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In dieser Arbeit soll die Modulation von Distorsionsprodukt-Otoemissionen durch einen tieffrequenten Dauerton gemessen werden. Als akustische Reize werden die beiden Sinustöne zur Generierung der DPOAE (Primärtöne) und der Tieftonmasker erzeugt. Wie im Blockschaltbild (Abbildung 7) erkennbar, laufen alle drei Signale voneinander getrennt zu einem Ohrhörer mit Meßsonde, der in den äußeren Gehörgang eingepaßt wird. Erst im äußeren Gehörgang werden die Töne akustisch überlagert. So werden Nichtlinearitäten, die durch eine eventuelle gegenseitige Beeinflussung der Signale auf dem Übertragungsweg entstehen könnten, weitestgehend ausgeschlossen. Im folgenden wird die Apparatur des Versuchsaufbaus tabellarisch dargestellt und in ihrer Funktion bei der Reizgenerierung beschrieben. Ebenso wird der Weg des aus dem Ohr stammenden Meßsignals erläutert. Die Geräte sind über Koaxialkabel mit BNC-Steckern miteinander verbunden, um Einstreuungen auf diesem Weg zu vermeiden.
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Der Tieftonwird über einen Silikonschlauch durch den Schaumstoffohrstöpsel der ER 10 C-Sonde in den äußeren Gehörgang weitergeleitet.
Tab. 2: Geräte zur Erzeugung der Primärtöne (s. Abb. 7)
Gerät |
Aufgabe |
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VII |
akustischer Reizgenerator ESTIM2 (Esmed) |
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VIIIa,b |
Bandpaßfilter Typ 1614 und Typ 1615 (Brüel und Kjær) |
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IXa |
Vorschaltgerät (s. IXb, Tab. 3) |
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X |
Sonde ER 10 C (Etymotic Research) |
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Abb. 7: Blockschaltbild des Versuchsaufbaus zur Tieftonmodulation von DPOAE; die römische Bezifferung der Geräte bezieht sich auf die Tabellen 1 bis 3. | ||
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Das mit dem Sondenmikrofon registrierte Signal enthält neben dem eigentlichen Nutzsignal, den otoakustischen Emissionen, die von sehr geringer Intensität sind und außerdem durch den Tiefton moduliert werden, weitere z.T. sehr viel lautere Störanteile. Dies sind, da die Messung synchron mit der Stimulation erfolgt, vor allem die Reiztöne, deren Schalldruck um den Faktor 102 bis über 106 größer ist, aber auch das Umgebungs‑ und das Körperrauschen, das vor allem durch Atmung, Blutzirkulation und Muskelarbeit zustande kommt. Um den Abstand der DPOAE-Pegel vom Pegel des Restsignals zu optimieren, werden sowohl aufwendige Filter- und Verstärkerprozesse, als auch digitale Mittelungsverfahren in der Signalverarbeitung eingesetzt.
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Die digitale Signalverarbeitung erfolgt mit Hilfe eines IBM-kompatiblen Personalcomputers (XV) mit 486er Prozessor, 4 MB Hauptspeicher und MS-Dos Betriebssystem. Das Anwenderprogramm wurde von T. Nolte unter Nutzung eines Programmes der Firma Esmed entwickelt.
Das analoge Mikrofonsignal wird über einen AD-Wandler mit einer Amplitudenauflösung von 16 bit und einer Abtastfrequenz von 24 kHz digitalisiert. Der registrierte Zeitbereich hat somit eine Größe von 85,3 ms (2048 Punkten) und umfaßt etwa 2½ Tieftonperioden.
Das in der Sonde (X) registrierte Mikrofonsignal läßt zunächst nur die beiden Primärtöne und den tieffrequenten Maskerton erkennen. Die DPOAE sind einige Größenordnungen kleiner als die anregenden Töne und in der zeitlichen Registrierung nicht erkennbar. Abbildung 8a zeigt die Überlagerung der drei Reize für die Dauer von zwei Tieftonperioden. Die Primärtöne stellen sich mit der charakteristischen Schwebung dar.
