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Die Aufgabenstellung der Sammlung, Erschließung und Vermittlung von Informationen platzierte die Bibliotheken von jeher zwischen Tradition und Fortschritt. Ihre progressiven Bestrebungen bilden der gegenwärtigen Informations- und Wissensgesellschaft ein solides Fundament und sorgen für Verfügbarkeit und Nachhaltigkeit geistiger Ressourcen. Sie erweisen sich als aktive Planer, um das kulturelle Erbe zukunftsfähig zu erhalten und gleichermaßen als vorausschauende und qualitätsbewusste Informationsmanager innerhalb eines zunehmend unübersichtlichen Informationsmarktes.
Neben dieser primären Aufgabenstellung haben sie längst pragmatische Strukturen für ihre Binnenorganisation entwickelt. Die reformerischen Maßnahmen in den allgemeinen Verwaltungen, wie etwa Kundenorientierung, Teamarbeit oder Arbeitszeitflexibilisierung, um nur einige zu nennen, prägten insbesondere in den Öffentlichen Bibliotheken traditionell den alltäglichen Dienstbetrieb. Das innovative Potenzial war hier bereits optimal entfaltet. Ferner erfuhren sämtliche Dienstleistungen und Strukturen tiefgreifende Transparenz in Form differenzierter statistischer Erhebungen und deren Offenlegung - regelmäßig per Jahresbericht oder in mannigfachen Leistungsvergleichen.
Weit weniger aufgeschlossen und interessiert zeigen sich die Bibliotheken bisher gegenüber Fragen der Geschlechterpolitik. Diese Zurückhaltung ist umso erstaunlicher, als sich speziell Bibliotheken, und auch hier vorrangig die Öffentlichen Bibliotheken, als Untersuchungsgegenstand unter Gender-Aspekten in besonderem Maße und in multidimensionaler Hinsicht geradezu anbieten.
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Zählen die Bibliotheken also nicht zu den Protagonisten der Entwicklung von Gender-Bewusstsein, so sind sie doch bereits Teil des Prozesses und werden zunehmend in seine interdisziplinäre Verbreitung einbezogen. Wenn der Prozess des Gender Mainstreaming, einschließlich seiner haushaltsrelevanten Komponente Gender Budgeting, als politischer Auftrag zukünftig auch die Spezialgebiete und ihre Fachkompetenzen erreicht, so werden sich die Bibliotheken diesem Reformkonzept stellen müssen und es gibt gute Gründe, dies aufgeschlossen und offensiv zu initiieren.
Im Folgenden sollen daher Auswirkungen und Bedeutung des Gender-Konzeptes für die Fachaufgabe Bibliothek, insbesondere Öffentliche Bibliothek, untersucht werden.
Die theoretisch-methodischen Erkenntnisse des Gender-Ansatzes werden operationalisiert in dem bildungspolitisch relevanten Anwendungsbereich Öffentliche Bibliothek und ihrem Management. Machbarkeit und Grenzen in der Realisierung werden dabei ebenso analysiert wie Chancen und Risiken für den künftig gegenderten Alltag moderner Gebrauchsbibliotheken.
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Um nun diesem Reformprozess unterzogen werden zu können, in ihn einzutreten oder auch aktiv mitzugestalten, ist es erforderlich, die Bibliotheken von dem Status abzuholen, auf dem sie sich derzeit befinden.
Der kameralistische Haushalt bildet die Basis und das zentrale Steuerungsinstrument des kommunalen Rechnungswesens. Zwar öffnet sich der Gesetzgeber zunehmend der Einführung betriebswirtschaftlicher Planungselemente, doch die wissenschaftlichen Überlegungen zur Neustrukturierung sind weder abgeschlossen noch ausreichend in der Praxis evaluiert. Zahlreiche Kommunen erstellen daher jährlich den traditionellen Haushaltsplan und erproben parallel die Funktionalität eines produktorientierten Haushaltes.
In beiden Fällen findet sich die Bibliothek im Rahmen des Verwaltungsgliederungsplanes im Einzelplan 3 ‚Wissenschaft, Forschung, Kulturpflege’. Dies gilt für den Verwaltungshaushalt wie für den Vermögenshaushalt.
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Neben der Bibliothek verzeichnet der Einzelplan 3 die weiteren Bildungs- und Kulturinstitute, also Volkshochschule, Musikschule, Museen, Archiv, Galerie, etc. sowie so genannte durchlaufende Mittel für Bildungs- und Kulturinstitutionen mit eigener Rechtsform in mittelbarer Trägerschaft der Kommune.
Innerhalb des Einzelplanes 3 trägt die Bibliothek die Amtskennziffer 42.
Das zweite Ordnungsprinzip nach den Einzelplänen, einschließlich Ämterstruktur, bildet der Gruppierungsplan. Dieser enthält die Darstellung von Einnahme- und Ausgabearten in Form von Haupt- und Untergruppen zur weiteren Differenzierung.
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Zu den wichtigsten Einnahmearten der Bibliothek zählen Benutzungs- und Versäumnisgebühren, Einnahmen durch Veranstaltungen, Verkauf ausgesonderter Medien, ggf. Raumvermietungen, Einnahmen durch Medienersatz und andere Schadenshaftung sowie in zunehmendem Maß auch Einnahmen durch Sponsoring und Merchandising.
Die Ausgabearten gliedern sich in Personalkosten einschließlich Sozial- und Alterssicherung, Fortbildung und Dienstreisen, in Kosten für Unterhalt und Aktualisierung der Medienbestände, Nutzung von Datenbanken und universalem Internetbetrieb sowie weitere Sachkosten für Technikunterstützung, Bibliotheksausstattung, Gebäude und Grünanlagen und gegebenenfalls die Unterhaltung einer Fahrbibliothek.
Eine weitere Untergliederung der Ausgaben erfolgt bei den Personalkosten in Form eines detaillierten Stellenplanes. „Der für Kommunen gesetzlich vorgeschriebene Stellenplan ist … ein fester Bestandteil des Haushaltsplanes und ist daher als ein wichtiges Element im Haushaltsaufstellungsverfahren … zu berücksichtigen. Der Stellenplan stellt die Grundlage für die Personalwirtschaft einer Kommune dar und ist detailliert nach Besoldungs- und Vergütungsgruppen für Beamte, Angestellte und Arbeiter zu gestalten.“ (Baier, 2002, S. 45f.).
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Die Zuordnung all dieser Einzelkosten zur Bibliothek erfolgt über den Unterabschnitt 3520 innerhalb des Einzelplanes 3 (vgl. Schiffer/Umlauf, 2007, S. 8).
Die weitere Gliederung der Unterabschnitte führt zu den Haushaltsstellen, die für die Bibliothek in der Regel aus jeweils 12 Ziffern bestehen. „Durch die Kombination von Gliederung und Gruppierung entsteht eine Vielzahl von Haushaltsstellen mit identischen Gruppierungsarten, die sich über alle Unterabschnitte erstrecken. Die Haushaltsstellen werden bei der Haushaltsaufstellung als Planungsobjekte benutzt und entsprechend ihrer Gliederung den Einzelplänen zugeordnet. Die Gliederungsvorschriften erzeugen durch die Kombination von Gliederung und Gruppierung eine hohe Zahl von Planungsobjekten und damit auch eine relativ feine Planung. Die Planungstiefe geht damit über eine reine kontenbezogene Planung in der doppelten Buchführung hinaus, wie sie oft noch in optimierten Regiebetrieben bei der Aufstellung des Wirtschaftsplanes und der Plan-Gewinn- und Verlustrechnung angewandt wird. Am ehesten ist das kommunale Planungssystem daher mit einer kostenstellenbezogenen Kostenartenplanung zu vergleichen.“ (Baier, 2002, S. 21f.).
Dieses einheitliche Gliederungsschema für sämtliche Einzelpläne folgt den traditionellen Empfehlungen der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement KGSt. Auf diese Weise haben die Kommunen einen höchstmöglichen Grad an Vereinheitlichung ihrer Strukturen erreicht und damit eine bundesweit akzeptierte und praktizierte Grundlage für die Vergleichbarkeit ihrer Ausstattung und Leistungen geschaffen.
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In den 1990er Jahren sehen sich die Städte mit der Aufgabe konfrontiert, ihr breites Leistungsspektrum auch bei erheblich schrumpfenden finanziellen Ressourcen aufrecht zu erhalten. Gleichzeitig werden sie Teil eines globalen wirtschaftspolitischen, technologischen und sozialen Veränderungsprozesses von bisher kaum gekanntem Ausmaß und Anpassungsdruck.
Während sie noch bei den europäischen Nachbarn nach Modellen zur sparsameren Haushaltsführung suchen, werden ihre Verwaltungen selbst Gegenstand grundsätzlicher öffentlicher Kritik:
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Ebenso äußert sich seinerzeit der Leiter der Städtischen Bibliotheken Dresden. „Vier Hauptgründe für den Veränderungsbedarf lassen sich erkennen:
Die Schere zwischen Aufgabenfülle (b) und verfügbaren Finanzen (a) klafft immer weiter auseinander. Es gilt, diese Ressourcen- und Leistungslücke zu schließen.“ (Flemming, 1997, S. 9).
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Als Ursachen für das unbefriedigende Verwaltungshandeln werden gesehen:
Die Autorin nennt jeweils zutreffende Beispiele, die jeder Bibliotheksleitung aus damaliger Zeit und eigener Praxis vertraut sind.
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Summarisch werden die Defizite als Steuerungsprobleme identifiziert. „Man kann diese Schwachpunkte zusammenfassen als Probleme der ‚Verwaltungssteuerung’. Steuerung heißt in diesem Zusammenhang: Der Verwaltungsapparat soll durch die Politik (z. B. die Gemeindevertreter) so gesteuert werden, dass er im Sinne der Bürger optimal arbeitet.
All diese Überlegungen sind nicht neu; in Großbritannien, den Niederlanden und den USA gibt es schon seit 10 bis 15 Jahren Reformansätze und -theorien, die man grob unter dem Begriff ‚New Public Management’ zusammenfassen kann. Auch bei uns wurden die Schwächen der Verwaltung interessanterweise schon vor knapp 20 Jahren erkannt. Das macht ganz deutlich, wo der Motor der aktuellen Reformdiskussion sitzt: nämlich in der dauerhaften, teilweise katastrophalen Finanzmisere der Kommunen, die mit immer weniger Einnahmen eine ständig steigende Zahl von Aufgaben erfüllen müssen.“ (Wimmer, 1995, S. 14).
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Aufgrund dieser Analyse der Steuerungsprobleme halten die Reformbestrebungen folgerichtig als Neues Steuerungsmodell NSM in Deutschland Einzug in die Verwaltungen. Als vorbildlich wird dabei das Management der Wirtschaftsunternehmen angesehen sowie deren Kundenorientierung und Dienstleistungsdenken, Kostenbewusstsein und organisatorische Flexibilität.
Für den Weg von der Behörde zum Dienstleistungsunternehmen Kommunalverwaltung/Stadt werden daher als Grob-Ziele der Reform festgelegt:
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Die KGSt, die diesen Prozess unterstützt und begleitet hat, definiert das ‚Reformleitbild der Dienstleistungskommune’ folgendermaßen:
„Das Dienstleistungsunternehmen Kommunalverwaltung:
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Für den Umsetzungsprozess bedeutet dies:
Hatte der Haushaltsplan, einschließlich Stellenplan, bisher eher die Funktion der Abbildung von Arbeitsergebnissen und dafür eingesetzten Ressourcen, so wird er im NSM als zentrales Steuerungsinstrument eingesetzt und benutzt. Er wird zum Hauptkontrakt zwischen Politik und Verwaltung sowie zwischen den einzelnen Hierarchieebenen der Verwaltung.
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Soll also der Haushalt als zentrales Steuerungsinstrument fungieren, so wird nun über die Finanzen gesteuert und erst in zweiter Linie über die Aufgaben. Konsequent erfolgt die Haushaltsgliederung über vorab festgelegte Budgets und die weitere Untergliederung mittels so genannter Produkte und Leistungen.
Diesem Ziel unterstellt wird die Organisation der Verwaltung mit der Folge erheblicher interner Umstrukturierungen. „Als zentraler Geschäftsplan muss der Haushalt entsprechend der örtlichen Verwaltungsorganisation gegliedert sein. Nur bei einer Übereinstimmung von Budgetbereichen und Organisationseinheiten lassen sich eindeutige politische und administrative Abgrenzungen für die Fach- und Ressourcenverantwortung schaffen.
