↓254 |
Der Frage nach dem Zusammenhang zwischen dem Umweltverhalten in den unterschiedlichen Teilbereichen des Einkaufens - Produktwahl, Wahl der Einkaufsstätte und Einkaufsmobilität - wird zum einen anhand von Ergebnissen der quantitativen Befragung nachgegangen. Dabei kam es zur Bildung von Gruppen ähnlichen Verhaltens. Zum anderen werden anhand der Ergebnisse der qualitativen Interviews sechs Umwelt einkaufstypen entsprechend der unterschiedlichen herausgearbeiteten Handlungs orientierungen gebildet.
Kapitel 7.1 widmet sich der Frage, inwiefern sich bei den Ergebnissen der quantitativen Befragung ein Zusammenhang zwischen den unterschiedlichen Verhaltensweisen feststellen lässt. Dazu werden zunächst die Ergebnisse einer Faktorenanalyse dargestellt, die zu einer Reduktion der Verhaltensweisen auf wenige Dimensionen führt. Mittels Clusteranalyse werden auf der Basis dieser Faktoren Gruppen ähnlichen Verhaltens gebildet und bezüglich ihres Umweltverhaltens sowie ihrer räumlichen Verteilung, Lebenslage und Lebensstile analysiert.
↓255 |
In die Faktorenanalyse fließen die neunzehn Variablen des Umweltverhaltens aus der Befragung ein (siehe Tabelle 7.1). Von diesen Variablen lassen sich vier der Verkehrsmittelwahl zuordnen, zwei der Lage der Einkaufsstätte, drei dem Kauf von Bioprodukten, drei dem Kauf regionaler Produkte, drei der Art der Einkaufsstätte91, sowie jeweils eine dem Kauf saisonaler Produkte, dem Kauf von verarbeiteten Produkten, dem Kauf von Lebensmitteln aus artgerechter Tierhaltung und dem Kauf von Produkten mit umweltfreundlicher Verpackung. Die Vorgehensweise bei der Faktorenanalyse ist in Kapitel 4.3.2 dargestellt.
Tabelle 7.1 stellt die Ladungen der Verhaltensweisen auf die acht Komponenten dar. Die Verhaltensweisen eines Faktors gehören in der Regel nur einem der drei Teilbereiche Einkaufsmobilität, Wahl der Einkaufsstätte oder Produktwahl an. Eine Ausnahme besteht beim Biokauf, wo neben dem Kauf von Bioprodukten auch der Einkauf in einer Bioeinkaufsstätte, also ein Aspekt der Einkaufsstättenwahl, dazugehört. Der Kauf in Bioeinkaufsstätten ist jedoch per se eng mit dem Kauf von Bioprodukten verknüpft und wurde auch in den vorherigen Kapiteln als Teil des Biokaufs betrachtet. Daneben bilden der Einkauf innerhalb des Wohngebiets, ebenfalls ein Aspekt der Einkaufsstättenwahl, und die Wahl des Verkehrsmittels (MIV oder zu Fuß) einen Faktor. Es zeigt sich also ein Zusammenhang zwischen Distanz zur Einkaufsstätte und der Verkehrsmittelwahl (siehe auch Kapitel 6.3.2). Beim Kauf von Tiefkühlgemüse und von Eiern aus Freilandhaltung (beides Faktor 4) bestehen Unterschiede zwischen dem Kaufverhalten von Personen aus der DDR und der BRD (siehe Kapitel 6.4.2), so dass diesem Faktor die Herkunft der Personen zugrunde liegen kann.
Tabelle 7.1: Ergebnis der Faktorenanalyse: Rotierte Komponentenmatrix
Faktor |
1 |
2 |
3 |
4 |
5 |
6 |
7 |
8 |
Anteil Biomilch |
0,766 | |||||||
Anteil Bioeinkaufsstätten |
0,738 | |||||||
Anteil Biogemüse |
0,711 |
0,251 | ||||||
Anteil Milch in der Flasche und im Schlauch |
0,708 | |||||||
Anteil Bioeier |
0,562 |
0,278 |
0,388 | |||||
Anteil regionale Milch |
0,752 | |||||||
Anteil regionale Eier |
0,730 | |||||||
Anteil saisonalen Gemüses |
0,832 | |||||||
Anteil regionalen Gemüses |
0,457 |
0,599 | ||||||
Anteil Tiefkühlgemüse |
0,264 |
-0,754 | ||||||
Anteil Eier aus Freilandhaltung |
0,548 |
0,455 |
||||||
Anteil der größeren Vollsortimenter |
0,923 | |||||||
Anteil Discounter |
-0,238 |
-0,907 | ||||||
Anteil Einkaufsstätten innerhalb des Gebiets |
0,833 |
0,298 | ||||||
Anteil Fußwege |
0,903 |
-0,254 |
||||||
Anteil MIV-Wege |
-0,807 |
0,348 |
-0,337 |
|||||
Anteil ÖPNV-Wege |
-0,842 | |||||||
Anteil kurzer Wege (< 5 Min.) |
0,748 | |||||||
Anteil Radwege |
0,912 |
|||||||
Varimax-Rotation, Werte unter 0,2 werden nicht angezeigt |
↓256 |
Eine Untersuchung der Zusammenhänge zwischen den Verhaltensweisen der drei Teilbereiche erfolgt anhand einer Korrelationsmatrix (siehe Anhang XII). Dabei zeigen sich vor allem Korrelationen der Verhaltensweisen jeweils eines Faktors. Insbesondere bestehen zwischen dem zu Fuß Gehen, der Nutzung des MIV und dem Einkauf im Gebiet (Faktor 6) sowie zwischen dem Kauf im Discounter oder im Supermarkt (Faktor 5) hohe Korrelationen (Pearsonscher Korrelationskoeffizient r > 0,5). Noch mittlere Zusammenhänge (r > 0,3) bestehen zwischen den Variablen des Biokaufs (Faktor 1), dem Kauf regionaler Eier und Milch (Faktor 2) sowie kurzen Wegezeiten und der Nutzung des ÖPNV (Faktor 7). Die beiden Variablen der Faktoren 3 und 4 zeigen dagegen nicht einmal eine geringe Korrelation (r > 0,2). Diese können also eher als „Restkategorien“ angesehen werden.
Neben den Korrelationen innerhalb der Faktoren bestehen auch zwischen Verhaltensweisen, die unterschiedlichen Faktoren zugeordnet wurden, Korrelationen mittlerer Stärke: Zum einen zwischen dem Kauf von Bioeiern und dem Kauf von Eiern aus Freilandhaltung, zum anderen zwischen der Nutzung des Fahrrads und dem zu Fuß Gehen. Während bei diesen Verhaltensweisen die korrelierenden Variablen jeweils dem selben Teilbereich angehören, zeigen sich zwischen Verhaltensweisen aus unterschiedlichen Teilbereichen nur Korrelationen geringer Stärke (r > 0,2). Diese bestehen zwischen der Wahl der Einkaufsstätte und der Produktwahl (Discounter und Milch in der Verbundverpackung), zwischen der Einkaufsstätte und der Verkehrsmittelwahl (Kauf im Bioladen und Fahrradfahren bzw. Kauf im Bioladen und MIV-Nutzung) sowie zwischen der Produktwahl und der Verkehrsmittelwahl (Eier aus Freilandhaltung und Radfahren bzw. MIV-Nutzung, sowie Kauf von Milch in der Flasche und Radfahren).
Der Zusammenhang von Verhaltensweisen innerhalb der Teilbereiche ist also in der Regel stärker als zwischen den drei Teilbereichen. Aber auch innerhalb der Teilbereiche sind die Korrelationen teilweise gering und die Verhaltensweisen laden hoch auf unterschiedliche Faktoren. So konnten alleine zwei Faktoren zum Kauf von regionalen Produkten gebildet werden. Obgleich insgesamt Zusammenhänge zwischen den untersuchten Verhaltensweisen eher innerhalb eines Teilbereichs als zwischen den drei untersuchten Teilbereichen bestehen, ist vor allem der Teilbereich der Produktwahl wenig homogen.
↓257 |
Inwiefern charakteristische Kombinationen der untersuchten Verhaltensweisen bestehen, wird mittels einer Clusteranalyse untersucht. Die Gruppenbildung erfolgte anhand der acht Faktoren, damit nicht einzelne Dimensionen durch die unterschiedliche Anzahl an Variablen einen zu starken Einfluss auf die Clusterbildung nehmen. Als Parameter wurden die quadrierten euklidischen Abstände genutzt; außerdem fand die Ward-Methode Verwendung (zur Methode siehe auch Kapitel 4.3.2). Die Zahl der Cluster wurde zunächst anhand der Koeffizientenkurve, die im Bereich zwischen den Lösungen mit sechs und acht Clustern steil ansteigt, eingeengt. Diese drei Lösungen wurden analysiert. Als optimal stellte sich aus inhaltlichen Gründen die Lösung mit acht Gruppen heraus, da bei einer geringeren Anzahl die Verkehrsmittelwahl eine zu große Dominanz hat. Die Überprüfung der Qualität der Gruppierung erfolgte mittels einer schrittweisen Diskriminanzanalyse. Dabei haben alle acht Faktoren eine signifikante diskriminierende Wirkung (Wilks-Lambda). Auf der Grundlage der Diskriminanzfunktion konnten anhand der acht Faktoren 92 % der Fälle dem korrekten Cluster zugeordnet werden. Die gefundene Lösung zeigt eine hohe Differenz zwischen den Gruppen.
Die gebildeten Gruppen unterscheiden sich diese bezüglich ihres Umweltverhaltens teilweise vom Durchschnitt aller Befragten92 (siehe Tabelle 7.2). Dabei fällt auf, dass die Anzahl der Personen, die sich bei der Produktwahl besonders umweltfreundlich verhalten, vergleichsweise gering ist, wohingegen viele Befragte für den Einkauf vergleichsweise umweltfreundliche Verkehrsmittel nutzen. Eine Tabelle mit den Daten befindet sich im Anhang.
Tabelle 7.2: Charakterisierung der Gruppen mit ähnlichem Umweltverhalten anhand ihres Umweltverhaltens
Gruppe |
1 |
2 |
3 |
4 |
5 |
6 |
7 |
8 |
N |
49 |
45 |
14 |
31 |
29 |
12 |
48 |
45 |
Anteil93 |
18 % |
17 % |
5 % |
11 % |
11 % |
4 % |
18 % |
17 % |
Wenig MIV |
+ + |
+ + |
+ |
+ + |
- - |
- - |
- - |
|
ÖPNV |
- |
+ + |
- |
- |
- |
|||
Rad |
- |
+ + |
+ |
- |
- |
- |
- |
|
Fuß |
+ + |
- |
+ |
+ + |
+ |
- - |
- - |
|
Kurze Wegezeiten |
+ |
+ |
- - |
- | ||||
Einkauf im Gebiet |
+ + |
+ | ||||||
Größerer Vollsortimenter |
- - |
+ |
+ |
+ |
+ |
- |
||
Wenig im Discounter |
- |
+ |
- |
|||||
Kleine Einkaufsstätten |
+ |
+ + |
- |
- |
- |
|||
Bioeinkaufsstätte |
+ + | |||||||
Bioprodukte |
+ |
+ + |
- |
+ + |
- |
- |
||
Bioeier |
+ |
+ + |
- |
+ + |
- |
- |
||
Biomilch |
+ + | |||||||
Biogemüse |
+ + |
- | ||||||
Regionale Eier |
+ |
- |
- - |
+ + | ||||
Regionale Milch |
+ |
- - |
+ + |
- |
+ |
|||
Regionales Gemüse |
- |
+ + | ||||||
Saisonales Gemüse |
+ |
+ | ||||||
Milch in Flasche/ Schlauch |
+ |
+ + |
+ + |
- |
- |
|||
Eier aus Freilandhaltung |
+ + |
+ + |
- |
+ + |
- |
- |
||
Wenig Tiefkühlgemüse |
+ + | |||||||
++: mindestens 30-Prozentpunkte über dem Durchschnitt + mindestens 10 Prozentpunkte über dem Durchschnitt -: mindestens 10 Prozentpunkte unter dem Durchschnitt --: mindestens 30 Prozentpunkte unter dem Durchschnitt |
↓258 |
Die Gruppen ähnlichen Verhaltens werden anhand der Besonderheiten bei ihrem Umweltverhalten wie folgt charakterisiert, wobei sich Umweltorientierung hier auf den Kauf von umweltfreundlichen Produkten bezieht:
Die Einkaufsmobilität und der Biokauf, der für diese Gruppen weitgehend mit dem Kauf anderer Umweltprodukte korrespondiert, zeigen eine Dominanz.B. züglich der Unterschiede zwischen den Gruppen94.
↓259 |
Werden die Gruppen anhand des Kaufs von Umweltprodukten und einer umweltfreundlichen Einkaufsmobilität gruppiert, so zeigen sich Häufungen bei den sich in beiden Bereichen besonders umweltfreundlich oder besonders wenig umweltfreundlich Verhaltenden (siehe Tabelle 7.2). Anhand ihres Umweltverhaltens können die Gruppen entsprechend in drei Kategorien zusammengefasst werden:
A. Die umweltfreundlich Einkaufenden (Typen 1,2,3)
↓260 |
B. Die bedingt umweltfreundlich Einkaufenden:
B1. nur umweltfreundliche Verkehrsmittelwahl (Typen 4 und 5)
B2. Nur umweltfreundliche Produkte (Typ 6)
↓261 |
C. Die wenig umweltfreundlich Einkaufenden (Typen 7 und 8)
Die A-Gruppen verhalten sich sowohl bei der Produkt- als auch der Verkehrsmittelwahl besonders umweltfreundlich, die B-Gruppen verhalten sich in einem Bereich besonders umweltfreundlich und die C-Gruppen in keinem Bereich. Insgesamt lassen sich also die Befragten vor allem in sich besonders umweltfreundlich und besonders wenig umweltfreundlich Verhaltende aufteilen. Dennoch kauft ein Teil der in hohem Maße Umweltprodukte Kaufenden fast ausschließlich mit dem MIV ein. Ebenso gibt es unter den Befragten, die besonders wenig Umweltprodukte kaufen, Personen, die ohne MIV einkaufen.
Die Einstellungen der Personen der jeweiligen Gruppen korrespondieren weitgehend mit deren Verhalten. So zeigen insbesondere die Gruppen 3 und 6 Pro-Umwelteinstellungen zum Lebensmittelkauf, 1, 2 und 3 zum zu Fuß gehen bzw. Rad fahren. Zu teuer sind umweltfreundliche Lebensmitteln den Gruppen 5, 7 und 8. Diese drei Gruppen äußern sich auch bei den anderen Einstellungen ablehnend zum Thema Umweltschutz95. Beim alltagspraktischen Wissen zeigen sich die BiokäuferInnen (insbesondere die Umweltverbund-Nutzenden) besonders gut, die Nahräumlichen und MIV-SupermarktkundInnen dagegen besonders schlecht informiert.
↓262 |
Im Folgenden wird der Anteil der jeweiligen Gruppen an den Befragten der verschiedenen Untersuchungsgebiete dargestellt. Abbildung 7.2 zeigt, dass in den Gründerzeitgebieten vor allem die besonders umweltfreundlich einkaufenden Personengruppen (A-Gruppen) wohnen, wohingegen in den Einfamilienhausgebieten die besonders wenig umweltfreundlich einkaufenden Gruppen (C-Gruppen) dominieren. In den Großwohnsiedlungen sind Gruppen aller drei Kategorien gut vertreten, allerdings haben in Lichtenberg die umweltfreundlich Einkaufenden mehr Relevanz, wohingegen in Köllnische Heide die Gruppe der ÖPNV-Nutzenden sehr stark ist, die in allen anderen Gebieten nur geringe Bedeutung hat. Obgleich insgesamt eine Ausdifferenzierung in Gruppen, die vor allem in der Innenstadt oder am Stadtrand wohnt, zu beobachten ist, zeigt sich auch innerhalb der Gebiete ein breites Spektrum an Verhaltensweisen.
Abbildung 7.2: Zuordnung der Befragten der unterschiedlichen Untersuchungsgebiete zu den Gruppen ähnlichen Verhaltens | ||
(Eigene Darstellung) |
Eine Betrachtung des Wohnorts der unterschiedlichen Gruppen (siehe Abbildung 7.3) zeigt ebenfalls, dass die Gruppen 6, 7 und 8 vor allem in den Einfamilienhausgebieten wohnen, die Gruppen 1 und 3 vorwiegend in den Gründerzeitgebieten zu finden sind. Die Gruppe der ÖPNV-Nutzenden (5) konzentriert sich weitgehend auf die Großwohnsiedlungen (Köllnische Heide). Allerdings gibt es auch Gruppen, die in mehreren Gebieten gut vertreten sind: So wohnen die RadfahrerInnen (2) sowohl in den Gründerzeitgebieten als auch in den Einfamilienhausgebieten, die Nahräumlichen (4) in den Gründerzeitgebieten und den Großwohnsiedlungen.
↓263 |
Die Lebenslage der Gruppen (siehe Tabelle 7.3) unterscheiden sich deutlich. Während die Personen der A-Gruppen (1-3) eher jung sind und über geringe Einkommen verfügen, sind die Personen in den B1-Gruppen (4,5) häufig nicht erwerbstätig und wohnen eher in kleinen Haushalten. Deutlich unterscheiden sich die Gruppen 6-8 (B2 und C) von den anderen Gruppen: Sie wohnen häufig in großen Haushalte, oft mit Kindern, haben eher höhere Einkommen, sind häufig erwerbstätig und selten jung. In den beiden in besonders hohem Maße Umweltprodukte kaufenden Gruppen 3 und 6 sind besonders viele Personen in der BRD aufgewachsenen und verfügen über höhere Schulabschlüsse96. Die ÖPNV-Nutzenden kommen ebenfalls vor allem aus der BRD, allerdings konzentrieren sich diese auch in einem der westlichen Untersuchungsgebiete.
