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4.  Diskussion

In der vorliegenden Arbeit war es möglich, mit Hilfe immunhistochemischer Färbetechniken zwei Teilaspekte des Remodelingprozesses, die Revaskularisierung und den Nachweis von Myofibroblasten im freien Sehnentransplantat nach vorderem Kreuzbandersatz, weiter aufzuklären.

So gelang es die Revaskularisierung des freien Sehnentransplantates auf kapillärer Ebene über die Zeit darzustellen. Dabei zeigte sich der Ablauf der Revaskularisierung früher beendet, als in der Literatur bislang dargestellt (4,9,57,63,104). Neugebildete Kapillaren wachsen ausgehend von der synovialen Oberfläche, in das avaskuläre Transplantatgewebe horizontal in Richtung Transplantatmitte ein. Die größte Gefäßdichte im Transplantatgewebe konnte dabei 6 Wochen nach VKB-Ersatz nachgewiesen werden. Die Anzahl der Gefäßquerschnitte reduzierte sich in den Folgezeit kontinuierlich und bereits nach 24 Wochen erreichte das Transplantat subsynovial und intermediär den vaskulären Status des nativen vorderen Kreuzbandes.

Die Blutversorgung des vorderen Kreuzbandes wurde in vielen Studien bereits eingehend untersucht (4,9,38,91,105). Ausgehend von Ästen der Arteria genicularis medialis sowie Arteria genicularis inferior, werden Gefäße der synovialen Hüllschicht des vorderen Kreuzbandes gespeist (9). Dieses periligamentäre synoviale Gefäßnetz steht über transversale Gefäßanastomosen mit einem hoch verzweigten Netzwerk feinster endoligamentärer Kapillaren in Verbindung (4). Ein freies Sehnentransplantat wird nach Entnahme zur Rekonstruktion des VKB nicht mehr perfundiert und ist ohne Anschluß an das filligrane Gefäßnetzwerk des zu ersetzenden vorderen Kreuzbandes. Um ein Remodelling des Transplantates zu ermöglichen und somit die Langzeitintegrität des Kreuzbandersatzes zu gewährleisten, muß das Gewebe notwendigerweise revaskularisiert werden.

In der Literatur lassen sich viele unterschiedliche und zum Teil auch gegensätzliche Meinungen im Bezug auf die Revaskularisierung eines Kreuzbandtranslantates nach Rekonstruktion finden (3,7,10-12,32,67,104). Es ist jedoch sehr schwierig bisherige Studien miteinander zu vergleichen, da sowohl unterschiedliche Tiermodelle, als auch unterschiedlich sensitive Methoden (Kontrastmittel, Farbstoffe, Laser Dopplerflowmetrie) zum Nachweis einwachsenden Gefäße verwendet wurden.

Bei der Darstellung des intraligamentären Gefäßsystems mit Kontrastmitteln (Spalteholz, Tusche, röntgendichte Substanzen) wird die Perfusionsmöglichkeit [Seite 57↓]kleinster Kapillaren, durch die Partikelgröße der verwendeten Substanzen selbst, limitiert. Auch die Gefäßperfusion mit löslichen Farbstoffen kann oftmals nicht das gesamte feine Kapillarnetzwerk erfassen (32,91). Bei zu hohem Injektionsdruck besteht die Gefahr, daß das Kontrastmittel paravasal austritt und ein falsch positives Ergebnis zeigt, falsch negative Ergebnisse können durch zu niedrigen Injektionsdruck, Mikroembolien oder Arteriosklerose entstehen (91). Die Technik der Laser Dopplerflowmetrie ist eine elegante nicht-invasive Methode, oberflächliche Blutflüsse darzustellen. In einer Untersuchung von Jakobsson und Nilsson, bezüglich der Meßtiefe in verschiedenen Geweben, konnten in Hautpräparaten jedoch nur Gefäße in einer maximalen Tiefe von 250 µm erfaßt werden (60). Somit erscheint es zweifelhaft, ob intraligamentär gelegene Kapillaren mit Hilfe dieser Technik hinreichend erfaßt und dargestellt werden können.