Im Idealfall wird zunächst die Verwaltungsstruktur im Sinne des Neuen Steuerungsmodells umorganisiert. Dieser Struktur wird die Gliederung des Haushaltsplans angepasst. Der Haushalt wird also nicht mehr nach Einzelplänen und Abschnitten entsprechend den haushaltsrechtlichen Gliederungsvorschriften gegliedert, sondern je nach der örtlichen Verwaltungsorganisation nach Dezernaten/Referaten oder Fachbereichen. In Abhängigkeit von der örtlichen Verwaltungsstruktur und dem angestrebten Grad der Dezentralisierung werden die Budgets weiter unterteilt, z. B. Dezernatsbudgets in Ämterbudgets bzw. Fachbereichsbudgets in Abteilungsbudgets.“ (Bals/Hack, 2000, S. 41).
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Innerhalb des Haushaltsplanes als zentrales Steuerungsinstrument erhält die Budgetierung den Rang als zentrales Steuerungsverfahren. „Die Finanzvorgaben erfolgen grundsätzlich in Form von Budgets. Welcher Gestaltungsspielraum den Organisationseinheiten innerhalb ihrer Budgets gegeben wird, ist abhängig von der örtlichen Steuerungsphilosophie und dem Stand des Dezentralisierungsprozesses. Es ist sowohl möglich, dass Politik und Verwaltungsführung innerhalb der Budgets in klassischer Weise ‚haushaltsstellenscharfe’ Vorgaben machen. Ebenso gut kann die Finanzvorgabe für eine Organisationseinheit aber auch lediglich in einer Ergebnisvorgabe bestehen, z. B. in einem Zuschussbetrag, der nicht überschritten werden darf oder in der Verpflichtung, das Budget auszugleichen; letzteres ist das übliche Finanzziel bei vollkostendeckenden Gebührenhaushalten und bei Internen Dienstleistern.“ (Bals/Hack, 2000, S. 43).
Die budgetorientierte Steuerung erleichtert und vereinfacht das strategische Management für Politik und Verwaltungsspitze. Budgetorientierte Planungen und Verfahren „können jedoch durch die nach wie vor gegebene Inputorientierung das vom Neuen Steuerungsmodell gesteckte Ziel einer outputorientierten Steuerung noch nicht erfüllen. Die Umsetzung dieses Zieles macht es erforderlich, den Output zum Gegenstand des Planungssystems und der politischen Beratungen zu machen.“ (Baier, 2002, S. 121).
Daher und unter den Gesichtspunkten von Kundenorientierung und Dienstleistungsdenken gilt die Aufmerksamkeit auch im Neuen Steuerungsmodell den Aufgaben, die die Verwaltung zu erfüllen hat und auch erfüllt, also den Leistungen, die die Verwaltung erbringt. „Die Grundidee ist so einfach wie zwingend: Eine vernünftige Steuerung der Kommune durch die politischen Gremien und die Verwaltungsführung setzt voraus, dass zusammen mit den Ressourcenzuweisungen in den Haushaltsplänen auch konkrete Vorgaben für die zu erbringenden Leistungen (Produkte) gemacht werden. Die politischen Gremien müssen auch die Leistungen beschließen, die von der Verwaltung mit den zugewiesenen Ressourcenbudgets erzeugt werden sollen. Zu jeder Finanzvorgabe gehört eine Leistungsvorgabe. …
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Die striktere Verbindung von Ressourcenvorgaben mit Leistungsvorgaben ist auch eine zwingende Folge der Einführung der Budgetierung: In einem Finanzmanagementsystem, das stärker mit globalen Budgetvorgaben arbeitet, entsteht sonst ein Steuerungsvakuum, das bisher - mehr schlecht als recht - durch haushaltsstellenscharfe Input-Feinsteuerung gefüllt wird. Mit der produktorientierten Budgetierung … wird dieses Vakuum gefüllt.“ (Bals/Hack, 2000, S. 70f.).
Die Definition der einzelnen Leistungen erfolgt in den Fachabteilungen. Die Einzelleistungen werden gebündelt und zu Produkten zusammengefasst und diese wiederum zu Produktgruppen und weiter zu Produktbereichen. Da es sich bei dem Neuen Steuerungsmodell um einen Top-down-Prozess handelt, erfolgt die Vorgehensweise in der Praxis meist umgekehrt: Die Fachabteilungen sind aufgefordert, Produkte zu bilden und diese dann mit Leistungen zu belegen.
Der so entstehende Produktkatalog soll in Verbindung mit dem entsprechenden Ressourceneinsatz in Form von Kosten- und Leistungsrechnung an die Stelle des Haushaltsplanes treten. Jedoch: „Bis zur Änderung des Haushaltsrechts verlangen die Aufsichtsbehörden die Verabschiedung des Haushalts (zusätzlich) in der von den Gliederungs- und Gruppierungsvorschriften vorgesehenen Form!“ (Bals/Hack, 2000, S. 42).
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Nach einigen Jahren des Umganges mit dem budget- und produktorientierten Haushalt als potenzieller Arbeitsgrundlage stellt sich folgende Erfahrung ein: „Beflügelt von der Idee der Kundenorientierung im NSM kam die Aufstellung von Produktkatalogen anfänglich gut voran. Sie entsprach dem bürokratischen Regelungsinteresse der Verwaltungen und wurde auch von den Unternehmensberatern gern empfohlen. Aber schon die Aufstellung und erst recht die Pflege und Fortschreibung der Produktkataloge erwiesen sich als wesentlich schwieriger und aufwendiger als ursprünglich erwartet. Produktkataloge, die schon seit mehreren Jahren nicht mehr fortgeschrieben werden und damit Investitionsruinen darstellen, sind inzwischen nicht mehr selten.
Entsprechendes gilt für die eingeführten Systeme der Kosten- und Leistungsrechnung. Sie erweisen sich häufig als überdimensioniert (weil flächendeckend und auf der Grundlage eines zu detaillierten Produktkatalogs konzipiert), als zu aufwendig (u. a. weil nicht mit dem Haushalts- und Rechnungswesen verknüpft) und vor allem als funktionslos. Funktionslos deshalb, weil völlig ungeklärt ist, wie ausgehend von den (Plan)Stückkosten über Produktbudgets ein operationales Aktionsprogramm erzeugt werden soll und in welchem Verhältnis dieses zum alten oder neuen Haushalt stehen soll. Das Konzept erfordert ein gigantisches Rechnungs- und Entscheidungssystem und fast allwissende Entscheider. Es zeichnet sich ab, dass diesem Konzept deshalb am Ende ein ähnliches Schicksal beschieden sein wird, wie den ambitionierten Priorisierungsverfahren in der Investitionsplanung der 60er Jahre oder früheren Verfahren wie Zero-Base-Budgeting oder Planning-Programming-and-Budgeting-Systemen.“ (Bals/Hack, 2000, S. 70).
Und: „Die Erfahrung mit separaten Produktbüchern zeigt, dass diese Art der Informationsdarbietung von den Politikern wegen der Unübersichtlichkeit auf Dauer nicht akzeptiert wird, insbesondere in den (häufigen) Fällen, wo deren Systematik nicht eins zu eins mit dem kameralen Haushaltsplan übereinstimmt. Wenn, was auch vorkommt, die Produktbücher auch zeitlich getrennt vom Haushalt den Gremien vorgelegt werden, ist das ein deutliches Zeichen dafür, dass die Integration der Produkt- mit der Ressourcenplanung noch nicht gelungen ist.“ (Bals/Hack, 2000, S. 71).
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Diese frühe praxisnahe Kritik hat auch für die Folgejahre ihre Berechtigung nicht verloren.
Mit der Leitidee von Budgetierung und Produktorientierung, einschließlich Kosten- und Leistungsrechnung, geht die Umstrukturierung der Verwaltung einher mit zahlreichen weiteren reformerischen Maßnahmen. Diese betriebswirtschaftlichen Module seien hier aus kontextuellen Gründen im Überblick genannt:
Organisatorische Entwicklung
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Personalentwicklung
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Betriebswirtschaftliche Entwicklung
Serviceentwicklung
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Wenn auch nicht explizit genannt, so doch subsumiert, gehören in diesen Maßnahmenkatalog auch Schlüsselbegriffe wie Arbeitszeitflexibilisierung, Teambildung, Mitarbeitergespräche innerhalb des Personalmanagements sowie z. B. Zielvereinbarungen innerhalb des Kontraktmanagements.
Durch die Nähe zu ihrem reformwilligen Träger waren die Öffentlichen Bibliotheken von Beginn an Teil des Umstrukturierungsprozesses. Nicht selten übernahmen sie die Funktion eines Pilotprojektes bei der Realisierung einzelner Reformmodule, so zum Beispiel die Stadtbücherei Hamm (vgl. Stadt Hamm, 1995). Auch waren den Bibliotheken die Kernziele der Reform längst im eigenen Alltag vertraut, also Kundenorientierung und Service, Leistungsnachweise und Benchmarking, Teamorganisation und flexible Arbeitszeit, um nur einige zu nennen.
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Mit der Reform gehen für die Bibliotheken allerdings zwei existenzielle Veränderungen einher, die aus den bereits genannten Reformmodulen Dezentralisierung und Budgetierung hergeleitet werden.
Die Output-orientierte Steuerung über Budgets und Produkte, also Ressourcen und Leistungen, erfordert die Umstrukturierung der Verwaltung von einer zentralistischen Organisation zur Dezentralisierung. Die ehemaligen Querschnittsämter geben Aufgaben und Verantwortung ab an die Ebene der Facheinheiten. Als einander ergänzende Prinzipien sollen nun zentrale Steuerung und dezentrale Verantwortung zusammenwirken.
Um die Steuerbarkeit beizubehalten, wird die Vielzahl der Fachämter zu steuerbaren und budgetierbaren Einheiten zusammengefasst. In den Großstädten entstehen so aus über vierzig Ämtern in der Regel zehn bis fünfzehn Fachbereiche. Für die traditionell großen Verwaltungsbereiche Jugend, Soziales oder Bau sind diese Veränderungen kaum spürbar, wohl aber für kleinere Fachämter mit hohem Spezialisierungsgrad in Aufgabenstellung und Ausstattung mit Fachpersonal. Hierzu gehören auch die Kultur- und Bildungsinstitute. Diese waren nach dem KGSt-Organisationsmodell in den Großstädten über lange Jahre selbstständige Ämter: Bibliothek Amtskennziffer 42, Volkshochschule 43, Musikschule 44, etc. Ihre fachliche Leitung unterstand direkt dem Dezernat.
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Zur Herstellung größerer, steuerbarer und budgetierbarer Einheiten werden sie nun zusammengefasst zum ‚Fachbereich Kultur und Bildung’. Die Städte haben unterschiedliche Bezeichnungen gewählt, z. B. Fachbereich, Fachdienst oder Geschäftsbereich. Und so erweist sich die Dezentralisierung der Verwaltung für die Bibliotheken nach Jahrzehnten der relativen Autonomie als Zentralisierung unter einen Fachbereich, einschließlich neuer Hierarchieebene zwischen Bibliothek und Dezernat. In diesem Kontext sei angemerkt, dass auch der Abbau von Hierarchieebenen (s. Kap. 4.2.3) zu den vorrangigen Zielen der Verwaltungsreform gehört.
Die zweite grundlegende Veränderung für die Bibliothek resultiert aus der Budgetierung. Zwar behält die Bibliothek ihren fachspezifischen Haushalt, nunmehr jedoch als Teilbudget des Fachbereiches, d. h. Aufgaben- oder Ausgabenzuwachs innerhalb des Fachbereiches und seines Budgets muss stets in diesem an anderer Stelle ausgeglichen werden. Im Zentrum allen Interesses steht daher der Zuschussbedarf der Bibliothek und der anderen Kulturinstitute. Diese Vorgaben sowie die entstandene Ferne zur Dezernatsebene und in der Regel auch zu Kulturausschuss und Politik, ggf. verbunden mit Einsparungsvorgaben, engen den Handlungsraum der Bibliothek erheblich ein.
Nach diesem kurzen, jedoch für die Bibliothek sehr folgenreichen Exkurs der Kapitel 4.2.4 soll die weitere Untersuchung der Produktbildung und ihrer Bedeutung für die Bibliothek dienen.
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Im Neuen Steuerungsmodell wird der Output des Verwaltungshandelns, also die produzierten Leistungen oder mehrere zusammengehörige Leistungen, als Produkt bezeichnet. Um diesen Prozess einzuleiten, muss die Verwaltung alle Dienstleistungen, die sie für ihre Bürgerinnen und Bürger erbringt, definieren und strukturieren. Hierfür hat sich der Terminus Produktdefinition/Produktbeschreibung durchgesetzt.
In der Produktbeschreibung werden alle Merkmale erfasst, die für die Erstellung und Zielerreichung des Produktes von Bedeutung sind. Als wichtigste Beschreibungsmerkmale empfiehlt die KGSt:
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Für Ziele, Leistungsumfang und Finanzen/Budget sind handlungsleitende Kennzahlen zu entwickeln, die durch die Verwaltung beeinflussbar und messbar sind. Dieses Kennzahlensystem soll quantitative und qualitative Leistungsmessung ermöglichen bis hin zur Wirkungsmessung.