Tabelle 7.3: Lebenslage der Gruppen gleichen Umweltverhaltens97
|
1 |
2 |
3 |
4 |
5 |
6 |
7 |
8 |
N |
49 |
45 |
14 |
31 |
29 |
12 |
48 |
45 |
Geschlecht |
||||||||
weiblich |
– |
+ |
– |
+ | ||||
Haushaltsgröße |
||||||||
1-Personen-H. |
+ |
+ |
– |
– |
– |
|||
2-Personen-H. |
+ |
+ |
– |
– |
||||
3 und mehr Personen |
– – |
+ + |
+ + |
|||||
Kinder im Haushalt |
||||||||
Haushalte mit Kindern |
– |
– |
+ + |
+ |
+ |
|||
Haushaltseinkommen (netto) |
||||||||
bis 1100 € |
+ |
+ + |
+ |
– – |
– – |
– |
||
1100-3200 € |
– | |||||||
mehr als 3200 € |
– |
– |
– |
+ + |
+ |
+ |
||
Alter in Jahren |
||||||||
unter 35 |
+ |
+ |
+ + |
– – |
– |
– |
||
35-50 |
– – |
+ + |
+ + |
|||||
über 50 |
– |
+ |
– – |
+ |
+ |
– |
||
Höchster Schulabschluss |
||||||||
Hochschulreife |
+ |
+ + |
– – |
+ | ||||
Erwerbstätigkeit |
||||||||
erwerbstätig |
– |
– – |
– – |
+ |
+ + |
+ |
||
in Ausbildung |
+ |
+ + |
+ |
– – |
– – | |||
weder noch |
– – |
+ |
+ + |
– |
||||
Ort des Aufwachsens |
||||||||
DDR |
– – |
– – |
– |
+ | ||||
++: mindestens 20-Prozentpunkte über dem Durchschnitt + mindestens 10 Prozentpunkte über dem Durchschnitt -: mindestens 10 Prozentpunkte unter dem Durchschnitt --: mindestens 20 Prozentpunkte unter dem Durchschnitt |
↓264 |
In Tabelle 7.4 ist dargestellt, inwiefern die Angehörigen der Gruppen ähnlichen Verhaltens besonders häufig in einzelnen der Lebensstiltypen (siehe Kapitel 5.6) anzutreffen sind. Die Ergebnisse zeigen, dass bei den Angehörigen der Gruppen 1, 4 und 5 der Lebensstil der Aktiven besonders häufig ist, bei den Angehörigen der Gruppen 6-8 dagegen vergleichsweise selten.
Tabelle 7.4: Lebensstile der Gruppen ähnlichen Umweltverhaltens98
1 |
2 |
3 |
4 |
5 |
6 |
7 |
8 |
|
Hochkulturell Interessierte, sozial Engagierte |
– |
– |
+ |
+ |
||||
Arbeits- und erlebnisorientierte, vielseitig Aktive |
+ |
+ + |
+ + |
– – |
– |
– |
||
Expressiv Vielseitige |
– |
– |
+ | |||||
Sachlich-pragmatische Qualitätsbewußte | ||||||||
++: mindestens 20-Prozentpunkte über dem Durchschnitt + mindestens 10 Prozentpunkte über dem Durchschnitt -: mindestens 10 Prozentpunkte unter dem Durchschnitt - --: mindestens 20 Prozentpunkte unter dem Durchschnitt; |
Zur Identifikation der potenziellen Einflussfaktoren, die sich besonders stark zwischen den Gruppen unterscheiden, wurde eine schrittweise Diskriminanzanalyse mit den Variablen der Lebenslage und dem Gebietstyp durchgeführt. Die stärkste diskriminierende Wirkung zwischen den Gruppen besteht beim Gebietstyp und dem Bildungsabschluss99.
↓265 |
In der Summe kaufen diejenigen, die umweltfreundliche Verkehrsmittel nutzen, eher umweltfreundliche Produkte ein, als die anderen. Die Personen, die umweltfreundliche Produkte kaufen, zeichnen sich entsprechend nicht durch ein wenig umweltfreundliches Verhalten im Bereich Einkaufsmobilität aus. Allerdings unterscheiden sich die Gruppen mit ähnlichem Verhalten ebenfalls deutlich bezüglich ihrer Lebenslage und ihres Wohnorts. Insbesondere der Schulabschluss und die Gebietstypen zeigen dabei Bedeutung für die Unterschiede zwischen den Gruppen. Die BewohnerInnen der Gründerzeitgebiete, in denen das Angebot allgemein an Lebensmitteln und an Umweltprodukten am besten ist, zeichnen sich durch ihr vergleichsweise umweltfreundliches Verhalten aus. Dagegen unterscheiden sich die Gruppen nur in geringem Maße bezüglich ihrer Lebensstile. Außerdem zeigt sich bei den Gruppen eine hohe Übereinstimmung zwischen den Einstellungen und dem Verhalten.
Die Zusammenhänge zwischen den Verhaltensweisen der drei Teilbereiche des Einkaufens und die zugrunde liegenden Motive und Rahmenbedingungen werden anhand von Umwelteinkaufstypen untersucht, die ein differenziertes Bild der Einbettung des Einkaufens in den Alltag der Interviewten ermöglichen. Die Bildung dieser Umwelteinkaufstypen erfolgte unter Berücksichtigung der umweltfreundlichen Verhaltensweisen und der Einkaufsmotive als Vergleichsdimensionen (siehe Beschreibung der Typenbildung in Kapitel 4.5). Beim Kauf umweltfreundlicher Lebensmittel lag der Schwerpunkt auf dem Kauf von Bioprodukten, da dieses Thema von allen Interviewten angesprochen und aufgrund der Ergebnisse der quantitativen Befragung (siehe Kapitel 6.2) bei der Interviewauswertung in besonderem Maße berücksichtigt wurde. Als besonders geeignet für eine Differenzierung zwischen den Interviewten zeigten sich die allgemeinen Einkaufsorientierungen bezüglich der Produkt- und Einkaufsstättenwahl. Bei diesen Einkaufsorientierungen kann es sich um Dispositionen, die das Umweltverhalten begünstigen, um Restriktionen, die dies behindern, oder um beides, je nach Verhaltensweise, handeln. Die Einkaufsorientierungen tauchten im Verlauf des Interviews immer wieder zur Begründung des Einkaufsverhaltens auf. Es wurden sechs zentrale Orientierungen herausgearbeitet:
↓266 |
Die Orientierungen an Preis, Qualität, Umweltschutz und Bequemlichkeit benennen auch andere Untersuchungen als allgemeine Einkaufsorientierungen (vgl. Kapitel 2.2.3). Zusätzlich kann unter die dort genannte Traditionsorientierung zumindest teilweise die Ostprodukteorientierung subsumiert werden. In der vorliegenden Studie spielen die ebenfalls in der Literatur genannten Orientierungen Prestige, Neuheiten, Information und Erlebnis/Fun keine Rolle. Diese sind vermutlich im Non-Food-Bereich von stärkerer Bedeutung.
In Tabelle 7.5 erfolgt eine kurze Charakterisierung der sechs in der vorliegenden Arbeit gebildeten Umwelteinkaufstypen. Neben den Einkaufsorientierungen flossen zum Teil weitere zentrale Charakteristika der Typen in deren Benennung ein. Die Namen der Interviewten wurden verändert, um deren Anonymität zu gewährleisten.
Tabelle 7.5: Kurzcharakterisierung der sechs Umwelteinkaufstypen und Zuordnung der Fälle
Umwelteinkaufstyp |
Charakteristika des Typs |
Fälle |
Kiezbezogene Umweltorientierte |
· Umweltschutz wichtig, Einkauf findet im „Kiez“ statt und macht Spaß · BiokäuferInnen, auch Tierschutz und Transport wichtig |
Frau Hoffmann Frau Johansen Frau Tacke |
Familienbezogene Gesundheitsorientierte |
· Umweltschutz (auch Biokauf) v. a. in Verbindung mit Gesundheit (der Kinder) wichtig · Familienorganisation prägt den Einkauf |
Frau Hollaway Frau Kant Frau Klampferer |
Hedonistische Qualitätsorientierte |
· Qualität und ein gutes Angebot sind beim Einkauf wichtig, außerdem Atmosphäre in der Einkaufsstätte · gelegentlicher Biokauf |
Herr Arnsdorf Herr Freke Frau Korn |
Preisorientierte |
· Sehr preisorientiert, sowohl in Bezug auf Wahl der Einkaufsstätte als auch bei Produkten · Bio zu teuer |
Frau Deinert Frau Donaiski Frau Petzold Frau Lanzow |
Preis- und Bequemlichkeitsorientierte |
· Preis und Nähe/One-Stop wichtig, es kommt teilweise zwischen beiden Motiven zum Kompromiss · Bio zu teuer und zu aufwändig |
Herr Raman Herr Hartung Herr Sobbeck |
Umweltdistanzierte Ostorientierte |
· Ostprodukte sehr wichtig, Distanzierung von engagierten UmweltschützerInnen, · Bio unwichtig |
Herr Hinrichs Herr Kabisch |
↓267 |
Im Weiteren folgt eine genauere Darstellung der sechs Typen. Die zugeordneten Personen werden zunächst anhand ihrer Lebenslage, ihres Lebensstils und ihres Wohnorts charakterisiert, wobei Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Personen eines Typs betrachtet werden. Für die Darstellung von Lebenslage und Lebensstil wird auf die Angaben aus der Befragung zurückgegriffen, die teilweise durch Aussagen in den Interviews ergänzt werden. Außerdem wird die Autoverfügbarkeit thematisiert. Anschließend erfolgt eine Darstellung der Einkaufsorientierungen und deren Auswirkungen auf die Umsetzung umweltfreundlicher Verhaltensweisen beim Lebensmittelkauf sowie weitere Gemeinsamkeiten beim Einkaufen. Abschließend folgt jeweils ein Resümee zur Bedeutung der Lebenslage, des Wohnumfeldes und der jeweiligen zentralen Orientierungen für das Einkaufen. Betrachtet werden Verbindungen zwischen der Verkehrsmittelwahl, der Wahl der Einkaufsstätte und dem Kauf von umweltfreundlichen Produkten. In dem anschließenden Vergleich der Typen stehen die Restriktionen und Dispositionen sowie deren Bedeutung für die Verknüpfung der drei Teilbereiche im Vordergrund.
1. Lebenslage, Lebensstil und Wohngebiet
Dem Typ der kiezbezogenen Umweltorientierten liegen drei Fälle zugrunde, die sich bezüglich ihrer Lebenslage, ihres Lebensstils und dem Wohngebietstyp, in dem sie leben, sehr ähnlich sind (siehe Tabelle 7.6). So handelt es sich bei allen Dreien um junge Frauen, die in den Gründerzeitgebieten wohnen. Sie befinden sich in der Ausbildungsphase oder haben diese gerade abgeschlossen. Die Umweltorientierten leben alleine oder mit ihrem Partner zusammen, jedoch ohne Kinder, und verfügen über geringe Haushaltseinkommen. Sie lassen sich dem Lebensstil der Arbeits- und erlebnisorientierten, vielseitig Aktiven zuordnen. Alle drei wohnen erst seit einigen Jahren in den jeweiligen Untersuchungsgebieten und kommen aus den alten Bundesländern. Frau Tacke verfügt als einzige der drei Frauen über ein Auto.
Tabelle 7.6: Lebenslage und Wohnort der kiezbezogenen Umweltorientierten
Name |
Lebenslage und Wohnort |
Frau Johansen |
Frau Johansen hat vor kurzem ihr Studium abgeschlossen und macht gerade ein Praktikum. Sie ist 26 Jahre alt und in der BRD aufgewachsen. Sie wohnt seit sieben Jahren in Berlin, sechs davon in Friedrichshain. Bis vor zwei Jahren lebte sie in einer WG, seitdem alleine in einer 1-Zimmer-Wohnung. Ihr Netto-Einkommen liegt im Bereich 500-1100 €. Lebensstil: Arbeits- und erlebnisorientiert, vielseitig Aktive. Sie verfügt nicht über ein Auto. |
Frau Hoffmann |
Frau Hoffmann ist 24 Jahre alt und in der BRD aufgewachsen. Sie studiert und lebt - seit sie vor ein paar Jahren nach Berlin gezogen ist - alleine in einer 1-Zimmer-Wohnung in Friedrichshain. Ihr Netto-Einkommen liegt im Bereich 500-1100 €. Lebensstil: Arbeits- und erlebnisorientiert, vielseitig Aktive. Sie verfügt nicht über ein Auto. |
Frau Tacke |
Frau Tacke ist 30 Jahre alt und Promotionsstudentin. Sie ist in der BRD aufgewachsen und lebt seit einigen Jahren zusammen mit ihrem Mann in einer 3-Zimmer-Wohnung in Neukölln. Ihr Haushaltsnettoeinkommen liegt zwischen 1100 und 2000 €. Lebensstil: Arbeits- und erlebnisorientiert, vielseitig Aktive. Sie verfügt über ein Auto. |
2. Einkaufsmotive und Bezug zum Thema Umweltschutz
↓268 |
Namensgebend für die Umweltorientierten ist ihre Orientierung auf das Thema Umweltschutz.B. im Einkauf von Lebensmitteln. Auch in anderen Bereichen hat Umweltschutz für die drei Befragten eine hohe Bedeutung. Hiermit verknüpfen sie Tierschutz sowie teilweise Aspekte des fairen Handels.
(Frage: Was verstehst du denn unter umweltfreundlichen Lebensmitteln?)
„Also, es gibt mehrere Sachen. Erst mal, ich finde, dass dieser Tierschutzaspekt irgendwie auch so da reingehört. Also, dass die Produktionsweise schonend ist oder nicht schlimm. (...) Auch bei diversen Anbauten. Dass eben schonend gedüngt wird. Und eben Bio gedüngt wird und nicht mit Chemiekeule und so was gearbeitet wird und so. Dass bestimmte Prozesse, also natürliche Prozesse, auch genutzt werden (...) und sonst auch wieder der Näheaspekt. Also, dass die Sachen halt aus der Region sind. Und dass es nicht aus sonst wo eingefahren [wird].“ (Frau Johansen)
↓269 |
Die drei Frauen zeigen sich zum Thema Umweltschutz, auch im Bereich Ernährung, gut informiert. Sie erhalten ihre Informationen dazu nicht nur über die Massenmedien (Tageszeitungen, Radio, Fernseher), sondern lesen auch spezielle Magazine und Zeitschriften (Greenpeace-Magazin, Reformhaus-Zeitung etc.) und werden von FreundInnen oder der Familie informiert.
Umweltschutz spielt für diese Gruppe nicht nur im Haushalt und beim Lebensmitteleinkauf eine Rolle, sondern beispielsweise auch beim Kauf von Kleidung oder der Organisation der Mobilität.
„Und ich überleg jetzt die ganze Zeit ob ich fliegen soll oder ob ich mit dem Zug fahren soll. Und fliegen ist natürlich viel billiger und so, das ist so der klassische Fall eigentlich. (...) Das ist so ein Aspekt wo ich mir auch schon Gedanken mache. Und wo man sich wirklich überlegt, muss das jetzt sein. Wo ich finde, wo man sich das auch überlegen sollte ob das wirklich sein muss. Aber viele Leute machen das ja dann einfach, egal. Und kümmern sich da gar nicht mehr darum. Aber eigentlich finde ich, dass das sehr wichtig ist. Und wir machen uns da, also, ich mach mir da auch Gedanken. Ja, und generell, mit Umweltschutz.B. schäftigt man sich schon, finde ich (...).“ (Frau Tacke)
↓270 |
Ebenso wie bei Frau Tacke beziehen auch die anderen beiden den Aspekt Umweltschutz häufig in die Entscheidungsfindung mit ein und sie können sehr reflektiert benennen, in welchen Bereichen sie sich ihrer Meinung nach weniger umweltfreundlich verhalten. Sie betrachten sich selbst im Vergleich zu anderen als besonders umweltorientiert. Manchmal fehlt ihnen das Verständnis dafür, dass andere sich weniger umweltfreundlich verhalten.
„Umweltschutz auch. Aber bei mir sind es auch teilweise ganz.B. nale Sachen. Ich hab mich letztens mit einer Frau an der Kasse gestritten. Weil ich sah, dass sie die teuersten Sachen vom Teuersten kaufte. Und dann Hühnereier aus Käfighaltung. Und das sind dann so Sachen, da frag ich mich einfach, ob die Leute irgendwie mal ein bisschen mitdenken.“(Frau Hoffmann)
Ihr eigenes Umweltverhalten ist teilweise in ein Umfeld von ebenfalls umweltorientierten Personen eingebettet, mitunter stoßen sie aufgrund ihres Umweltverhaltens, zum Beispiel dem Kauf von Bioprodukten, jedoch auch auf Unverständnis.
3. Kauf von Umweltprodukten
↓271 |
Beim Lebensmittelkauf achten die Umweltorientierten auf umweltfreundliche Lebensmittel. Dies beinhaltet für sie neben dem Kauf von Bioprodukten die Berücksichtigung von Tierschutzaspekten, wobei zwei der drei Vertreterinnen sich vegetarisch ernähren, den Kauf von Produkten aus der Region bzw. die Vermeidung von Produkten mit weiten Transportwegen, den Kauf von saisonalen Produkten und die Vermeidung von Verpackung, zum Beispiel durch den Kauf von Getränken in Mehrwegflaschen. Innerhalb dieser Bereiche variieren die Schwerpunkte der drei Frauen.
Beim Umfang des Biokaufs zeigen sich deutliche Unterschiede: Während Frau Tacke fast ausschließlich Produkte aus der ökologischen Landwirtschaft konsumiert, kauft Frau Hoffmann nur einen geringen Anteil ihrer Lebensmittel in Bioqualität. Alle drei geben als Grund für den Kauf konventioneller Produkte finanzielle Restriktionen an. Dies gilt insbesondere für Frau Hoffmann und Frau Johansen, bei denen es beim Einkauf zu einem Kompromiss aus Bioprodukten (sowie Produkten aus artgerechter Tierhaltung) auf der einen Seite, und möglichst billigen konventionellen Produkten auf der anderen Seite kommt. Im Rückblick auf ihre vorherige Wohnsituation berichtet Frau Johansen, dass sie in einem anderen Wohngebiet, in dem keine Bioeinkaufsstätte in der Nähe lag, kaum Bioprodukte gekauft hat. Ebenfalls eine Barriere für den Biokauf stellte für sie der gemeinsame Einkauf in ihrer ehemaligen Wohngemeinschaft in Friedrichshain dar, der vorwiegend am Preis orientiert war.
Trotz der Bedeutung des umweltorientierten Lebensmittelkaufs lässt sich der Biokauf nicht allein auf das Umweltschutzmotiv reduzieren. Die Bioprodukte schmecken den Umweltorientierten besser und sind Bestandteil einer insgesamt gesunden Ernährungsweise. So zeigen sich die drei Frauen an Ernährungsthemen interessiert und kochen gern. In Bioqualität kaufen die Umweltorientierten auch Vollkornprodukte oder spezielle vegetarische Produkte.