Im Gegensatz zu den zuvor verwendeten Methoden zur Darstellung von Gefäßen, wurde in der vorliegenden Studie eine Technik verwandt, die nicht von Perfusionskapazität oder Größe der röntgendichten Partikel abhängig ist. Die Immunhistochemie ist eine hoch spezifische Methode, mit der ein bestimmtes Antigen durch einen spezifischen Antikörper identifiziert und markiert wird. Der in der Studie verwendete Antikörper ist gegen den auf der Zelloberfläche von Endothelzellen lokalisierten v. Willebrandt Faktor ( F. VIII) gerichtet und erlaubt es selbst kleinste Kapillaren, im Endstromgebiet bereits ohne glatte Gefäßmuskelzellen, klar zu identifizieren.

Die vorliegende Arbeit zeigt ein kontinuierliches Einwachsen von Kapillaren in das avaskuläre Transplantatgewebe. Obwohl das Transplantat zum Zeitpunkt seiner Implantation keine synoviale oder periligamentäre vitale Hüllschicht aufwies, kann davon ausgegangen werden, daß die einwachsenden Kapillaren der Synovialis entstammen, welche sich innerhalb der ersten Heilungswochen um das Transplantat legt (siehe Abbildung 12). Die Tatsache, daß die zentrale Zone des Transplantates als letzte Zone nach der subsynovialen und intermediären den Gefäßstatus des nativen VKB erreicht, läßt schlußfolgern, daß die Revaskularisierung des Transplantates von peripher nach zentral abläuft.

Diese Beobachtungen decken sich mit denen anderer Studien (10,17,86,100). In diesen vorangegangenen Arbeiten zeigte sich, daß die einwachsenden Gefäße hauptsächlich dem periligamentären Gewebe wie Fettkörper und Synovialis [Seite 58↓]entspringen (10). Darüber hinaus konnte nachgewiesen werden, daß, nach Resektion von Fettkörper oder synovialer Hüllschicht, Revaskularisierung und Reperfusion mit erheblicher Verzögerung einhergehen (17,86,100).

Andere Arbeitsgruppen wiederum schließen eine Revaskularisierung des Transplantatgewebes jedoch aus (5,66). Die Autoren gehen davon aus, daß die zelluläre Repopulation des Transplantatgewebes ohne vaskuläre Beteiligung stattfindet und das die einwandernden Zellen während der ersten 3 Wochen allein durch die Synovialflüssigkeit per diffusionem versorgt werden (66). Es erscheint nichtsdestotrotz fraglich, ob ein kräftiger und funktionell intakter Kreuzbandersatz auf Dauer allein durch synoviale Diffusion versorgt werden kann (5).

Auch Untersuchungen am Menschen zur Transplantatrevaskularisierung nach VKB-Ersatz zeigen gegensätzliche Ergebnisse. So berichten Puddu et al. (92) von einer deutlichen Transplantathypervaskularisierung, einer persistierenden Hyperzellularität und ungeordneten Kollagenfaszikel im Transplantatgewebe noch nach über 12 Monaten nach Ersatz. Andere Autoren hingegen, bezweifeln eine endoligamentäre Revaskularisierung nach VKB-Ersatz (63). Johnson et al (63) wiesen in einer histologischen Studie über das Verhalten von Sehnentransplantaten nach Kreuzbandersatz im Menschen nach 20 Tagen vitale und gleichmäßig verteilte Zellen nach, ohne Anzeichen einer Revaskularisierung. Die unterschiedlichen Ergebnisse dieser Untersuchungen am Menschen ergeben sich aus der Schwierigkeit, repräsentative Gewebeproben aus dem intakten Kreuzbandersatz zu entnehmen, ohne dabei das Transplantat zu schwächen oder gar zu schädigen. Mit den deshalb meist nur oberflächlichen entnommenen Biopsien, wird jedoch statt des Transplantatgewebes zumeist nur synoviale Oberfläche und fibröses reorganisiertes Gewebe gewonnen, was zu falsch positiven Schlußfolgerungen führen mag (63).