Die seit 1995 von der KGSt erarbeiteten Produktpläne enthalten auch für Öffentliche Bibliotheken einen Normierungsvorschlag, der den Produktbereich ‚Leistungen der kommunalen Bibliothek’ in drei Produktgruppen mit jeweils einigen beispielhaften Produkten gliedert:
Medien und Informationen:
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Veranstaltungen:
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Besondere Dienstleistungen:
In den Augen der Praktiker gilt diese Empfehlung der KGSt als wenig kreativ und hilfreich.
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Als außerordentlich solide und praxisorientiert und daher vielfach angewandt erweist sich der Beispielkatalog der Staatlichen Büchereistellen Düsseldorf und Essen. Er enthält vier sehr unterschiedliche Modellvarianten, je nach örtlichen Rahmenbedingungen.
Diese verdienstvolle Arbeitshilfe bot seinerzeit ebenso richtungweisend wie alternativlos Unterstützung für die Bibliotheksleitungen. Da sie Orientierung für zahlreiche Bibliotheken war und ist, soll sie hier in ihren Grundzügen Erwähnung finden:
Modell 1
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Ausgehend von der Bibliothek als einem einzigen Produkt
Modell 2
Ausgehend von den Dienstleistungen für das Gesamtsystem
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Produkte: |
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Modell 3
Ausgehend von selbstständigen Organisationseinheiten im Publikumsdienst
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Produktgruppe I: Organisationseinheiten im Publikumsdienst
Produkte: |
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z. B. Schulbibliotheken |
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Computerbibliothek |
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Artothek |
Produktgruppe II: Direktion/Managementteam
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Produkte: |
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Modell 4
Ausgehend von Organisationseinheiten im Publikums- und Internen Verwaltungsbereich
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Produktgruppe I:Unterstützende Dienste
Produkte: |
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Produktgruppe II:Publikumsdienste
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Produktgruppe III: Direktion/Managementteam
In allen Modellen sind die Produkte jeweils mit strukturierter Produktbeschreibung versehen, einschließlich einiger Vorschläge zur Kennzahlen- und Kostenartenbildung (vgl. Büning, 1995).
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Die Modelle unterscheiden sich gravierend in ihrer Ausrichtung. „Zu unterscheiden sind zwei Modellvarianten:
Modell 2 geht bei der Produktdefinition ausschließlich von den Dienstleistungen aus, die die Bibliothek für ihre Bürgerinnen und Bürger erbringt. Aufbau- und Ablauforganisation der Bibliothek werden nicht sichtbar. Die Produktdefinition orientiert sich streng am Output der Bibliothek.
Das größte Problem dieses Modells besteht in der Zuordnung der Kosten. Diese kann nur durch Schlüsselungen, z. B. anhand von Besucher- und Ausleihzahlen, erfolgen.
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Model 3 und 4 gehen von den Organisationseinheiten innerhalb eines Bibliothekssystems aus. Die Abteilungen des Systems sind eindeutig erkennbar. Im Modell 4 werden neben den Abteilungen für den Publikumsbereich auch die internen Abteilungen als Produkte definiert.
Die Zuordnung der Kosten ist bei dieser Modellvariante relativ einfach möglich. Die erforderlichen Finanzmittel zum Unterhalt der jeweiligen Abteilung sind sofort ermittelbar.“ (Büning, 1995, S. 4).
Und gerade dieser Hinweis auf den unterschiedlichen Schwierigkeitsgrad bei der Kostenzuordnung ist von elementarer Bedeutung für die praktische Handhabung der Modelle im Alltag, einschließlich potenzieller Gender-Analysen.
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Dennoch haben sich die Großstadtbibliotheken, soweit publiziert, zunächst überwiegend für das Modell 2, also das ausgeprägte Dienstleistungsmodell, entschieden. Je nach Größe der Bibliothek, einschließlich spezieller Aufgaben und Leistungen, erfahren die Produkte eine weitere Ausdifferenzierung oder unterscheiden sich geringfügig terminologisch, das Kernmodell ist jedoch durchgängig erkennbar. Eine frühe Übersicht über die Produktpläne von Bibliotheken in Städten mit mehr als 400.000 Einwohnern bietet die mehrbändige Veröffentlichung der Bertelsmann Stiftung ‚Internationales Netzwerk Öffentlicher Bibliotheken’ in Band 3 ‚Produktorientiertes Management in Öffentlichen Bibliotheken’ (vgl. Flemming, 1997, S. 25f.).
Allerdings: „Die Bibliotheken in Bielefeld, Essen, Leipzig und Stuttgart orientieren sich von Anfang an am KGSt-Modell … Inhaltlich sind bei allen Produktplänen Gemeinsamkeiten vorhanden, die sich in den drei Produktgruppen dieses Modells wiedererkennen lassen. Auf einer Sitzung der Bibliotheksleiter dieser Bibliotheken im November 1996 einigte man sich im Interesse der Vergleichbarkeit auf die Übernahme der KGSt-Empfehlungen.“ (Flemming, 1997, S. 24).
In vergleichbarer Weise vollzog sich dieser Prozess auch in den Bibliotheken der Großstädte zwischen 100.000 und 400.000 Einwohnern, ebenso häufig wie differenziert veröffentlicht durch die Stadtbücherei Hamm (vgl. Pirsich, 1995, S. 93ff.; Stadtbücherei Hamm, 1996). Auch hier kam das genannte Modell 2 zum Einsatz.
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Und auch das derzeit wichtigste Management-Handbuch für Bibliotheken orientiert sich an diesem Modell (vgl. Hobohm, 2007, S. 12).
Doch die KGSt übte früh Kritik am Beispiel der Stadt Hamm: „Der in der Dokumentation veröffentlichte Produktplan läßt sich meines Erachtens nicht mit dem Ansatz der Kommunalen Gemeinschaftsstelle (KGSt) vereinbaren. Der Produktplan für die Bibliothek ist nach Tätigkeiten gegliedert: Vorbestellungen, Fernleihe, Beratung und Information. Das sind jedoch keine Produkte. Den Unterschied möchte ich an einem einfachen, inzwischen in unserem Hause geflügelten Vergleich deutlich machen:
Ein Hosengeschäft hat als Produkte die Hosen. In dem Produktplan der Stadt Hamm wurden aber, auf das Beispiel übertragen, Verkaufen, Beraten und ähnliches als Produkte definiert. Weder der Kunde noch der Verkäufer werden jedoch die Beratung … als einzelnes Produkt verstehen. Bei dem Beschriebenen handelt es sich vielmehr um Tätigkeiten zu dem Produkt Hosen. …
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Die KGSt wird auf jeden Fall einen deutlich anderen Ansatz empfehlen. Allen KollegInnen, die mit der Erstellung eines Produktplanes für ihre Bibliothek betraut sind, möchte ich dringend abraten, sich so entscheidend von den KGSt-Empfehlungen zu lösen, da sie dadurch ihre Möglichkeit zum interkommunalen Austausch und Vergleich sehr eingrenzen.“ (Ditscheid, 1996, S. 640).
Allerdings erweist sich ausgerechnet hierfür die normierte KGSt-Empfehlung auch nur als bedingt geeignet: „Nach einer Phase der Euphorie in Sachen Produktbeschreibung und Management mit Produktdefinitionen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass das Instrument vielfach zu vereinfachend und wenig steuerungsrelevant eingesetzt wird. Vor allem die lediglich drei von der KGSt vorgeschlagenen bibliothekarischen Produkte (Medien, Veranstaltungen, besondere Dienstleistungen) wurden als zu wenig differenziert kritisiert. In manchen Bibliotheken würden so über 90 % aller Kosten auf ein Produkt, nämlich ‚Medien’ entfallen. Ein ausgefeilteres Modell der Produktdefinition wird allerdings vom Marketing und aus Sicht der Kostenrechnung auf jeden Fall notwendig.“ (Hobohm, 2007, S. 14).
Das ist richtig, erschwert jedoch die bundesweite Vergleichbarkeit sowie die zur Produktdefinition gehörende Bildung von Kennziffern zur Erfolgsmessung und die Kostenrechnung.
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Analog zu der jeweils individuellen Entwicklung der Produkte in den Städten sowie in den Empfehlungen der KGSt und der bibliothekarischen Fachverbände erfolgte auch die Entwicklung von Kennziffern und Indikatoren zur Messung von Zielerreichung und Leistungserfolg bei den einzelnen Produkten. Auch hierzu hat Flemming früh eine vergleichende Übersicht vorgelegt (vgl. Flemming, 1997, S. 37ff.).
Die Synopse berücksichtigt das jeweilige Kennzahlen-System der Städtischen Bibliotheken Dresden, der KGSt, der Deutschen Bibliotheksstatistik (Grund- und Zusatzfragebogen), der Sektion I (Großstädte über 400.000 Einwohner) im DBV, der INTAMEL (Großstädte international) sowie der Betriebsvergleiche der Bertelsmann Stiftung. Neben einigen Erläuterungen gibt Flemming eine Wertung als Empfehlung, welche Kennzahlen zur internen bzw. externen Steuerung geeignet sind oder sogar in Einzelfällen nicht steuerungsrelevant.
Eine ähnliche Differenzierung trifft auch die Stadtbücherei Hamm:
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„Generell werden folgende Kennzahlen unterschieden:
Die erarbeiteten Kennzahlen fließen später u. a. als wichtige Meßgröße der Zielerreichung in das Berichtswesen ein.“ (Stadt Hamm, 1995, S. 27).
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Aus der Perspektive des Controllings hat Hannelore Klempin, seinerzeit im Deutschen Bibliotheksinstitut in Berlin, eine differenzierte Erörterung und Empfehlungs-Sammlung zu Kennzahlen und Indikatoren vorgelegt: „Die ‚Auswahl der Kennzahlen und Indikatoren’ wird von der zu erreichenden Zielstellung und auch vom gewählten Weg zur Erreichung dieses Zieles bestimmt. Die Überlegungen müssen dazu führen, daß der Zusammenhang zwischen Bedingungen, Angebot und Nutzung im Rahmen der verfügbaren Mittel hergestellt wird.
Ausgangspunkt für die Auswahl ist die verbale Zielformulierung mit quantitativen und qualitativen Aspekten. Dieses Wie und Was wird dann in Fakten und Faktenbeziehungen, d. h. in Kennzahlen und Indikatoren umgesetzt.“ (Klempin, 1994b, S. 36).
Sie nennt „von ihrer Aussagekraft und von der Einsetzbarkeit her unterschiedliche ‚Arten von Indikatoren’:
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Bei der Festlegung der zu verwendenden Indikatoren ist zu beachten, daß solche ausgewählt werden, die wesentliche Seiten der zu beobachtenden Sachverhalte erfassen und widerspiegeln.“ (Klempin, 1994b, S. 36f.).
Diese theoretischen Vorüberlegungen finden ihre Ausführung in einem umfangreichen Katalog möglicher Kennzahlen und Indikatoren (vgl. Klempin, 1994a, S. 43ff.) sowie zwei differenziert dargestellten, fiktiven ‚Fallbeispielen’ (vgl. Klempin/Wimmer, 1994, S. 61ff.).
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Von den zahlreichen Veröffentlichungen der 1990er Jahre zu Produkten und Leistungen, Kennzahlen und Indikatoren, auch Kostenrechnung und Controlling, sei hier noch die Darstellung der Leiterin der Stadtbücherei Stuttgart erwähnt. Ihr Aufsatz ‚Produkt und Leistungsbeschreibung für Bibliotheken’ enthält neben Erläuterungen und Empfehlungen grundsätzlicher Art auch das ‚Modell für eine Produktbeschreibung’ einschließlich Leistungsindikatoren (vgl. Bußmann, 1998, S. 134ff.).
Alle Bibliothekare, meist in Leitungsfunktionen, die in den 1990er Jahren engagiert und fortschrittlich die Herausforderungen der Verwaltungsreform angenommen und mitgestaltet und sich durch Empfehlungen und Modelle für bibliothekarische Standards verdient gemacht haben, sind bereits im Verlauf dieser Umstrukturierungsprozesse auf offene Fragen, Schwierigkeiten und Grenzen der Messbarkeit getroffen, insbesondere im Bereich der Kennzahlen und Indikatoren, und haben ihre Bedenken früh thematisiert.
