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Tabelle 4‑4.1: Folgende Materialien, Geräte und Versuchstiere fanden Verwendung
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Die Frage nach dem makroglialen Differenzierungspotential hämatogener Zellen im Gehirn der adulten Maus wurde am Modell der Knochenmarkchimäre untersucht. Das dazu verwendete Donor-Knochenmark stammte aus transgenen Mäusen, die das GFP-Gen unter der Kontrolle eines 2,2 kb langen Fragments aus dem humanen Promoter für GFAP exprimieren. Heterozygote Donortiere des Stammes C57bl6 x FVB/N wurden uns freundlicherweise von Herrn PD Dr. Frank Kirchhoff, Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin, Göttingen, zur Verfügung gestellt. Das Modell dieser transgenen Maus wurde am Max-Delbrück-Centrum in Berlin entwickelt, um die nur an fixiertem Gewebe durchführbare immunhistochemische Anfärbung von GFAP dadurch zu umgehen, dass EGFP als Markerprotein konstitutiv in lebenden Astrozyten exprimiert wird (Nolte 2001). Dies ermöglicht die Identifizierung und elektrophysiologische Untersuchung von Astrozyten z. B. in vitalen Hirnschnittpräparaten. Grundlage unserer Versuche mit Knochenmark aus diesen Donortieren war die Hypothese, dass die Hand in Hand gehende Expression von GFAP und EGFP in makroglialen Zellen ein geeignetes Instrument darstellt, eine Differenzierung hämatogener Zellen zu GFAP-exprimierenden Astrozyten in vivo oder in der Zellkultur zu dokumentieren. Die von Nolte et al. beschriebene transgene Maus unterscheidet sich in bezug auf Fortpflanzungsfähigkeit, Verhalten und Lebenserwartung nicht von Wildtyp-Exemplaren des gleichen Stammes. Allein anhand morphologischer und lokalisatorischer Kriterien können die im Gehirn der transgenen Tiere präsenten EGFP-positiven Zellen als Astrozyten identifiziert werden; sie weisen zahlreiche weitverzweigte Zellfortsätze auf, in die hinein sich das (cytoplasmatische) grüne Fluoreszenzsignal fortsetzt (Nolte 2001, Abb. 5, 6) EGFP-positive Zellen mit astrozytärer Morphologie finden sich in besonders großer Zahl im Cerebellum (Mole[Seite 40↓]kularschicht, Körnerschicht) sowie in Neocortex, Basalganglien, Hippocampus, Album, Retina und Rückenmark. Nach GFAP-Färbung fixierter Gewebeschnitte erweist sich die weitaus größte Zahl dieser Zellen als immunoreaktiv für GFAP; Koexpression von GFP mit neuronalen und oligodendrozytären Markern wie NeuN und dem Myelin-assoziierten Glykoprotein finden sich dagegen nicht (Nolte 2001). Die zelluläre Kolokalisation von GFP und GFAP im Hirnparenchym weist insofern regionale Inhomogenität auf, als in bestimmten Bereichen (z. B. im Thalamus) intensive Grünfluoreszenz mit einem äußerst schwachen GFAP-Signal einhergeht, während anderswo Astrozyten deutliche Immunoreaktivität für GFAP, aber eine interzellulär stark variierende Expression von GFP aufweisen (Nolte 2001). In bezug auf die Intensitätsunterschiede des GFAP-Signals deckt sich diese Beobachtung mit den Befunden von McLendon, der die ungleichmäßige Anfärbbarkeit der Astrozyten u. a. mit ihrem jeweiligen Aktivitätszustand und ihrer Lokalisation in Zusammenhang bringt (McLendon 1994). Von der Anwesenheit des genetischen Konstrukts in allen Körperzellen der transgenen Mäuse konnte aufgrund theoretischer Erwägungen ausgegangen werden; der positive Nachweis dafür war bei jedem einzelnen Tier durch PCR-Analyse von genomischer DNA aus Schwanzgewebe erbracht worden.
Als Empfängertiere dienten FVBxC57bl6-Mäuse, die sämtlich aus der gleichen Zucht stammten wie die Donormaus, dabei aber das Transgen nicht aufwiesen, was zuvor mittels PCR Kirchhoff bei jedem einzelnen Tier verifiziert worden war. Zur Bestrahlung und Rekonstitution wurden nur klinisch gesunde Tiere herangezogen. Die myeloablative Bestrahlung erfolgte fraktioniert in zwei Sitzungen mit einem Intervall von drei Stunden. Die Strahlendosis betrug bei jeder Fraktion 5,5 Gy, in der Summe also 11 Gy. Es wurde eine 137Cs-Quelle verwendet.