Howell et al. (57) analysierten die Revaskularisierung von Hamstringsehnen nach Kreuzbandersatz im Menschen mittels kontrastmittelverstärkter Magnetresonanztomographie (MRT). In dieser Arbeit konnten die Autoren auch nach einem Jahr keine signifikante Anhebung des intraligamentären Gefäßsignals feststellen. Die Autoren schließen damit eine Revaskularisierung des Transplantatgewebes im Rahmen des Remodelingprozesses aus und machen allein [Seite 59↓]die synoviale Diffusion für die Versorgung des freien Sehnentransplantates mit Nährstoffen und Sauerstoff verantwortlich.

Im Rahmen der vorliegenden Studie war es uns möglich, eigene MRT-Untersuchungen an den operierten Tieren, zu den verschiedenen Standzeiten, durchzuführen (122). Dabei zeigte sich eine statistisch signifikante Korrelation zwischen mechanischen Eigenschaften und der Signalintensität (122). Im Vergleich zu den Ergebnissen von Howell et al. am Menschen, konnten wir 6 und 12 Wochen nach VKB-Ersatz eine signifikante intraligamentäre Signalanhebung beobachten. Eine dem nativen vorderen Kreuzband vergleichbare Signalintensität konnte 2 Jahre postoperativ festgestellt werden. Diese Ergebnisse korrelieren mit der Kinetik der Revaskularisierung in der vorliegenden Arbeit und spiegeln so den Reifungsprozeß des Kreuzbandtransplantates über die Zeit wider (122).

Darüber hinaus konnte die biomechanische Auswertung der Kreuzbandrekonstruktion mittels freiem Sehnentransplantat eine Korrelation zwischen Ausrißfestigkeit des Transplantates und seiner Revaskularisierung zeigen (121). Das Transplantat wies bezüglich anterior-posteriorer Translation und Ausrißkraft nach 6 und 9 Wochen seine geringste Widerstandskraft auf. Diese Zeitpunkte korrelieren mit dem größten Gefäßgehalt des Transplantates. Bei abnehmender Gefäßdichte über die Zeit, zeigte das Transplantat eine zunehmende Ausrißfestigkeit und erreichte nach 2 Jahren nahezu die Festigkeit des nativen vorderen Kreuzbandes. Petersen et al konnten nachweisen, das die Expression von des Angiogenesefaktors vacular endothelial growth factor (VEGF) und seinen Rezeptoren während der ersten 12 Wochen des Remodelingprozesses am höchsten ist. Im Verlauf des weiteren Remodelingprozeß verringert sich die Expression und ist somit ebenfalls korrelierend mit der Gefäßdichte und der Ausrißkraft des Transplantates (90).