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Abb. 8: a) Sondenmikrofonsignal: akustische Überlagerung der beiden Primärtöne mit dem Tiefton, b) Hochpaßgefiltertes Signal, c) Frequenzspektrum als Ergebnis einer Frequenzanalyse (FFT) innerhalb eines gleitenden Zeitfensters einstellbarer Breite mit Hammingfunktion, d) DPOAE-Pegel als Zeitfunktion ohne Masker, e) Mit Masker zeigt der DPOAE-Pegel im Zeitverlauf eine phasenabhängige Modulation. | ||
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Um eine Übersteuerung der Verstärker durch den Maskerton zu vermeiden, wird das Signal hochpaßgefiltert (Abb. 8b).
Das Körper‑ und Verstärkerrauschen wird durch die Mittelung im Zeitbereich (Averaging) reduziert, pro Messung werden 200 Signalabschnitte gemittelt. Durch eine Frequenzanalyse (Fast Fourier Transformation, FFT) innerhalb eines Zeitfensters einstellbarer Breite wird das Signal aus dem Zeit‑ in den Frequenzbereich überführt. Dadurch werden die Spektrallinien der Primärtonfrequenzen f1 und f2 und der DPOAE mit der Frequenz 2f1-f2 getrennt auswertbar (Abb. 8c).
Um die DPOAE-Pegel in Abhängigkeit vom Phasenverlauf des Tieftons darzustellen, läßt man das Zeitfenster mit einer Schrittweite (increment) von 1 ms über den registrierten Zeitbereich laufen. In Abbildung 8c wird dieses “gleitende Fenster” mit Hammingfunktionen gezeigt. Bei jedem Schritt liefert die Frequenzanalyse einen DPOAE-Pegelwert.
Der ausgewertete Zeitbereich beginnt 5 ms nach dem Einschalten der Reiztöne und endet nach 69 ms, d.h. es werden etwas über zwei Tieftonperioden erfaßt. Wegen des erforderlichen Zeitaufwandes wird die Vielzahl von Frequenzanalysen nicht während, sondern nach Beendigung der Messung vorgenommen.
Die DPOAE-Pegelwerte werden als Zeitfunktion dargestellt. Ohne den Einfluß des Maskers ergibt die Analyse einen zeitlich konstanten Verlauf des DPOAE-Pegels (Abb. 8d); bei Tieftonmaskierung läßt sich mit geeigneten Reizparametern am gesunden Ohr eine phasenabhängige Modulation beobachten (Abb. 8e).
Das wesentliche Problem dieser Auswertung besteht darin, daß ein enges Zeitfenster notwendig ist, um im Ergebnis eine ausreichende Phasenauflösung (DPOAE-Pegel in Abhängigkeit von der Tieftonphase) zu erhalten, aber eine ausreichende Spektralauflösung nur mit einem ausreichend breiten Zeitfenster erreicht wird. Mit enger werdendem Analysefenster verbreitern sich die spektralen Peaks der Frequenzfunktion (Unschärferelation). Bei 10,7 ms Fensterbreite sind die Peaks nicht mehr linien‑ sondern keulenförmig.
Ein Hamming-Zeitfenster mit 10,7 ms Breite ist bei ca. 30,5 ms Periodendauer des Tieftons noch geeignet, um eine ausreichende Phasenauflösung zu erreichen.
Bei dieser Fensterbreite wird die Spektralfunktion der DPOAE von der Flanke der Spektralfunktion des tieffrequenteren Primärtones nahezu verdeckt. Durch eine steile Tiefpaßfilterung (mit 96 dB/Okt., Grenzfrequenz: 2f1-f2) können die Primärtöne so weit unterdrückt werden, daß die DPOAE-Spektrallinie wieder erkennbar wird. Die Abbildung [Seite 27↓]9a‑c zeigt die Spektralanalysen eines Probanden (PJ rechts) mit 21,3 ms Fensterbreite (9a) ohne Tiefpaßfilterung und mit 10,7 ms Fensterbreite, ohne (9b) und mit (9c) Tiefpaßfilterung.