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Zur Entnahme des Knochenmarks wurden die Donortiere nach Anästhesie in Halothan (4%)- oder Chloralhydratnarkose durch zervikale Dislokation getötet. Nach gründlicher äußerlicher Desinfektion mit Ethanol 70% wurden die unteren Extremitäten vom Rumpf getrennt. Dann wurde zunächst der Schädel eröffnet und zusätzlich das Gehirn entnommen, um vor der Entnahme und weiteren Aufbereitung des Knochenmarks die Transgenität der Tiere, d. h. die Grünfluoreszenz ihrer Astrozyten, in „Schnellschnittechnik“ noch einmal fluoreszenzmikrospisch zu verifizieren. Anschließend wurden Tibiae und Femores vom Muskel- und Sehnengewebe freipräpariert und in frisches steriles PBS w/o verbracht. Alle weiteren Arbeitsschritte erfolgten unter der Zellkulturbank. Nach Anbohrung der Epiphysen wurde jeder einzelne Knochen mehrfach mit jeweils 1 ml PBS w/o + 2% hitzeinaktiviertem FKS (4 °C) durchspült, die gewonnene Zellsuspension in einem Falcon-Röhrchen (50 ml) aufgefangen und auf Eis deponiert. Nach zweimaliger Zentrifugation (12 min bei 1000 rpm und 4 °C) und Resuspension in PBS w/o mit 2% FKS wurde ein Aliquot für die Quantifizierung der kernhaltigen Zellen entnommen. Nachdem die Zellen gezählt waren, wurden sie unmittelbar vor der Transplantation in PBS w/o mit 2% FKS suspendiert. Zur Prophylaxe thrombembolischer Komplikationen nach Injektion wurde die Zellösung mit 50 μl einer Heparinlösung (250 U/l) im Verhältnis 1:10 versetzt.
Mittels einer 1-ml-Insulinspritze wurden pro Maus 5x106 Zellen in 500 μl Injektionslösung in eine Schwanzvene injiziert. Nach sorgfältiger Blutstillung mit einem Wattetupfer wurden die Tiere einzeln in speziell vorbereitete Filterkäfige verbracht und in ein IVC-Regalsystem hineingestellt. Durch die isolierte Ventilation eines jeden Käfigs mit gefilterter Raumluft sowie durch [Seite 42↓]die Verwendung von autoklaviertem Futter, Wasser und Einstreumaterial wurde versucht, wietestgehende Keimarmut zu erreichen. Das Trinkwasser enthielt zur weiteren Infektionsprophylaxe Cotrimoxazol in einer Konzentration von 3,5 Vol.-%. Entsprechend den Erfahrungen unserer Arbeitsgruppe mit der Überlebensfähigkeit knochenmarktransplantierter Mäuse wurden die Tiere für maximal vier Wochen unter diesen Bedingungen gehalten.
Das alleinige Überleben der transplantierten Mäuse reicht als Beweis der erfolgreichen Rekonstitution nicht aus, weil es keine Aussage darüber erlaubt, in welchem Ausmaß das Knochenmark entweder von Donorstammzellen oder auch von nur überlebenden autochthonen Zellklonen repopuliert wurde. Aus diesem Grund wurde 6 bis 8 Wochen nach Transplantation die Anwesenheit des transgenen Konstrukts im peripheren Blut der chimären Tiere mit Hilfe der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) nachgewiesen. Nach Inzision der Schwanzvene wurden jeder Maus 150 μl Blut entnommen, aus denen die DNA unter Verwendung des S. N. A. P. whole blood DNA isolation kit isoliert wurde. Die PCR wurde mit Primern für das GFP-Gen durchgeführt (sense: 5‘ -gcc gct acc ccg acc ac – 3‘; antisense: 5‘ - ttc acc ttg atg ccg ttc ttc t – 3‘), wobei die Amplifikationsbedingungen folgendermaßen lauteten: 3 min 94°C, 40 Zyklen:1 min 94°C, 1 min 55°C, 90 s 72°C, 5 min 72°C. Die PCR-Produkte wurden auf einem AgaroseGel (1%) aufgetrennt und unter Verwendung von Ethidiumbromid visualisiert.