Eine mögliche Erklärung der unterschiedlichen Beobachtungen am Menschen und im Tier, kann im Tiermodel selbst zu finden sein. Es ist möglich, daß ein freies Sehnentransplantat im Tiermodel anderen Remodeling- und Reifungsbedingungen unterliegt als im humanen Knie und daher mit einer unterschiedlichen Revaskularisierung einhergeht. Während des Remodelingprozeß des Sehnentransplantates, haben biologischen Einflüsse, wie die synoviale Transplantatumgebung und der Hoffa‘sche Fettkörper, sowie postoperative Hämorrhagie und Inflammation, einen wichtigen Einfluß auf zelluläre Repopulation und [Seite 60↓]Revaskularisierung. Darüber hinaus spielen Faktoren wie Transplantatwahl, –fixierung, -isometrie und Kollagenbündelorientierung, sowie dem postoperative Management eine entscheidende Rolle. Die mechanische Belastbarkeit des Transplantates wird bei fehlender oder übermäßiger Zugbelastung signifikant reduziert, durch eine Änderung der Kollagenstruktur, aufgrund des fehlenden oder überschießenden Stimulus (113). Um diesen Stimulus bereits nach Implantation zu erreichen und einem übermäßigen Setzverhalten des Transplantats entgegen zu wirken, wird empfohlen, das Transplantat vor Fixierung vorzuspannen (113). Es ist denkbar, daß im Tiermodell aufgrund inadäquater Transplantatvorspannung und –positionierung ein intensiveres Remodeling, und damit eine intensivere Revaskularisierung, stattfindet. Diese Hypothese wird durch ein in-situ Gefriermodel an der Ziege (59) unterstützt. In diesem Modell wurde das vordere Kreuzband, unter Beibehaltung seiner originären Insertionsstellen, durch Schockgefrieren devitalisiert. Nach 26 und 52 Wochen zeigte sich das so vorbehandelte VKB weiterhin weniger vaskularisiert, als das native, unbehandelte VKB. Darüber hinaus konnte eine dem remodelierenden VKB-Transplantat vergleichbar überschießende Revaskularisierung nicht beobachtet werden.

Aus diesen Überlegungen läßt sich schlußfolgern, daß ein freies Sehnentransplantat bei Ablauf eines intensiven Remodelings, auch eine Phase intensiver Revaskularisierung durchläuft. Dabei wird das Transplantatgewebe, ausgehend von der synovialen Oberfläche, horizontal in Richtung Transplantatmitte revaskularisiert. Die Revaskularisierung unterliegt weiterhin einer strengen Kinetik, die die mechanischen Eigenschaften des Transplantates entscheidend mitbestimmt (121).

Im weiteren Teil der vorliegenden Arbeit sollte geklärt werden, ob hochdifferenzierte Fibroblasten, sogenannte Myofibroblasten, einen regulären Bestandteil des vorderen Kreuzbandes und seines Ersatzgewebes, eines freien Sehnentransplantates, darstellen.

Es konnte erstmalig nachgewiesen werden, daß α-smooth-muscle Aktin exprimierende Fibroblasten ein fester Bestandteil des ovinen vorderen Kreuzbandes und seines Ersatzgewebes, dem Musculus flexor digitorum superficialis, sind. Diese Ergebnisse decken sich mit anderen Arbeiten, in denen Myofibroblasten in Sehnen- und [Seite 61↓]Bandgewebe, wie im humanen vorderen Kreuzband (80) und medialen Kollateralband (MCL) (40) des Kaninchen, nachgewiesen wurden.

Seit der Entdeckung der Schlüsselrolle, die Myofibroblasten während der Gewebekontraktion bei der Wundheilung und bei Organfibrosen spielen (46,99), wird die Hypothese gestellt, daß diese Zellen die Fähigkeit haben, Zugkräfte auf die extrazelluläre Matrix auszuüben und damit das Gewebe zu kontrahieren (40,45,103).

Das klinische Bild der Dupuytren'schen Kontraktur verdeutlicht eindrücklich die Fähigkeit dieser Zellen, Gewebe zu kontrahieren (47). Am Bewegungsapparat ist die Kontraktion des Granulationsgewebes ein wichtiger Bestandteil zur Wiedererlangung der normalen in-situ Spannung. Nach der Entdeckung von Myofibroblasten während der Bandheilung des medialen Kollateralbandes des Kaninchen, wird vermutet, daß diese Zellen für die Wiedererlangung der normalen Bandspannung nach Teilruptur von großer Bedeutung sind (40). Im Gegensatz dazu zeigen in-vitro Studien, daß Myofibroblasten hauptsächlich isometrische Zugkräfte ausüben und weniger isotonische Kontraktionskräfte (53). Soweit uns bekannt, gibt es jedoch bislang keine Untersuchungen, die den Mechanismus der Filamentkontraktion in diesem Zelltyp in-vivo beschreibt.