Abb. 9a: Spektralanalyse des Mikrofonsignals innerhalb eines Zeitfensters mit 21,3 ms Breite, Messung ohne Tiefpaßfilter. Die Primärtöne haben die Frequenzen f1 = 2,5 und f2 = 3 kHz und die Pegel L1 = 50 dB HL und L2 = 25 dB HL. | ||
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Abb. 9b (links): Dieselbe Registrierung wie in Abb. 9a (ohne Tiefpaßfilter), Fensterbreite 10,7 ms. Abb. 9c (rechts): Messung mit Tiefpaßfilter (Filterung mit 96 dB/Okt., Grenzfrequenz 2 kHz, schematisch als gestrichelte Linie dargestellt), Fensterbreite 10,7 ms; Primärtöne und Sondensitz wie in der Messung in Abb. 9a und 9b. | ||
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Für Primärtöne mit den Frequenzen 2,5 und 3 kHz, 3,2 und 4 kHz und 5 und 6 kHz ist diese Fensterbreite zur Darstellung der Spektralfunktion des Verzerrungsproduktes mit der Frequenz 2f1-f2 (nach Tiefpaßfilterung des Signals) ausreichend. Für Primärtöne mit 1,25 und 1,5 kHz gelingt die Abtrennung der DPOAE-Spektrallinie wegen des geringen Abstandes (0,25 kHz) von der Flanke des unteren Primärtones nicht mehr, so daß auf diese Messungen verzichtet werden muß.
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Das in dieser Arbeit verwendete Auswertungsprogramm bietet keine weiteren Möglichkeiten zur Unterdrückung der Primärtöne. Es sind aber Programmversionen in Vorbereitung, die eine digitale Filterung bzw. ein rechnerische Kompensation vorsehen und damit eine höhere Phasenauflösung erreichen und Messungen im unteren Frequenzbereich gestatten werden.
In den meisten Messungen zeigt sich unabhängig von der Maskierung durch den Tiefton eine periodische Schwankung des DPOAE-Pegelverlaufs bei 2 kHz um wenige dB. Diese Schwankung hat - wie die Schwebung der Primärtöne - die Frequenz 500 Hz, d.h. jede Millisekunde folgen alternierend Pegelminimum und -maximum aufeinander. Durch das Auswerteraster (1 ms) wird sie genau erfaßt. Besonders deutlich zeigt sie sich bei niedrigen DPOAE-Pegeln, z.B. bei Tieftonmaskierung kurz nach der 270°-Phase. Wahrscheinlich moduliert auch die Primärtonschwebung die DPOAE, so daß jeweils im Schwebungsmaximum ein DPOAE-Pegelanstieg, im Knotenpunkt eine Pegelverminderung entsteht. Abbildung 10 zeigt die Originalregistrierungen eines unmaskierten und eines maskierten DPOAE-Pegelverlaufs, bei denen diese Pegelschwankung zu erkennen ist.
Abb. 10: Originalregistrierungen der DPOAE-Pegelverläufe (Proband NT rechts) unmaskiert (obere Spur) und mit Tieftonmasker (untere Spur). Die Primärtöne haben die Frequenzen f1 = 2,5 und f2 = 3 kHz und die Pegel L1 = 50 und L2 = 25 dB HL, der Masker hat die Frequenz 32,8 Hz und den Pegel 115 dB SPL. | ||
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Die weitere Auswertung der Meßwerte, wie die Bestimmung der Modulationstiefe, die Mittelung und Glättung der Meßwerte wird mit dem Tabellenkalkulationsprogramm Excel von [Seite 29↓]Microsoft vorgenommen. Zur besseren Übersichtlichkeit der Darstellung werden die DPOAE-Pegelverläufe durch ein Zwei-Punkte-Mittelungsverfahren geglättet, bei dem die gleitenden Mittelwerte jeweils zweier benachbarter Pegelwerte (y-Werte) über dem x-Wert des zweiten aufgetragen werden. Dadurch erscheint die in Abbildung 10 gezeigte periodische Schwankung der DPOAE-Pegel mit 500 Hz nicht mehr in den Darstellungen (Kapitel 3.3), fließt aber in die Berechnung der Modulationstiefen und der Mittelwerte ein.