Das von Hara et al. beschriebene „Fadenmodell“ der transienten fokalen cerebralen Ischämie ist in der Abteilung für experimentelle Neurologie seit Jahren etabliert und konnte von Dr. Konstan[Seite 43↓]tin Prass in die hier vorgestellten Experimente eingebracht werden (Hara 1996). Der auf dem temporären Verschluss einer A. cerebri media beruhende Eingriff wurde 12 Wochen nach Transplantation an den Chimären durchgeführt (bzw. 6 Wochen nach positivem Nachweis des Genkonstrukts im peripheren Blut). Unter Allgemeinnarkose mit 1% Halothan in einem Gemisch aus 70% Lachgas (N2O) und 30 % Sauerstoff (O2) wurde zuerst die Sonde eines Laser-Doppler-Flow-Messgerätes links parietal auf dem Schädelknochen befestigt. Danach wurde der linke Bulbus caroticus freipräpariert und ein silikonbeschichtetes Monofilament in die A. carotis interna der gleichen Seite eingeführt. Der Faden wurde so weit nach kranial vorgeschoben, dass er den Abgang der A. cerebri media verlegte, was bei jedem Tier durch eine Abnahme des linkshemispheralen Blutflusses in der Dopplermessung dokumentiert wurde. Nach 60 Minuten wurden die Tiere kurz renarkotisiert, um das Filament wieder zu entfernen und den Präparationssitus mit Acryl-Gewebekleber zu verschließen. Die Reperfusions- bzw. Überlebenszeiten betrugen 1 bis 5 Tage.
Zum gewählten Zeitpunkt wurden die Tiere mit Chloralhydrat i. p. narkotisiert und unter Verwendung einer Perfusionsmaschine transkardial nacheinander mit eisgekühltem PBS (2 min) und 4% Paraformaldehyd (PFA, 10 min) perfundiert. Die Gehirne wurden schonend entfernt und über Nacht in 4% PFA in PB nachfixiert. Anschließend wurden sie zur Kryoprotektion so lange in einer 30%-Lösung von Sucrose in Aqua bidest. aufbewahrt, bis sie auf den Boden des Lagerungsgefäßes abgesunken waren. Danach wurden die Hirne auf Trockeneis tiefgefroren und bis zum Schneiden bei -80°C gelagert. Die Herstellung von 20 μm dicken Kryoschnitten erfolgte am Kryostaten bei -24 °C. Jeder zehnte Schnitt wurde unter dem konventionellen Fluoreszenzmikroskop systematisch auf das Vorkommen GFP-positiver Zellen untersucht. An weiteren Schnitten [Seite 44↓]wurde eine immunhistochemische Färbung mit Visualisierung des GFAP-Antigens durchgeführt. Zur Verwendung kamen dabei der Primärantikörper anti-GFAP aus Kaninchen (1:500), ein biotinylierter anti-rabbit-Sekundärantikörper (1:200) sowie der an Streptavidin gekoppelte rote Fluoreszenzfarbstoff Texas Red oder Cy-3 (Emissionsmaxima: Texas Red 602 nm, Cy-3 596 nm). Im Falle der Tiere, die einer fokalen cerebralen Ischämie unterzogen worden waren, wurden repräsentative Schnitte aus allen Hirnregionen mit Hämatoxylin/Eosin (HE) gefärbt, um den Infarkt dokumentieren und sein Ausmaß einschätzen zu können (HE-Färbeprotokoll: 3 s Ethanol 80%, Spülung mit Wasser, 3 s Hämatoxylin nach Papanicolaou, Spülung mit Wasser, 3 s Acetalkohol, 1 s Lithiumcarbonat 1%, Spülung mit Wasser, aufsteigende Alkoholreihe bis 96%, 5-10 s Eosin, Spülung mit Wasser, mehrfaches Eintauchen in reinen Alkohol, zum Schluss 10-30 s Rothistol, Eindeckeln).
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Im Rahmen der in vitro-Versuche wurden Knochenmarkzellen auf Mausastrozyten oder organotypischen Hirnschnitten kokultiviert. Um die spätere Identifizierung der Knochenmarkzellen eindeutig zu ermöglichen, wurden die (unreiferen) Zellen vor Anlage der o. g. Kokulturen retroviral mit EGFP transfiziert (Bierhuizen 1990, Persons 1997). Die Entnahme und Transfektion des Knochenmarks erfolgten entsprechend eines von uns modifizierten Protokolls von Persons et al. (Persons 1997).
