (Ross 1993
).
Verschiedene atherogene Faktoren erhöhen das kardiovaskuläre Risiko, von denen die Fettstoffwechselstörungen, das Zigarettenrauchen und die arterielle Hypertonie die Hauptrisikofaktoren darstellen (Assmann 1990
). Alter, Geschlecht und genetische Faktoren sind als irreversible Risikofaktoren zu betrachten (Isselbacher et al. 1995
).
Aus den bisherigen Daten zur Genetik wird klar, daß es kein Arteriosklerose-Gen gibt. Wahrscheinlich sind eine Vielzahl von Genen an dem Prozeß der Arteriosklerose beteiligt und bestimmen die individuelle genetische Disposition (Schunkert et al. 1995
). Die zur Verfügung stehenden molekularbiologischen Methoden erlauben heutzutage den genetischen Hintergrund zahlreicher Störungen, die zu einer beschleunigten Arterioskleroseentstehung führen, zu erfassen (Miserez et al. 1995
). Neben den am Lipoproteinstoffwechsel beteiligten Genen wurde für einige andere Genorte eine Assoziation zum Arterioskleroserisiko gefunden (Schunkert et al. 1995
). Von besonderem Interesse sind Fibrinogen (Fuster et al. 1996
, Humphries et al. 1995
, Miserez et al. 1995
, Schunkert et al. 1995
) die Enzyme des Homocysteinstoffwechsels (Fuster et al. 1996
, Miserez et al. 1995
, Schunkert et al. 1995
) und das Angiotensin-Konversionsenzym (ACE; Arbustini et al. 1995
, Cambien et al. 1992
, Schunkert et al. 1995
).
In der Pathogenese der Arteriosklerose spielen Interaktionen zwischen Zellen der Gefäßwand und Leukozyten und Thrombozyten eine wichtige Rolle im arteriosklerotischen Prozeß (Ross 1993
). Die Adhäsion an das Endothel der Koronararterien und die nachfolgende Migration der Monozyten steht am Anfang der arteriosklerotischen Läsion (Fuster et al. 1996
, Lusis et al. 1992
, Ross 1993
). Dabei nimmt das vaskuläre Endothel eine zentrale Position ein (Stobbe et al. 1996
). Zelluläre Adhäsionsmoleküle (CAM) aus der Familie der Selektine (E-Selektin, P-Selektin) und der Immunglobulin-Superfamilie (ICAM-1, ICAM-2, VCAM-1) werden auf dem Endothelium exprimiert und vermitteln mit Hilfe der Integrine (LFA-1, Mac-1, p150,95) und L-Selektin die Adhäsion der Monozyten und T-Lymphozyten (Lusis et al. 1992
, Wegner 1994
). Genetische Alterationen der zellulären Adhäsionsmoleküle könnten theoretisch zu einer verminderten oder verstärkten Adhäsion der Leukozyten führen (Lusis et al. 1992
). Die Se-
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lektin-Familie vermittelt die Phase des tether bzw. rolling (Halten bzw. Rollen) der Adhäsionskaskade, bevor die eigentliche Adhäsion und Migration der Leukozyten in den subendothelialen Raum stattfindet (Tedder et al. 1995Das endotheliale leukozytäre Adhäsionsmolekül-1 (ELAM-1, E-Selektin; Bevilacqua et al. 1989
, Collins et al. 1991
) wird zeitlich begrenzt synthetisiert und auf zytokinaktivierten (Interleukin-1; IL-1 und Tumornekrosefaktor-
; TNF-
) Endothelzellen exprimiert (Bevilacqua 1993
, Bevilacqua et al. 1993
, McEver et al. 1995
). E-Selektin-defiziente Mäuse zeigen Abnormitäten beim Rollen der Leukozyten entlang der Gefäßwand (McEver et al. 1995
). Alle Selektine vermitteln das Rollen der Leukozyten in den postkapillären Venolen der Mikrozirkulation, um im Rahmen des inflammatorischen Prozesses das Blutgefäßsystem zu verlassen und in das Gewebe einzudringen (Abbassi et al. 1993
, Dore´ et al. 1993
, Lefer et al. 1994
, Ley et al. 1993
, Wegner 1994
). Obwohl das Phänomen des Rollens in Venen oder Arterien noch nicht nachgewiesen werden konnte (Fuster et al. 1996
), ist jedoch der Nachweis vom endothelialen leukozytären Adhäsionsmolekül-1 (ELAM-1, E-Selektin) auf dem Endothelium über arteriosklerotischen Läsionen in menschlichen Koronararterien mehrmals erbracht worden (Davies et al. 1993
, Gallo 1995
, Wal et al. 1992
, Wood et al. 1993
).