↓272 |
„Mit dem Einkaufen im Bioladen. Das ist immer so’ne Sache. Weil die Sachen, erstens sind sie da ökologisch, dynamisch oder wie auch immer angebaut. Und ich achte immer darauf, dass die Sachen eigentlich aus der Region kommen. Weil ich das wichtig finde, dass man das, erstens, dass man das unterstützt. Und dass man hier die ganzen Brandenburger Bauern unterstützt. Und dass man jetzt, ich finde, man muss hier auch keine Allgäuer Milch trinken oder Berchtesgadener Milch oder so. Deswegen achte ich darauf eigentlich hauptsächlich, wenn ich einkaufe. Und ja, andererseits schmecken die Sachen alle viel, viel besser. Und man fühlt sich auch, ich glaube, ich hoffe, dass das meiste davon auch gesünder ist. Wenn man anständiges Mehl nimmt anstatt immer so Weißmehl oder so.“ (Frau Tacke)
4. Wahl der Einkaufsstätte und Einkaufsverkehr
Die Umweltorientierten gehen gern Einkaufen. Dies erklären sie einerseits über ihr generelles Interesse an der Ernährung, andererseits wird das Einkaufen als angenehme Art sich im „Kiez“ zu bewegen angesehen. Die Auswahl der Einkaufsstätten erfolgt auch anhand deren Nähe.
(Frage: Ist das für sie ein Mehraufwand, Bioprodukte zu kaufen?)
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„Gar nicht. Vielmehr ein Spaß. Samstags morgens über den Markt zu gehen, macht mir viel Spaß. Weil ich auch gerne koche und so. Und dann ist es einfach nett, um den Block zu gehen und dann gleichzeitig einzukaufen.“ (Frau Hoffmann)
Die Wege zu den Einkaufsstätten ebenso wie andere Wege legen die Umweltorientierten in der Regel mit dem Fahrrad oder zu Fuß zurück. Daneben nutzen sie für weitere Strecken teilweise den ÖPNV. Dieser wird gelegentlich für den Weg zum Einkaufen genutzt, häufiger jedoch findet der Einkauf auf dem Weg von der Haltestelle nach Hause, also im Anschluss an die ÖPNV-Fahrt, statt. Überwiegend gehen die Umweltorientierten gezielt in der direkten Umgebung der Wohnung einkaufen.
Auch im Bereich der Alltagsmobilität zeigen sich die drei Frauen umweltorientiert. So benutzt Frau Tacke ihr Auto bewusst selten für Wege in der Stadt. Aufgrund der guten nahräumlichen Angebotsstruktur sieht sie dafür auch keine Notwendigkeit. Frau Johansen hat sich bewusst für ein Leben ohne Auto entschieden. Die Nutzung nicht-motorisierter Verkehrsmittel kann also durchaus als Teil der umweltorientierten Lebensweise angesehen werden.
↓274 |
Der Kauf von umweltfreundlichen Lebensmitteln führt aufgrund des guten Angebots in den Gründerzeitgebieten nach Ansicht der Umweltorientierten nicht zu einem Mehraufwand. So besteht in Friedrichshain sogar außerhalb der regulären Ladenöffnungszeiten ein Angebot an umweltfreundlichen Lebensmitteln.
„Da ist ein ganz netter Laden, Volcksladen heißt der. Und da geh ich eigentlich sonntags hin, wenn ich gerade nichts mehr im Haus hab.“
(Frage: Ist das ein Spätkauf?)
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„Ja, genau. Aber die haben zum Beispiel auch manchmal Biomilch da und frei laufende Eier. Die haben ein angenehmes Angebot.“ (Frau Johansen)
Der Kauf der umweltfreundlichen Lebensmittel zeigt eine Abhängigkeit von den Angebotsstrukturen des Wohnorts: So gibt Frau Johansen an, dass sie in ihrem vorherigen Wohngebiet kaum Bioprodukte gekauft hat, da dort keine Bioläden vorhanden waren. Und selbst Frau Tacke, die fast ausschließlich Bioprodukte einkauft, zeigt wenig Bereitschaft, dafür weite Wege in Kauf zu nehmen.
(Frage: Das heißt der Bioladen ist eigentlich so die Haupteinkaufsstätte?)
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„Ja, im Moment schon. Ich weiß nicht, ob das immer so bleibt. Aber im Moment schon, weil es jetzt auch in der Nähe ist, muss ich sagen. Also, wenn ich irgendwo wohnen würde, wo es nicht so ein Arrangement von lauter Läden um einen rum gäbe, dann wäre das vielleicht anders. Also, ich würde da vielleicht nicht lange fahren, um da hinzukommen. Ja, aber so ist es halt ganz praktisch.“ (Frau Tacke)
Insgesamt kaufen die Befragten alle gern in kleinen Einkaufsstätten und auf dem Markt ein, den sie für besonders umweltfreundlich halten. Frau Tacke versorgt sich darüber hinaus mit regionalem Biogemüse durch eine wöchentlich gelieferte Gemüsekiste eines Brandenburger Biohofs. Die anderen beiden kaufen – aus Kostengründen – häufig im Discounter ein. Aufgrund ihres Praktikums unterliegt das Einkaufen bei Frau Johansen derzeit zeitlichen Restriktionen. Dies führt dazu, dass sie häufiger in einem Discounter, der auf dem Weg von der ÖPNV-Haltestelle liegt, einkauft. Konventionelle Vollsortimenter spielen bei allen dreien hingegen kaum eine Rolle.
Die Umweltorientierung (teilweise in Verbindung mit dem Tierschutzmotiv) zeigt sich bei den drei Frauen als Teil ihrer Lebensführung. Umweltschutz gehört für sie mit dazu und wird in wichtige Entscheidungen mit einbezogen. Sie können auch die eigenen Unzulänglichkeiten beim Umweltverhalten klar benennen. Dies unterscheidet die Umweltorientierten deutlich von den anderen Typen. Auf der anderen Seite ermöglicht den Umweltorientierten gerade ihr Wohnumfeld das umweltfreundliche Verhalten sowohl beim Kauf von umweltfreundlichen Produkten als auch für den Einkauf im Wohnumfeld. Ihr Wohngebiet bietet ihnen die Einkaufsstätten, die sie benötigen, um in der Nähe der Wohnung und umweltorientiert einkaufen zu können. Diese Möglichkeiten schätzen sie ebenso wie ihr Stadtquartier insgesamt in besonderem Maße.
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Neben einer Orientierung am Thema Umweltschutz.B. steht bei den Umweltorientierten Interesse an (gesunder) Ernährung, so dass auch die Qualität von Nahrungsmitteln ein wichtiges Kriterium beim Einkaufen ist. Aufgrund ihres Interesses an den Themen Ernährung und Umwelt sind die Umweltorientierten sehr gut darüber informiert. Teilweise kamen sie mit diesen Themen schon in ihrer Kindheit in Berührung, da ihre Eltern sich ebenfalls damit beschäftigten. Dies kann als Phänomen der BRD angesehen werden. Damit spielt auch die soziale Prägung bei diesem Typ eine Rolle.
Zeitlich sind die drei Frauen weder familiär noch beruflich stark eingebunden, wodurch für das Einkaufen als „Kiezbummel“ Zeit zur Verfügung steht. Darüber hinaus handelt es sich aufgrund der kleinen Haushalte eher um geringe Einkaufsmengen, so dass sich deren Transport wenig aufwändig gestaltet. Insgesamt führen bei den drei Frauen also die Umweltorientierung, die Lebenslage und das Wohnumfeld zusammen zu einem besonders umweltfreundlichen Einkaufsverhalten. Unter den momentanen Rahmenbedingungen stellt der höhere Preis der Bioprodukte auch bei den Umweltorientierten eine Barriere für deren Kauf dar. Dabei werden jedoch weniger die Produkte als zu teuer angesehen, sondern eher das eigene Einkommen als zu gering. Damit spielen für die Umweltorientierten ihre finanziellen Restriktionen auch eine Rolle.
Das Einkaufsverhalten kann sich jedoch durch Veränderungen der Rahmenbedingungen schnell ändern: So zeigt das Beispiel von Frau Johansen, dass bereits eine temporäre berufliche Belastung zu einer Veränderung des Einkaufsverhaltens führt. Andere Angebotsstrukturen und der Einfluss von MitbewohnerInnen führten bei ihr in der Vergangenheit ebenfalls zu einer deutlichen Reduktion des Biokaufs. Die Umweltorientierung stellt demnach ein wichtiges Motiv für ein umweltfreundliches Verhalten in unterschiedlichen Bereichen dar, für eine Umsetzung des Umweltverhaltens sind jedoch entsprechende Rahmenbedingungen notwendig.
1. Lebenslage, Lebensstil und Wohnort
↓278 |
Zum Typ der familienbezogenen Gesundheitsorientierten lassen sich ebenfalls drei der Interviewten zählen (siehe Tabelle 7.7). Ebenso wie bei den Umweltorientierten handelt es sich um Frauen, die in der BRD bzw. West-Berlin aufgewachsen sind oder dort seit Jahrzehnten wohnen und die über hohe Bildungsabschlüsse verfügen. Die Gesundheitsorientierten sind etwas älter als die Umweltorientierten und haben Kinder, wobei diese bei Frau Kant in den letzten Jahren ausgezogen sind. Sie sind Hausfrauen, eine befindet sich außerdem in einer Ausbildung. Das Haushaltseinkommen liegt im mittleren bis oberen Bereich, sie gehören alle demselben Lebensstil an. Während Frau Hollaway und Frau Kant in den Einfamilienhausgebieten wohnen, lebt Frau Klampferer in einem Gründerzeitgebiet. Alle drei Frauen verfügen (fast) ständig über Auto.
Tabelle 7.7: Lebenslage und Wohnort der Gesundheitsorientierten
Name |
Lebenslage und Wohnort |
Frau Hollaway |
Frau Hollaway ist 41 Jahre alt und in Westberlin aufgewachsen. Sie wohnt seit 1997 in Altglienicke, zusammen mit Mann und zwei Kindern (ca. fünf und neun Jahre alt) in einem neu gebauten Eigenheim. Sie besitzt einen Hochschulabschluss. Derzeit ist sie nicht erwerbstätig, sondern Hausfrau. Das Haushaltsnettoeinkommen liegt bei 2000-3200 €. Lebensstil: Hochkulturell Interessierte, sozial Engagierte. Sie verfügt über ein Auto. |
Frau Kant |
Frau Kant ist 58 Jahre alt und in der Tschechoslowakei aufgewachsen. Seit über 30 Jahren lebt sie in Rudow, inzwischen allein mit ihrem Mann in einem Einfamilienhaus, nachdem ihre zwei Kinder in den letzten Jahren auszogen. Sie hat die Hochschulreife und ist seit kurzem nicht mehr erwerbstätig. Das Haushaltsnettoeinkommen liegt bei 3200-4000 €. Lebensstil: Hochkulturell Interessierte, sozial Engagierte. Sie verfügt über ein Auto. |
Frau Klampferer |
Frau Klampferer ist 39 Jahre alt und lebt zusammen mit zwei Kindern (ca. acht und zwölf Jahre alt) in einer Altbauwohnung in Friedrichshain (teilweise wohnen auch noch ihr bereits erwachsenes Kind und ihr Lebensgefährte dort). Sie ist in Westdeutschland aufgewachsen und vor ca. 20 Jahren nach Berlin gekommen. Sie hat einen Hochschulabschluss und befindet sich derzeit in einer Ausbildung. Das Haushaltseinkommen liegt im Bereich von 1100-2000 €. Lebensstil: Hochkulturell Interessierte, sozial Engagierte. Sie verfügt über ein Auto. |
2. Einkaufsmotive und Bezug zum Thema Umweltschutz
Die Gesundheitsorientierten setzen sich intensiv mit gesunder Ernährung auseinander, die bei ihnen eng mit der Sorge um ihre Kinder verknüpft ist oder war. Dabei begann die Auseinandersetzung mit gesunder Ernährung teilweise schon vor der Schwangerschaft, teilweise jedoch erst durch diese oder die Ernährung der Kinder. Einen Schwerpunkt stellt für sie der Aspekt der Lebensmittelsicherheit dar: Sie informieren sich zu „Skandalen“ oder lesen Testergebnisse. Entsprechend gut informiert sind sie zu den Themen gesunde Ernährung und Lebensmittelsicherheit, wobei sie sich gezielt um Informationen (z. B. über Internet, Bücher und Broschüren) bemühen.
↓279 |
„Also, ich verlasse mich viel eher auf solche Stiftung Warentest oder Öko-Test. (...)“
(Frage: Wo informieren Sie sich über solche Mitteilungen, über solche Infos zum Thema Ernährung oder Einkaufen?)
„Ich lese sehr viel darüber eigentlich. (...) Zeitung oder auch Internet. Guck ich mal, ob da irgendwas ist. Weil, Tests erscheinen dort manchmal auch. Aber ich gucke auch in die internationale Presse. Also im englischen Raum.“ (Frau Kant)
↓280 |
Ein Teil der Frauen äußert eine entschiedene Ablehnung von Nahrungsmitteln, die mit Hilfe von gentechnischen Verfahren hergestellt werden, da sie diese für gefährlich halten. Nicht nur in Bezug auf Ernährung, auch sonst stellt Umweltschutz für die Gesundheitsorientierten ein wichtiges Thema dar, das sie allgemein eng mit der (Kinder-)Gesundheit verknüpfen.
(Frage: In welchen Bereichen achten Sie denn ganz allgemein auf Umweltschutz und umweltfreundliches Verhalten?)
„Auf Umweltschutz und umweltfreundliches Verhalten. Ja, ich denke mal wenn ich jetzt Obst und Gemüse kaufe, (...) wenn ich dann was backe und brauch jetzt die Zitronenschale, dann soll es natürlich schon Biozitrone sein oder so. Also, oder im Garten, dass man da keine Chemie benutzt. Kein Blaukorn, sondern irgendwelche anderen organischen Dünger verwendet oder so. Oder jetzt beim Hausbau haben wir auch ökologische Baumaterialien.“
↓281 |
(Frage: Wieso ist Ihnen das wichtig?)
„Wegen der Schadstoffbelastung allgemein (...). Kinder sind da, Neurodermitis auch schon gehabt. Also, es kommt ja auch irgendwo her.“ (Frau Hollaway)
Die Erfahrungen mit Allergien und Neurodermitis, die alle drei Frauen mit ihren Kindern gemacht haben, können als ein Grund für die Verknüpfung der Themen Umweltschutz und Kindergesundheit angesehen werden. Diese Krankheiten führen sie in unterschiedlichen Stellen als Gründe für den Kauf von umweltfreundlichen Produkten an.
↓282 |
„Also, als die Kinder noch kleiner waren, die Kleine, (...) die hatte ganz stark Neurodermitis, als sie 3, 4 war. Die war hier immer offen am Hals. Da hab ich auch irgendwie eher so Bioklamotten für sie gekauft. Oder geguckt, dass ich schadstoffgeprüfte Textilien kriege.“ (Frau Klampferer)
3. Kauf von Umweltprodukten
Die Gesundheitsorientierten kaufen regelmäßig Bioprodukte, wofür ebenfalls der Wunsch nach einer gesunden Ernährung zentral ist.
„Warum ich Bio kaufe? Ja. Weiß ich nicht. Vielleicht dieses ganze mit dieser genmanipulierten Geschichte. Wo sie erzählen, in Deutschland gibt es das nicht. Oder nur einige Felder. Und die sind abgetrennt. Also, ich kenne von meiner Tochter diese Allergien, wo wir nichts im Garten hatten, trotzdem hatte sie allergische Anfälle. Und dann hab ich gelesen, dass diese Pollen, die fliegen Hunderte von Kilometern. Dann soll mir keiner erzählen, dass ein genmanipuliertes Feld so geschützt werden kann, dass da nichts rüberfliegt auf das ganz normale.“ (Frau Kant)
↓283 |
Allerdings spielen auch bei ihnen der bessere Geschmack und altruistische Motive wie Umweltschutz, fairer Handel und Tierschutz eine Rolle für den Biokauf. Der Umfang des Biokaufs und bei welchen Produkten ihnen Bioprodukte besonders wichtig sind, unterscheidet sich. Die Bioprodukte kaufen jedoch alle drei vor allem in Einkaufsstätten des konventionellen Lebensmitteleinzelhandels. Dies ist für sie zum einen praktisch, da sie dort auch gleichzeitig konventionelle Lebensmittel kaufen können, zum anderen befinden sich nicht bei allen spezielle Bioeinkaufsstätten in der Nähe.
Die Herkunft der Lebensmittel findet beim Einkaufen teilweise ebenfalls Berücksichtigung, wobei die Lebensmittelsicherheit im Vordergrund steht. So werden zum Beispiel nach Skandalen Produkte aus bestimmten Ländern nicht gekauft oder Produkte aus der Region nicht nur wegen der kurzen Wege, sondern auch aufgrund des höheren Vertrauens in deren Qualität ausgewählt.
„Und ich kaufe hauptsächlich dann Äpfel von hier. Also nicht aus Österreich und nicht aus Italien oder so was. Sondern was hier in der Umgebung angebaut worden ist. Die sind auch frischer. Kann man nichts dagegen sagen. Die sind kleiner, sehen nicht so toll aus. Aber die schmecken.(...) Ich hab gemerkt, dass italienische und österreichische Äpfel, die so schön sind, die sind wahrscheinlich irgendwie behandelt. Weil, ich bin eigentlich nicht allergisch, aber bei mir kribbelt es um den Mund rum auch. Und bei diesen brandenburgischen hatte ich das nicht.“ (Frau Kant)
↓284 |
Auch in anderen Bereichen zeigen sie sich durchaus bemüht, umweltfreundlich einzukaufen und beispielsweise Verpackung zu vermeiden. Gerade die beiden Frauen mit jüngeren Kindern berichten jedoch davon, dass diese Aspekte im Alltag häufig untergehen. Hier zeigt sich die Organisation des Familienalltags als Hindernis für das umweltfreundliche Einkaufen. Ein wichtiger Aspekt beim Einkaufen ist für die Gesundheitsorientierten also, dass das Einkaufen möglichst wenig Aufwand verursacht, wozu auch Routinen bei der Produktwahl gehören.