Eine ebenso kenntnisreiche wie sachliche Erörterung dieser Problemstellung findet sich in den ‚Schlussfolgerungen und Perspektiven’ des bereits zitierten ‚Produktorientierten Managements in Öffentlichen Bibliotheken’ von Flemming (vgl. Flemming, 1997, S. 47ff.) und gleichfalls kritisch bei Bußmann, die die ‚Grenzen von Produktbeschreibungen’ darstellt und diese vorrangig in der Diskrepanz zwischen Bildungsauftrag und Messbarkeit, also im Bereich Kennzahlen und Indikatoren, sieht: „Positiv an dem Ansatz der Produktbeschreibung ist die Orientierung auf die Dienstleistung für den Kunden. Die Frage, welche Leistung die Bibliothek für den Kunden erbringt, ist nicht nur ein Mittel der Verwaltungssteuerung, sondern auch eine Möglichkeit, dem Kunden zu vermitteln, was er von der Bibliothek erwarten kann. …
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Grenzen hat die Produktbeschreibung, wenn es um grundsätzliche inhaltliche Fragen geht. Warum stellen Bibliotheken Medien bereit? Was leisten sie mit diesem Produkt für die Menschen? Welche Bedeutung hat dieses Produkt für Schule, Ausbildung, berufliche Qualifikation, persönliche Lebensgestaltung?
Dies kann die Produktbeschreibung kaum beantworten. Was die Produktbeschreibung nicht oder wohl nur sehr schwerlich spiegelt, ist die Philosophie der Bibliothek, ihre gesellschaftliche Bedeutung, ihre Innovationskraft, ihre Zukunftsperspektive.
Hier wird die Grenze betriebswirtschaftlicher Methoden sehr schnell deutlich. …
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Für die Zukunftssicherung gerade öffentlicher Bibliotheken ist es unverzichtbar, die eigenen Kapazitäten nicht nur auf die Lösung der Herausforderungen durch die Verwaltungsreform zu konzentrieren, sondern die inhaltlichen Fragen der Zukunft, die Bedeutung von Bibliotheken in einer sich grundlegend wandelnden Gesellschaft aufzugreifen.
Produktbeschreibung ist als eine Methode zu betrachten, die, insbesondere für kulturelle Einrichtungen, einen Konsens über Aufgaben und Ziele voraussetzt. Die Produktbeschreibung selbst kann diesen Konsens nicht herstellen. Sie ersetzt nicht Ziele, Standortbestimmungen und Zukunftsvisionen.“ (Bußmann, 1998, S. 136f.).
Zunehmend setzt sich diese Erkenntnis in den Bibliotheken durch, und die Anzahl der Beiträge in den Fachpublikationen ist seit der Jahrtausendwende merklich gesunken. In den Verwaltungen jedoch, und damit zwangsläufig auch in den Öffentlichen Bibliotheken, hat sich die betriebswirtschaftliche Dominanz manifestiert. Die Steuerung erfolgt über das Budget und gegebenenfalls seine Reduzierung, über Kosten- und Leistungsrechnung, einschließlich Doppik, sowie über das alle Bibliotheksbereiche erfassende Conrolling.
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Es ist daher erforderlich, in diesem Kontext auch der Kosten- und Leistungsrechnung ein eigenes Kapitel zu widmen.
Die Inhalte der neuen Haushaltspläne, die unter Bezeichnungen wie Produktbuch, Haushaltsbuch, Ergebnisorientierter Haushalt oder Produkthaushalt erstellt werden, sind in hohem Maße abhängig von dem Entwicklungsstand der betriebswirtschaftlichen Instrumente in den einzelnen Kommunen. „Erst nach Umstellung auf ein neues Rechnungswesen und nach der flächendeckenden Einführung der Kosten- und Leistungsrechnung wird der Prozess der Neustrukturierung von Haushaltsplänen zum Abschluss kommen. Derzeit weisen viele Produkthaushalte noch sehr starke Beziehungen zum kameralen Rechnungswesen auf. Dies wird an Beispielen einer verknüpften Darstellung von Produktzahlen und Haushaltsstellenansätzen deutlich (siehe z. B. Stadt Herten, Kreis Recklinghausen). Der Einsatz der Ergebnisse aus der Kosten- und Leistungsrechnung als Datenbasis für Produkthaushalte ist bislang kaum anzutreffen.“ (Baier, 2002, S. 167).
Leistungsmessung und Kostentransparenz sind traditionelle Untersuchungsbereiche in Bibliotheken. So wird zum Beispiel die ‚Kostenanalyse in wissenschaftlichen Bibliotheken’ von Robert Funk aus dem Jahr 1975 in Grundlagenwerken zur bibliotheksgerechten Kosten und Leistungsrechnung auch Jahrzehnte später noch zitiert (vgl. Benkert, 1998a, S. 23ff.; Ceynova, 1998, S. 46).
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Als einer der Ersten machte es sich Funk zur Aufgabe, die Erkenntnisse verschiedener Wissensgebiete zusammenzuführen, nämlich „die Verwaltungslehre, insbesondere das kameralistische Rechnungswesen in der wissenschaftlichen Bibliothek auf der einen und die betriebswirtschaftliche Kostenlehre auf der anderen Seite“ (Funk, 1975, S. 6).
Es war Gegenstand seiner Untersuchung, „ein geschlossenes Kostenrechnungssystem in einem öffentlichen Dienstleistungsbetrieb, nämlich einer wissenschaftlichen Bibliothek, darzustellen, sowie Technik und Hilfsmittel für die Durchführung zu erläutern“ (Funk, 1975, S. 6).
Neben den zahlreichen wirtschaftswissenschaftlichen Publikationen zur Kosten- und Leistungsrechnung haben sich seit Beginn der Verwaltungsreform auch Bibliothekare erneut grundsätzlich und richtungweisend mit der Thematik und deren Anwendung in ihrem Fachgebiet beschäftigt, nun insbesondere für die Öffentlichen Bibliotheken.
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Die Staatliche Büchereistelle für den Regierungsbezirk Düsseldorf, die bereits 1995 eine verdienstvolle Arbeitshilfe ‚Produktdefinition’ vorgelegt hatte (vgl. Kapitel 4.3.2), lässt dieser kurzfristig eine weitere Arbeitshilfe ‚Kostenrechnung’ folgen. „Um ein grundsätzliches Verständnis für die Kostenrechnung zu entwickeln, werden in der Arbeitshilfe zunächst betriebswirtschaftliche Begrifflichkeiten und verschiedene Kostenrechnungssysteme vorgestellt. Die Ausführungen beschränken sich auf die Angaben, die erforderlich sind, um das Prinzip der Kostenrechnung zu verstehen. Sie bieten keine umfassende Einführung in die Kostenrechnung.“ (Büning/Böttger, 1996, S. 1).
Trotz dieser Bescheidenheit stellt die Publikation bis heute eine wichtige Arbeitshilfe - so der eigene Anspruch - für die Praxis in den Bibliotheken dar. Definitorische Klärung, Modellkostenrechnungen und Musterformulare machen sie zu einer wertvollen Arbeitsgrundlage, allerdings mit der selbst konzedierten Einschränkung: „Bibliotheken gehören zu den Einrichtungen, die in nur sehr begrenztem Maße durch Einnahmen ihren Zuschußbedarf senken können. Aus diesem Grund werden sie mit wenigen Ausnahmen integrierter Teil der Kommunalverwaltung bleiben und die Kameralistik als kommunales Rechnungswesen beibehalten. Wobei das kameralistische Haushaltswesen durchaus in Form von Budgetierung oder Teilbudgetierung angewandt werden kann. …
Das vorgestellte Kostenrechnungsmodell für Bibliotheken baut auf der Kameralistik auf. Es handelt sich hierbei also um ein System der Erweiterten Kameralistik bzw. Betriebsabrechnung.“ (Büning/Böttger, 1996, S. 1). Die wichtige Konkordanz von Kostenrechnung und Produkthaushalt ist enthalten.
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Eine weitere praxisnahe Publikation erschien kurz darauf durch das Deutsche Bibliotheksinstitut DBI: ‚Wege zu einer bibliotheksgerechten Kosten- und Leistungsrechnung’. Deren Anspruch formuliert Karin Pauleweit im Vorwort: „Die vorliegende Publikation ist das Ergebnis eines vom Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft, Forschung und Technologie geförderten Projekts. Sie will Entscheidungshilfe und Handlungsanleitung für Bibliothekarinnen und Bibliothekare in Öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliotheken sein, die sich aus eigenem Antrieb für Kosten und Leistungsrechnung interessieren oder die von ihren Vorgesetzten und Unterhaltsträgern vor das Problem gestellt werden, eine Kosten und Leistungsrechnung für die Bibliothek einzuführen. Dabei war es uns ein Anliegen, den Kolleginnen und Kollegen nicht nur Überlegungen zur betriebswirtschaftlichen und politischen Theorie als gedanklichen Hintergrund zu liefern, sondern vor allem eine sehr praktische und nachvollziehbare Handlungsanleitung in kleinen Schritten, die auch Laien ohne Vorkenntnisse einen Einstieg bietet. …
Gleichzeitig soll aber auch deutlich werden, daß es nicht die einzig wahre und richtige Methode zur Kosten und Leistungsrechnung gibt. Vielmehr existieren schon einzelne Ansätze in Öffentlichen Bibliotheken.“ (Benkert, 1998b, S. 7).
Es wird nicht verhohlen, dass die Einführung einer Kostenrechnung in einer Bibliothek eine aufwändige und mühevolle Aufgabe ist, „die sich vor dem Hintergrund des Nutzens rechtfertigen muß, der von der Anwendung dieses betriebswirtschaftlichen Instruments zu erwarten ist. Dieser zu erwartende Nutzen muß vorab geklärt und gegen den Aufwand der Entwicklung einer Kostenrechnungssystematik, der Implementierung des Systems und nicht zuletzt der laufenden Anwendung und ‚Pflege’ abgewogen werden. Diese Abwägung fällt häufig schwer, da zwar der Aufwand an finanziellen und personellen Ressourcen quantifiziert werden kann, der Nutzen hingegen zumindest teilweise in qualitativen Größen anfällt.“ (Benkert, 1998a, S. 21). Trotz dieser Erkenntnis ist die Bibliothek in der Pflicht, nachzuweisen und zu begründen, wo und wofür die zur Verfügung gestellten Ressourcen verwendet werden. „Diese Nachweispflicht entspricht der … Kontrollfunktion der Kostenrechnung; sie beschränkt sich jedoch i. d. R. nicht wie bei der Kameralistik auf den Nachweis der zweckgemäßen Verausgabung der Mittel, sondern hat meist den darüber hinausgehenden Anspruch der Schaffung von Transparenz über den Aufwand, der für die Erbringung interner und externer Leistungen der Bibliothek erbracht wird. Die Kontrollfunktion der Kostenrechnung für externe Informationsnutzer wird praktisch vor allem durch den Vergleich von Kosten und Leistungen in der Bibliothek (interner Vergleich) einerseits und den Vergleich von Kosten bestimmter Leistungen in ähnlich strukturierten anderen Bibliotheken und sonstigen Einrichtungen (externer oder Betriebsvergleich).“ (Benkert, 1998a, S. 22).
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Es folgen Ausführungen zum Kostenbegriff, zur Kostenarten, Kostenstellen und Kostenträgerrechnung, zu Hauptkostenstellen, Vor-, Hilfs-, Neben- und Endkostenstellen sowie zur Übertragbarkeit der Kostenrechnung auf eine Wissenschaftliche und zwei Öffentliche Bibliotheken.
Ferner liegen Publikationen einzelner Bibliotheken vor, so zum Beispiel aus Paderborn im Rahmen des ‚Internationalen Netzwerkes Öffentlicher Bibliotheken’ der Bertelsmann Stiftung (vgl. Kranstedt/Wiemers, 1997).
Einige Jahre nach dieser Zeit des Aufbruches lässt sich erkennen, dass der Grad der Umstellung der Bibliotheken auf betriebswirtschaftliche Organisationsgrundlagen höchst unterschiedlich vorangeschritten ist, je nach dem Veränderungswillen der Trägerkommunen. Auch sind zweigleisige Arbeitsformen häufig anzutreffen: „In der Stadt Köln enthält der Produkthaushalt … eine parallele Darstellung von kameralen Ansätzen und Ergebnissen der Kosten- und Leistungsrechnung. Für den nicht geschulten Politiker und auch für das Verwaltungsmanagement dürfte der Ausweis unterschiedlicher Finanzinformationen für ein Produkt gewisse Schwierigkeiten im Verständnis verursachen. Auch im Hinblick auf die Schaffung von Vertrauen in die neuen Zahlenwerke sollte eine einheitliche Basis als Grundlage für den Produkthaushalt gewählt werden. …
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Bei der Betrachtung der Entwürfe verschiedener Kommunen entsteht jedoch noch oft der Eindruck einer Informationsüberfrachtung und einer schwer zugänglichen Gliederungssystematik mit einem verbesserungsfähigen Layout. Der nächste qualitative Entwicklungsschritt hin zu einer empfängerorientierten und übersichtlichen Aufbereitung der steuerungsrelevanten Informationen in den neuen Produkthaushalten muss von den meisten Kommunen noch eingeleitet werden.
Die Sichtung der Beispiele aus den Kommunen zeigt momentan ein uneinheitliches Bild bei der Neugestaltung der Haushaltspläne.“ (Baier, 2002, S. 168).
Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht wird daher die konsequente und alleinige Anwendung des vollständigen betriebswirtschaftlichen Instrumentariums empfohlen. „Mit fortschreitender Einführung des Neuen Steuerungsmodells wurden die Unzulänglichkeiten der Kameralistik immer offenkundiger. Verschiedene Kommunen haben versucht, unter Beibehaltung des kameralen Haushalts die Informationsgrundlagen in Politik und Verwaltung durch Einführung einer flächendeckenden Kostenrechnung und ein Produktbuch mit Kosteninformationen zu einzelnen Leistungen, Produkten oder Produktgruppen zu verbessern. Diese Zweigleisigkeit hat sich nicht bewährt. Selbst dort, wo das Produktbuch in Unterabschnitte parallel zum kameralen Haushalt gegliedert wurde, empfanden die Politiker diese Form der Informationsdarbietung als zu unübersichtlich und kehrten über kurz oder lang wieder zur ausschließlichen Beratung auf der Grundlage des kameralen Haushalts zurück. Die Konsequenz aus dieser Erfahrung lautet: ‚Der Ausweis des vollständigen Ressourcenverbrauchs gehört in den Haushalt’.“ (Bals, 2004, S. 158f.).
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Und auch die KGSt hat eine ambivalente Zwischenbilanz gezogen: „In vielen Kommunen wurden Budgets zur Steuerung des Ressourcenverbrauchs eingeführt und in über der Hälfte der Kommunen gibt es dezentrale Fach- und Ressourcenverantwortung. Auf der anderen Seite steuern immer noch fast zwei Drittel der Kommunen inputorientiert. …
Nur ein gutes Drittel der Kommunen verbindet mit der Ressourcenzuweisung explizit Ziel- und Leistungsvorgaben.“ (KGSt, 2007, S. 36). Die in der Quelle beigefügte Grafik weist folgende Prozentanteile aus:
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„Wie dem auch sei - das Neue Haushaltsrecht verpflichtet die Kommunen nun, eine moderne Finanzsteuerung aufzubauen und die Kameralistik abzulösen.“ (KGSt, 2007, S. 38).
Dieses neue Haushaltsrecht geht auf einen Beschluss der Innenministerkonferenz im Jahr 2003 zurück. „Die Innenministerkonferenz hat am 21.11.2003 den Bericht zur Reform des Gemeindehaushaltsrechts zustimmend zur Kenntnis genommen. Die von den Arbeitsgruppen vorgelegten Leittexte wurden angenommen und zur Grundlage bei der Umsetzung der Reform in den Ländern gemacht. Die Leittexte beinhalten Vorschläge zu einem doppischen Haushaltsrecht (Mustertext einer Gemeindeordnung), einen Kontenrahmen und einen Produktrahmen.“ (Höper, 2007, S. 14).
Die Änderung der Gesetzgebung erfolgt in den Ländern innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens und unter Berücksichtigung diverser Übergangsvorschriften. So wurde in Niedersachsen die Änderung der Niedersächsischen Gemeindeordnung NGO am 9.11.2005 beschlossen und trat zum 1.1.2006 in Kraft. Der Übergangszeitraum ist bis zum 31.12.2011 festgesetzt. Die neue Gemeindehaushalts– und –kassenverordnung trat ebenfalls zum 1.1.2006 in Kraft. Die örtlichen Vorschriften wie Haushaltssatzung, Budgetregeln, Richtlinien des Rates zur Kreditaufnahme, Dienstanweisungen, insbesondere für Kasse und Kassenaufsicht sind innerhalb des Zeitrahmens anzupassen (vgl. Höper, 2007, S. 13).
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Diese Gesetzesreform gemeinsam mit dem Buchführungsstil der Doppik wird als Neues Kommunales Rechnungswesen NKR bezeichnet. Es ist Teil und Grundlage der Verwaltungsreform nach dem Neuen Steuerungsmodell, ebenso wie die in den vorangegangenen Kapiteln bereits untersuchten Instrumente der Kosten- und Leistungsrechnung, Produktbildung und Kennzahlenentwicklung zur Verbesserung der Transparenz und Steuerbarkeit kommunaler Aufgaben und Leistungen.
Die bisher in Kapitel 4 erfolgte Untersuchung zu Zielen, Maßnahmen und zum gegenwärtigen Stand der Verwaltungsreform, insbesondere zu Budgetierung, Produktdefinition und Rechnungswesen im Allgemeinen wie im Fachbereich Bibliothek, dient der vorliegenden Arbeit insofern zielführend, als nunmehr die Bibliothek organisatorisch verortet ist. Auf diese herausgearbeitete Struktur- und Haushaltsbasis trifft nun die zunächst systemextern entwickelte Theorie des Gender Budget mit ihrer eigenständigen Methodik und ihrem spezifischen Instrumentarium.
Da die Gleichstellung von Männern und Frauen - obzwar gesetzlich vorgeschrieben - keineswegs so engagiert vorangetrieben wird wie die Verwaltungsreform, ist für das Reformthema Gender Budget zunächst Bewusstseinsbildung bei Verwaltungsspitze und Politik zu leisten.
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Wie bereits in Kapitel 3.5.3.5 einleitend untersucht, hat das Land Berlin mit der Einführung von Gender Budgets bisher am meisten Erfahrung gesammelt, flächendeckend und über mehrere Jahre. Diesem Beispiel sei daher die folgende Erörterung gewidmet.
Das Berliner Abgeordnetenhaus hatte bereits 1996 die Senatsverwaltungen aufgefordert, bei Vorlage des jeweiligen Haushaltes in Berichtsform darzustellen, inwieweit dem gleichstellungspolitischen Auftrag nachgekommen wird. Dies bezog sich allerdings nicht auf den gesamten Haushalt oder den einzelner Abteilungen, sondern lediglich auf Haushaltspositionen mit unmittelbar frauenspezifischem Bezug. Auch qualitativ erfolgte die Umsetzung unzureichend im Hinblick auf haushaltspolitische Relevanz.
Im Rahmen der Diskussionen über Konsolidierungskonzepte forderten Berliner Fraueninitiativen mit Nachdruck die Gestaltung eines geschlechtergerechten und transparenten Haushaltes.
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Daraufhin beschloss das Abgeordnetenhaus im Mai 2002, den Senat aufzufordern, einen Senatsbeschluss zur Umsetzung des Gender Mainstreaming in allen Politikfeldern zu fassen, sowie im Juni 2002, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass bei der Vorlage der Haushaltspläne künftig die Gesamtbreite der jeweiligen Haushaltsansätze Gegenstand einer gendersensiblen Analyse und Berichterstattung gegenüber dem Hauptausschuss wird.
Seitdem ist Gleichstellungspolitik mit dem Instrumentarium von Gender Mainstreaming und Gender Budgeting kontinuierlich Thema der jährlichen Haushaltsberatungen, einschließlich umfangreicher Dokumentation unter www.berlin.de/gendermainstreaming. Diese erfolgt durch die Senatsverwaltung Wirtschaft, Arbeit und Frauen/Geschäftsstelle Gender Mainstreaming unter der Leitung von Dr. Ute Weinmann. Aus ihren zahlreichen Berichten und Vorträgen wird deutlich, dass trotz gezielter und wiederholter Beschlusslage die Umsetzung von Gender Mainstreaming und Gender Budgeting vorrangig eine Aufgabe der Bewusstseinsbildung und darauf aufbauend schrittweise eine Anforderung an den jeweiligen Haushalt darstellt.
In ihrem ersten Bericht über den Zeitraum 2002/2003 konstatiert sie: „Die Förderung der Gleichstellung von Frauen ist integraler Bestandteil der gesamten Berliner Politik und Verwaltung. Den Erfahrungen anderer europäischer Länder sowie anderer Bundesländer folgend, in denen Gender Mainstreaming seit einigen Jahren implementiert wird, hat der Senat mit seinen in 2002 und 2003 gefassten Beschlüssen (SB Nr. 225/02 v. 14. Mai 2002, SB Nr. 720/02 v. 26. November 2002, SB Nr. 948/03 v. 4. März 2003) wesentliche Weichenstellungen zur institutionellen Verankerung von Gender Mainstreaming in der Berliner Politik und Verwaltung getroffen. Mit ihr werden alle gleichstellungspolitischen Aktivitäten quantitativ und qualitativ auf eine breitere Grundlage als bisher gestellt. Koordinierende Stelle auf Landesebene ist die im Januar 2003 eingerichtete Geschäftsstelle Gender Mainstreaming.
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Die Einführung und Umsetzung des Gender Mainstreaming bedeutet, dass alle politischen und administrativen Maßnahmen von vornherein und regelmäßig dahingehend zu prüfen sind, wie sie sich auf die Lebensbedingungen und Interessen von Frauen und Männern auswirken. Somit ist die Kategorie ‚Geschlecht’ als relevantes soziales Differenzierungskriterium in alle Politik- und Verwaltungsfelder zu integrieren. Gender Mainstreaming geht davon aus, dass die bestehenden sozialen Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern strukturell bedingt sind und Geschlechterdemokratie deshalb mehr ist als die Herstellung statistischer Gleichheit. Gender Mainstreaming bezieht Männer als gleichstellungspolitische Akteure explizit ein und ist folglich als ein Ansatz zur Neugestaltung der Geschlechterverhältnisse zu verstehen. Insofern sich die Politik des Gender Mainstreaming primär an Verwaltungsorganisationen richtet, impliziert sie zudem eine Qualitäts-, Effektivitäts- und Effizienzsteigerung des Verwaltungshandelns insgesamt.“ (Weinmann, 2003, S. 3).
Der ab Januar 2003 zunächst auf drei Jahre befristet eingerichteten Geschäftsstelle im Rang einer Stabsstelle obliegt ein breites Aufgabenspektrum:
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Der Dimension und Bedeutung dieses Implementierungsprozesses angemessen hat der Senat im März 2003 die Einsetzung einer Landeskommission Gender Mainstreaming beschlossen. „Die Berliner Kommission stellt gegenüber vergleichbaren Einrichtungen auf Landes- und Bundesebene ein Novum dar. Gemäß der Erkenntnis, dass dieses Politikfeld als Voraussetzung für erfolgreiches Gender Mainstreaming wie kein anderes eine ‚Top-Down-Strategie’ verlangt, gehören der Kommission Staatssekretärinnen und Staatssekretäre verschiedener Ressorts an.“ (Weinmann, 2003, S. 4).
Ferner gehören ihr Spitzenvertreter einzelner Bezirke an, sowie Personalvertretungen, Gleichstellungsbeauftragte, Vertreter der Senatsverwaltung für Finanzen bis hin zum Landesfrauenrat e. V. und der ‚Initiative für einen geschlechtergerechten Haushalt in Berlin’. Die Kommission arbeitet unter wissenschaftlicher Begleitung.
Die Kommission sieht „die Notwendigkeit, inhaltliche Schwerpunkte zu setzen und diejenigen Themen gezielt zu bearbeiten, die für eine kritische Begleitung, Weiterentwicklung und Unterstützung der eingeleiteten Umsetzungsprozesse von Gender Mainstreaming unabdingbar sind. Dies sind vor allem:
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Bereits in diesem frühen Planungsstadium wird also der finanzpolitischen Komponente große Bedeutung beigemessen und Gender Budgeting prioritär in den Aufgabenkatalog aufgenommen.
Als Pilotprojekte fungieren in der ersten Phase die Senatsverwaltungen für
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sowie die Bezirksämter
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Die aufgebauten Arbeitsstrukturen gewährleisten die systematische Implementierung des Prozesses durch
„Die diesbezüglichen Instrumente reichen in den Berliner Pilotverwaltungen von Lenkungs- und Steuerungsgruppen, Arbeits- und Projektgruppen bis hin zu Genderbeauftragten. Dabei ist von besonderer Relevanz, dass auf eine geschlechtsheterogene Zusammensetzung geachtet wird und die Verantwortlichkeit für die Koordinierung der hausinternen Gender Mainstreaming-Prozesse nicht einseitig an die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten oder Frauenvertreterinnen delegiert wird. Die Geschäftsstelle Gender Mainstreaming hat hier aufklärend interveniert und wesentlich dazu beigetragen, dass zum einen männliche oberste Führungskräfte als Genderbeauftragte in Pilotverwaltungen fungieren und zum anderen überwiegend jeweils zwei Personen, nämlich eine Frau und ein Mann, diese Funktion ausüben.“ (Weinmann, 2003, S. 10).
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Die Themenpalette der Gender-Projekte entspricht der vielfältigen Aufgabenstellung öffentlicher Verwaltungen. Die Pilotprojekte beziehen sich auf Sportförderung, Gesundheitsvorsorge, Stadtplanung, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Wirtschafts- und Sozialplanung, Standesamtswesen, Kultur und Bildung.