Die Analyse der menschlichen DNA der Patienten (50 Jahren) mit interventionspflichtigen Koronararterienstenosen hinsichtlich etwaigen Polymorphismen im ELAM-1(E-Selektin)-Gen erfolgte durch die Polymerasekettenreaktion (PCR), die Einzelstrang-Konformationspolymorphismus(SSCP)-Analyse und durch direkte Sequenzierung der PCR-Produkte.
Zwei der gefundenen Polymorphismen (A561C bzw. C1839T) resultieren in einem Aminosäureaustausch (Ser128Arg bzw. Leu554Phe) und der dritte Polymorphismus (G98T) liegt in der 5´untranslatierten(5´UT)-Region.
Der A561C-Polymorphismus in der epidermal growth factor(EGF)-Domäne könnte aufgrund der Funktion der EGF-Domäne bei der Bindung der Leukozyten eine veränderte Affinität bedingen. ELAM-1 (E-Selektin) erkennt u.a. sialyl Lewis x (sLe x; Cummings et al. 1992
, Graves et al. 1994
, Munro et al. 1992
, Phillips et al. 1990
, Springer et al. 1991
, Zhou et al. 1991
) auf Leukozyten. Die Lektin- und die EGF-Domäne von ELAM-1 (E-Selektin) sind in die Zelladhäsion involviert (Graves et al. 1994
, Kansas et al. 1994
, McEver et al. 1995
, Tedder et al. 1995
). Verlust der EGF-Domäne bedingt eine deutliche Verschlechterung des Bindungsvermögens (Lasky 1992
, McEver et al. 1995
).
Der G98T-Polymorphismus in der 5´UT-Region könnte regulatorische Funktionen alterieren.
Der C1839T-Polymorphismus in der transmembrane(Membran)-Domäne könnte Einfluß auf die Verankerung der extrazellulären Domänen des Moleküls (Lektin-, EGF-, SCR-Domänen) in der Zellmembran der Endothelzelle haben. Möglicherweise verändert die Mutation in der TM-Domäne die Bildung von lösli-
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chen E-Selektin. Die Synthese erfolgt durch proteolytische Spaltung oder durch lösliche Proteine, die durch alternatives Splicing der mRNA kodiert werden (McEver et al. 1995Durch die Assoziationsanalyse der DNA-Polymorphismen mit zwei verschiedenen Altersgruppen von Patienten konnte gezeigt werden, daß die Polymorphismen in der EGF-Domäne und in der 5´UT-Region bei den Patienten 40 Jahren statistisch signifikant häufiger auftreten als bei den Patienten
50/>40 Jahre. Diese Ergebnisse lassen den Schluß zu, daß die Polymorphismen in der EGF-Domäne und in der 5´UT-Region mit einer frühzeitigen interventionspflichtigen Koronararteriosklerose assoziiert sind. Zukünftig sollte die DNA-Polymorphis-musanalyse des ELAM-1(E-Selektin)-Gens bei weiteren Patientenaltersgruppen (<30 Jahre, >50 Jahre, >60 Jahre) erfolgen, um die Altersabhängigkeit weiter zu untersuchen.
Assoziationsanalysen mit den Risikofaktoren männliches Geschlecht, Eigen-anamnese einer koronaren Herzkrankheit, Familienanamnese einer koronaren Herzkrankheit (bei Eltern oder Geschwistern), Zigarettenrauchen, Hyperlipid-ämie, niedriges HDL-Cholesterin (<0,9 mmol/l bzw. <35 mg/dl), Diabetes mellitus, Adipositas und arterielle Hypertonie wurden durchgeführt, um den DNA-Polymorphismus des endothelialen leukozytären Adhäsionsmoleküls-1 (ELAM-1, E-Selektin) als einen von anderen Risikofaktoren unabhängigen genetischen Faktor der Koronararteriensklerose zu etablieren. Die Assoziationsanalysen zeigten positive Korrelationen für die Hypertriglyzeridämie und eine positive Familienanamnese.
In Zukunft sollten DNA-Polymorphismusanalysen des ELAM-1-Gens von Familienangehörigen der Patienten erfolgen, die eine positive Familienanamnese haben. Auch sollte insbesondere die positive Assoziation mit einer Hypertriglyzeridämie nochmals untersucht werden, da sich die empfohlene Aufschiebung der Triglyzeridbestimmung um 3 Monate nach schweren Erkrankungen wie Myokardinfarkt organisatorisch im Rahmen dieser Studie nicht verwirklichen ließ (Study group 1988
). Auch die beträchtliche intraindividuelle Variabilität von ungefähr 28% für Triglyzeride (Marcovina et al. 1994
) ist ein wichtiger zu berücksichtigender Faktor.
Von allen anderen untersuchten Risikofaktoren ist der DNA-Polymorphismus unabhängig.
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