Die Mittelwerte der DPOAE-Pegel in Abhängigkeit von der Zeit werden arithmetisch gebildet, ebenso die Standardabweichungen. Wenn nicht anders erwähnt, fließen die Meßwerte aller Probandenohren (n = 20) in die Mittelwerte ein. Die Modulationstiefe (modulation depth, MD) der DPOAE bei Tieftonmaskierung wird als Differenz des maximalen und minimalen DPOAE-Pegels, gemessen im Zeitraum der zweiten Tieftonperiode, berechnet. Die Modulationstiefe der Mittelwerte läßt sich aus der Darstellung der gemittelten DPOAE-Pegel über der Zeit ablesen (s. Abb. 14 und Abb. 17). Dieser Wert entspricht aber nicht dem Mittelwert der einzeln bestimmten Modulationstiefen: Durch geringe Phasenverschiebungen bzw. durch die interindividuell unterschiedlichen Latenzen (s. Kapitel 3.3.1 und 4.2) können die DPOAE-Pegelmaxima und ‑minima bei den einzelnen Messungen zeitlich leicht auseinander liegen. Daher ist die Modulationstiefe der mittleren DPOAE-Pegelverläufe geringer als der Mittelwert der einzeln bestimmten Modulationstiefen.
Vor der Messung werden die Probanden über den Meßablauf und die Notwendigkeit, Bewegungen der Kabel und Störgeräusche wie lautes Atmen oder häufiges Schlucken zu vermeiden, aufgeklärt. Um eine größtmögliche Artefaktfreiheit zu erreichen, werden die Messungen in einer schallgeschirmten Kammer durchgeführt, in der sich von den Meßgeräten nur der Tieftonkopfhörer (VI), der Ohrhörer mit Meßsonde (X) und der batteriebetriebene Mikrofonvorverstärker (IX) befinden. Um ein Verrutschen der Sonde während der Messungen zu vermeiden, liegen die Probanden, so daß sich der Kopf in Ruhe befindet. Die Sondenkabel werden an der Unterlage fixiert.
Um eventuelle durch den Meßaufbau entstehende Nichtlinearitäten bei der Reizerzeugung oder Signalaufnahme zu erkennen, wird vor jeder Meßsequenz eine Messung im Kuppler (Brüel und KjærTyp 2639)durchgeführt. In den Abbildungen 11a und 11b sind die Spektralanalysen der im Kuppler und im Ohr gemessenen Mikrofonsignale einander gegenübergestellt. Die DPOAE-Spektrallinie ist nur in der Registrierung des Signals aus [Seite 30↓]dem Probandenohr zu beobachten; das im Kuppler gemessene Mikrofonsignal zeigt diese Nichtlinearität nicht.
Abb. 11: Mikrofonsignal 11a) im Kuppler, 11b) im Probandenohr registriert. Fensterbreite 42,7 ms, Messung ohne Tiefpaßfilter; L1 = 50 dBHL, L2 = 25 dB HL. | ||
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Der Sondensitz wird über die Beobachtung der Tieftonamplitude im Oszillographen (XIV) kontrolliert: Sitzt die Sonde undicht, werden bei normaler Aussteuerung nicht die erwarteten 115 dB erreicht; stößt die Sondenspitze an die Gehörgangswand, verändert sich die Sinusform des Tieftons. Innerhalb einer Meßsequenz wird der Sondensitz im Ohr der Testperson nicht verändert.
Die Feinaussteuerung des Tieftons erfolgt über den Spannungsteiler (III): Erreicht der Tiefton auch nach dem Umsetzen der Sonde bei normaler Aussteuerung nicht die 115 dB SPL, wird der Pegel um 1 bis 3 dB nachgeregelt. Vor jeder Meßreihe wird der Tiefton neu auf die 115 dB SPL kalibriert (Geräte: Measuring Amplifier Typ 2636, Kuppler Typ 2639, Brüel und Kjær).
