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Die Fragestellung, die am Beginn der in dieser Arbeit vorgestellten Experimente stand, lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Besitzen Zellen aus dem Knochenmark von adulten Mäusen das biologische Potential, sowohl zu Mikrogliazellen als auch zu Astrozyten zu differenzieren? Enthält adultes Knochenmark also Zellen, die unter geeigneten Bedingungen nicht nur ein mehr als multipotentes Differenzierungsspektrum entfalten, sondern mit der Expression eines makroglialen Phänotyps auch gleichzeitig die Barriere zwischen Mesoderm/Mesenchym und Ektoderm überschreiten können? Als die in den folgenden Kapiteln dargestellten Versuche im Frühjahr 1999 begonnen wurden, bestand die einzige Evidenz eines makroglialen Differenzierungspotentials adulter Knochenmarkzellen in den von Eglitis und Azizi vorgelegten Arbeiten (Eglitis 1997, Azizi 1998, Eglitis 1999). Hier wurde erstmals beschrieben, dass Knochenmark-zellen im Gehirn eine Entwicklung durchlaufen können, die mit der Expression von GFAP (Eglitis) oder einem astrozyten-ähnlichen Migrationsverhalten (Azizi) verbunden sein kann. Zur Überprüfung dieser Befunde boten sich zwei experimentelle Ansätze an:
1. Eine Möglichkeit bestand in der Transplantation adulter Mäuse mit ebenfalls adultem Knochenmark, das eine stabile Markierung aufweist, welche erstens im Rahmen der Zellproliferation nicht verloren geht und zweitens die übertragenen Zellen und ihre Abkömmlinge eindeutig vom Gewebe des Empfängertieres unterscheidbar macht. Ein solches Modell war in unserem Labor in Form der GFP-Knochenmarkchimäre etabliert; hierbei werden Knochenmarkzellen ex vivo mit dem EGFP-Gen retroviral transfiziert und in letal bestrahlte Empfängertiere transplantiert.
2. Im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem MDC Berlin stand ein weiteres Chimärenmodell für die Bearbeitung der oben gestellten Frage zur Verfügung: Die Transplantation von Knochenmark [Seite 33↓]aus transgenen Mäusen, die EGFP ausschießlich unter der Kontrolle des humanen GFAP-Promoters – d. h. in Astrozyten - exprimieren, bot die Möglichkeit, von einer „verborgenen Markierung“ Gebrauch zu machen, die nur bei einer Umdifferenzierung der Donorzellen zu GFAPexprimierenden Astrozyten zum Tragen kommen sollte. Da Eglitis et al. postulieren, dass die Expression von GFAP durch hämatogene Zellen im Gehirn von Knochenmarkchimären besonders nach cerebraler Ischämie gesteigert ist (Eglitis 1999), wurde das Modell des experimentellen Schlaganfalls, d. h. der transienten fokalen cerebralen Ischämie, in unsere Versuche einbezogen. Angesichts der Tatsache, dass noch keine Zellkulturarbeiten hierzu publiziert worden waren, wurden auch in vitro- Versuche konzipiert. Dabei eröffneten sich zahlreiche Möglichkeiten, was die spezifischen Kulturbedingungen betrifft. Die Entscheidung fiel für zwei verschiedene Modelle, denen der Versuch gemeinsam ist, ein den physiologischen Verhältnissen im Gehirn möglichst ähnliches Mikromilieu zu erzeugen: Die Kokultur von transfizierten, GFP-markierten Knochenmarkzellen und Knochenmarkzellen aus GFAP-GFP-Mausmutanten erfolgte zum einen auf konfluenten primären Astrozytenkulturen und zum anderen auf organotypischen, entorhinal-hippocampalen Hirnschnittkulturen, die in Zusammenarbeit mit dem Institut für Anatomie der Charité präpariert und kultiviert wurden. Es wurden keine Wachstums- oder Differenzierungs-faktoren eingesetzt. Für die durchgeführten Zellkulturversuche spielte auch die Fragestellung eine Rolle, ob Knochenmarkzellen unter den gegebenen Bedingungen den Phänotyp ruhender Mikroglia annehmen. DieserAnsatz beruhte auf drei Befunden:
1. Mikrogliazellen gelten entwicklungsgeschichtlich als mesenchymaler bzw. hämatogener Herkunft.
2. Sievers et al. konnten in der Kokultur auf Astrozyten die Differenzierung humaner Monozyten und Milzmakrophagen zu ruhender Mikroglia zeigen (Sievers 1994a, Sievers 1994b).
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3. In eigenen Versuchen mit murinen Knochenmarkchimären konnten Hinweise dafür erbracht werden, dass auch im adulten Organismus Zellen aus dem Blut ins Gehirn einwandern und dort zur Population der ramifizierten Mikroglia beitragen (Priller et al. 2001).
Die durchgeführten Experimente hatten zum Ziel, die angewandten Modelle im Hinblick auf die oben formulierten Fragestellungen zu evaluieren.
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