In unserer Studie zeigte sich bereits in der frühen Remodellingphase nach 6 und 9 Wochen eine starke Immunreaktivität für α–smooth muscle Aktin. Es konnten vereinzelt fusiforme Myofibroblasten in neu gebildeten Kollagensträngen nachgewiesen werden. Wie im vorherigen Abschnitt zur Revaskularisierung dargestellt, zeigte sich in der frühen Heilungsphase nach 6 und 9 Wochen die größte Gefäßdichte mit einer extrem ausgeprägten Expression von Faktor VIII der Endothelzellen im Transplantatgewebe. Aus diesem Grunde konnten zu diesem Zeitpunkt die α–smooth muscle Aktin positiven Myofibroblasten nur aufgrund ihrer fusiformen Zellform von glatten Gefäßmuskelzellen und Perizyten differenziert werden. Der Nachweis dieser Zellen innerhalb der neu geformten Faserbündeln, mag einen Hinweis darauf geben, daß Myofibroblasten bereits in der frühesten Heilungsphase involviert sind. Weiterhin konnten wir auch Myofibroblasten im nicht remodelierten Transplantatgewebe nach 6 Wochen nachweisen. Das könnte darauf hinweisen, daß dieser Zelltyp auch bis 6 Wochen nach Implantation weiterhin vital bleibt. Nach 24, 52 und 104 Wochen fand sich ein, dem nativen vorderen Kreuzband vergleichbarer Myofibroblastenanteil, wenn er auch nach 104 Wochen signifikant höher war (123).


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Diese Daten zeigen, daß α–smooth muscle Aktin exprimierende Zellen ein fester Bestandteil des vorderen Kreuzbandes, sowie des remodelierenden Transplantates sind. Aufgrund der Tatsache, daß diese Zellen während des Remodeling des freien Sehnentransplantates wieder auftauchen, scheint es offensichtlich, daß diese Zellen für das Wiedererreichen der Bandhomöostase und Kollagenformation mitverantwortlich sind. Die genaue Rolle und Funktion der Myofibroblasten in Sehnen- und Bandgewebe, besonders im vorderen Kreuzband, bleibt jedoch weiterhin unklar.

In einer kürzlich erschienenen Arbeit von Murray und Spector (80) wurde die Morphologie und Verteilung von α–smooth muscle Aktin positiven Zellen im anteromediale Bündel des nativen humanen vorderen Kreuzband untersucht. Die Autoren zeigten, daß der mittlere Anteil von Myofibroblasten zwischen 9 und 28 Prozent aller Zellen im nativen humanen VKB beträgt. Aufgrund der unterschiedlichen Morphologie der beobachteten Myofibroblasten, konnten Murray und Spector das anteromediale Bündel in 3 verschiedene Abschnitte unterteilten. Einen proximalen, mit vornehmlich fusiformen Myofibroblasten, einen mittleren, mit ovoiden und einen distalen Abschnitt mit hauptsächlich spheroiden Myofibroblasten. Der prozentual höchste Anteil von Myofibroblasten wurde in der distalen spheroiden Zone nachgewiesen (80).

In der vorliegenden Studie wurde nur das mittlere Drittel des Kreuzbandes untersucht. Es konnten hauptsächlich ovoide Zellen im nativen, ovinen VKB, als auch im Transplantatgewebe nach 24, 52 und 104 Wochen, gefunden werden. Es zeigte sich eine konstant ansteigende Anzahl von MFB zwischen den Standzeiten nach 24 bis 104 Wochen. Nach 104 Wochen schließlich konnten signifikant mehr Myofibroblasten im Vergleich zum nativen VKB gezählt werden. Diese Tatsache läßt vermuten, daß der VKB-Ersatz auch nach 2 Jahren postoperativ noch nicht den funktionellen Status des intakten vorderen Kreuzbandes erreicht hat. Andererseits wäre denkbar, daß sich im remodelierten Bandgewebe verschiedene funktionelle Zonen ausgebildet haben, mit einer wesentlich höheren Anzahl an Myofibroblasten pro Teilzone im Vergleich zum nativen VKB. Bei der Wahl der Schnittebene ist es möglich, unterschiedlich funktionelle Zonen mit unterschiedlicher Anzahl an MFB getroffen zu haben.