„Also, Gemüse nicht unbedingt aus Holland vielleicht. So in der Richtung ja, doch. (...) Man achtet schon, wenn man jetzt hört, dass da irgendwie in Italien wieder was gepanscht wurde. Dann, denke ich mal, bemüht man sich schon dementsprechend diese Produkte dann zu vermeiden aus der Region. Aber mitunter ist es gar nicht so ein bewusstes Einkaufen mehr, weil man will nur den Zettel abarbeiten. Und man hat schon wieder zehn andere Sachen im Kopf.“ (Frau Hollaway)
Entsprechend stellt für die Gesundheitsorientierten der Mehraufwand für die Besorgung umweltfreundlicher Produkte, zum Beispiel Mehrwegflaschen zu transportieren, ein Hindernis dar. Auch kann es zu Schwierigkeiten kommen, wenn die umweltfreundlichen Produkte nicht den Wünschen der Familie entsprechen.
↓285 |
„Wenn ich in Supermarktketten bin, wo die Bioprodukte gut sind, dann kaufe ich sie auch. Nicht nur, aber schon. Da hol ich auch lieber mal ne Biomilch. Und Joghurt sowieso am liebsten Bio. Weil, das schmeckt auch besser. Ich hoffe immer, dass die Fruchtjoghurts in Bioqualität keine Sägespäne oder so ein Kram haben. Also, das ist so eine Mischung aus mal Bioladen. Vor allem beim Brot versuche ich das abzuwechseln. Weil die Kinder motzen zwar, wenn es immer nur Vollkornbrot gibt. Aber es gibt dann einfach mal zwischendurch Vollkornbrot. Und dann wieder ein Toastbrot, dass es einfach abwechslungsreich bleibt.“ (Frau Klampferer)
4. Wahl der Einkaufsstätte und Einkaufsverkehr
Die aufgesuchten Einkaufsstätten sind vor allem Supermärkte, SB-Warenhäuser und Discounter, wobei das Bioangebot für die Wahl der Einkaufsstätte ein Auswahlkriterium unter anderen darstellt. Gleichzeitig schränkt das geringe Bioangebot der aufgesuchten Einkaufsstätten den Kauf von Bioprodukten ein. Alle drei kaufen auch in Bioläden bzw. Reformhäusern ein, teilweise jedoch sehr selten. Frau Klampferer in Friedrichshain kauft häufiger in einem Bioladen in unmittelbarer Nähe zu ihrer Wohnung. Die anderen beiden Frauen beklagen das Fehlen eines guten Bioladens oder noch besser eines Biosupermarktes in ihren Wohngebieten (Rudow und Altglienicke). Daher kaufen sie nur gelegentlich in speziellen Bioeinkaufsstätten ein, wenn sie in den Innenstadtbezirken sind. Sehr selten suchen sie für den Kauf spezieller Produkte das Reformhaus in Rudow oder in der Gropiusstadt auf.
„Es gibt ein Reformhaus in Alt-Rudow, Stückchen weiter weg. Wobei, da gibt’s kein Gemüse, kein Obst. Und ja, es ist halt auch sehr teuer.“
↓286 |
(Frage: Kaufen Sie denn gelegentlich im Reformhaus ein in Rudow?)
„In der letzten Zeit nicht mehr so, ne Zeitlang war ich, regelmäßig kann man auch nicht sagen, sporadisch da. Wegen bestimmter Produkte. Als die Kinder auch noch kleiner waren, irgendwelche Breizusätze, Mandelmus und was man so reinmacht. Da war ich öfter da.“ (Frau Hollaway)
Frau Hollaway hatte eine Zeit lang eine Bioabonnementkiste bestellt. Dieses Abonnement beendete sie jedoch aufgrund des schlechten Preis-Leistungs-Verhältnisses.
↓287 |
Die Gesundheitsorientierten legen einen großen Teil ihrer Einkaufswege mit dem Auto zurück, was sie selbst aus Umweltschutzgründen als Problem ansehen. Die Verwendung des Autos begründen sie mit den großen Einkaufsmengen oder der Verknüpfung der Wege mit Bring- und Holdiensten, also wiederum mit der Familienorganisation. Frau Hollaway verwendet für das Einkaufen immer das Auto und nennt als weiteren Grund dafür die große Distanz zur nächsten Einkaufsstätte. Sie berichtet jedoch von den nahe gelegenen Einkaufsmöglichkeiten an ihrem alten Wohnort, zu denen sie oft ohne Auto gelangte.
„Also, wir wohnten ja in Lichterfelde. Und dann war da der Markt immer und den konnte man bequem zu Fuß erreichen. Und da sind wir nur gelaufen und Fahrrad gefahren. Aber hier war es dann mehr mit dem Auto. Die Kinder kamen. Und dann ist sowieso schneller alles zu erledigen mit Kindern.“ (Frau Hollaway)
Die beiden anderen, denen in der Nähe der Wohnung eine Reihe von Einkaufsstätten zur Verfügung stehen, sind in ihrer Verkehrsmittelwahl flexibler und kaufen auch mal zu Fuß oder mit dem Fahrrad ein.
↓288 |
„Also, bei diesem Wetter fahr ich mit dem Fahrrad. Oder ich laufe. Also, wenn ich nicht zu viel einkaufen muss, dann lauf ich einfach. Aber sonst mit dem Auto. Das hängt von der Menge ab. Ich kann doch auf dem Fahrrad nicht irgendwas Großes raufpacken. Also, diese Körbe sind nicht so gewaltig. Und ja, Umweltschutz oder nicht. Da möchte ich mich nicht tot tragen mit jeder Gewalt.“ (Frau Kant)
Das Auto stellt also ein wichtiges Transport- und Verkehrsmittel dar, das sie nur ungern entbehren würden. So verfügte Frau Klampferer bis vor drei Jahren noch über kein Auto und erledigte ihre Einkäufe mit dem Fahrrad, was sie – trotz der vielen Einkaufsmöglichkeiten in nächster Nähe - sehr aufwändig fand. Seit sie ein Auto besitzt, genießt sie die Entlastungen, die der Einkauf mit dem Auto ihr bietet. Dadurch hat sich zusätzlich die Entfernung zu den aufgesuchten Einkaufsstätten erhöht, denn diese müssen nun über gute Parkmöglichkeiten verfügen. Dies stellt für Frau Klampferer ein Hindernis für den Kauf in einem nahe gelegenen Biosupermarkt dar.
Im Vergleich zu den Umweltorientierten steht bei den Gesundheitsorientierten ihre Rolle als Mutter und Hausfrau im Vordergrund. Dies beeinflusst sowohl die starke Gewichtung des Aspekts Gesundheit und Sicherheit beim Lebensmittelkauf als auch die Wahl des Autos für die Einkaufswege. Die Verantwortung für Einkauf und Ernährung tragen innerhalb ihres Haushalts vorwiegend die Interviewten, wobei sie alle drei bezüglich der Gewährleistung einer gesunden Ernährung hohe Ansprüche an sich selbst haben. Dies begünstigt den Kauf von umweltfreundlichen Lebensmitteln. Andererseits stellt die Familienorganisation eine Barriere für umweltfreundliche Verhaltensweisen dar. Dies gilt für die Verkehrsmittelwahl, aber auch für die Berücksichtigung von Umweltschutzaspekten beim Einkaufen allgemein. So besteht teilweise in den Einkaufsstätten wegen der vielfältigen Belastungen keine Aufmerksamkeit für Umweltschutzaspekte oder es werden umweltfreundliche Produkte aufgrund der Wünsche anderer Familienmitglieder nicht gekauft. Frau Kant, bei der die Kinder schon ausgezogen sind, bezieht sich einerseits noch auf diese familiären Gewohnheiten, wenn es um Gründe für den Kauf von umweltfreundlichen Produkten geht, andererseits hat sie im Alltag deutlich mehr Zeit und stellt auch ihre eigene Gesundheit stärker in den Mittelpunkt.
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Bioprodukte werden von den Gesundheitsorientierten vorwiegend im LEH gekauft. Dies liegt zum einen an den fehlenden Bioeinkaufsstätten im Wohnumfeld, zum anderen stellt der Biokauf im LEH aufgrund der Möglichkeit zur Kombination mit dem Kauf konventioneller Produkte und den teilweise besseren Parkmöglichkeiten eine Möglichkeit zur Vereinfachung der Einkaufsorganisation dar. Auch bei den Gesundheitsorientierten ist der höhere Preis der Bioprodukte eine wichtige Barriere.
Vergleicht man die Gesundheitsorientierten mit den Umweltorientierten, so fällt auf, dass sie sich vor allem bezüglich der Lebenslagemerkmale Alter und Haushaltsform unterscheiden, die auch als Kriterium für die Lebensphase angesehen werden. Während Erstere Kinder haben und sich in der Familienphase oder schon in der Empty-Nest-Phase (die Kinder sind bereits ausgezogen) befinden, haben Letztere keine Kinder und leben alleine oder nur mit Partner. Gemeinsam ist beiden Typen, dass sie im Themenbereich Ernährung und Umweltschutz gut informiert sind. Letztendlich können beide Typen als besonders an Ernährungsthemen interessiert, gesundheits- und umweltorientiert beschrieben werden. Als Grund für die größere Bedeutung der Gesundheitsorientierung und der Nutzung des Autos als Hauptverkehrsmittel bei den Gesundheitsorientierten kann ihre Lebenslage, insbesondere die Rolle als Mutter, angesehen werden. Die Differenz zwischen den beiden Typen ist also eventuell lediglich auf unterschiedliche Lebenslagen bzw. Lebensphasen zurück zu führen.
1. Lebenslage, Lebensstil und Wohnort
Die Vertreterinnen des Typs der Preisorientierten – alle vier Frauen - zeigen ebenfalls einige Gemeinsamkeiten bezüglich der Lebenslage (siehe Tabelle 7.8).
↓290 |
Tabelle 7.8: Lebenslage und Wohnort der Preisorientierten
Name |
Lebenslage und Wohnort |
Frau Deinert |
Frau Deinert ist 42 Jahre alt. Sie hat einen Realschulabschluss und ist in Teilzeit erwerbstätig. Sie wuchs in der DDR auf und zog vor drei Jahren nach Berlin. Mit ihrem Partner und ihren zwei Kindern (Altergruppe 7 bis 18 Jahre) wohnt sie zusammen in einer Wohnung in Köllnische Heide. Das Haushaltsnettoeinkommen liegt zwischen 2000 und 3200 €. Lebensstil: Expressiv Vielseitige. Im Haushalt befindet sich ein Auto, über das in der Regel ihr Mann verfügt. |
Frau Donaiski |
Frau Donaiski ist 41 Jahre alt und hat einen Realschulabschluss. Sie ist in Teilzeit erwerbstätig als Verkäuferin in einem Discounter. Aufgewachsen ist sie in der DDR und wohnte seit 1990 in Nord-Neukölln, davon drei Jahre im Untersuchungsgebiet. Kurz vor dem Interview zog sie mit ihrem Lebenspartner und 5 Kindern im Schulalter (7-18) von dort in einen benachbartes Stadtviertel um100. Das Haushaltsnettoeinkommen liegt zwischen 3200 und 4000 €. Lebensstil: Einfach Lebende, arbeitsorientiert Häusliche. Ihr Lebenspartner verfügt über ein Auto. |
Frau Lanzow |
Frau Lanzow ist 45 Jahre alt und lebt zusammen mit Mann und einem Kind (Altergruppe 7 bis 18), das zweite Kind ist bei der Bundeswehr und nur am Wochenende bei den Eltern. Sie wohnen seit 25 Jahren in Köllnische Heide. Sie ist in der BRD aufgewachsen und hat einen Realschulabschluss Sie ist nicht erwerbstätig und Hausfrau. Die Familie verfügt über ein Haushaltsnettoeinkommen von 1100-2000 €. Lebensstil: Expressiv Vielseitige. Ihr Mann verfügt über ein Auto. |
Frau Petzold |
Frau Petzold ist 54 Jahre alt und aus West-Berlin. Sie hat einen Realschulabschluss und ist nicht erwerbstätig. Sie wohnt mit ihrem Mann, der Frührentner ist, seit 1998 in einer Zweizimmerwohnung in einem größeren Mehrfamilienhaus des sozialen Wohnungsbau in Rudow. Vorher wohnten sie mit zwei Kindern in Tempelhof. Ihr Haushaltseinkommen beträgt 1100-2200 €. Lebensstil: Hochkulturell Interessierte, sozial Engagierte. Ihr Mann verfügt über ein Auto. |
Sie wohnen mit ihrem Partner und ihren Kindern zusammen, teilweise sind die Kinder vor kurzem ausgezogen. Alle vier sind mittleren Alters (40-55 Jahre) und haben einen Realschulabschluss, einige sind in Teilzeit erwerbstätig, andere nicht erwerbstätig. Ihre Haushaltseinkommen liegen im mittleren bis höheren Bereich, was allerdings aufgrund der vergleichsweise großen Haushalte nicht gleichbedeutend mit einem hohen Äquivalenzeinkommen ist. Teilweise sind sie in der BRD, teilweise in der DDR aufgewachsen. Heute wohnen alle in Westberlin, jedoch in unterschiedlichen Wohngebietstypen. Sie haben unterschiedliche Lebensstile, wobei zwei Fälle dem Lebensstil der Expressiv Vielseitigen zuzuordnen sind. Die vier Frauen sind innerhalb ihrer Familien maßgeblich für den Haushaltseinkauf verantwortlich. Bei allen vier Angehörigen dieses Einkaufstyps ist ein Auto im Haushalt, über das jedoch in der Regel der Partner oder Ehemann verfügt.
2. Einkaufsmotive und Bezug zum Thema Umweltschutz
Die vier Personen dieses Typs orientieren sich vorwiegend am Preis. Insbesondere bei der Wahl der Einkaufsstätte achten sie darauf, dass diese ein niedriges Preisniveau haben. Die Orientierung am Preis, teilweise auch an einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis, wird als Normalität angesehen. Jedoch wird auch die konkrete eigene Lebenssituation von einem Teil als Grund für die Sparsamkeit benannt.
↓291 |
„Also, dass ich schon mich umgucke wo halt Angebote sind. Wer kann sich das anders leisten, auf Grund der wirtschaftlichen Lage, ins nächstbeste Geschäft zu gehen?“ (Frau Donaiski)
Umweltschutz stellt für die Preisorientierten kein besonders wichtiges Thema dar. Dies drückt sich unter anderem in einem wenig reflektierten Umweltverhalten aus. So können sie keine Bereiche nennen, in denen ihnen das umweltfreundliche Verhalten schwer fällt.
(Frage: Gibt es andere Bereiche wo Sie sagen, da bin ich nicht so konsequent in meinem Umweltschutzverhalten?)
↓292 |
„Wüsste ich nicht. Natürlich versuchen wir das zu vermeiden, irgendwie was falsches zu machen.“ (Frau Donaiski)
Umweltfreundliches Verhalten hat für sie vor allem beim Thema Verpackung Relevanz, wobei sie jedoch weniger auf die Vermeidung als viel mehr auf die Entsorgung achten. Kosten soll das Umweltverhalten nicht verursachen.
„Umweltfreundliche Lebensmittel. Ja, Obst und Gemüse was nicht so viel verpackt ist. Ist für mich eigentlich umweltfreundlich. Wenn nicht so viel drum rum ist.“
↓293 |
(Frage: Achten Sie da in den Geschäften drauf, wenn Sie jetzt Obst und Gemüse einkaufen, dass das nicht so verpackt ist?)
„Wenn es geht ja. Aber es geht ja nicht immer. Kartoffeln, weiß ich nicht. Auf dem Markt, da würde ich sie lose kriegen. Aber dann sind sie mir auch zu teuer, muss ich ehrlich gestehen.“ (Frau Petzold)
Teilweise zeigt sich, dass sich ihr Umweltverhalten vor allem daran, was sie als ihre Pflicht ansehen oder was sie als normal wahrnehmen, orientiert. Dies betrifft vor allem das Thema Mülltrennung.
↓294 |
Informationen zu Umweltschutzthemen suchen sie nicht gezielt, sondern nehmen sie eher zufällig durch Radio, Fernsehen oder Zeitung auf. Sie sind über Umweltschutz und umweltfreundliche Lebensmittel nicht besonders gut informiert, gerade bei Bioprodukten kommt es auch zu Verwechslungen. So wird teilweise der Direktkauf beim Bauern von ihnen bereits schon für Biokauf gehalten und ein Produkt wie Müsli prinzipiell als Bioprodukt angesehen.
3. Kauf von Umweltprodukten
Das Interesse an Bioprodukten ist bei den vier Frauen prinzipiell vorhanden. Teilweise werden die Produkte für gesünder oder schmackhafter gehalten, teilweise zeigen sie nur Neugier. Gleichzeitig besteht bei einigen Skepsis gegenüber den Vorteilen und der Echtheit von Bioprodukten. Das größte Hindernis stellen jedoch die höheren Preise dar, so dass Bioprodukte allenfalls sehr selten gekauft werden.
„Dass man halt für einen Sieben-Personen-Haushalt das sich nicht leisten kann, in einen Naturkostladen zu gehen.“ (Frau Donaiski)
↓295 |
Daneben sind auch Produkte aus der Region bzw. Deutschland von Interesse. Als Gründe dafür nennen sie den besseren Geschmack oder die höhere Lebensmittelsicherheit, da sie mehr Vertrauen in diese Produkte haben. Teilweise kaufen sie ab und zu auf Bauernhöfen im Umland Berlins ein, wo die Produkte nicht nur frisch, sondern auch preiswert sind. Dies wird mit Ausflügen in die Umgebung verbunden.
4. Wahl der Einkaufsstätte und Einkaufsverkehr
Die Preisorientierten achten schon bei der Wahl der Einkaufsstätte darauf, dass diese preiswerte Produkte anbieten. Dafür sind sie auch bereit, deutlich längere Einkaufswege in Kauf zu nehmen.