Nachdem sich allerdings „herausstellte, dass während der einjährigen Pilotphase keine Berliner Verwaltung ein Pilotprojekt realisiert, in dem explizit eine Gender-Budget-Analyse durchgeführt wird, ist nunmehr verstärkt darauf hinzuwirken, dass 2004 - mit Beginn der zweijährigen Hauptphase der Umsetzung von Gender Mainstreaming in allen Verwaltungen auf Landes- und Bezirksebene - Bereiche von fachlicher und haushaltspolitischer Relevanz definiert werden, in denen Vorbereitungen dafür getroffen werden, dass Maßnahmen zum geschlechtergerechten Haushalt erprobt werden können. Soweit zahlreiche Pilotprojekte bereits jetzt Gender Mainstreaming im Bereich Wirtschaftsförderung, Jugend- und/oder Sportförderung umsetzen, sollte parallel mit der geschlechtsspezifischen Analyse der einzelnen Budgets begonnen werden. Der Einbindung der Bezirke kommt insofern eine besondere Bedeutung zu, als mehrere Bezirke BVV-Beschlüsse (Pankow, Tempelhof-Schöneberg, Charlottenburg, Marzahn-Hellersdorf) zum Thema Gender Budget gefasst haben.“ (Weinmann, 2003, S. 20).
Um das zentrale Thema Gender Budget stärker zu berücksichtigen, setzt die Landeskommission eine ‚Arbeitsgruppe Gender Budget’ ein. Diese soll Realisierungsmöglichkeiten erarbeiten, „wie die Einführung von Gender Budgets zum Haushaltsplanentwurf des Jahres 2006 erfolgen kann“ (Weinmann, 2003, S. 21).
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In der Pilotphase 2003/2004 werden erstmalig auf Landes- und Bezirksebene auch Pilotprojekte zum Gender Budgeting initiiert. „Vorbereitend für die Haushaltsaufstellung 2006 soll Gender Budgeting auf alle Senats- und Bezirksverwaltungen ausgedehnt werden. Die anhand repräsentativer Titelgruppen bzw. Produkte durchgeführten ersten geschlechterdifferenzierten Budgetanalysen können als strategisch sehr sinnvoll und ergebnisreich bezeichnet werden. Bietet doch die in ausgewählten Bereichen erhöhte Kostentransparenz jetzt schon die Grundlage sowohl für weitere Analysen als auch für Steuerungen im Sinne einer geschlechtergerechteren Budgetpolitik.“ (Weinmann, 2004b, S. 5). Zu dieser Einschätzung kommt der ‚Zweite Bericht über Gender Mainstreaming (einschließlich Gender Budgeting) in der Berliner Politik und Verwaltung’. Und er muss konzedieren: „Gleichwohl wird deutlich, dass die Prozesse insgesamt sehr unterschiedlich und diskontinuierlich verlaufen sind. Der jetzige (virtuelle) Zielerreichungsgrad ist zunächst nur als eine wichtige Vorstufe zur Herstellung von mehr Geschlechtergerechtigkeit zu kennzeichnen. Nach den aktuellen Berliner Erfahrungen ist erneut festzustellen, dass eine so komplexe Strategie wie die des Gender Mainstreaming/Gender Budgeting (selbst bei relativ guten politischen und konzeptionellen Rahmenbedingungen) nicht kurzfristig zu realisieren ist. Soll sie dauerhaft und nachhaltig etabliert werden - und zwar sowohl als Organisationsentwicklungs- und Veränderungs- als auch als Wissens- und Kommunikationsprozess - , so kann es sich hierbei um ein nur langfristig zu erreichendes Ziel handeln.“ (Weinmann, 2004b, S. 5).
Eingefordert wird die vehementere und sichtbarere Unterstützung durch die politische und administrative Führungsebene, die Anwendung moderner Managementmethoden sowie die verstärkte Kommunikation dieser sensiblen Thematik gegenüber der Öffentlichkeit.
Die von der Arbeitsgruppe Gender Budget vorgelegte Einführungsstrategie „beinhaltet, dass ab 2004 zur Vorbereitung der Haushaltsaufstellung 2006 alle Senatsverwaltungen anhand repräsentativer Titelgruppen und alle Bezirksverwaltungen anhand gender- und finanzrelevanter Produkte Gender Budgeting (im ersten Schritt zunächst jedoch nur als sogenannte geschlechterdifferenzierte ‚Nutzenanalyse’) durchführen … Gegenüber der ‚ursprünglichen’ Einführungsstrategie sollte die Pilotphase nunmehr also ausgedehnt werden auf alle Senats- und Bezirksverwaltungen, sodass einzelne Instrumente der geschlechtsspezifischen Budgetanalyse dann flächendeckend implementiert werden und die erzielten Erkenntnisse in die nächste Haushaltsaufstellung qualifiziert einfließen könnten.“ (Weinmann, 2004b, S. 14).
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Die von der Arbeitsgruppe getroffene Entscheidung, mit einer geschlechtersensiblen Nutzenanalyse ausgewählter Haushaltsansätze oder Produkte zu beginnen, ist ein erster pragmatischer Schritt. „Weitere Analyseschritte, vor allem aber auch qualitative Bewertungen der jeweiligen Ergebnisse, Erklärungsansätze für ggf. ungleiche geschlechtsspezifische Verteilungsergebnisse und Schlussfolgerungen für haushalts- bzw. geschlechtergerechte Veränderungen müssen folgen.“ (Weinmann, 2004b, S. 16). Gemeint ist hier das umfangreiche, in Kapitel 3.4 der vorliegenden Untersuchung dargestellte Instrumentarium des Gender Budget.
An der Pilotphase zum Gender Budgeting beteiligten sich zunächst eine Senatsverwaltung und drei Bezirksämter:
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Nur das Bezirksamt Lichtenberg bezieht von Anfang an die Bibliothek mit den Produkten ‚Entleihung’ und ‚Vermittlung Medienkompetenz’ in die Gender Budget-Analysen ein. Ihm soll daher im weiteren Verlauf dieser Untersuchung besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden.
„Die Steuerungsgruppe hatte zunächst dafür votiert, die geschlechtsspezifische Budgetanalyse sowohl auf Basis kameraler Haushaltsansätze als auch der Produktbudgets vorzunehmen, ist jedoch bereits bei der Analyse der geschlechts-spezifischen Verwendungen der im Jahre 2003 vergebenen BVV-Sondermittel zu der Erkenntnis gelangt, dass aussagekräftige und steuerungsrelevante Daten kaum zu gewinnen sind. Die genderbezogene Analyse der Produkte erfolgte zunächst ausschließlich als geschlechterdifferenzierte Nutzenanalyse, um überhaupt einen praxis-orientierten Einstieg in die Thematik zu finden, die Beteiligten mit dem Ansatz und der Strategie vertraut zu machen und ggf. erste Erkenntnisse für Handlungsansätze zu finden.“ (Weinmann, 2004b, S. 18).
Als Ergebnis einigte man sich auf die bereits genannten Produkte.
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Maßgeblich für deren Auswahl waren folgende Aspekte:
Im Anschluss daran wurde für alle Produkte „ermittelt, ob die Angebote/Leistungen vermehrt von Frauen oder Männern genutzt werden sowie die Abbildung, welche Leistung/Angebote gefragt waren. Zusätzlich wurden die so gewonnenen Ergebnisse auf das zur Verfügung stehende Budget umgelegt und Prozente errechnet.“ (Weinmann, 2004b, S. 19).
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Das erste Ergebnis aus Lichtenberg stellt sich mit den folgenden Pilot-Produkten vor:
Produkt- nummer |
Produktbezeichnung |
Budgetwirksame Produktkosten 2003 € |
Budgetwirksame Produktkosten 2004 € |
Budgetverteilung weiblich |
Budgetverteilung männlich |
75476 |
Entleihung |
1.765.561 |
1.345.000 |
1.050.509 59,5 % |
715.052 40,5 % |
60970 |
Vermittlung Medien- kompetenz |
52.693 |
87.000 |
44.511,44 51,4 % |
42.140,56 48,6 % |
76843 |
Lehrveranstaltung VHS |
1.927.677 |
1.306.000 |
1.401.421 72,7 % |
526.256 27,3 % |
77673 78422 |
Bereitstellung von Sportanlagen Bereitstellung von Sportanlagen auf Schulstandorten |
2.006.559 2.124.958 4.131.517 |
1.921.000 1.183.000 3.104.000 |
1.582.371 38,3 % |
2.548.747 61,7 % |
78387 |
Allgemeine Kinder- und Jugendarbeit |
4.992.085 |
3.232.000 |
2.136.612 42,8 % |
2.855.473 57,2 % |
Gesamtbudget |
12.869.533 |
9.074.000 |
Quelle: Weinmann, 2004b, S. 19.
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Die geschlechterdifferenzierte Analyse der Bibliothek bezieht sich beim Produkt Entleihung offensichtlich auf das Haushaltsjahr 2003, bei der Medienkompetenz auf 2004.
Als Analyse und vorläufige Bewertung dieser ermittelten und veröffentlichten Daten wird festgehalten, dass sie sich auf die erste Nutzungsebene der Produkte beziehen, d. h. betrachtet wird z. B., ob Frauen oder Männer Bücher ausleihen. Die Daten geben Auskunft über die Ausleihe, aber nicht über das tatsächliche Leseverhalten. Die Anzahl der Entleihungen bezieht sich zu 59,5 % auf Mädchen/Frauen, gegenüber 40,5 % auf Männer/Jungen. „Wird allerdings nach Sachgebieten differenziert, so liegt der Männer-/Jungenanteil etwa im Bereich Tonträger bei 54 %, umgekehrt der Mädchen-/Frauenanteil bei 46 %.“ (Weinmann, 2004b, S. 20).
Auch für die weiteren analysierten Produkte kommt die Auswertung zu der Überzeugung, dass eine differenziertere Betrachtung erforderlich ist, die einzelne Sachaspekte, Analyse-Ebenen und letztendlich auch Kausalitäten stärker berücksichtigen kann. „Um insgesamt zu repräsentativeren Daten zu gelangen, müssten berlinweit analoge (geschlechterdifferenzierte) Produkt- und Budgetanalysen durchgeführt werden. In weiteren (qualitativen) Analyseschritten müsste zudem untersucht werden, welche Ursachen konstitutiv sind für die unterschiedliche Repräsentanz von Frauen/Mädchen bzw. Männern/Jungen bei der Inanspruchnahme öffentlicher Angebote in den ausgewählten Produktbereichen.“ (Weinmann, 2004b, S. 20).
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Der Bericht über die Pilotphase 2003/2004 zum Gender Budgeting schließt anhand dieser ersten Datenerhebungen mit einer sehr sorgfältigen Stärken-Schwächen-Analyse sowie einem umfangreichen Empfehlungskatalog für die weitere Vorgehensweise.
Nach Abschluss der einjährigen Pilotphase beginnt die so genannte zweijährige Hauptphase, in der alle Senats- und Bezirksverwaltungen Gender Mainstreaming und Gender Budgeting in ausgewählten Bereichen qualifiziert umzusetzen haben.
„Den Themenkomplex ‚Gender Budgeting’ betreffend, hatte das Abgeordnetenhaus von Berlin bereits am 18. März 2004 jeder Senats- und Bezirksverwaltung zur Auflage gemacht, für den Doppelhaushalt 2006/2007 bestimmte Elemente des Gender Budgeting einzuführen und vorbereitend zur Ersten Lesung des Haushalts (2006) einen Bericht vorzulegen, der Informationen darüber enthält, ob die Haushaltsmittel Frauen oder Männern (Mädchen oder Jungen) zu Gute kommen und welche geschlechtsspezifischen Verteilungsquoten sich daraus ergeben. Diese Einzelberichte der Fachverwaltungen sind von der Senatsverwaltung für Finanzen zusammengefasst und unter dem Titel ‚Gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern sowie Förderung von Frauen gegen Benachteiligungen und Diskriminierungen bei der Haushaltsaufstellung …’ unterbreitet worden. Der inzwischen vom Senat beschlossene Gesamtbericht (Drs. Nr. 15/4176), der unmittelbar Bezug auf den Entwurf des Haushaltsplans 2006/2007 nimmt, wird zur Zeit in den jeweiligen Fachausschüssen behandelt.“ (Weinmann, 2005, S. 2).
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Der ‚Dritte Bericht über Gender Mainstreaming und Gender Budgeting in den Senats- und Bezirksverwaltungen im Land Berlin’, dem dieser Ausblick entnommen wurde, geht gleichzeitig auf die verbreitet anzutreffenden Vorbehalte gegenüber dem Gender-Ansatz ein: „Natürlich soll hier auch darauf hingewiesen werden, dass die institutionellen Umsetzungsprozesse auch weiterhin durch Vorbehalte, Unsicherheiten, Sensibilisierungs- und Wissenslücken gekennzeichnet sind. Jedenfalls dürften beim Übergang der Implementierung in die institutionelle Normalpraxis noch einige Jahre vergehen. Aber auch das ist wohl nur über eine stärkere gesamtgesellschaftliche Diskussion mit Fragen der Geschlechtergerechtigkeit möglich. Die Umsetzung von Gender Mainstreaming/Gender Budgeting ist ja auch deshalb so schwer lösbar und zieht deswegen so viele Kontroversen auf sich, weil sie einerseits schon im Ansatz mit Fragen des eigenen Verständnisses von Geschlechterrollen unmittelbar verzahnt ist und das Thema andererseits in der gesellschaftlichen und politischen Öffentlichkeit zumindest eine kaum wahrnehmbare Bedeutung einnimmt.“ (Weinmann, 2005, S. 3).