Als Donortiere für die Transfektion von Knochenmarkszellen mit GFP dienten 12 Wochen alte, weibliche und klinisch gesunde NMRI-Mäuse (Zucht PD Dr. Ute Lindauer, Charité). Zur Effizienzsteigerung des Gentransfers bei der Kultur von Knochenmarkzellen auf Virus-ProducerZellen (s. u.) wurden die Donortiere mit 5-Fluorouracil in einer Dosierung von 150 mg/kg Körpergewicht i. p. vorbehandelt . Der zytotoxische Effekt dieses Pyrimidin-Antagonisten wirkt sich am schwächsten auf hämatopoetische Stammzellen mit langfristigem Repopulationspotential aus (Lerner 1990, Okada 1992) und steigert die Empfänglichkeit der behandelten Knochenmarkzellen für eine retrovirale Infektion in Anwesenheit der Zytokine IL-3 und IL-6 (Bodine 1991). 48 Stunden später erfolgte die Gewinnung des Knochenmarks wie unter 4.2.3. beschrieben.
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Zur Vorbereitung der eigentlichen Transfektion wurden die entnommenen Knochenmarkzellen in einer Konzentration von 2 x 106 Zellen/ml in DMEM mit 15 % hitzeinativiertem FKS, 3,25 g/l D-Glucose, 2 mmol/l L-Glutamin, 100 U/ml Penicillin und 100 μg/ml Streptomycin in Anwesenheit von 20 ng/ml Interleukin-3 (rMuIL-3), 50 ng/ml Interleukin-6 (rHuIL-6) und 50 ng/ml Stem Cell Factor (rSCF) kultiviert (Prästimulation). Die Dauer dieser Kultur betrug 48 Stunden bei 37 °C, 5% CO2 und 95% Luftfeuchtigkeit. Anschließend wurden die Knochenmarkzellen auf eine Fibroblastenlinie transferiert, die den retroviralen Vektor MGirL22Y exozytiert (Persons 1997). Dieser enthält unter anderem das Gen für EGFP (Abb. 1). Die Virus-Producer-Zellen waren einen Tag zuvor mit 13 Gy aus einer 60Co-Quelle bestrahlt und anschließend in mittlerer Dichte (3,5 x 106 Zellen/75 cm2) in gelatinierten Kulturflaschen ausgesät (0,1% Gelatine in PBS) worden. Nach 48 Stunden Kokultur in dem bereits oben genannten Medium mit Zusatz von 600 ng/ml Polybrene wurden die transfizierten Knochenmarkzellen entnommen und gezählt. Bei einem Teil der durchgeführten Experimente erfolgte während der Prästimulations- und Transfektions-Kultur eine Markierung proliferierender Knochenmarkzellen mittels Brom-desoxyuridin (BrdU), das in einer Konzentration von 3 μmol/l der Zellsuspension täglich zugesetzt wurde.
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Abbildung 1: Charakterisierung der Virus-Producer-Zellinie für die retrovirale Transfektion von Knochenmark mit EGFP. a:Schematische Darstellung des retroviralen MGirL22Y-Vectors. Das abgebildete Fragment ist 3,6 kb lang und enthält die cDNA für EGFP sowie das humane Enzym Dihydrofolatreductase (L22Y). IRES = internal ribosomal entry site (Enzephalomyokarditis-Virus), LTR = long terminal repeats. Der Grundbaustein des Vektors ist ein Plasmid aus dem murinen Stammzell-Virus (MSCV). b: Die virusproduzierenden Fibroblasten weisen ein homogenes und helles GFP-Signal auf (x100). c – f: Die graphische und numerische Darstellung der FACS-Analyse zeigt, dass eine Mehrheit der Fibroblasten EGFP mit hoher Intensität exprimiert. Eine Subpopulation der Virus-Producer-Zellen (Gate 1 in c) wurde mit Hilfe von Propidiumjodid (PI) auf ihre Viabilität geprüft; die vitalen Zellen (Gate 2 in d) wurden selektioniert und hinsichtlich ihrer GFP-Expression untersucht (e, f). | ||
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Nach mehrmaligem Waschen der Knochenmarkzellen aus der Kokultur mit jeweils 1,5 ml frischem Kulturmedium wurden 50.000 Zellen abgezweigt und in 2 ml Methylcellusose-Medium (MethoCult GF®) aufgenommen. Nach gründlicher Suspension auf dem Minishaker (1000 rpm) wurde die erhaltene Zellösung in einer sterilen Petrischale unter Standardbedingungen kultiviert. 7 bis 10 Tage später erfolgte die Auszählung der Zellkolonien sowohl unter dem Licht- als auch unter dem inversen Fluoreszenzmikroskop. Aufgrund des selektiven Wachstums hämatogener Vorläuferzellen in Spezialmedium (MethoCult GF®) spiegelte der relative Anteil GFPexprimierender Zellkolonien (= Zellklone) die Effizienz der Transfektion wider (Inhaltsstoffe des MethoCult GF®-Mediums: Methycellulose, Iscove’s MDM, fötales Kälberserum, bovines Serumalbumin, bovines Pankreasinsulin, humanes Transferrin, 2-Mercaptoethanol, L-Glutamin, rMuIL-3, rHuIL-6, rMuSCF, rHu Erythropoetin).