„Oder wenn wir rausfahren nach (...) Selchow [Ort südlich von Berlin] . Da gibt es einen Fleischer. (...) Da ist es kostengünstig, aber gutes Fleisch. Wenn wir da runterfahren, dann ist es schon nicht bloß so ne Stücken. Da nehm’ ich schon mehr und frier ein. Aber das macht man nur einmal im Monat. Nicht dauernd.“ (Frau Petzold)
↓296 |
Sie kaufen fast ausschließlich in Discountern, manche auch in SB-Warenhäusern. Supermärkte hingegen werden nur als Einkaufsstätten für den Notfall oder zur Ergänzung der anderen Einkäufe genutzt. Um trotz des überwiegenden Einkaufs im Discounter Abwechslung zu erreichen bzw. deren unterschiedliche Angebote nutzen zu können, suchen alle mehrere Einkaufsstätten auf. Denn neben dem Preis legen die Frauen auch Wert auf ein abwechslungsreiches Angebot. Kleinere Geschäfte besuchen die Preisorientierten hingegen nicht.
Alle vier Haushalte verfügen über ein Auto, das jedoch ausschließlich oder vorwiegend dem Partner zur Verfügung steht. Die Frauen bewegen sich allein in der Regel zu Fuß oder mit dem ÖPNV. Sie kaufen, da hauptsächlich sie für die Einkäufe zuständig sind, unter der Woche zum Teil ohne Auto ein. Große Einkäufe werden jedoch - meist zusammen mit dem Partner - mit dem Auto erledigt. Zum Teil ist die Preisorientierung vor allem bei den größeren Einkäufen dominant. Das Auto dient dann nicht nur als Transportmittel, sondern auch um die weiter entfernt gelegenen, billigen Einkaufsstätten zu erreichen.
„Eigentlich machen wir Großeinkauf freitags. Wenn mein Mann kommt. Der hat ein Auto. Da fahren wir natürlich weiter. Ansonsten zu Reichelt [ein Supermarkt]. Na, eigentlich nur Brot. Was man so in der Woche frisch braucht. Auch vielleicht mal ne Gurke oder sonst irgendwas. Aber sonst holen wir eigentlich nichts da.“ (Frau Lanzow)
5. Resümee
↓297 |
Ebenso wie die Gesundheitsorientierten obliegt den Preisorientierten die Verantwortung für die Familienernährung. Obwohl auch ein Teil der Preisorientierten Aspekte einer sicheren und gesunden Ernährung benennt, haben sie sich nicht intensiver mit diesen Themen auseinander gesetzt. Bei ihnen steht eher die Vorstellung im Vordergrund, den Lebensmitteleinkauf, und damit die Ernährung der Familien, möglichst kostengünstig zu gestalten. Dafür sind die Preisorientierten nicht unbedingt finanziell schlechter gestellt als die Gesundheits- und die Umweltorientierten. Sie unterscheiden sich jedoch hinsichtlich ihres Bildungsgrads und des Lebensstils. Diese beiden Merkmale sind eventuell wichtige Einflussgrößen für das Einkaufsverhalten. Gemeinsamkeiten zu den Gesundheitsorientierten zeigen die Preisorientierten dagegen bei der Begründung der Verwendung des Autos beim Einkaufen, denn auch hier ergeben sich aus den meist großen Haushalten große Einkaufsmengen. Allerdings haben die Preisorientierten allenfalls selten eigenständig Zugang zu einem Auto.
Im Gegensatz zu den beiden vorher dargestellten Typen verfügen die Preisorientierten über ein deutlich geringeres Wissen zum Thema Umweltschutz und können zu ihrem eigenen Umweltverhalten sehr viel weniger differenziert Stellung nehmen. Wichtig ist ihnen dabei zum Teil weniger, dass sie sich umweltfreundlich verhalten, als viel mehr, dass ihr Verhalten der Norm entspricht, sie also „nichts falsch machen“. Umweltschutz ist für sie somit weniger ein Thema, mit dem sie sich persönlich auseinandersetzen, als viel mehr an bestimmten Stellen eine Norm, wobei vor allem die Themen Verpackung und Mülltrennung auftauchen.
Die Preisorientierten haben eine Tendenz zu weiten Einkaufswegen, insbesondere wenn keine Einkaufsstätten mit preiswertem Angebot im Wohnumfeld vorhanden sind. Zusätzlich soll das Angebot auch abwechslungsreich sein, so dass das Vorhandensein eines Discounters nicht ausreicht, um die Einkäufe auf das Wohnumfeld zu beschränken.
1. Lebenslage, Lebensstil und Wohngebiet
↓298 |
Im Unterschied zu den bisher dargestellten Typen zeigen die drei Fälle, die den Typ der Qualitätsorientierten bilden, wenige Gemeinsamkeiten bezüglich der Lebenslage. Insgesamt handelt es sich um eher besser situierte Haushalte, da die Einkommen bezogen auf die Haushaltsgröße – es handelt sich um 1-2 Personenhaushalte - vergleichsweise hoch sind. Außerdem wohnen alle drei schon lange in ihrem jetzigen Wohngebiet. Dagegen unterscheiden sich die Bildungsabschlüsse, die Stellung im Berufsleben, die Haushaltsform, die Herkunft, das Alter sowie der Wohngebietstyp. Der Lebensstil Hochkulturell Interessierte, sozial Engagierte überwiegt mit zwei Fällen. Frau Korn und Herr Freke verfügen über ein Auto.
Tabelle 7.9: Lebenslage und Wohnort der Qualitätsorientierten
Name |
Lebenslage und Wohnort |
Herr Arnsdorf |
Herr Arnsdorf ist 51 Jahre alt und in der DDR aufgewachsen. Er hat einen Universitätsabschluss und ist erwerbstätig. Er lebt alleine in einer Zwei-Zimmer-Wohnung in Lichtenberg und verdient 1100-2000 €. In der Nähe seiner jetzigen Wohnung wohnt er schon seit 1972, die meiste Zeit auf der anderen Seite der S-Bahn-Trasse, in Friedrichshain. Lebensstil: Hedonistische Freizeitorientierte. Er verfügt über kein Auto. |
Herr Freke101 |
Herr Freke ist 63 Jahre alt und in der BRD aufgewachsen. Er hat einen Realschulabschluss und ist Rentner. Er lebt zusammen mit seiner noch Teilzeit erwerbstätigen Frau im Eigenheim, bis vor einem halben Jahr wohnten dort noch Tochter und Enkelkind. Damals betrug das Haushaltseinkommen netto 2000 und 3200 €. Seit zwanzig Jahren wohnt er in Rudow, seit sechs in dem eigenen Haus. Lebensstil: Hochkulturell Interessierte, sozial Engagierte. Er verfügt über ein Auto. |
Frau Korn |
Frau Korn hat einen Hochschulabschluss und ist erwerbstätig. Sie ist 34 Jahre alt und in der DDR aufgewachsen. Sie lebt allein in einer 2-Zimmer-Wohnung in einem neugebauten Mehrfamilienhaus in Altglienicke. Sie ist auch in Altglienicke aufgewachsen. Sie verdient 1100-2000 € netto. Lebensstil: Hochkulturell Interessierte, sozial Engagierte. Sie verfügt über ein Auto. |
2. Einkaufsmotive und Bezug zum Thema Umweltschutz
Die Qualitätsorientierten zeigen ein besonders großes Interesse an Produkten mit guter Qualität, worunter meist das Aussehen der Produkte, Frische und guter Geschmack verstanden wird, sowie an einer angenehmen Atmosphäre und Gestaltung der Einkaufsstätte. Diese beiden Aspekte sind in ihrer Vorstellung teilweise verknüpft: Produkte hoher Qualität werden in den Einkaufsstätten erwartet, die ihre Waren gut präsentieren.
↓299 |
(Frage: Wonach haben sie ausgesucht, dass sie v. a. bei Kaiser’s, Real und weniger bei Lidl oder so einkaufen?)
„Die machen einen besseren Eindruck (...). Und dichter dran sind sie auch so ein bisschen. Das Angebot ist eben bei Real sehr groß. Weil man auch Sachen eben kriegt, die nicht unbedingt denn bei anderen üblich sind. (...) Na ja, und hier bei Lidl beispielsweise ist das Obst, Gemüse auch nicht so qualitativ hochwertig. Das ist billiger. Aber muss man wahrscheinlich nach zwei Tagen dann schon weg haben. Ansonsten schmeckt das nicht mehr unbedingt.“ (Herr Arnsdorf)
Die drei Qualitätsorientierten messen dem Thema Umweltschutz durchaus eine wichtige Bedeutung zu. Dies beschränkt sich aber weitgehend auf das Thema Verpackung und Müll, wobei die Müllentsorgung eindeutig im Vordergrund steht, bei der sie teilweise sehr engagiert sind. Daneben nennen sie zum Teil das Sparen von Energie und Wasser als Bereich, in dem sie umweltfreundlich sind. Beim Einkaufen jedoch spielt das Thema Umweltschutz kaum eine Rolle; es existiert kaum ein Problembewusstsein dafür.
3. Kauf von Umweltprodukten
↓300 |
Die Qualitätsansprüche sind der Grund, weshalb gelegentlich Frischwaren in Bioqualität gekauft werden. Dabei besteht kein spezielles Interesse an Bioprodukten, häufig wird im Gegenteil Skepsis gegenüber der Echtheit von Bioprodukten geäußert. Herr Freke beispielsweise bezieht Biorindfleisch über Bekannte direkt von einem Bauernhof, da ihm dieses Fleisch besonders gut schmeckt. Außerdem hat er in diese Produkte aufgrund der direkten Beziehung zum Hersteller hohes Vertrauen. Sonst kauft Herr Freke jedoch keine Bioprodukte. Teilweise achten die Qualitätsorientierten auf Lebensmittelsicherheit, wichtiger sind im Zweifelsfall aber Geschmack oder das Aussehen.
(Frage: Kaufen Sie denn gelegentlich Bioprodukte ein?)
„Die Sachen, wo ich dann wirklich mal zugreife, das sind Eier und Tomaten. Sonst noch anderes Gemüse, ich glaub nicht, was anderes groß, nee, eigentlich nicht. Das sind eigentlich die gängigen Sachen.
↓301 |
(Frage: Wieso kaufen Sie die Tomaten oder die Eier Bio?)
Weil die einfach gut schmecken, muss ich sagen. Die haben meistens ein anderes Aroma. Das ist bei den Tomaten und bei den Eiern. Sagen wir so: Da bin ich mir ein bisschen sicherer, dass es auch von der Qualität anspruchsvoller ist. Ich bin nun keine Großküche. Und wenn man schon mal was kauft, dann kann man sich auch mal was richtiges kaufen.“ (Herr Arnsdorf)
Die Qualitätsorientierung bedeutet nicht, dass die drei Personen durchgängig besonders teure Produkte kaufen; auch sie achten auf den Preis.
↓302 |
Produkte aus der Region werden prinzipiell positiv bewertet, allerdings liegt die Betonung dabei wiederum auf dem Geschmack. Die in der DDR Aufgewachsenen kaufen gerne Ostprodukte, vor allem aufgrund des geschätzten, bekannten Geschmacks, teilweise jedoch auch aus Solidarität. Sie äußern jedoch Ablehnung gegenüber Produkten aus der Region oder Ostprodukten, wenn diese nicht ihren Anforderungen bezüglich der Qualität (v. a. Geschmack) entsprechen. Die Qualität ist ihnen also sehr viel wichtiger als die Herkunft der Produkte.
„Sonst, wenn wir einen Apfel kaufen, kaufen wir den, weil er uns schmeckt. Und nicht ob er nun hier aus dem Umland geerntet worden ist. Die schmecken uns dann nicht.“ (Herr Freke)
„Wenn sie uns nicht schmecken kaufen wir sie nicht, nein.“ (Frau Freke)
4. Wahl der Einkaufsstätte und Einkaufsverkehr
↓303 |
Der hedonistische Anspruch zeigt sich auch bei der Wahl der Einkaufsstätte. Der Einkauf soll Spaß machen, die Warenpräsentation schön sein und die Atmosphäre in der Einkaufsstätte angenehm. Daneben erwarten die Qualitätsorientierten, dass die Einkaufsstätten Produkte in der gewünschten Qualität bieten. Diese Wünsche sehen sie vor allem in den größeren Vollsortimentern (Supermarkt und Verbrauchermarkt, teilweise auch SB-Warenhaus) verwirklicht, weswegen sie dort gern einkaufen. Eine Ausnahme stellt Herr Freke dar, der die abnehmende Qualität in dem nahe gelegenen Supermarkt, in dem er schon seit Jahren einkauft, beklagt. Deswegen weicht auch er zunehmend auf Discounter und SB-Warenhäuser aus. Discounter werden vor allem von den anderen beiden Qualitätsorientierten weniger geschätzt, dennoch kaufen sie auch dort ein.
(Frage: Was gefällt Ihnen da besser, bei Extra [Supermarkt]?)
„Also, an den Produkten. Die haben ja alles. Die haben auch preiswertere Sachen. Die haben ja, weiß ich nicht, Tip glaub ich da drinnen oder so. Aber es ist einfach die Aufmachung natürlich. Es ist ähnlich wie Kaiser’s [Supermarkt] . Es ist hell und eigentlich groß. (...) Und es ist alles so schön sortiert. Und das ist halt einfach, da macht das Einkaufen viel mehr Spaß. Das bei Plus [Discounter] ist mehr so ein Pflichteinkaufen. Man grast das halt alles ab den Zettel. Und dann geht man wieder raus. Während man bei Extra rumschlendert. Man guckt halt hier und da. Und bei den Zeitungen. Was man sonst nicht machen würde.“ (Frau Korn)
↓304 |
Frau Korn und Herr Freke, die in den Einfamilienhausgebieten wohnen, nutzen das vorhandene Auto fast immer für den Einkauf. Herr Freke gibt seine Bequemlichkeit als Grund an, warum er trotz der Einkaufsstätten in fußläufiger Entfernung mit dem Auto fährt. Frau Korn dagegen sieht angesichts der weiten Wege in Altglienicke keine Alternative zum Einkauf mit dem Auto. Herr Arnsdorf, der in Lichtenberg wohnt und kein Auto hat, kauft zu Fuß ein, häufig auf dem Weg von der ÖPNV-Haltestelle. Bezogen auf die Einkaufsmobilität stellt die einzige Gemeinsamkeit also eine Beschränkung auf ein Verkehrsmittel dar. Dabei kaufen alle drei (auch) in den nächstgelegenen Einkaufsstätten ein.
Der Spaß während des Einkaufens und der Genuss beim Essen („sich gute Produkte zu gönnen“) stehen für die Qualitätsorientierten beim Einkaufen im Vordergrund. Entsprechend sind sie nicht nur qualitätsorientiert, sondern insgesamt hedonistisch. Dies führt zur Wahl von Produkten guter Qualität, worunter eher zufällig auch Bioprodukte sein können. Die Bioprodukte werden trotz fehlendem Wissen und vorhandener Skepsis und trotz geringem Interesse an der ökologischen Landwirtschaft gekauft.
Der Supermarkt bzw. Verbrauchermarkt stellt für die Interviewten die passende Einkaufsstätte dar, teilweise werden auch Discounter und SB-Warenhäuser genutzt. Aspekte wie Umweltschutz und der Preis der Waren haben eine vergleichsweise geringe Bedeutung. Da die Qualitätsorientierten relativ gut situiert sind, spielen finanzielle Restriktionen für sie eine vergleichsweise geringe Rolle. Auch betonen sie, dass sie sich aufgrund der kleinen Haushalte Produkte guter Qualität leisten können. Bezüglich der Verkehrsmittelwahl verhalten sie sich alle monomodal. Eine geringe Bedeutung haben Umweltschutzaspekten für die Qualitätsorientierten auch bei der Wahl des Verkehrsmittels.
↓305 |
Den Qualitätsorientierten stehen derzeit Supermärkte oder Verbrauchermärkte in ihrem Wohnumfeld zur Verfügung, die sie auch für ihre Einkäufe nutzen. Jedoch kauft ein Angehöriger dieses Typs inzwischen häufig in einem Discounter oder einem weitere entfernt liegenden SB-Warenhaus, nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern auch, da die Qualität des nahe gelegenen Supermarkts in den letzten Jahren nach seiner Meinung sank. Für die Qualitätsorientierten ist also ein nahe gelegener Vollsortimenter, dessen Angebot und Atmosphäre ihnen gefällt, wichtig für den Einkauf im Wohnumfeld.
1. Lebenslage, Lebensstil und Wohnort
Die drei Fälle des Typs der Preis- und Bequemlichkeitsorientierten – es handelt sich in allen Fällen um Männer – verfügen über geringe Haushaltseinkommen. Insbesondere bei Herrn Raman liegt das Äquivalenzeinkommen sehr niedrig. Allerdings hat sich auch bei Herrn Sobbeck durch die Beendigung seiner Umschulung das Einkommen verringert, Herr Hartung erwartet, dass er nach der baldigen Beendigung seiner Ausbildung arbeitslos wird. Hier handelt es sich also insgesamt um schlecht situierte Haushalte bzw. Personen, die sich von zukünftigen finanziellen Restriktionen bedroht fühlen. Bezüglich ihres Alters, ihrer Bildungsabschlüsse und ihrer Haushaltsform bestehen hingegen deutliche Unterschiede zwischen den drei Interviewten. Auch ihre Lebensstile unterscheiden sich. Keiner der drei Männer verfügt über ein Auto.
Tabelle 7.10: Lebenslage und Wohnort der Bequemlichkeitsorientierten
Name |
Lebenslage und Wohnort |
Herr Hartung |
Herr Hartung ist 22 Jahre alt. Er lebt erst seit kurzem alleine in einer Wohnung in der Großwohnsiedlung in Lichtenberg. Davor wohnte er bei seiner Mutter in Friedrichshain. Er verfügt über die Hochschulreife und macht derzeit eine Ausbildung. Sein Haushaltseinkommen liegt bei 500-1100 €. Lebensstil: Hochkulturell Interessierte, sozial Engagierte. Er verfügt über kein Auto. |
Herr Raman |
Herr Raman ist 49 Jahre alt und in Sri Lanka aufgewachsen, seine Alltagssprache ist Tamil. Er lebt seit 20 Jahren in Deutschland, seit sieben Jahren in dem Untersuchungsgebiet Kölnische Heide. Er ist nicht erwerbstätig und hat einen Realschulabschluss. Er lebt zusammen mit Frau und zwei Kindern (eins im Alter bis sechs Jahre, eins älter). Das Haushaltseinkommen liegt bei 500-1100 €. Lebensstil: Expressiv Vielseitige. Er verfügt über kein Auto. |
Herr Sobbeck |
Herr Sobbeck ist 33 Jahre alt und in der DDR aufgewachsen. Er hat einen Hochschulabschluss. Zum Befragungszeitpunkt befand er sich in einer Umschulung, die inzwischen beendet ist. Er lebt allein in einer Altbauwohnung in Neukölln und hat ein Haushaltsnettoeinkommen von 500-1100 €. Lebensstil: Arbeits- und erlebnisorientierte, vielseitig Aktive. Er verfügt über kein Auto. |
↓306 |
Aufgrund der geringen Deutschkenntnisse von Herr Raman konnte dieses Interview nicht in der selben Tiefe geführt und im selben Umfang ausgewertet werden wie die anderen Interviews. Ein Teil der Aussagen beschränkt sich daher die anderen beiden Personen.