Das AD-Eingangssignal, dessen lauteste Komponente unter Umgehung des Tiefpaßfilters (XIa) die beiden Primärtöne sind (hier mit L1 = 50 dB und L2 = 25 dB), wird mit Hilfe des Signalverstärkers (XIII) ausgesteuert. Auf diese Weise kann die Verstärkung dem Sondensitz und dem Gehörgangsvolumen angepaßt werden. Innerhalb einer Meßreihe wird bei allen Probanden mit der gleichen Verstärkung gearbeitet.
Zu Beginn jeder Meßsequenz wird die Phase des Tieftons aufgezeichnet. Die Dauer einer Messung, bestehend aus 200 digital gemittelten Einzelregistrierungen, beträgt etwa 80 [Seite 31↓]Sekunden. Zunächst werden die DPOAE ohne den Masker registriert, dann mit den gleichen Primärtonparametern mit dem Masker. Für die Untersuchung verschiedener Reizparameter werden an jedem Ohr mehrere Messungen hintereinander vorgenommen, wobei der Sondensitz nicht verändert wird. Um die Belastung des Ohres durch den Tiefton so gering wie möglich zu halten, werden alternierend Messungen mit und ohne Tiefton durchgeführt, bzw. Pausen zwischen den einzelnen Messungen eingelegt. Als letzte Messung wird in jedem Ohr das Mikrofonsignal ohne Reiztöne (Leermessung) aufgezeichnet. Eine Meßsequenz dauert, je nach Anzahl der zu untersuchenden Reizparameter und der notwendigen Wiederholungen aufgrund von Störungen während der Signalregistrierung, zwischen zehn und zwanzig Minuten.
Für die Untersuchung unterschiedlicher Reizparameter sollen sowohl von technischer Seite als auch von Seiten der Versuchspersonen optimale Bedingungen bestehen. Die Messungen werden an zwölf normalhörenden Probanden (vier Frauen und acht Männern im Alter von 20 bis 48 Jahren, Durchschnittsalter 27 Jahre, Standardabweichung 7 Jahre) mit gut registrierbaren DPOAE durchgeführt.
Zur Auswahl der Probanden wird ein Kollektiv aus 36 anamnestisch hörgesunden jungen Erwachsenen (16 Frauen und 20 Männern) mit den üblichen audiologischen Verfahren voruntersucht. Zunächst werden die Stimmgabeltests nach Rinne und Weber durchgeführt. Die Luft‑ und Knochenleitungshörschwelle werden im Bereich von 0,5 bis 8 kHz bestimmt (Tonschwellenaudiogramm) und die Trommelfellimpedanz und die Stapediusreflexschwelle bei 1, 2 und 4 kHz gemessen (Audiometer und Tympanometer: Dorn AT 335, Auritec GmH). Mit in der Klinik eingesetzten Geräten (ILO 88 OAE Analyser von Otodynamics und ILO 92 Otoacoustic Distortion Product Analyser) werden TEOAE und DPOAE gemessen, von jedem Probanden wird ein DP-Gramm im Bereich von 0,7 bis 8 kHz (f2) mit den Primärtonpegeln L1 = L2 = 70 dB SPL aufgenommen.
Um in den Tieftonmessungen größtmögliche DPOAE-Modulationstiefen darstellen zu können, werden für diese Messungen nur Versuchspersonen gewählt, bei denen stabile DPOAE mit mindestens 10 dB SPL Schalldruckpegel im mittleren Frequenzbereich zwischen 1,3 und 5 kHz und mindestens 15 dB Abstand vom Grundrauschen gefunden werden. Das Probandenkollektiv ist also kein “Normalkollektiv” im eigentlichen Sinn, sondern eher ein “Idealkollektiv”. Die in dieser Arbeit statistisch ausgewerteten Meßdaten sind nicht repräsentativ für die Normalbevölkerung.
