Das Differenzierungspotential adulter Knochenmarkzellen ist seit Jahren Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Arbeiten. Entgegen der früheren Sichtweise, der zufolge adulte Stammzellen in ihrem Differenzierungspotential auf das Spektrum organ- oder gewebespezifischer Zellen beschränkt sind, liegen neuerdings zahlreiche Hinweise dafür vor, dass dieses Potential weitaus größer sein könnte. Angesichts der zumindest theoretischen Perspektive gentherapeutischer Behandlungsansätze bei z. B. neurodegenerativen Erkrankungen sind insbesondere diejenigen Befunde von Interesse, die zum neuronalen oder glialen Differenzierungspotential adulter Knochenmarkzellen veröffentlicht worden sind. Vorwiegend mittels tierexperimenteller in vivound in vitro-Ansätze wurde u. a. der Frage nachgegangen, ob adulte Knochenmarkzellen unter entsprechend permissiven Bedingungen Astrozyten differenzieren können, die das gliale fibrilläre saure Protein (GFAP) exprimieren. Die hierzu vorliegende Evidenz wurde in Zellkultur, nach Knochenmarktransplantation oder nach intrastriataler Injektion von Knochen-markzellen gewonnen und ergibt ein widersprüchliches Bild. Für den in vivo-Teil der vorliegenden Arbeit wurde unter Verwendung von Knochenmark aus transgenen Mäusen, die das grün fluoreszierende Protein (GFP) unter der Kontrolle des humanen GFAP-Promoters exprimieren, das Potential hämatogener Zellen untersucht, nach Knochenmarktransplantation letal bestrahlter Mäuse ins Gehirn der Empfängertiere einzuwandern und dort zu GFAP-exprimierenden Astrozyten zu differenzieren. Ein Teil der Rezipienten wurde vier Wochen nach Transplantation einer transienten fokalen cerebralen Ischämie unterzogen, da ein permissiver Effekt postischämisch ablaufender inflammatorischer Vorgänge auf das Differenzierungs-verhalten eingewanderter Zellen beschrieben worden ist. Nach Transplantation der Empfänger-tiere mit transgenem Knochenmark wurde mittels PCR die erfolgreiche Rekonstitution des hämatopoetischen Systems durch Donor[Seite 8↓]zellabkömmlinge dokumentiert. Den Nachweis der Fähigkeit dieser Zellen, aus dem zirkulierende Blut ins adulte Zentralnervensystem (ZNS) einzuwandern, erbrachte die zusätzliche Markierung des transplantierten Knochenmarks durch retrovirale Transfektion mit GFP. Bei der mikroskopischen Analyse von Hirnschnitten der ausschließlich transplantierten Chimären fanden sich keine Zellen mit detektierbarer Expression von GFP bzw. Kolokalisation von GFP- und GFAP-Signal. Auch nach transiener fokaler cerebraler Ischämie waren weder in der ischämischen noch in der kontralateralen Hemisphäre GFP-exprimierende Zellen nachweisbar. Zur Untersuchung eines möglicherweise permissiven Effekts unterschiedlicher Zellkulturbedingungen auf die makrogliale Differenzierung von Knochenmarkzellen wurden murine Knochenmarkzellen auf Mausastrozyten und auf organotypischen Hirnschnitten kokultiviert. Die hierzu verwendeten Knochenmarkzellen waren entweder aus Wildtyptieren entnommen und retroviral mit GFP transfiziert oder stammten aus zwei verschiedenen transgenen Mausmutanten, von denen eine GFP nahezu ubiquitär unter dem β-Actin-Promoter, die andere GFP unter der Kontrolle des humanen GFAP-Promoters exprimiert. Zur Simulation möglichst physiologischer in vitroBedingungen wurden den Kokulturen keinerlei Wachstums- oder Differenzierungsfaktoren zugesetzt. In der Kokultur GFP-markierter Knochenmarkzellen (transfiziert oder transgen) auf Astrozyten bzw. auf organotypischen hippocampalen Gewebeschnitten wurde bis zum 18. bzw. 8. Tag keine zelluläre Kolokalisation von GFP und GFAP detektiert. Bereits nach 5 Tagen der Kokultur fanden sich hingegen zahlreiche ramifizierte Zellen mit der Morphologie ruhender Mikroglia, die GFP und den Makrophagen-Marker Iba-1 exprimierten.Die Kokultur von Knochenmarkzellen aus GFAP/GFP-transgenen Donortieren erbrachte im gleichen Zeitraum keinen Hinweis auf eine makrogliale Differenzierung der Knochenmarkzellen. Diese Ergebnisse sprechen dafür, dass adulte murine Knochenmarkzellen bzw. hämatogene Zellen weder im ZNS der adulten Maus noch in vitro zu GFAP-exprimierenden Astrozyten zu differenzieren in der Lage sind.
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