2. Einkaufsmotive und Bezug zum Thema Umweltschutz
Die Bequemlichkeitsorientierten sind einerseits sehr preisorientiert, andererseits besteht eine starke Orientierung an der Vereinfachung der Einkaufsabläufe, die hier unter dem Begriff der Bequemlichkeit zusammengefasst werden. Dies äußert sich in dem Wunsch nach kurzen Wegen, One-Stop-Einkauf oder dem Nichtkauf bestimmter Produkte aufgrund des Mehraufwandes. Insbesondere bei der Wahl der Einkaufsstätte zeigen sich Konflikte zwischen diesen beiden Motiven.
„Also, das nächste was geht. Das ist sehr wichtig. Jetzt habe ich die Möglichkeit bei Kaiser’s einzukaufen. Das ist das Nächste. Aber ich geh natürlich auch zu Aldi oder zu Lidl aus Kostengründen. Aber dadurch, dass Kaiser’s so nah ist nehm’ ich es in Kauf, dass es zu teuer ist.“ (Herr Hartung)
↓307 |
An Umweltschutzthemen sind die Bequemlichkeitsorientierten interessiert und schätzen allgemein die Bedeutung des Themas hoch ein. Selber verhalten sie sich jedoch beim Einkaufen aber wenig umweltfreundlich. Auffällig ist, dass sie für sich wenig Handlungsmöglichkeiten, aber auch wenig Handlungsbedarf sehen.
3. Kauf von Umweltprodukten
Obschon die Bequemlichkeitsorientierten Interesse an Bioprodukten und anderen umweltfreundlichen Produkten zeigen, scheitert deren Kauf meist am Preis oder daran, dass der Kauf als Mehraufwand wahrgenommen wird.
(Frage: Haben Sie denn in der Nähe Ihrer Wohnung die Möglichkeit, umweltfreundliche Produkte einzukaufen? Sie sagten, Kaiser’s ist da nicht so umfangreich mit seinem Angebot.)
↓308 |
„In der Nähe nicht. (...) Aber Samariter- Ecke Bänschstraße gibt es einen Bioladen. Da merkt man auch, wenn man in dem Laden ist, dass es ein teures Vergnügen ist, Bioessen. (...)“
(Frage: Was sie abhält, ist also v. a. der Preis?)
„Ja. Das ist das Entscheidende. (...) Und der Weg ist natürlich absolut unakzeptabel bis zur Bänschstraße. Das geht gar nicht.“ (Herr Hartung)
↓309 |
Teilweise spielt hierbei auch eine Vereinfachung durch Habitualisierung eine Rolle.
„Also, ich kaufe sehr oft immer das Gleiche. Ich kenne meine Produkte. Und mich regt einfach nur auf, dass es oft sehr viel eingepackt ist. Das ist aber nicht so, dass ich dann wechsle eigentlich. Weil es mir dann doch zu anstrengend ist, sag ich mal.“ (Herr Sobbeck)
Diese Personen nehmen nur bedingt das bestehende Angebot an Bioprodukten in den Einkaufsstätten war. Auch das Wissen zu Erkennungsmöglichkeiten von Bioprodukten ist teilweise gering.
↓310 |
(Frage: Gibt es denn bei Kaufland [SB-Warenhaus] oder in den anderen Geschäften, wo Sie einkaufen, gibt es da Bioprodukte?)
In Kaufland, nee, nur bei Plus [Discounter]. Da sind dann diese Kartoffel. Ja, eigene Bioprodukte in Plus. In Kaufland hab ich keine gefunden. (Herr Raman)
4. Wahl der Einkaufsstätte und Einkaufsverkehr
Die Wahl der Einkaufsstätte erfolgt nach Preis und Bequemlichkeit. Während Herr Hartung aufgrund dessen Nähe häufig in einem Supermarkt einkauft und die etwas entfernter liegenden Discounter seltener aufsucht, kaufen die anderen beiden bevorzugt in SB-Warenhäusern ein, da sie dort zu günstigen Preisen alle benötigten Produkte an einem Ort vorfinden.
↓311 |
(Frage: Was gefällt Ihnen an Kaufland besonders gut?)
„Dass man eigentlich alles beisammen hat. Also, man muss nicht in 3, 4 verschiedene Läden gehen. Kann gleich in einem Laden, wirklich in einem Geschäft, alles kaufen.“ (Herr Sobbeck)
Da alle drei nicht über ein Auto verfügen, erledigen sie ihre Einkäufe mit den Verkehrsmitteln des Umweltverbundes. Herr Hartung und Herr Sobbeck kaufen in der Regel zu Fuß ein, Herr Raman meist mit dem ÖPNV. Zum Teil nutzen sie gelegentlich das Fahrrad. Eine Ursache für die Betonung von Bequemlichkeit kann in dem Fehlen eines Autos und der geringen Nutzung des Fahrrads liegen.
↓312 |
„Wenn man mal ein bisschen mehr kauft und dann ne Langstrecke hinterlegen muss. Das ist ja eine Qual. Ich geh ja nun mal zu Fuß.“ (Herr Hartung)
5. Resümee
Bei den Preis- und Bequemlichkeitsorientierten zeigt sich am stärksten, dass sie Einkaufen als Last ansehen. Den Lebensmitteleinkauf wollen sie möglichst wenig aufwändig erledigen. Nahe gelegene Einkaufsstätten mit möglichst preiswertem Angebot oder aber Einkaufsstätten, an denen sie alle gewünschten Produkte preisgünstig bekommen, sind den Bequemlichkeitsorientierten wichtig. Beim Einkaufen fühlen sie sich durch ihre finanzielle Situation eingeschränkt. Während bei dem Typ der Preisorientierten die Sparsamkeit eher selbstverständlich ist, zeigen vor allem die beiden jüngeren Männer, dass sie sich gern mehr leisten würden. Aufgrund ihrer finanziellen Situation sind für sie jedoch einige gewünschte Produkte unerschwinglich. Ihr Desinteresse am Einkaufen kann daher auch an den finanziellen Restriktionen liegen, die ein für sie angenehmes Einkaufen unmöglich machen. Insgesamt klagt dieser Typ am stärksten über finanzielle Restriktionen. Im Vergleich zu den jungen umweltorientierten Frauen zeigen die beiden jungen Männer zwar auch Interesse an Ernährungsthemen, verknüpfen dieses aber weniger mit dem Thema Umweltschutz oder Biokauf. Obwohl Umweltschutz ihnen wichtig ist, sehen sie weniger eigene Handlungsmöglichkeiten als beispielsweise die Umweltorientierten. Außerdem schreiben sie Verantwortung für Umweltschutz anderen zu. Im Vergleich zu den Preisorientierten ist die finanzielle Situation dieser drei Männer teilweise noch angespannter bzw. sie erwarten eine zukünftige Verschlechterung ihrer finanziellen Lage. Da sie im Gegensatz zu den Preisorientierten kein Auto zur Verfügung haben, könnte die Betonung des bequemen Einkaufs auch darauf zurück zu führen sein, dass sie in Bezug auf den Einkauf zu Fuß und mit dem ÖPNV in ihrem Aktionsraum (und den zur Verfügung stehenden Transportmöglichkeiten) eingeschränkt sind. Jedoch erwähnen sie auch über die Wahl der Einkaufsstätte und den Einkaufsweg hinaus den Aspekt der Bequemlichkeit.
1. Lebenslage, Lebensstil und Wohngebiet
Den Typ der umweltdistanzierten Ostorientierten bilden zwei Männer mittleren Alters, die beide in der DDR aufgewachsen sind. Sie leben mit Partnerin bzw. Familie zusammen schon viele Jahre am selben Ort. Bezüglich der Lebensstile wurden sie den Sachlich-pragmatisch Qualitätsbewußten zugeordnet. In Bezug auf den Bildungsabschluss und die Berufssituation zeigen sich hingegen deutliche Unterschiede zwischen ihnen. Beide Männer haben ein Auto zur Verfügung.
↓313 |
Tabelle 7.11: Lebenslage und Wohnort der umweltdistanzierten Ostorientierten
Name |
Lebenslage und Wohnort |
Herr Kabisch |
Herr Kabisch ist 62 Jahre alt und nicht mehr erwerbstätig. Er wohnt mit seiner noch erwerbstätigen Frau zusammen in einem Einfamilienhaus in Altglienicke. Hier lebt er seit 1981. Ihre Kinder wohnen inzwischen nicht mehr zu Hause. Er ist in der DDR aufgewachsen und hat einen Hauptschulabschluss. Das Haushaltsnettoeinkommen liegt zwischen 1100 und 2000 €. Lebensstil: Sachlich-pragmatisch Qualitätsbewußte. Er verfügt über ein Auto. |
Herr Hinrichs |
Herr Hinrichs ist 48 Jahre alt und in der DDR aufgewachsen. Er hat einen Hochschulabschluss (Promotion) und arbeitet als Vertreter. Zusammen mit seiner ebenfalls erwerbstätigen Frau und drei Kindern (zwei im Alter von 7 bis 18, eines über 18 - derzeit bei der Bundeswehr) wohnt er seit 15 Jahren in Lichtenberg. Zu seinem Haushaltseinkommen hat Herr Hinrichs keine Angaben gemacht. Lebensstil: Sachlich-pragmatisch Qualitätsbewußte. Er verfügt über ein Auto. |
2. Einkaufsmotive und Bezug zum Thema Umweltschutz
Die Ostorientierten zeigen sehr großes Interesse an Lebensmitteln aus Ostdeutschland. Die Gründe hierfür sind zum einen der Geschmack dieser Produkte, den sie aus der DDR-Zeit gewohnt sind und weiterhin bevorzugen, zum anderen die Solidarität mit Ostbetrieben, da diese Arbeitsplätze in Ostdeutschland erhalten bzw. schaffen. Beide Aspekte können auf die Sozialisation in der DDR und die weiterhin bestehende Verbundenheit mit Ostdeutschland zurückgeführt werden.
„Aber es ist entscheidend auch für das Kaufverhalten, dass man sagt, wenn schon, dann lieber die Produkte, die aus unserer ehemaligen DDR kommen. Weil da eben Arbeitsplätze dran hängen. Und man glaubt, denen dadurch ein bisschen helfen zu können, wenn die Produkte, die sie da anbieten auch abgekauft werden.“ (Herr Kabisch)
↓314 |
„Und ich muss mal sagen, bei gewissen Sachen, die den Geschmack betreffen, da bin ich auch recht konservativ und sehe zu, dass ich die alten Ostsachen irgendwo auftreibe. Wenn also die OSTPRO-Messe ist und ich hab Zeit, dann geh ich dort hin. Es gab auch in Marzahn mal einen Laden, verbunden mit einem günstigen Parkplatz, das ist für mich immer wichtig, wo es recht viele solcher Ostprodukte gab. Und da hab ich dann ganz gezielt eingekauft. Wobei ich nicht so sehr auf den Preis da geguckt habe, sondern da ging das wirklich um die Sachen als solche.“ (Herr Hinrichs)
Daneben sind wichtige Orientierungen bei beiden Preis und Erreichbarkeit, wobei der Preis bei Herrn Kabisch im Vordergrund steht, die Erreichbarkeit für Herrn Hinrichs eine größere Bedeutung hat. Umweltschutz stellt dagegen kein zentrales Thema dar. Beide Männer distanzieren sich sogar direkt von besonders umweltengagierten Personen. Dennoch sind sie bereit, sich umweltfreundlich zu verhalten, solange dies mit keinem großen Aufwand verbunden ist. Allerdings informieren sie sich zu Umweltschutzthemen nicht gezielt. Entsprechend wenig informiert zeigen sie sich zum Thema umweltfreundliches Einkaufen.
„Nee, da hab ich nicht (...) darüber länger nachgedacht (...) bis jetzt und ich eben auch nicht so ein Umweltfreak bin, der sich gezielt damit auseinandersetzt oder mit anderen Menschen darüber spricht, ist das eher zweitrangig für mich. Wenn man dann die Möglichkeit hat zu wählen, dann guckt man schon mal nach was dann von den Produkten mehr Aufwand erfordert. Oder Verpackungsmüll, den man sich an den Hals holt. Aber sonst, ökologisches Denken, nee. Das geht an mir vorbei. (...) Die Aufnahmebereitschaft dafür ist nicht da. Ich denke, jetzt bist du schon so alt geworden. Jetzt machst du nichts Neues mehr.“ (Herr Kabisch)
↓315 |
Bezogen auf umweltfreundliche Lebensmittel zeigen sie insbesondere Interesse an Produkten aus der Region bzw. an kurzen Transportwegen. Auf andere Aspekte achten sie dagegen wenig, wobei für Herrn Hinrichs teilweise Tierschutz und gesunde Ernährung wichtig sind. In Bezug auf die Lebensmittelproduktion zeigen sie sich zufrieden mit der konventionellen Landwirtschaft. Entsprechend wenig Vorteile sehen sie bei der ökologischen Landwirtschaft.
„Biologischer Anbau, ich weiß auch nicht, das mag sicherlich Sinn machen. Aber die ganz normale Landwirtschaft mit den entsprechenden Düngemitteln und allem, das reicht eigentlich aus nach meiner Meinung.“ (Herr Hinrichs)
3. Kauf von Umweltprodukten
Der Schwerpunkt bei den Ostorientierten bezüglich des Kaufs von umweltfreundlichen Lebensmitteln liegt eindeutig auf dem Kauf von Ostprodukten bzw. regionalen Produkten. Da sie an Bioprodukten kein Interesse haben, kaufen sie diese nicht.
↓316 |
„Also, gezielt nach umweltfreundlichen Lebensmitteln geh ich nicht. Also, da nun irgendwo einen grünen Umweltschutzengel suchen oder dergleichen. Das such ich nicht. Was ich gerne hätte, das sind Nahrungsmittel aus der Umgebung, die möglichst nicht so weit transportiert werden müssen. Trotzdem hab ich natürlich immer gern meine frischen Bananen und meine frischen Apfelsinen. Obwohl ich weiß, dass sie nicht aus der Gegend kommen. Aber wenn es Äpfel aus Brandenburg gibt, kauf ich halt Äpfel aus Brandenburg. Wenn halt welche aus Südtirol im Regal liegen. Na, da kauf ich halt die, die da liegen. Also, ich würde nicht extra in einen Laden gehen, nur um dort Äpfel aus der Region zu holen. Ich würde es aber begrüßen, wenn mehr Dinge aus der Region angeboten würden. Und dann guck ich allerdings auch gezielt danach. Die nehmen wir dann auch, wenn sie da sind.“ (Herr Hinrichs)
4. Wahl der Einkaufsstätte und Einkaufsverkehr
Während sie sich bei frischen Lebensmitteln zwar Produkte aus der Region wünschen, nehmen sie dafür keinen besonderen Aufwand auf sich. Anders sieht es bei den Ostprodukten aus, also bei verarbeiteten Produkten ehemaliger DDR-Marken mit dem altbekannten Geschmack. Für diese sind sie bereit, mehr zu zahlen oder weitere Wege in Kauf zu nehmen. Das Angebot an Ostprodukten bestimmt entsprechend die Wahl der Einkaufsstätte mit.
„Jetzt fahren wir nach Adlershof, zum Kaufland. [SB-Warenhaus im benachbarten Stadtteil]. Vorher sind wir einmal im Monat nach Eiche gefahren. Das ist oben die Nordostgrenze vom Stadtgebiet. Da sind wir dann einmal im Monat hin mit so einer riesen Liste und haben das Auto vollgehauen. Weil die eben viele ehemalige DDR-Produkte, also Produkte, die wir gewohnt waren zu kaufen, [haben]. Das fängt bei Spee an und endet sonst wo.“ (Herr Kabisch)
↓317 |
Bezüglich der Wahl der Verkehrsmittel zeigen sich kaum Gemeinsamkeiten. Zwar nutzen beide hauptsächlich das Auto, aber in unterschiedlichem Maße: Herr Hinrichs ist beruflich viel mit dem Auto unterwegs und erledigt Einkäufe häufig unterwegs oder auf dem Rückweg von der Arbeit. Damit kauft er fast immer mit dem Auto ein – trotz der guten nahräumlichen Einkaufsmöglichkeiten. Herr Kabisch dagegen nutzt das Auto meist nur für größere Einkäufen, kleinere Einkäufe erledigt er mit den Verkehrsmitteln des Umweltverbunds im alten Dorfkern von Altglienicke.
5. Resümee
Ein wichtiger Aspekt der Ostorientierten ist ihre Sozialisation und lange Wohndauer in der DDR. Sie haben sich geschmacklich an die dort typische Verarbeitung der Lebensmittel gewöhnt und verbinden diesen Aspekt mit einem eher politischen: der gezielten Unterstützung der neuen Bundesländer. Für den Kauf von Ostprodukten sind beide zu weiten Wegen bereit, wofür sie das Auto benutzen (müssen). Hier besteht also ein Zusammenhang zwischen der Produkt-, Einkaufsstätten- und Verkehrsmittelwahl. Ein Angebot an Ostprodukten in der Nähe ihrer Wohnung kann bei den Ostorientierten demnach weite Wege verkürzen.
Aber auch andere Aspekte können auf die Ostsozialisation zurückgeführt werden. So gehörte Umweltschutz in der DDR weniger zur sozialen Norm und das Thema ist noch heute bei Ostdeutschen in geringerem Umfang moralisch aufgeladen (vgl. Kapitel 3.3.4). Entsprechend können die beiden sehr viel klarer als die anderen Interviewten äußern, dass Umweltschutz.B. i ihnen keine hohe Priorität genießt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie ein weniger umweltfreundliches Verhalten zeigen. Gerade ihr Interesse an Ostprodukten können sie gut mit der Ablehnung von weiten Transportwegen, auch aufgrund des entstehenden Energieverbrauchs, verbinden. Auch äußern die beiden deutlich, dass sie an Bioprodukten nicht interessiert sind. Entsprechend zeigen sie sich zu diesem Thema auch wenig informiert. Die Wertschätzung der konventionellen Landwirtschaft kann auch als Wertschätzung der DDR-Landwirtschaft interpretiert werden. Neben dem Kauf von Ostprodukten sind auch bei den Ostorientierten weitere Einkaufsmotive, vor allem der Preis, von Bedeutung.