Knochenmarkzellen mit konstitutiver Expression von GFP wurde aus transgenen C57bl6-Mäusen entnommen. Bei diesem von Okabe et al. entwickelten transgenen Modell ist die Expression des EGFP-Gens unter die Kontrolle des β-Actin-Promoters (aus Huhn) gestellt (Okabe 1997, Hajdantonakis 1998, Kawakami 1999). Da β-Actin als wichtiger Zytoskelettbaustein in praktisch allen Körperzellen von Säugetieren präsent ist, weisen die transgenen Mäuse fast ubiquitäre GFP-Expression auf: Mit Ausnahme von Erythrozyten und Haaren ist EGFP bei adäquater Exzitation in allen Körpergeweben nachweisbar. Trotz der massiven Akkumulation des Fremdproteins in allen Organen konnte von den o. g. Autoren kein Hinweis auf eine systemisch oder lokal manifeste zelltoxische Wirkung des EGFP gefunden werden; die Tiere zeigen keine [Seite 49↓]Auffälligkeiten in bezug auf Verhalten, Fortpflanzung und Lebenserwartung (Okabe 1997). Die Knochenmarkentnahme aus β-Actin/GFP-transgenen und GFAP/GFP-transgenen Donormäusen erfolgte entsprechend dem weiter oben beschriebenen Protokoll. Die Zellen wurden jeweils direkt nach Entnahme für die Kokulturversuche vorbereitet.
Murine Astrozyten zur Herstellung von Monolayers für die Kokultur mit GFP-markierten Knochenmarkzellen wurden nach einem Standardprotokoll gewonnen (McCarthy und de Vellis 1980). Nach Dekapitation von 4 – 6 neugeborenen NMRI-Mäusen (P1-P3, Zucht Ute Lindauer, Charité) bzw. C57bl6-Mäusen (P1-P3, BgVV, Berlin) wurden die Hirne schonend aus den Kalotten entfernt und in eine mit PBS gefüllte Petrischale verbracht. Unter dem Präparationsmikroskop (Vergrößerung x10) wurden nach Entfernung von Kleinhirn, Bulbus olfactorius, Diencephalon und Hippocampus die verbleibenden Cortexhälften vorsichtig von ihrem meningealen Überzug befreit. Danach wurden die Cortices mit einem Skalpell zerkleinert und über 15 Minuten im Wasserbad (37 °C) durch Inkubation mit 10 ml Trypsin 0,05% enzymatisch dissoziiert. Nach zweimaligem Waschen des Gewebes in PBS wurden die Zellen in Astrozytenmedium suspendiert, mit der Pipette vereinzelt und in 75–cm2-Kulturflaschen ausgesät. Das Astrozytenmedium bestand aus DMEM, 10% hitzeinaktiviertem FKS, 1,0 g/l D-Glucose, 2 mmol/l L-Glutamin, 100 U/ml Penicillin und 100 μg/ml Streptomycin. Ein Wechsel des Mediums fand alle zwei Tage statt. Nach eine weitgehende Konfluenz der Zellen erreicht war, wurden die Astrozyten einmalig passagiert und mit einer Dichte von 40.000/well in 24-well-Zellkulturplatten ausgesät. Die Astrozytenkulturen wurden erst nach Ausbildung eines gleichmäßigen Monolayers zur Kokultur mit Knochenmarkzellen herangezogen.