Da Gender-Politik jedoch in Berlin auf Beschlüssen basiert und kontinuierlich fortgeschrieben, erweitert und spezifiziert wird, liegt hier inzwischen ein Projektkatalog vor, der sich bereits als Diskussionsgrundlage eignet.
Dieser Katalog trennt zunächst formal nach folgenden Kriterien:
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Bei den Pflichtprodukten der Bezirke für Nutzenanalysen innerhalb der Gender Budget-Analysen kommt nunmehr den Bibliotheken prioritäre Bedeutung zu. Alle Bezirksbibliotheken legen zum Pflichtprodukt ‚Entleihung’ genderspezifische Daten, einschließlich Kosten, vor.
Zu den Pflichtprodukten der Bezirke zählen:
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„Bei der produktbezogenen Nutzenanalyse der Bezirksverwaltungen ist festzustellen, dass fast alle Bezirke (mit wenigen Ausnahmen) mehr als nur die vom Rat der Bürgermeister abgestimmten Pflichtprodukte einer Gender Budget Analyse unterziehen. Insbesondere das Bezirksamt Lichtenberg, aber auch andere Bezirksämter, erproben am Beispiel einer größeren Anzahl ‚freiwilliger’ Produkte (Kürprodukte) Gender Budgeting.“ (Weinmann, 2005, S. 12).
Dieser Katalog gemeldeter Kürprodukte der Bezirke umfasst im Jahr 2005 etwa 50 Produkte, allerdings einschließlich paralleler Meldungen, so z. B. Wiederholungen bei:
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In diesem Katalog der Kürprodukte fällt erneut die offensive und innovative Herangehensweise des Bezirkes Lichtenberg ins Auge: Er weist die meisten freiwilligen Produkte auf, und auch die Bibliothek nimmt erneut teil mit dem Kürprodukt ‚Vermittlung von Medienkompetenz und Leseförderung’ (vgl. Weinmann, 2005, S. 13).
Für 2006 meldet die Bibliothek des Bezirksamtes Lichtenberg folgende genderspezifische Daten (Produktbudget und Produktnutzung):
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Produkt- Bezeichnung |
Budget 2006 |
weiblich |
männlich |
||
abs. |
% |
abs. |
% |
||
Entleihung |
1.720.200 € |
796.527 |
67,1 % |
391.121 |
32,9 % |
Vermittlung von Medienkompetenz und Leseförderung |
90.400 € |
10.189 |
53,8 % |
8.762 |
46,2 % |
Quelle: Weinmann, 2005, S. 16.
Die operative Vorgehensweise wird nicht nur kontinuierlich differenziert und mit ihren Ergebnissen regelmäßig dokumentiert und veröffentlicht, vielmehr liegen auch Materialbände zu Art und Umfang der jeweiligen Datenerhebung vor, so z. B. auch aus der Stadtbibliothek Lichtenberg die Dokumentation über ‚methodisches Vorgehen und Ablaufprozess’ (vgl. Weinmann, 2004a, S. 3ff.).
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Die Analyse der einzelnen Produkte erfolgt jeweils nach den standardisierten Kriterien:
Zum Produkt ‚Entleihung’ liegen seit Ausstellung des Benutzungsausweises (DV-gestützt) personenbezogene Daten nach Geschlecht, Alter und Postleitzahl vor.
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„Mit jeder Entleihung wird pro entliehenem Medium erhoben, welchen Geschlechts die/der Entleiher/in ist. Folgende Auswertungen sind möglich:
Die von Bibliotheken erhobenen Daten haben traditionell bereits erheblichen Umfang. Er erweitert sich durch die hinzukommende Gender-Perspektive. Dies ist jedoch unabdingbar, wenn eine Gender-Analyse Aussagekraft erhalten soll.
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Der ergebnisorientierte Blick auf das Produkt ‚Entleihung’ erfährt aus allen Bibliotheken, dass diese Form der Nutzung sich zu 60 % und darüber auf Frauen und Mädchen bezieht, analog 40 % und darunter auf Männer und Jungen.
Erst die Untersuchung der nächsten Differenzierungsstufe zeigt die Diskontinuität: „Tonträger (CD, MC) werden mehrheitlich (54 %) von Jungen bzw. Männern ausgeliehen. Eine differenziertere Analyse der Sachgruppe ‚Sachliteratur’ ergibt, dass Titel der Sachgebiete ‚Technik’ und ‚Informatik’ überwiegend von Personen männlichen Geschlechts entliehen werden.“ (Weinmann, 2004a, S. 4).
Und bei der Betrachtung des Nutzens für ein geschlechterdifferenziertes Verwaltungshandeln muss sogar noch weitergehende Spezifizierung eingefordert werden: „Die erhobenen Daten geben Auskunft über die Ausleihe, nicht aber über das tatsächliche Leseverhalten. Allenfalls lassen sich Analogien herstellen.
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Um zu aussagekräftigeren Erkenntnissen zu kommen, müssten zusätzliche Befragungen vor Ort durchgeführt werden. Darüber hinaus wäre ein Vergleich aller Berliner Öffentlichen Bibliotheken von erheblichem Nutzen, weil die Daten ggf. Rückschlüsse auf das Angebot der Bibliothek und die Bevölkerungsstruktur zulassen würden.“ (Weinmann, 2004a, S. 6).
Bei dem Produkt ‚Vermittlung von Medienkompetenz und Leseförderung’, dessen Leistungsumfang in Form von Bibliotheksunterricht, Klassenführungen, Benutzerschulungen, Internet- und Multimediaveranstaltungen erbracht wird, muss die Teilnahme männlicher und weiblicher Besucher sogar manuell per Strichliste differenziert werden. Dies ist auch erforderlich, falls die Datenerhebung nicht nach Angebotsthemen, sondern nach Angebotsstunden erfolgt.
Die vermeintlich einfache Quantifizierbarkeit von Bibliotheksdienstleistungen hatte ihre Grenzen traditionell bei der Annahme, dass die messbare Anzahl von Entleihungen linear positive Auswirkungen auf den Bildungszuwachs des Bürgers hat.
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Wenn nun die genderspezifische Analyse - allein die Nutzen-Analyse - bereits bei dem DV-gestützt messbaren Produkt ‚Entleihung’ weiteren Differenzierungs- und Interpretationsbedarf sieht, so wird die Analyse bei den optionalen Produkten ‚Vor-Ort-Nutzung’ und ‚Information und Beratung’ weitaus schwieriger.
Und bei einem der nächsten Schritte, der so genannten Wirkungsanalyse, stellen sich beispielhaft die Fragen: „Der Bezirk verausgabt Mittel für die Bibliothek. Männer nutzen die Bibliothek seltener als Frauen. Liegt das an der Präsentation und den vorhandenen Medien? Benötigen Männer die Bibliothek als Informationsstelle und für ihre Qualifizierung? Ergreift der Bereich Maßnahmen, um männliche Zielgruppen anzusprechen? Hat sich daraufhin die Repräsentanz von Männern als Nutzer erhöht? Wie hat sich die Repräsentanz von Frauen entwickelt?“ (Baumfelder, 2006, S. 17).
Steht auch die exakte Analyse zur Beantwortung dieser und vieler weiterer Fragen noch aus, so zeigen sie doch bereits deutlich eines der Ziele von Gender Budgeting.
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Die Beschwerlichkeit des noch zurückzulegenden Weges ist den Gender-Experten durchaus bewusst, zumal sie nicht nur die Bibliotheken betrifft.
Zwar war bei den Haushaltsberatungen zum Doppelhaushalt 2006/2007 „zu konstatieren, dass die praktische Akzeptanz für den Nutzen und Mehrwert von Gender Budgeting bei den Abgeordneten zukünftig noch zu erhöhen ist“ (Baumfelder, 2006, S. 9), so hat die Berliner Landeskommission Gender Mainstreaming, „ein vorwiegend mit Staatssekretärinnen und Staatssekretären zusammengesetztes zentrales Steuerungsgremium, am 27.10.2005 beschlossen: ‚Gender Budgeting soll im Berliner Landeshaushalt kontinuierlich und qualifiziert weiter entwickelt und so zum integralen Bestandteil des Haushaltsverfahrens gemacht werden. Zukünftig soll die geschlechtsspezifische Verteilung der konkreten Haushaltsansätze (absolute Beträge) im Haushalt dargestellt werden. Die Datenerhebung und Datenpflege bei den entsprechenden Haushaltstiteln/Produkten soll kontinuierlich fortgesetzt werden. In den Bezirken soll die produktbezogene Nutzenanalyse ausgeweitet werden. Dazu soll die Anzahl der zu analysierenden Pflichtprodukte erhöht werden. Die bisher von den Senatsverwaltungen vorgenommenen Gender Budget-Nutzenanalysen … sollen erweitert und vertieft werden. Dazu gehören sowohl die Einbeziehung bisher noch nicht analysierter Titel als auch zusätzlich die Ausweitung der Analyse auf die zweite Nutzungsebene (z. B. Mitglieder bzw. NutzerInnen von Vereinen, Einrichtungen, Stiftungen etc.). In diesem Zusammenhang wurde auch die Verpflichtung der ZuwendungsempfängerInnen zur geschlechterdifferenzierten Datenerhebung gefordert. Auch die geschlechtsspezifische Verteilung der Personalkosten … anhand der Beschäftigtenstruktur sei darzustellen …’“ (Baumfelder, 2006, S. 9).
Hieran knüpft ein entsprechender Beschluss des Abgeordnetenhauses und legt das weitere Verfahren für den kommenden Haushalt analog fest.
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Dieser Beschluss zum Haushaltsplan 2006/2007 wird ergänzt durch einen ‚Auflagenbeschluss des Abgeordnetenhauses zu Gender Budgeting (Haushaltsplan 2008/09 betreffend)’: „Die Senatsverwaltungen und die Bezirke haben im Rahmen der Haushaltsaufstellung darzustellen, wie die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern sowie die Förderung von Frauen gegen Benachteiligungen und Diskriminierungen bei der Haushaltsaufstellung gemäß Artikel 10 Abs. 3 der Verfassung von Berlin gesichert wird. Dies soll in der Form geschehen, wie sie bereits erstmalig mit dem Doppelhaushalt 2006/2007 praktiziert wurde. Dabei sind die konzeptionellen Weiterentwicklungen der AG Gender-Budget … , die schrittweise Einbeziehung der zweiten Nutzerebene und in den Bezirken die Ausweitung der zu untersuchenden Produkte, zu Grunde zu legen. Um eine schnelle und frühzeitige Berücksichtigung von Gender-Budgeting in den entsprechenden Handlungsfeldern auf Senats- und Bezirksebene zu erreichen, ist die Datenerhebung/Datenpflege bei den bisher analysierten Haushaltstiteln/Produkten kontinuierlich fortzusetzen.“ (zit. nach Baumfelder, 2006, S. 24).
Und zur Verfahrensweise: „Die einzelnen Berichte sind der federführenden Senatsverwaltung für Finanzen bis zum 31. Mai 2007 zuzuleiten, damit diese zur Beschlussfassung über den Haushaltsplan 2008/2009 dem Senat eine entsprechende Vorlage unterbreiten bzw. in Form einer Anlage zum Haushaltsplan 2008/2009 vorlegen kann.“ (zit. nach Baumfelder, 2006, S. 25).
Auch „der Rat der BürgermeisterInnen (RdB) hat am 15. Juni 2006 die quantitative und qualitative Ausweitung der produktbezogenen Gender Budget Analyse in den Bezirken beschlossen. Danach soll bei 56 Produkten ab 1. Juli 2006 die Gender Budget Analyse vertiefend durchgeführt und mit einer ziel- sowie wirkungsorientierten Steuerung verbunden werden …“ (Baumfelder, 2006, S. 10). Dazu auch Tabellen 7 und 8 im Anhang.
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Politischer Wille und in Konsequenz eine eindeutige Beschlusslage wie in Berlin sind die unabdingbaren Voraussetzungen für den Erfolg eines Gender Budget-Prozesses. Die kontinuierlichen und auf Vervollständigung ausgerichteten Datenerhebungen bilden schrittweise eine praxisnahe Grundlage zur Herstellung von Gender-Transparenz. Die hierdurch angestrebte Steuerungsrelevanz führt zu gezielterer Begründung bei der Mittelverteilung oder legt alternativ die Umverteilung von Mitteln nahe.