↓318 |
In den Haushalten der beiden Ostorientierten ist - im Gegensatz zu den Haushalten der meisten anderen Interviewten - die traditionelle geschlechtsspezifische Aufgabenverteilung aufgebrochen. Herr Hinrichs erledigt fast ausschließlich die Haushaltseinkäufe, Herr Kabisch macht zwar die Großeinkäufe zusammen mit seiner Frau, zwischendurch kümmert jedoch er sich um das Einkaufen. Als Grund benennen sie die stärkere berufliche Einspannung ihrer Frauen.
Die Einkaufsorientierungen stellen in den qualitativen Interviews zentrale Aspekte der heterogenen Verhaltensweisen beim Einkaufen dar, auch für die umweltrelevanten Verhaltensweisen. Die unterschiedlichen Orientierungen sind nicht nur für die Personen des jeweiligen Umwelteinkaufstyps von Belang, haben für diese aber die größte Bedeutung. Neben den Einkaufsorientierungen zeigen auch das Angebot im Wohnumfeld, die Lebenslage und weitere Einflussgrößen eine Bedeutung für das Einkaufsverhalten, wobei diese Aspekte untereinander Zusammenhänge aufweisen. Die Einflussgrößen sind häufig sowohl Restriktionen als auch Dispositionen, je nach Verhaltensweise oder auch je nach den weiteren Motiven oder Rahmenbedingungen. Auf die Bedeutung der unterschiedlichen Einflussfaktoren für das Umweltverhalten wird im Folgenden genauer eingegangen. Neben den bereits bei den einzelnen Typen genannten Punkten fließen weitere Ergebnisse der qualitativen Interviews in diese vergleichende Betrachtung ein. Abschließend werden Ergebnisse zum Zusammenhang zwischen den umweltfreundlichen Verhaltensweisen der drei Teilbereiche des Einkaufens dargestellt. Zunächst erfolgt ein Vergleich zu den Ergebnissen der Gruppen ähnlichen Verhaltens sowie Typologien anderer Studien. Dies dient auch der Überprüfung der Validität der Ergebnisse.
Im Folgenden werden die Umwelteinkaufstypen mit den Gruppen ähnlichen Verhaltens (Kapitel 7.1.2) verglichen, um die gefundenen Typen in der Gesamtgruppe der Befragten zu verorten. Außerdem werden die Umwelteinkaufstypen mit den in Kapitel 3.3.4 dargestellten Konsumstilen und Zielgruppen des Biokaufs, die das ISOE entwickelt hat, in Bezug gesetzt, um die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit extern zu validieren.
↓319 |
Die Umwelteinkaufstypen zeigen einige Übereinstimmungen mit den Gruppen ähnlichen Verhaltens. In Übereinstimmung mit den Gruppen ähnlichen Verhaltens konzentrieren sich bei den Umwelteinkaufstypen die Personen mit Sozialisierung in der DDR in den sich wenig umweltfreundlich verhaltenden Typen. Insbesondere zwischen den Umwelt- und Gesundheitsorientierten und den beiden BiokäuferInnen-Gruppen bestehen Parallelen: Sie sind überwiegend in der BRD aufgewachsen, weiblich und verfügen über hohe Schulabschlüsse. Diese Gruppen machen jedoch in der quantitativen Erhebung nur einen geringen Anteil der Befragten aus. Während diese Typen Übereinstimmungen mit einzelnen Gruppen zeigen, gilt dies nicht für die anderen Umwelteinkaufstypen. Allerdings erfolgte auch die Typenbildung nicht anhand derselben Merkmale, so dass Unterschiede zu erwarten waren.
Zu den Konsumstilen des ISOE (Empacher et al., 1999, siehe auch Kapitel 3.3.4) zeigen die Umwelteinkaufstypen sowohl hinsichtlich der Kombination bestimmter Orientierungen als auch der Lebenslage Übereinstimmungen. Dies gilt ebenfalls insbesondere für die Umweltorientierten und die Gesundheitsorientierten. Jedoch weisen auch die Bequemlichkeits- und die Preisorientierten Parallelen zu einzelnen Konsumstilen auf.
↓320 |
Zu den Ost- und Qualitätsorientierten existieren bei den ISOE-Konsumstilen keine direkten Pendants – wobei durchaus einige Konsumstile sich auch an der Qualität orientieren. Andererseits zeigt in der vorliegenden Studie die Distinktions- und Statusorientierung keine Bedeutung, die für den Konsumstil der Privilegierten als wesentlich herausgearbeitet wurde. Da sich die Konsumstile nicht auf den Lebensmitteleinkauf beschränken, ist diese Orientierung eventuell eher in anderen Bereichen wichtig.
Zu den Zielgruppen für Bioprodukte (Birzle-Harder et al., 2003; Hayn und Schultz, 2004, siehe auch Kapitel 3.3.4), bei der nur BiokäuferInnen berücksichtigt wurden, bestehen ebenfalls Parallelen:
↓321 |
Zwei der Zielgruppen, die 50+-Gesundheitsorientierten und jungen Unentschiedenen, tauchen in der vorliegenden Arbeit nicht auf. Beides sind Gruppen mit eher einfachen Schulabschlüssen, die in der vorliegenden Arbeit wenig vertreten sind; die 50+-Gesundheitsorientierten wohnen außerdem meist auf dem Land oder in kleinen Städten.
Insgesamt lassen sich vor allem die Gesundheitsorientierten und Umweltorientierten bei anderen Typologien zu nachhaltigem Konsum und zum Biokauf, aber auch bei den Gruppen ähnlichen Verhaltens in der vorliegenden Arbeit, wiederfinden. Dies gilt sowohl für die Lebenslagemerkmale als auch die Verhaltensweisen und Orientierungen. Zu den Konsumstilen des ISOE bestehen aber auch bei weiteren Typen Übereinstimmungen, die die Zusammenhänge zwischen Lebenslage und Orientierungen, die in der vorliegenden Arbeit festgestellt wurden, stützen.
Die Bedeutung der sechs als zentral herausgearbeiteten Orientierungen Umweltschutz, Gesundheit, Preis, Qualität/Genuss, Ostprodukte und Bequemlichkeit für das Umweltverhalten beim Lebensmitteleinkauf wird im Folgenden anhand der Ergebnisse der qualitativen Interviews dargestellt und, wo vorhanden, mit der Literatur verglichen.
Umweltschutz
↓322 |
Die Einstellungen zum Thema Umweltschutz sind für das umweltfreundliche Verhalten von Bedeutung, sowohl bei der Wahl der Verkehrsmittel als auch der Produktwahl. Die Personen, die sich beim Einkaufen besonders am Thema Umweltschutz orientieren, zeichnen sich im Vergleich zu den anderen Interviewten durch die Fähigkeit zur kritischen Selbstreflexion ihres Umweltverhaltens aus. Sie können sowohl mehrere Bereiche nennen, in denen sie auf umweltfreundliches Verhalten achten, als auch Bereiche, in denen sie sich wenig umweltfreundlich verhalten. Dagegen nennen gerade die wenig am Thema Umweltschutz orientierten Personen keine Bereiche in denen sie Probleme haben umweltfreundliche Verhaltensweisen umzusetzen. Zwischen den Interviewten bestehen nicht nur Unterschiede bezüglich der Bedeutung, die das Thema Umweltschutz für sie persönlich hat, sondern sie bewerten auch die eigenen Handlungsmöglichkeiten und ihre eigene Verantwortung für den Umweltschutz unterschiedlich. Auf die Verhaltensrelevanz dieser unterschiedlichen „Umweltmentalitäten“ weist die Münchner Projektgruppe für Sozialforschung hin (siehe Kapitel 3.3.4).
Bei vielen Interviewten ist Tierschutz eng mit dem Thema Umweltschutz verknüpft. Tierschutzmotive können den Kauf von Bioprodukten, aber auch anderer Produkte aus artgerechter Tierhaltung, fördern. Auch einer vegetarischen Ernährung liegen teilweise Tierschutzmotive zugrunde. Da in Bioeinkaufsstätten spezielle vegetarische Produkte angeboten werden, die der konventionelle LEH nicht im Sortiment führt, unterstützt die vegetarische Ernährung den Kauf von Bioprodukten, insbesondere in speziellen Bioeinkaufsstätten. Allerdings benennen einige Interviewte Tierschutz als wichtiges Anliegen, ohne daraus Handlungskonsequenzen zu ziehen. Auch greifen nicht alle VegetarierInnen auf die speziellen Bioeinkaufsstätten und deren Angebot zurück.
Gesundheit
Gesunde Ernährung ist für viele KonsumentInnen ein wichtiges Thema, wie auch andere Studien zeigen (Birzle-Harder et al., 2003; Kropp und Sehrer, 2004; Michels et al., 2004). Während dies bei einigen Interviewten ein Motiv für den Kauf umweltfreundlicher Produkte, insbesondere von Bioprodukten, darstellt, legen andere zwar Wert auf gesunde Ernährung, dies führt jedoch nicht zum Kauf von Umweltprodukten.
↓323 |
Gesunde Ernährung kann aufgrund einer Schwangerschaft oder der Verantwortung für Kinder, insbesondere wenn diese Allergien oder Neurodermitis haben, an Bedeutung gewinnen, wie am Beispiel der Gesundheitsorientierten zu sehen ist. Dies wird bei ihnen als Grund für den Kauf von Bioprodukten, bei Allergien insbesondere in speziellen Bioeinkaufsstätten, genannt. Allerdings zeigt das Verhalten anderer Interviewter, dass auch bei bestehenden Allergien der Kinder nicht zwangsläufig auf Bioprodukte zurückgegriffen wird.
Ein wichtiges Thema bei der gesunden Ernährung stellt die Lebensmittelsicherheit dar, wobei diese vor allem in Bezug auf Lebensmittelskandale benannt wird. So vermeiden einige Interviewte einzelne Produkte aus bestimmten Ländern (z. B. Rindfleisch aus Europa wegen BSE, Erdbeeren aus Spanien aufgrund von Pestiziden). Dies kann zu einem besonders umweltfreundlichen Einkaufsverhalten führen, wenn deshalb verstärkt Produkte aus der Region Berlin-Brandenburg oder Deutschland gekauft werden, denen einige mehr Vertrauen schenken. Jedoch kommt es auch aufgrund des Wunschs nach sicheren Lebensmitteln zu besonders weiten Transportstrecken, beispielsweise wenn Rindfleisch nur noch aus (dem angeblich BSE-freien) Amerika gekauft wird. Damit existiert eine Verknüpfung zwischen Lebensmittelsicherheit und Produktherkunft. Ebenfalls aus Sicherheits- und Gesundheitsmotiven lehnen einige Interviewte genmanipulierte Lebensmittel ab, was teilweise den Kauf von Bioprodukten unterstützt.
Preis
Der Preis von Produkten stellt für die meisten Interviewten ein wichtiges Kriterium beim Kauf von Lebensmitteln dar. So nennen viele den höheren Preis der Bioprodukte als wichtiges Hindernis für deren Kauf. Damit bestätigen sich die Ergebnisse anderer Studien, die den höheren Preis der Bioprodukte als wichtige Barriere benennen (Birzle-Harder et al., 2003; BLE, 2004; Meier-Ploeger et al., 1997). Selbst für die Umweltorientierten ist der höhere Preis der Bioprodukte eine wichtige Barriere, so dass sie teilweise aus Kostengründen einen Teil ihrer Lebensmittel im Discounter kaufen.
Genuss und Qualität
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Einkaufen kann als genussvolles Ereignis betrachtet werden. So suchen sich die Qualitätsorientierten Einkaufsstätten mit angenehmer Atmosphäre aus, die Umweltorientierten verbinden das Einkaufen teilweise mit einem „Kiezbummel“. Andere dagegen sehen Einkaufen als lästige Notwendigkeit an, was sich insbesondere bei den Bequemlichkeitsorientierten bemerkbar macht. Entsprechend wenig aufwändig soll bei ihnen der Einkauf sein. Eine Studie zu Konsumorientierungen kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Frage, inwiefern der Konsum als etwas kreativ Gestaltbares oder als Last angesehen wird, einen wichtigen Einfluss auf das Konsumverhalten hat (Empacher et al., 2002). Genuss ist auch ein wichtiges Motiv, um Lebensmittel mit hoher Qualität, die gut schmecken und frisch sind, zu kaufen. Dies kann zum Kauf von Bioprodukten und regionalen Produkten führen.
Ostprodukte
Aufgrund ihrer Ostorientierung kaufen einige Interviewte gerne Produkte aus den neuen Bundesländern. Dafür stellt die Solidarität mit den Menschen oder für Arbeitsplätze im Osten ein wichtiges Motiv dar, aber auch der aus DDR-Zeiten vertraute Geschmack. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Studie von Kutsch und Werner (2002).
Bequemlichkeit
Bequemlichkeit bzw. die Notwendigkeit, das Einkaufen möglichst wenig aufwändig zu gestalten, kann einen Einfluss auf die Verkehrsmittelwahl, die Lage der Einkaufsstätte oder den Kauf von Umweltprodukten haben. Besonders wichtig ist eine einfache und bequeme Gestaltung des Einkaufens den Bequemlichkeitsorientierten; aber auch den familiär eingebundenen Gesundheitsorientierten ist dies sehr wichtig. Heinritz et al. weisen darauf hin, dass Bequemlichkeit im Zuge einer wahrgenommenen Zeitknappheit insbesondere bei jüngeren Singles in Städten für die als lästig angesehen Bedarfseinkäufe wichtiger wird (vgl. Heinritz et al., 2003).
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Neben den Einkaufsorientierungen hat vor allem die Lebenslage Bedeutung für das Einkaufsverhalten, wobei zwischen beiden Aspekten oft Verknüpfungen bestehen.
Familiäre Einbindung und soziales Umfeld
Anhand der Interviews konnte insbesondere die familiäre Einbindung als wichtige Rahmenbedingung herausgearbeitet werden. So zeigt sich bei den Umwelteinkaufstypen, dass die Verantwortung für die Ernährung anderer, insbesondere von Kindern, ein wichtiger Einflussfaktor für das Einkaufen darstellt. Jedoch existieren differeierende Vorstellungen davon, worauf die Ernährungsverantwortlichen vorwiegend achten sollen.
Auch sonst hat die Haushaltssituation eine große Bedeutung für das Einkaufsverhalten. So bietet eine geringe Haushaltsgröße die Möglichkeit zum Kauf teurer Lebensmittel bzw. begünstigen die geringen Einkaufsmengen das Einkaufen ohne Auto. Auf der anderen Seite erfordert die Verantwortung für die Ernährung der Familie (sowie insgesamt die Reproduktionsarbeit) einen hohen Zeitaufwand, weshalb eine Vereinfachung des Alltags angestrebt wird. Die Bedeutung der Zeitknappheit für das Einkaufsverhalten zeigt sich auch bei einigen Ernährungsstilen des ISOE (Hayn, 2005). Ähnlich wie die familiäre Einbindung kann auch die berufliche Einbindung zu Zeitknappheit führen.
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Familienmitglieder oder auch andere MitbewohnerInnen können durch ihre Wünsche das Einkaufsverhalten der anderen Haushaltsmitglieder beeinflussen. Auch das weitere soziale Umfeld nennen einige Interviewte als wichtigen Bezugspunkt für das Einkaufsverhalten, vor allem für die Produktwahl.
Finanzielle Situation und Bildung
Nicht nur die familiäre, auch die finanzielle Situation stellt eine wichtige Disposition oder Restriktion für das Umweltverhalten beim Einkaufen dar. Knappe finanzielle Ressourcen sind für manche Interviewte ein Grund für die Orientierung an den Produktpreisen sowie allgemein für eine Kostenreduktion. Auf der anderen Seite führt das Gefühl, sich „etwas gönnen zu wollen“ und dies auch zu können, also über einen gewissen finanziellen Spielraum zu verfügen, bei den Qualitätsorientierten zum Kauf von Premiumprodukten.
Eine Orientierung am Preis beruht jedoch nicht nur auf der finanziellen Situation. Dies zeigt sich bei einem Vergleich der Gesundheits- und Preisorientierten. Bei beiden ist die Verantwortung für die Familie ein wichtiger Bezugspunkt. Während bei den Gesundheitsorientierten die Verantwortung für die Gesundheit der Familie im Vordergrund steht, ist bei den Preisorientierten die preiswerte Versorgung der Familie wichtiger – obwohl ihnen nicht unbedingt geringere Einkommen zur Verfügung stehen. Den unterschiedlichen Orientierungen liegen Einstellungsdifferenzen zugrunde. Die Zuordnung zu den unterschiedlichen Umwelteinkaufstypen zeigt außerdem eine Übereinstimmung mit den Bildungsabschlüssen, die auch als Indiz für die Zugehörigkeit zu verschiedenen Schichten angesehen werden können. Dabei hat die Orientierung an einer gesunden Ernährung vor allem bei den Frauen mit hohen Schulabschlüssen Bedeutung, dagegen orientieren sich die Frauen mit geringeren Bildungsabschlüssen eher am Preis.
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Sparsamkeit kann auch umweltfreundliches Verhalten unterstützen, zum Beispiel durch die Reduktion des Verbrauchs an Energie, Wasser, Putzmitteln etc. sowie einer Reduktion der Nutzung des MIV oder des ÖPNV. So nutzt ein Interviewter aus Kostengründen bei kurzen Einkaufswegen statt des Autos den Bus oder er geht zu Fuß. Andere Interviewte halten dagegen die Nutzung des ÖPNV für besonders teuer, insbesondere aufgrund einer aktuellen Preiserhöhung zum Zeitpunkt der Interviews. Während einige statt des ÖPNV den MIV oder das Fahrrad nutzen, versuchen andere die Anzahl weiterer Wege zu reduzieren.