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Nach Dekapitation neugeborener NMRI-Mäuse (P9-P12, Institut für Anatomie, Charité) bzw. C57bl6-Mäuse (P8-P11, Institut für Anatomie, Charité) wurden die Hirne schonend herausgelöst und sofort in eisgekühltes Präparationsmedium verbracht (Savaskan 2000). Nach Entfernung des Kleinhirns und Halbierung des Großhirns in der Frontalebene wurden von jeder Hirnhälfte einzeln horizontal geführte, 300 μm dicke Vibratomschnitte der Hippocampusregion angefertigt. Jeweils 2 bis 3 Schnitte wurden mit Hilfe eines Pinsels in einen sterilen Zellkultureinsatz mit poröser Bodenmembran verbracht (Porendurchmesser 0,4 μm) und anschließend in die mit 1 ml Kulturmedium gefüllte Vertiefung einer Zellkulturplatte überführt. Die Kultivierung der Schnitte erfolgte bei 35 °C, 5% CO2 und 95% Luftfeuchtigkeit. Das Kulturmedium wurde erstmals am Tag nach der Präparation, danach alle 48 Stunden erneuert. Die OEHSC fanden erst nach einer sogenannten „Silencing“-Periode von 5 bis 7 Tagen weitere Verwendung, wodurch das Abklingen der inflammatorischen Gewebereaktion nach Präparation abgewartet wurde (Hailer 1996). Zusammensetzung des Präparationsmediums: MEM 16 g/l, steriles Aqua dest., L-Glutamin 2 mmol/l, Trisbase 8 mmmol/l. (Zusammensetzung des Kulturmediums: MEM 8 g/l, steriles Aqua dest., 25% Pferdeserum, Bicarbonat 7,5% 5,8 ml/l, Ascorbinsäure 800 ng/l, L-Glutamin 2 mmol/l, Penicillin 100 U/ml, Streptomycin 100 μg/ml, Trisbase 5 mmol/l, Glucose 2,4 g/l, HBSS 25%, Insulin 100 μl.)
Zur Untersuchung des unterschiedlichen Differenzierungsverhaltens früherer und späterer Entwicklungsstufen von Knochenmarkzellen in der Kultur auf Astrozyten oder lebenden Hirnschnittpräparaten diente die Separation der Zellen entsprechend ihrer Sca-1-Expression. Stem [Seite 51↓] cell antigen 1 ist ein Oberflächenmokekül (van de Rijn 1989), dass bei Mäusen auf hämatopoetischen Vorläuferzellen im Knochenmark und auf einigen Vertretern der T-Zell-Reihe exprimiert wird (Spangrude 1988, Spangrude 1989). Zusammen mit anderen membranständigen Proteinen wie c-kit und den sog. lineage markers wird es als Markerantigen für die durchflusszytometrische Isolierung hämatopoetischer Vorläuferzellen aus murinem Knochenmark verwendet (Furukawa 1998). Die resultierende Population enthält zelluläre Vorstufen mit unterschiedlichen Differenzierungsspektren, d. h. sowohl multipotente Stammzellen mit langfristiger Selbsterneuerungsfähigkeit als auch determiniertere Zelltypen (Cheshier 1999). Sca-1 ist besonders für die Isolierung sehr primitiver Vorläuferzellen von Bedeutung. Die Auftrennung der transfizierten Knochenmarkzellen entsprechend ihrer Sca-1-Expression erfolgte unmittelbar vor Anlage der Kokulturen und wurde mittels MACS (magnetic activated cell sorting) durchgeführt. Nach Entnahme aus der Transfektions-Kokultur und Hämolyse mittels eines Puffergemisches (0,01 M KHCO3, 0,155 M NH4Cl, 0,1 mM EDTA) wurden die Knochenmarkzellen in PBS gewaschen und für 30 Minuten bei 4 °C mit Sca-1+-magnetic microbeadsinkubiert (20 μl auf 107 Zellen). Danach wurde die Zellsuspension auf eine zuvor mit 500 μl PBS durchspülte Separatorsäule gegeben, in der die Sca-1-positiven Zellen primär zurückgehalten wurden. Nachdem die Sca-1-negative Fraktion einschließlich der Spülflüssigkeit (PBS) aufgefangen worden war, konnten die Sca-1-positiven Zellen durch nochmalige Spülung der Säule mit 1 ml PBS mobilisiert und kollektiert werden. Beide Zellfraktionen wurden gezählt; zur Spezifitätskontrolle wurde anschließend eine durchflußzytometrische Analyse der Sca-1-positiven und Sca-1-negativen Population durchgeführt (Becton Dickinson FACSCalibur-Gerät, Software: Cellquest auf Apple Macintosh).