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Um die Modulation der DPOAE bei Tieftonmaskierung mit einer bereits erprobten und klinisch eingesetzten Methode vergleichen zu können, werden die zwölf Probanden “phasenaudiometrisch” untersucht. Dabei wird die subjektive Mithörschwelle (MHS) eines kurzen 2 kHz-Testreizes gemessen, der von einem Masker mit der Frequenz 30 Hz und dem Pegel 115 dB SPL überlagert wird. Die Phasenlage des Testreizes wird in Bezug zum Nulldurchgang des Tieftons in 30°-Schritten verändert. Die Hörschwelle des Testreizes wird durch Knopfdruck von der Testperson angegeben. Zunächst wird der Testreiz unmaskiert, dann maskiert angeboten. Der Versuchsleiter regelt den Pegel des verdeckten Reizes für jeden Tieftonphasenschritt aus dem unhörbaren in den hörbaren Bereich. So läßt sich in zwölf Schritten die Mithörschwelle über die gesamte Tieftonperiode darstellen. Die Phase und der Pegel des Tieftons können über das Meßmikrofon und den Rechner kontrolliert werden. Wie bei der Modulation der DPOAE werden die Testreize (Tiefton und Klick) bei dieser Messung unabhängig voneinander generiert und dem Ohr über einen druckdicht eingepaßten Ohrhörer mit Meßsonde zugeführt. Der Meßablauf (Phaseneinstellung) und die Speicherung der Ergebnisse werden vom PC übernommen. Die gemessene Mithörschwelle in Abhängigkeit von der Tieftonphase wird im sog. Phasenaudiogramm dargestellt. Die Mittelwerte der Mithörschwellen und der Modulationstiefen werden arithmetisch gebildet und mit einer Standardabweichung angegeben.
Der Tiefton hat die Frequenz 32,8 Hz. Maskerfrequenzen im 30 Hz-Bereich haben sich in Tieftonexperimenten sowohl beim Menschen als auch im Tierversuch als geeignet erwiesen (Zwicker, 1977; Zwicker et al., 1987; Patuzzi et al., 1984c; Klis und Smoorenburg, 1988). In der HNO-Forschungsabteilung des Rudolf-Virchow-Klinikums wurden 30 Hz-Töne zur Tieftonmodulation der Hirnstammwelle V (Gerull et al., 1991), von TEOAE (Nubel et al., 1995) und zur Maskierung der subjektiven MHS (Mrowinski et al., 1995 und 1996; Kabudwand et al., 1998) verwendet.
So ermöglicht die Verwendung eines 30 Hz-Maskers zur Modulation von DPOAE einen Vergleich mit anderen Meßmethoden. In dieser Arbeit werden die Ergebnisse der Modulation von DPOAE denen der Phasenaudiometrie bei denselben Probanden gegenübergestellt.
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In vorangegangenen Tieftonexperimenten hat sich gezeigt, daß die Modulation mit steigendem Maskerpegel stärker wird (z.B. Zwicker, 1976 und 1977; Zwicker et al., 1987; Gerull et al., 1991; Mrowinski et al., 1995; Nubel et al., 1995), und daß laute Maskertöne notwendig sind, um OAE erkennbar zu modulieren (Zwicker et al. 1987; Nubel et al., 1995, Frank und Kössl, 1996 und 1997). Daher wird die Untersuchung des Tieftonpegeleinflusses auf die Modulation der DPOAE mit 115 dB SPL Maskerpegel begonnen, der Pegel wird dann in 5 dB-Schritten bis auf 95 dB SPL vermindert. Wegen der tiefen Frequenz (32,8 Hz) werden diese Schalldruckpegel noch nicht als unangenehm empfunden (s. Abb 12).
Abb. 12: Hörschwelle und Kurven gleicher Lautstärkepegel für Sinustöne im freien Schallfeld bei zweiohrigem Hören (“Isophone” [DIN 45630], nach Zenner, 1994, S. 3): Gegenüberstellung von Schalldruckpegel (in dB SPL) und Lautstärkepegel (in Phon). Bei 1000 Hz entsprechen die Werte der Dezibelskala denen der Phonskala. Die mittlere Hörschwelle gesunder, junger Versuchspersonen liegt bei 4 Phon. Ein Tiefton mit der Frequenz 32,8 Hz und dem Schalldruckpegel 115 dB SPL (Pfeil) wird mit einer Lautstärke von ca. 98 Phon wahrgenommen. | ||
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Mit 115 dB SPL beträgt die Lautstärke des Tieftons ca. 98 Phon (Zwicker und Feldkeller, 1967, S. 121-122; Zenner, 1994, S. 3).