Ort des Aufwachsens
Unterschiede sind in den Interviews teilweise zwischen Personen, die in der DDR und in der alten BRD aufgewachsen sind, erkenntlich. Während bei den Ostorientierten die Herkunft aus der DDR ein klarer Bezugspunkt für ihr Verhalten ist, zeigt sich bei den Umwelt und Gesundheitsorientierten, dass teilweise bereits in deren Kindheit und Jugend das Thema Umweltschutz – gerade auch in Verbindung mit gesunder Ernährung, Vollkorn- und Bioprodukten – ein wichtiges Thema im Elternhaus darstellte. Dies kann als typisch westdeutsche Entwicklung in den 1970er und 1980er Jahren angesehen werden. Unterschiede aufgrund der Herkunft können auch bezüglich der Umweltmentalität gesehen werden. Umweltschutz hat dabei insgesamt in Westdeutschland eine höhere moralische Aufladung erfahren (vgl. Kapitel 3.3.4).
Geschlecht
Einige Umwelteinkaufstypen bestehen jeweils nur aus Männern oder Frauen. Als ein Grund kann die Differenz in den Rollen in der Familie gesehen werden: Während 71 % der Frauen in Mehrpersonenhaushalten die Verantwortung für die Ernährung der Familie allein tragen, sind es nur 10 % der Männer (Stieß und Hayn, 2005). Dies kann erklären, warum die Preis- und Gesundheitsorientierten, bei denen die Verantwortung für die Ernährung der Familie ein wichtiger Aspekt ist, Frauen sind, nicht jedoch die Konzentration von Frauen oder Männern in den anderen Typen.
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Das Angebot im Wohnumfeld spielt für den Umwelteinkauf ebenfalls eine wichtige Rolle. So ermöglicht das Angebot in den Gründerzeitgebieten den Umweltorientierten erst ihr umweltfreundliches Einkaufsverhalten. Außerdem unterscheiden sich je nach Orientierung und Rahmenbedingungen die Ansprüche der KonsumentInnen an das Angebot im Wohnumfeld.
Die Bedeutung des Wohnumfelds zeigt sich insbesondere bei den Personen, die im Interview von ihrem Einkaufsverhalten vor und nach einem Umzug zwischen zwei unterschiedlichen Wohngebieten berichten. Im Zuge dieser Umzüge kann sich die Art der Einkaufsstätte, in der vor allem eingekauft wird, das Verkehrsmittel beim Einkaufen und der Kauf bestimmter Produkte ändern. Als Grund werden dabei neue Angebotsstrukturen oder das Fehlen von (nahräumlichen) Einkaufsmöglichkeiten am neuen Wohnort benannt.
Auch das Fehlen von (bequemen, kostenlosen) Parkmöglichkeiten kann den Einkauf in den nahe gelegenen Einkaufsstätten verhindern, wenn der Pkw unabhängig von der Distanz als Verkehrsmittel genutzt wird. Damit erhöhen sich die Wegelängen. Fehlende Parkplätze behindern zum Teil auch den Kauf von umweltfreundlichen Produktalternativen. Dies gilt insbesondere für den Kauf von Mehrwegflaschen bei Getränken, bei denen die Nutzung des Autos als Transportmittel als besonders wichtig angesehen wird. Das Fehlen von Parkmöglichkeiten kann aber auch den Kauf in speziellen Bioeinkaufsstätten verhindern.
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Einige Interviewte bemängeln das Fehlen spezieller Bioeinkaufsstätten. Dies führt zum Kauf von Bioprodukten im Supermarkt oder zur Reduktion des Kaufs von Bioprodukten. Andere kaufen die Bioprodukte gerade deshalb, weil sie diese in den Einkaufsstätten des konventionellen LEH, in denen sie ohnehin einkaufen, vorfinden. Daneben werden auch fehlende preiswerte Einkaufsstätten in der Nähe ebenso wie das Fehlen kleinerer Einkaufsstätten bemängelt. Inwiefern Angebotslücken im Wohnumfeld zu weiteren Einkaufswegen führen, hängt insbesondere von den Orientierungen ab.
Neben der Lebenslage, den zentralen Orientierungen und dem Wohnumfeld zeigen auch Wissen, Lebensstil und Gewohnheiten Bedeutung.
Zwischen den Umweltorientierten und Gesundheitsorientierten auf der einen Seite und den anderen Umwelteinkaufstypen auf der anderen bestehen Unterschiede bezüglich des Wissens zu den Themen Ernährung und Umweltschutz, insbesondere zu Bioprodukten. Das Wissen weist dabei eine enge Verknüpfung mit dem Interesse an diesen Themen auf. Hinsichtlich der Bioprodukte bestehen bei den weniger gut informierten Interviewten Zweifel an deren Echtheit oder deren Vorzügen. Dennoch kaufen einige die Bioprodukte, wie sich bei den Qualitätsorientierten zeigt. Ein besonderes Misstrauen besteht bei einigen Interviewten gegenüber Bioprodukten im LEH. Auf dieses Problem weisen auch andere Studien hin (vgl. Kapitel 2.4.2). Allerdings zeigen andere Interviewte ein größeres Misstrauen gegenüber Bioprodukten im Direktverkauf als im LEH, da sie den großen Einzelhandelsunternehmen besonders viel Vertrauen schenken.
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Die Lebensstile der Personen der meisten Umwelteinkaufstypen sind weitgehend homogen. Ebenso wie bei Hilpert und Steinhübl (1998) unterscheidet sich also die Bedeutung einzelner Einkaufsorientierungen zwischen den Lebensstiltypen.
Von einigen Interviewten wurden Gewohnheiten als Grund für bestimmte Verhaltensweisen benannt. Wie in Kapitel 2.1 dargestellt, sind Gewohnheiten und Routinen für das Einkaufsverhalten von großer Bedeutung. Gewohnheiten stellen für die Interviewten sowohl Dispositionen als auch Restriktionen des Umweltverhaltens dar.
Sowohl bei den Umwelteinkaufstypen als auch anhand der dargestellten Einflussfaktoren sind ganz spezifische Kombinationen von Verhaltensweisen aus den unterschiedlichen Teilbereichen zu identifizieren. Zum einen wurde bei den einzelnen Einflussfaktoren aufgezeigt, dass diese bei mehreren Verhaltensweisen relevant sein können. Zum anderen bestehen aber auch direkte Verknüpfungen zwischen den Verhaltensweisen der unterschiedlichen Teilbereiche.
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Einzelne Restriktionen und Dispositionen sind für mehrere Verhaltensbereiche von Bedeutung. Genuss kann sowohl bei der Wahl der Art der Einkaufsstätte als auch bei der Wahl von Produkten als Orientierung dienen, wohingegen Bequemlichkeit die Wahl der Einkaufsstätte, die Produktwahl und die Verkehrsmittelwahl beeinflussen kann. Die Orientierung am Preis (bzw. den Kosten) und an dem Aspekt Umweltschutz können beide sowohl für den Kauf von Umweltprodukten als auch die Verkehrsmittelwahl als Restriktion oder Disposition wirken. Von den Merkmalen der Lebenslage spielt vor allem die Haushaltsform und die familiäre Einbindung in allen drei Bereichen eine Rolle. Die finanzielle Situation kann sowohl die Wahl bestimmter Produkte als auch die des Verkehrsmittels beeinflussen. Der Ort des Aufwachsens ist dagegen vor allem für den Kauf bestimmter Produkte relevant.
Restriktionen oder Dispositionen einer Verhaltensweise haben jedoch aufgrund der Verknüpfung der drei Teilbereiche des Einkaufens häufig ebenfalls einen Einfluss auf andere Verhaltensweisen. Die Verkehrsmittelwahl kann die Wahl der Einkaufsstätte beeinflussen. So wählen AutofahrerInnen gezielt Einkaufsstätten mit guten Parkmöglichkeiten. Außerdem kann die Entscheidung, bestimmte Produkte zu kaufen, für die Wahl der Einkaufsstätte von Relevanz sein, wodurch aufgrund der Lage der Einkaufsstätte auch die Verkehrsmittelwahl betroffen ist. Je nach Motiv kann dann das Fehlen der gewünschten Einkaufsstätten oder der gewünschten Produkte im Wohnumfeld dazu führen, dass weit entfernt liegende Einkaufsstätten aufgesucht werden. Dies unterstützt wiederum den Einkauf mit dem Auto, wenn eines im Haushalt vorhanden ist.
Insbesondere die Orientierung am Preis und der Wunsch nach dem Kauf von Ostprodukten führt zu weiten Wegen. So geben einige Interviewte an, dass sie aus Kostengründen weiter entfernt gelegene, besonders preiswerte Einkaufsstätten frequentieren. Auch andere Studien kommen zu dem Ergebnis, dass das Fehlen preisgünstiger Einkaufsstätten im Wohnumfeld das Einkaufen im eigenen Wohnquartier behindert (z.B. Holz-Rau et al., 1999). Die Bereitschaft, weite Wege für den Kauf billiger Produkte auf sich zu nehmen, ist allerdings je nach den zentralen Einkaufsorientierungen unterschiedlich ausgeprägt und bei den Preisorientierten besonders auffällig. Ein wichtiges, distanzverlängerndes Motiv ist dabei der Wunsch nach einem abwechslungsreichen Angebot, wenn dieses gleichzeitig billig sein soll. So suchen einige Interviewte nicht nur einen Discounter, sondern mehrere oder - aus den selben Gründen - ein SB-Warenhaus auf. Da jedoch in vielen Wohngebieten kein SB-Warenhaus oder mehrere Discounter nahräumlich zu finden sind, führt der Wunsch nach Abwechslung in beiden Fällen zu weiteren Wegen. Aber auch aufgrund anderer Orientierungen kann es zu weiten Einkaufswegen kommen, wenn die gewünschten Produkte nicht nahräumlich angeboten werden. Die Ostorientierten geben an, dass sie für den Kauf von Ostprodukten auch weiter entfernt gelegene Einkaufsstätten mit einem breiten Angebot an diesen Produkten aufsuchen. Regionale Produkte werden von den Interviewten teilweise direkt vom Bauernhof gekauft, die allerdings nur in Kombination mit Ausflügen ins Umland aufgesucht werden. Der Wunsch nach Bioprodukten führt bei den Interviewten nicht dazu, dass sie regelmäßig weite Wege zu Bioeinkaufsstätten zurück legen, auch wenn im Wohnumfeld nur ein mangelhaftes Angebot an diesen Produkten besteht.
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Im Folgenden wird die Bedeutung der Ausdifferenzierung des Einkaufsverhaltens für das Umweltverhalten beim Lebensmitteleinkauf dargestellt und unter Berücksichtigung dieser Ausdifferenzierung der Zusammenhang zwischen den Verhaltensweisen der drei Teilbereiche des Einkaufens erörtert.
Ausdifferenzierung des Einkaufsverhaltens
Die Ausdifferenzierung des Einkaufsverhaltens der KonsumentInnen wurde in der vorliegenden Arbeit sowohl anhand der Ergebnisse der Befragung als auch der Interviews untersucht. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Befragung wurden Gruppen ähnlichen Verhaltens mittels Clusteranalyse gebildet. Die acht Gruppen ähnlichen Verhaltens weisen jeweils spezifische Kombinationen der untersuchten Verhaltensweisen auf. Unterschiede im Verhalten der Gruppen sind bei der Einkaufsmobilität besonders ausgeprägt, aber auch bezüglich der Einkaufsstättenwahl und dem Kauf von umweltfreundlichen Produkten bestehen Differenzen. Anhand der Ergebnisse der qualitativen Interviews kam es zur Bildung von Umwelteinkaufstypen, die sich insbesondere hinsichtlich ihrer Einkaufsorientierungen unterscheiden. Diese Umwelteinkaufstypen weisen jeweils spezifische Handlungsmuster auf.
Die unterschiedlichen Gruppen bzw. Typen unterscheiden sich außerdem aufgrund ihrer Lebenslage, dem Wohnort, den Einstellungen und dem Lebensstil. Insbesondere anhand der Gruppen ähnlichen Verhaltens zeigt sich, dass bestimmte Verhaltenskombinationen eher von den InnenstadtbewohnerInnen, andere eher von den BewohnerInnen der Einfamilienhausgebiete am Stadtrand ausgeführt werden. Diese Gruppen weisen außerdem Differenzen bezüglich ihrer Lebenslagemerkmale auf. Die Umwelteinkaufstypen zeigen, dass von den Lebenslagemerkmalen vor allem die Haushaltsgröße, das Vorhandensein von Kindern im Haushalt, Bildung sowie die Sozialisation in der DDR oder der BRD Bedeutung für den umweltfreundlichen Einkauf haben. Während Bildung und der Ort der Sozialisation auch in der quantitativen Befragung einen Zusammenhang zum Kauf umweltfreundlicher Lebensmittel zeigen, besteht zur Haushaltsgröße und dem Vorhandensein von Kindern dort kein Zusammenhang (siehe Kapitel 6.4.2). Ein möglicher Grund dafür liegt in dem unterschiedlichen Maß, in dem diese Einflussgrößen für einzelne Personen für die jeweiligen Verhaltensweisen von Bedeutung sind.
Zusammenhang zwischen unterschiedlichen Verhaltensweisen
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Die Analyse der Ergebnisse der quantitativen Befragung zeigt, dass der Zusammenhang innerhalb der Verhaltensweisen eines der drei Teilbereiche stärker als zwischen den Verhaltensweisen unterschiedlicher Teilbereiche des Einkaufsverhaltens ist. Jedoch bestehen auch zwischen den Teilbereichen Zusammenhänge. So verhalten sich bei den Gruppen ähnlichen Verhaltens diejenigen Personen, die umweltfreundliche Lebensmittel kaufen, auch bei der Einkaufsmobilität vergleichsweise umweltfreundlich. Dieses Ergebnis widerspricht der Annahme, dass gerade die Personen, die umweltfreundliche Produkte kaufen, besonders häufig den MIV nutzen und weite Wege zurück legen (siehe Kapitel 2.5).
Erklärungen für die Zusammenhänge zwischen den unterschiedlichen Verhaltensweisen konnten anhand der qualitativen Interviews gefunden werden. Die Verknüpfung zwischen den Verhaltensweisen kann einerseits direkt aufgrund der gemeinsamen Entscheidung, andererseits indirekt durch dieselben Restriktionen oder Dispositionen bedingt sein (siehe Kapitel 3.4). Vor allem der Zusammenhang zwischen der Einkaufsmobilität und der Produktwahl ist aufgrund der bekannten Umweltauswirkungen dieser Verhaltensbereiche für die Fragestellung der vorliegenden Arbeit von Interesse.
Eine direkte Verknüpfung besteht wegen des Zusammenhangs zwischen dem Sortiment der Einkaufsstätte und der Produktwahl sowie der Erreichbarkeit der Einkaufsstätte und der Einkaufsmobilität. Damit sind die Produktwahl und die Einkaufsmobilität über die Wahl der Einkaufsstätte miteinander verbunden. Bei einem fehlenden nahräumlichen Angebot kann es zu einer Kompensation oder einer Verlagerung kommen (siehe Kapitel 3.4). Inwiefern die KonsumentInnen bereit sind, weitere Wege zurückzulegen, unterscheidet sich insbesondere je nach zentralen Einkaufsorientierungen:
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Neben der direkten Verknüpfung bestehen auch indirekte Verknüpfungen, da Verhaltensweisen unterschiedlicher Teilbereiche dieselben Restriktionen oder Dispositionen haben. Für die Umweltorientierten hat das Umweltschutzmotiv sowohl für die Einkaufsmobilität als auch die Produktwahl eine wichtige Bedeutung. Im Gegensatz zu den Ergebnissen der Literatur sind also bei diesem Typ die Umwelteinstellungen für das Verhalten in beiden Bereichen, Konsum und Mobilität, relevant. Neben Umwelteinstellungen können jedoch auch andere Orientierungen für Verhaltensweisen mehrerer Teilbereiche eine Restriktion oder Disposition darstellen. So beeinflussen die Orientierungen am Preis und an der Familie sowohl die Produktwahl als auch die Einkaufsmobilität. Die Orientierungen an Bequemlichkeit sowie an Qualität und Genuss sind bei der Wahl der Einkaufsstätte und der Produktwahl von Bedeutung.
91 Der Kauf in kleineren Einkaufsstätten wurde aufgrund der großen Überschneidung mit dem Kauf in Bioeinkaufsstätten nicht berücksichtigt.
92 Aufgrund der geringen Fallzahlen der Gruppen 3 und 6 sind die Auswertungen dieser beiden Gruppen anhand weiterer Variabeln problematisch.
93 Anteil der Befragten, die einer Gruppe zugeordnet werden konnte. Die 51 Fälle, die in der Faktorenanalyse aufgrund fehlender Daten nicht berücksichtigt wurden, konnten keinem Cluster zugeordnet werden (siehe Kapitel 4.3).
94 Bei der Bewertung des Umweltverhaltens der Gruppen ist zu berücksichtigen, dass bei einem Teil der Variablen (Verkehrsmittelwahl und Wahl der Einkaufsstätte, Wegezeiten) keine Merkmalsausprägung unabhängig von anderem Verhaltensweisen als mehr oder weniger umweltfreundlich eingeteilt werden kann. So kann eine geringe Nutzung des ÖPNV auf die vorwiegenden Nutzung des MIV oder aber des Fahrrads zurückgeführt werden.
95 Für Gruppe 3 ist die Umweltfreundlichkeit der Einkaufsstätte nicht wichtig, die Gruppen 7 und 8 fahren nicht der Umwelt zuliebe Rad oder gehen zu Fuß und den Angehörigen der Gruppe 7 sind umweltfreundliche Lebensmittel nicht wichtig und sie sind besonders wenig bereit, dafür weitere Wege in Kauf zu nehmen.
96 Höhere Schulabschlüsse haben auch viele Personen in Gruppe 2, die auch überdurchschnittlich häufig umweltfreundliche Lebensmittel kaufen.
97 Eine Tabelle mit den Anteilen der Personen befindet sich im Anhang.
98 Eine Tabelle mit den Anteilen der Personen befindet sich im Anhang.
99 Diese beiden Variablen wurden als einzige in die schrittweise Diskriminanzanalyse aufgenommen.
100 Inhalt des Interviews war vorwiegend das Einkaufsverhalten vor dem Umzug, wobei Frau Donaiski immer noch in den selben Einkaufsstätten einkauft.
101 Das Interview wurde zwar hauptsächlich mit Herrn Freke geführt, aber seine Frau war die meiste Zeit anwesend und hat sich teilweise in das Interview eingebracht.
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DiML DTD Version 4.0 | Zertifizierter Dokumentenserver der Humboldt-Universität zu Berlin | HTML-Version erstellt am: 08.12.2006 |