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GFP-transfizierte Knochenmarkzellen, die in einem experimentellen Ansatz zusätzlich mit BrdU markiert waren, wurden in drei verschiedenen Fraktionen auf Mausastrozyten ausgesät: Sca-1positive Zellen, Sca-1-negative Zellen und unfraktionierte Knochenmarkzellen. Knochenmarkzellen aus β-Actin-GFP-transgenen und GFAP-GFP-transgenen Mäusen wurden vor Anlage der Kokultur keiner MACS-Prozedur unterzogen und als Gemisch auf die Astrozyten gegeben. Bei jedem der verschiedenen Versuchsansätze (s. Abb. 2) erfolgte die Beimpfung der Astrozyten mit 10.000 Knochenmarkzellen pro well. Der nächstfolgende Mediumwechsel (DMEM mit 10% FKS) fand 24 Stunden später statt, alle weiteren in 48-Stunden-Intervallen. Dabei wurde jeweils die Hälfte des Mediums vorsichtig abpipettiert und durch die gleiche Menge an frischem Kulturmedium ersetzt. Die Dauer der Kokultur erstreckte sich über längstens 18 Tage. Am 1., 3., 6., 12. und 18. Tag nach Versuchsbeginn wurden pro experimentellem Ansatz 4 wells mit Paraformaldehyd 4% in 0,1 M Phosphatpuffer (PB) fixiert. Bei den Experimenten mit transfiziertem Knochenmark wurden außerdem zu jedem Zeitpunkt die Zellen zweier wells vor der Fixierung enzymatisch mobilisiert (0,05% Trypsin), in 500μl Medium suspendiert und durch Zytozentrifugation (10 min, 500 rpm, Raumtemperatur) auf gelatinierte Objektträger aufgebracht. Bei allen Kokulturexperimenten wurden, soweit möglich, identische Stämme von Mäusen für die Gewinnung von Knochenmarkzellen einerseits und Astrozyten andererseits verwendet (NMRI oder C57bl6). Diejenigen Zellen, die aus GFP/GFAP-transgenen Tieren (Stamm: C57bl6 x FVB) gewonnen worden waren, wurden auf Astrozyten aus C57bl6-Mäusen kultiviert.
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Transfizierte Knochenmarkzellen wurden ebenfalls in zwei Fraktionen auf OEHSC aufgeimpft: Sca-1-positive Zellen und Sca-1-negative Zellen. Knochenmark aus β-Actin/GFP-transgenen und GFAP/GFP-transgenen Mäusen wurde jeweils als Gemisch aus Sca-1- positiven und Sca-1-negativen Zellen auf die Hirnschnittkulturen gegeben. Auf jeden Slice wurden 100.000 Knochenmarkzellen, suspendiert in 5 μl Medium, mit einer Eppendorf-Pipette appliziert. Der erste Mediumwechsel fand 24 Stunden später statt, alle nachfolgenden im 48-Stunden-Rhythmus. Dabei wurde der im jeweiligen well befindliche 1 ml Medium vollständig ausgetauscht. Die Dauer der Kokultur betrug maximal 8 Tage. Zu den Zeitpunkten 3, 5 und 8 Tage wurden pro Versuchsansatz 2-3 Hirnschnitte mit Paraformaldehyd 4% und Glutaraldehyd 0,1% in 0,1 M PB fixiert. Die Schnitte wurden nun für 8 bis 10 Tage in einer Lösung von 20% Sucrose in Aqua bidest. gelagert, um das Gewebe vor den potentiell destruktiven Auswirkungen des Einfrierens zu schützen (Kryoprotektion): Unmittelbar vor dem Schneiden wurde jeder Slice bei –34°C im Kryostaten in Einbettmedium tiefgefroren. Die bei gleicher Temperatur hergestellten, 14 μm dicken Schnitte wurden schließlich auf gelatinierte Objektträger aufgebracht, an der Luft getrocknet und lichtgeschützt aufbewahrt.