Murray und Spector vermuteten, daß α–smooth muscle Aktin exprimierende Fibroblasten aufgrund ihrer gut ausgebildeten Zell-Stroma-Verbindung, den Fibronexus, [Seite 63↓]für die Fältelung der Extrazellulärmatrix und der Bildung der Kollagentertiärstruktur, dem sogenannten Crimp, mitverantwortlich sind (80). Diese Hypothese wurde durch ihre Entdeckung erhärtet, daß die Bandzonen mit dem kürzesten Wellenabstand den größten Anteil an Myofibroblasten zeigten. Darüber hinaus konnten Murray und Spector Myofibroblasten am Scheitelpunkt der Wellenberge ausmachen (80). In-vitro Studien zeigten zusätzlich, daß Myofibroblasten die Fähigkeit besitzen, Membranen oder Zellkulturmedium durch Kontraktion zu verkürzen (14,53,73).

In der vorliegenden Arbeit konnten wir eine ähnliche Beobachtung machen. Der größte Frequenzabstand zwischen zwei Wellenbergen (Kollagencrimp) konnte in der intakten Flexorsehne ermittelt werden, gefolgt vom intakten vorderen Kreuzband. Den niedrigsten Anteil an Myofibroblasten zeigte sich ebenfalls in der Flexorsehne, dann im VKB. Dagegen wies das remodelierende Transplantatgewebe den kürzesten Crimp in Kombination mit dem größten Anteil an MFB, im Vergleich zu Flexorsehne und vorderen Kreuzband, auf. Damit bestätigen unsere Ergebnisse grundsätzlich die Hypothese von Murray und Spector, auch wenn wir keine spezifische MFB-Verteilung im Bezug auf Kollagenfaszikel und Crimpstruktur, weder im Flexorsehnengewebe noch im nativen oder remodelierenden vorderen Kreuzband feststellen konnten.

Während Myofibroblasten eine wichtige Funktion zur Aufrechterhaltung der Matrixhomöostase einer intakten Sehne oder eines Bandes haben mögen, mag die phenotypische Entwicklung des Fibroblasten zum MFB auch mit der Bildung funktioneller Bindegewebsstrukturen einhergehen (52,111). In gleicher Art und Weise könnten Myofibroblasten auch im Prozeß der Geweberestrukturierung während des Remodelings eines freien Sehnentransplantates, oder der Ligamentisierung nach VKB-Ersatz mitwirken. Tatsächlich könnten die in dieser Studie nach 6 Wochen in neu gebildeten Kollagenfibrillen gefundenen fusiformen Myofibroblasten darauf hindeuten, daß diese Zellen bereits in der frühesten Phase der Kollagenfibrillenbildung und -formierung während des Transplantatremodelings eine wichtige Rolle spielen (siehe Abbildung 26).

Zusammenfassend läßt sich postulieren, das α–smooth muscle Aktin exprimierende Fibroblasten, sogenannte Myofibroblasten, einen regulären Bestandteil des intakten, als auch des remodelierten vorderen Kreuzbandes darstellen. Es gibt eindeutige Hinweise darauf, daß diese Zellen, beispielsweise durch die Bildung des [Seite 64↓]Kollagencrimps, an der Aufrechterhaltung der Gewebehomöostase mit beteiligt sein könnten.

Die Präsenz dieser Zellen während der frühen Remodellingphase läßt weiterhin vermuten, daß α–smooth muscle Actin exprimierende Zellen in der frühsten Phase der Bildung von Kollagenfibrillen mitbeteiligt sind.

Jedoch bleiben auch weiterhin viele Fragen bezüglich der Funktion und Rolle im Gewebeverband unbeantwortet, welche weitere Untersuchungen diesbezüglich anregen sollten.


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19.05.2005