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Der Stapediusreflex wird durch diesen Ton nicht ausgelöst (Nubel et al., 1995). Bei 117 dB SPL wird die Linearitätsgrenze des Meßmikrofons überschritten, daher werden keine Messungen mit Maskerpegeln über 115 dB SPL durchgeführt.
Die Modulation der DPOAE soll im mittleren Frequenzbereich, beginnend mit der Frequenz 2 kHz und jeweils eine Oktave oberhalb und unterhalb, also bei 1 und 4 kHz untersucht werden. Auf die Messung bei 1 kHz muß wegen der zu geringen Spektralauflösung bei diesem Auswerteverfahren verzichtet werden (s. Kapitel 2.2.2). Bei drei Probanden wird zusätzlich die Modulation der DPOAE mit der Frequenz 3,2 kHz untersucht (Abstand einer kleinen Sexte von 2 kHz, einer großen Terz von 4 kHz), um einen weiteren Ergebniswert zur Beobachtung der Veränderung der Modulation mit steigenden Primärtonfrequenzen zu erhalten. Bei allen Messungen wird das Frequenzverhältnis f2/f1 = 1,2 verwendet.
Die verwendeten Primärtonpegel orientieren sich an der sog. Pegelschere mit L1 = 0,4 L2 + 39 dB (Janssen et al., 1995 - s. Kapitel 2.2.7). Tabelle 4a zeigt verschiedene nach dieser Pegelschere berechnete Primärtonpegelpaare.
Tab. 4a: Pegelschere nach Janssen et al. (1995)
L1 in dB SPL |
47 |
49 |
51 |
55 |
60 |
L2 in dB SPL |
20 |
25 |
30 |
40 |
50 |
Da das Meßprogramm aber nur die Möglichkeit bietet, die Primärtonpegel in 5 dB-Schritten zu verstellen, muß mit gerundeten Werten für L1 gearbeitet werden (s. Tabelle 4b). Die in dieser Arbeit verwendeten Primärtonpegel lassen sich nach einer veränderten Pegelschere mit L1 = 0,5 L2 + 35 dB berrechnen. Ein weiterer Unterschied zu den Werten der Pegelschere nach Janssen et al. (1995) ergibt sich daraus, daß der in dieser Arbeit verwendete Meßaufbau nur die Einstellung der Primärtonpegel in dB HL und nicht in dB SPL zuläßt. Da die mittlere Hörschwelle gesunder Versuchspersonen (4 Phon) im Frequenzbereich zwischen 2 und 6 kHz im Bereich zwischen ± 5 dB SPL liegt (s. Abb. 12), wurde auf eine Umrechnung der Pegelwerte von dB HL in dB SPL verzichtet. Vor jeder [Seite 35↓]Meßreihe werden die Primärtonpegel auf die Hörschwelle des Probandenkollektivs kalibriert. Dabei wird zunächst die subjektive Hörschwelle dreier Probanden bestimmt, nach der die Pegel eingestellt werden und dann diese Pegeleinstellung mit der Hörschwelle der anderen Probanden verglichen.
L1 in dB HL |
45 |
50 |
50 |
55 |
60 |
L2 in dB HL |
20 |
25 |
30 |
40 |
50 |
Bei den Messungen zur Untersuchung des Tieftonpegeleinflusses auf die Modulation der DPOAE werden die Primärtonpegel L1 = 50 und L2 = 25 dB HL verwendet. Bei den Messungen zur Untersuchung des Primärtonpegeleinflusses werden die Pegel, ausgehend von L1 = 45 und L2 = 20 dB HL, in 5 dB-Schritten (L1) bzw. 10 dB-Schritten (L2) erhöht. Mit den Primärtonfrequenzen f1 = 5 und f2 = 6 kHz werden die Pegelpaare L1, L2: 45, 20; 50, 30 und 55, 40 dB HL verwendet, die Messung mit den Primärtonfrequenzen 4 und 4,8 kHz wird mit L1 = 45 und L2 = 20 dB HL durchgeführt.
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