Das Hauptaugenmerk der Zellkulturexperimente lag auf dem Einfluss unterschiedlicher zellulärer Wachstumsmilieus auf das makro- und mikrogliale Differenzierungsverhalten von Knochenmarkzellen. Zur Untersuchung der Frage, welchen Einfluss diffusible und nicht diffusible Faktoren in der Zellkultur auf den Differenzierungsvorgang haben könnten, wurde jeder Ver[Seite 54↓]suchsansatz mit einer Kontrolle durchgeführt, bei der die Kultur von Knochenmarkzellen auf azellulären Substraten erfolgte. Im Falle der Kokultur auf Astrozyten bestand der Kontrollansatz in der Kultur entsprechender Populationen von Knochenmarkzellen in unbeschichteten Polyethylen-Zellkulturflaschen. Als Nährlösung wurde dabei konditioniertes Astrozytenmedium verwendet, das zuvor im Rahmen des alle 48 Stunden durchgeführten Mediumwechsels in der konfluierenden Stammkultur gewonnen, aliquotiert und bei –80°C tiefgefroren worden war. Parallel zur Kokultur auf OEHSC wurden Knochenmarkzellen in identischen Fraktionen in Zellkultureinsätzen mit porösen Membranen kultiviert. Da Slice-konditioniertes Medium aus technischen Gründen nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stand, fand hierbei das nichtkonditionierte Kulturmedium Anwendung. Alle Präparate wurden immunhistochemisch auf die Expression mehrerer Antigene untersucht: Zum Nachweis einer möglichen astrozytären Zelldifferenzierung wurde ein Primärantikörper gegen das gliale fibrilläre saure Protein (GFAP) verwendet. Als immunhistochemisches Kriterium der mikroglialen Differenzierung diente der Nachweis des Iba-1-Antigens. Hierbei handelt es sich um ein kalziumbindendes Protein (ionized calcium binding adaptor molecule 1), das auf ZNS-Mikrogliazellen und Makrophagen exprimiert wird (Imai 1996, Ito 1998). Die Integration von inkorporiertem BrdU in die nukleäre DNA wurde durch einen BrdU-Primärantikörper erfasst. Anti-BrdU stammte aus der Ratte, alle übrigen Primärantikörper aus dem Kaninchen. Nach dreimaligem Waschen in PBS wurden die Präparate für 45 Minuten mit einem Gemisch aus 10% Ziegenserum (NGS, normal goat serum), 1,0% BSA (bovinem Serumalbumin) und 0,1%Triton-X-100-Lösung in PBS w/o inkubiert. Anschließend wurde diese Lösung vorsichtig abgeschüttet und ohne Waschvorgang der primäre Antikörper in 0,1%-Triton-X-100 mit 2% Schafserum aufgetragen (Verdünnungen: anti-GFAP 1:500, anti-Iba-1 1:70 bis 1:100). Die Inkubation erfolgte über Nacht (> 18 Stunden) bei 4 °C. Nach Entfernung des Primärantikörpers durch Waschen mit PBS (3 x 10 min auf dem Schüttler) wurde der biotinylierte anti-rabbit-Sekundärantikörper auf die Präparate gegeben (aus der Ziege, [Seite 55↓]Verdünnung 1:200 in PBS mit 2% Schafserum). Auf erneuten Zusatz von Triton-X-100 als Detergens zur Permeabilisierung der Zellmembranen wurde dabei verzichtet. Im Anschluss an die ein- bis zweistündige Inkubation bei Raumtemperatur folgten erneut drei Waschvorgänge in der oben beschriebenen Form. Schließlich wurden die Präparate für eine Stunde bei Raumtemperatur mit einem geeigneten, an Streptavidin (SA) gekoppelten Fluoreszenzfarbstoff inkubiert. Es fanden die im grünen Fluoreszenzlicht rot erscheinenden Farbstoffe SA-Texas-Red und SA-Cy-3 Verwendung. Vor der Eindeckelung der Präparate wurden nicht gebundene Farbstoffpartikel durch gründliches Waschen in PBS entfernt. Das Protokoll der BrdU-Färbung unterschied sich von diesem Vorgehen in folgenden Punkten: Inkubation in 2 M HCl (37°C, 1 h) vor Applikation von 3% NRS (normal rabbit serum), Konzentration von anti-BrdU 1:200, Konzentration eines biotinylierten anti-rat-Sekundärantikörpers (aus Kaninchen) 1:250. Alle immunhistochemischen Färbungen wurden routinemäßig mit einer Kontrolle durchgeführt: Bei ansonsten unverändertem Färbeprotokoll wurde der Primärantikörper durch PBS w/o ersetzt, womit eine etwaig auftretende unspezifische Färbung von Präparatstrukturen durch den Sekundärantikörper oder Fluoreszenzfarbstoff sichtbar gemacht werden kann. Die Verlaufsbeobachtung der Kultur von Knochenmarkzellen auf OEHSC vor der Fixierung wurde mit einem inversen Fluoreszenmikroskop durchgeführt (Olympus). Zur Auswertung der Versuche nach Fixierung und Immunhistochemie diente bei der Astrozyten-Kokultur ebenfalls ein inverses Fluoreszenzmikroskop (Leica DMIL), bei den auf Objektträger aufgebrachten Zellen bzw. OEHSChingegen ein konventionelles Fluoreszenzmikroskop (Leica DMRA).
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