So kann z. B. der Bezirk „entscheiden, welche Sportarten er auf dem Sportplatz und in den Hallen ermöglichen und welche Zielgruppen er erreichen will. Das Land kann entscheiden, welche Vorgaben es den Hochschulen für die Förderung von Wissenschaftlerinnen und für die Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit an den Hochschulen macht.“ (Baumfelder, 2006, S. 18).
Genderdifferenzierte Analysen sind ferner von Bedeutung, wenn Bund oder Europäische Union die Regeln vorgeben bzw. wenn der Nachweis über von dort erhaltene Mittelzuweisungen erbracht werden muss. Ebenso gilt dies für Mittel aus dem Länderfinanzausgleich.
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„Da in Zukunft kein Zuwachs an Mitteln zu erwarten ist, müssen die Ausgaben mehr Ziele zusammen erreichen und die Zielgruppen genau ansteuern. Gender-Wirkungsanalysen ermöglichen eine genaue Identifikation von Zielgruppen und zeigen, ob im Ausgabenbereich die Gleichstellung von Frauen und Männern als ein Ergebnis mit bewirkt wird. Geschlechterfragen sind Bestandteil anderer drängender Problemfelder wie Migration, Demographie, Alter, Armut und Qualifizierung/Bildung. Genderanalysen zum Haushalt werden daher langfristig benötigt.“ (Baumfelder, 2006, S. 18f.).
Obwohl das Veränderungsmanagement in Berlin mit Nachdruck und Kompetenz vorangetrieben wird, erscheinen die sichtbaren Erfolge bisher eher marginal. Dafür gibt es Gründe:
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Der Berliner Gender Budget-Prozess ist vollständig dokumentiert unter www.berlin.de/gendermainstreaming (s. a. Kapitel 4.4.1) und mit zahlreichen Links versehen. Hier finden sich auch die jeweils aktuellen Ergebnisse des Gender Budgeting aus den Bezirken sowie Fragebogen, Checklisten, Formulare und dazugehörige Arbeitshilfen. Dazu auch Tabellen 5 und 6 im Anhang.
Ernüchternd ist die Suche nach praxisrelevanten Gender Budget-Initiativen in Deutschland außerhalb Berlins. Zwar verzeichnet das Internet eine Vielzahl von ‚Treffern’ zum Thema, doch muss die seriöse Prüfung konzedieren, dass Länder und Kommunen - in den fortschrittlichsten Fällen - das Stadium der Absichtserklärungen noch kaum verlassen haben.
Dank ihrer engagierten Fraueninitiativen sind die bereits unter Kapitel 3.5.3 konturierten Städte Köln und München derzeit bundesweit am ehesten geeignet, einer intensiveren Untersuchung unterzogen zu werden - und in diesem Kapitel 4 im Hinblick auf ihre Bibliotheken.
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Die bereits zitierte Studie ‚Bürgerinnen und Bürger im Spiegel kommunaler Haushaltspolitik’ aus dem Jahr 2004 setzt von Beginn an Prioritäten: „Ungeachtet dessen, dass die überproportionale Nutzung der StadtBibliothek und der Volkshochschule durch Frauen bekannt ist, beschloss die Gruppe, die entsprechenden Haushaltsunterabschnitte einem Gender Audit zu unterziehen, da uns diese beiden Bereiche für eine modellhafte Erprobung des Instruments Gender Budgeting besonders geeignet erschienen.“ (Grote, 2004, S. 4).
Kongruent in Selbst- und Fremdeinschätzung ist die Stadtbibliothek Köln eine innovative und dynamische Bibliothek. „Die Zentralbibliothek, die Zweigstellen und Sondereinrichtungen haben trotz unterschiedlicher Funktionen das Ziel, die Stadtbevölkerung optimal mit Medien jeglicher Art zu versorgen. Sie garantieren im Sinne des Grundgesetzes den Zugang zu allen Informationen und verstehen sich als ein Ort der Kommunikation, als Ort zum Wohlfühlen und Arbeiten, als ein kulturelles Zentrum und eine Stätte der literarischen Begegnung. …
Schon früh hat sich die StadtBibliothek Köln den globalen Herausforderungen der Informationsgesellschaft gestellt. Als eine der ersten automatisierten Bibliotheken in Deutschland hat sie den Internetzugang ermöglicht und ein eigenes Webangebot ins Netz gestellt. Diese zentralen Dienste haben ihr über Köln hinaus einen großen Imagegewinn eingebracht. Im Jahr 2003 bekam sie als eines der führenden Großstadt-Bibliothekssysteme den zweiten Platz des deutschen Bibliothekspreises ‚StadtBibliothek des Jahres’ zuerkannt.“ (Grote, 2004, S. 6).
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Und zu dieser Innovationsbereitschaft der Bibliothek passt auch die frühe Teilnahme am Gender-Audit als Pilotprojekt.
Als Ergebnispräsentation widmet die Studie der Bibliothek acht Seiten.
Analog zu den Projekten in Berlin geht auch Köln produktbezogen vor und greift auf die DV-gestützt anfallenden Daten von „Personen, welche einen aktuell gültigen Nutzungsausweis besitzen“ (Grote, 2004, S. 7) zurück, also auf Daten, die mit der Anmeldung genderspezifisch erhoben werden.
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Auf dieser Grundlage wird das Entleihungsverhalten - als Einzelaspekt des Nutzungsverhaltens - untersucht nach Alter, Geschlecht, Entleihungsort und Medienart.
Dieser kleine Ausschnitt aus dem Leistungs- und Nutzungsspektrum der Bibliothek ist bereits geeignet, Aussagen zu treffen, wie z. B.:
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Bereits durch die wenigen rudimentären Daten werden bestehende Ungleichgewichte sichtbar, die sich in Zeiten knapper Mittel noch verstärken. Unterdessen enthalten die vorgelegten Daten noch keinerlei Aussage zum Budget, denn angesichts des Haushaltsplanes „zeigte sich schnell, dass mangels entsprechender Statistik eine Zuordnung der einzelnen Kosten und Erlöse zum Geschlecht nicht möglich war. Diese Zahlen gaben also keinen Aufschluss darüber, wie sich die Etat-Posten auf Frauen und Männer im Einzelnen verteilen.“ (Grote, 2004, S. 7).
Die methodische Einführung von Gender Budgeting hat also selbst in fortschrittlichen Städten wie Köln noch einen erkenntnisfördernden Weg vor sich. Einige Jahre nach dieser Studie lautet denn auch die eigene Zwischenbilanz: „In mühevoller Kleinarbeit haben 14 wissbegierige Kölnerinnen zwischen Oktober 2003 und November 2004 Daten gesammelt und in größere Zusammenhänge eingebettet. Für alle wichtig war die Perspektive, dass neben monetären Größen z. B. auch unbezahlte Arbeit in die Untersuchung einbezogen werden sollte. Die anfängliche Hoffnung, Männer für eine verlässliche Mitarbeit zu gewinnen, hat sich nicht erfüllt.“ (www.koelnagenda.de/gender_budget.php, 18.07.2007).
Ferner: „Zum Bedauern der Gruppe konnte für die Stadtbibliothek keine präzise Nutzenanalyse erstellt werden, weil Nutzungsdaten nicht durchgängig geschlechtsspezifisch erhoben werden. Auf dem Hintergrund der überregional geführten Weiterbildungsstatistik ist es jedoch gelungen, öffentliche Zuschüsse zur Bildungsarbeit der Volkshochschule mit hinlänglicher Genauigkeit auf Frauen und Männer aufzuteilen. Dabei ergab es sich, dass der auf Frauen entfallende Zuschussanteil geringer ist als ihr Anteil an den Belegungen. Weil sich Frauen nicht nur für beruflich verwertbare Inhalte, sondern auch für allgemeinbildende sowie für personen- und familienorientierte Angebote interessieren, tragen sie einen höheren Anteil der Kosten ihrer Weiterbildung selbst.
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Dieser Befund bestätigt die Notwendigkeit, weitere Bereiche in die Analyse einzubeziehen und Entwicklungen sorgfältig zu beobachten.“
(www.koelnagenda.de/gender_budget.php, 18.07.2007).
Dazu auch die Fremdeinschätzung durch das GenderKompetenzZentrum Berlin aus demselben Jahr: „Beide Einrichtungen werden in Köln zu etwa 2/3 von weiblichen Personen genutzt, wobei diese das dezentrale Angebot im Stadtteil noch einmal bevorzugt wahrnehmen (80 %). Von Einsparungen in diesen Bereichen werden Frauen also stärker getroffen.“
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(www.genderkompetenz.info/genderkompetenz/handlungsfelder/haushaltbudget/koeln/, 18.07.2007).
Und dieselbe Quelle zum Ausblick: „Eine von Bündnis 90/Die Grünen am 24. Februar 2005 eingebrachte ‚Anfrage’ zum Stand der Realisierung von GM und GB im Finanzausschuss, konnte zu jenem Zeitpunkt nicht beantwortet werden. Im darauf folgenden Doppelhaushalt wurde Gender Budgeting nicht berücksichtigt. Seit 2005 sind jedoch erste Schritte zur Einführung von Gender Mainstreaming und Gender Budgeting unternommen worden und im Frühjahr 2006 nahm die Initiative die Arbeit an einem Gender Budget für die Offene Ganztagsgrundschule auf.“ (www.genderkompetenz.info/genderkompetenz/handlungsfelder/haushaltbudget/koeln/, 18.07.2007).
Dies kleinräumige Handeln sowie die wissenschaftliche Erkenntnis, dass die besonders von Frauen und Kindern genutzten Produkte überproportional eingespart werden, sind noch unvereinbar mit der im ‚Leitbild Köln 2020’ festgeschriebenen Absicht der nachhaltigen Investition in eine familien-, kinder- und jugendfreundliche Stadt.
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Die in Kapitel 3.5.3.3 bereits skizzierte Gender Budget-Initiative in München soll hier wegen ihrer besonderen Aktivität eine Fortsetzung der Untersuchung erfahren. Zum Thema ‚Haushalt für alle! Mit Gender Budgeting zum geschlechtergerechten Haushalt’ fand 2004 in München eine Fachtagung statt, die sich mit Fragen zu Methodik und Implementierung befasste und einen Sachstandsbericht zu den Initiativen in Basel, Berlin, Frankfurt, Köln, München und Wien lieferte (vgl. Schreyögg, 2005).
Und die Gleichstellungsstelle für Frauen in München sieht folgende Perspektive: „In der Stadtverwaltung wurde dezentral Genderkompetenz aufgebaut. In einer Reihe Abteilungen wird heute eigenverantwortlich und qualifiziert die Querschnittsaufgabe Gleichstellung von Frauen und Männern umgesetzt. Andere Abteilungen hinken hinterher, was bei einer so großen Verwaltung mit heterogener Aufgabenstruktur auch bei anderen Themen vorkommt. Insgesamt ist eine gute Ausgangsbasis für die Einführung von Gender Budgeting vorhanden.
2005 beschloss der Stadtrat Gender Budgeting in München einzuführen. Die Federführung für die Umsetzung des Stadtratsauftrags hat die Stadtkämmerei. Die Verantwortlichen vertraten anfangs die Auffassung, erst müsste der produktorientierte Haushalt ins Laufen gebracht werden, dann könnte mit Gender Budgeting begonnen werden. Die Vorgehensweise wurde weder von den Stadträtinnen, die sich für das Gender Budget Projekt engagieren, noch von der Gleichstellungsstelle als sinnvoll erachtet. Die nachträgliche Implementierung des Gleichstellungsziels in einen abgeschlossenen Reformprozess ist schwierig, zeitaufwändig, teuer und oft wenig wirkungsvoll.“ (Schreyögg, 2006, S. 7).
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1995 startete die Verwaltungsreform in München und wurde 2005 formell abgeschlossen. „Ein Schwerpunkt der Reform war das Neue kommunale Rechnungswesen NKRW, die Umstellung des kameralen Haushalts auf einen doppischen. Die Steuerungsgröße für die Haushaltsplanung ist das Produkt. Derzeit wird die neue Form der Haushaltsplanung auf der Grundlage von Produkten in zwei Pilotreferaten, der Kämmerei und dem Baureferat erprobt.
Ab 2008 soll die Umstellung auf die produktorientierte Haushaltsplanung abgeschlossen sein. Der Haushalt 2009 wird der erste sein, der voll entsprechend den Anforderungen des NKRW aufgestellt wird.
Gender Budgeting muss Zug um Zug in die Struktur der produktorientierten Haushaltsplanung integriert werden. Das Produktkonzept eignet sich für die Verknüpfung der beiden Reformpfade.“ (Schreyögg, 2006, S. 7).
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Bei näherer Betrachtung der Produkte stellt sich heraus, dass diese zwar nach politischen und gesetzlichen Vorgaben erstellt sind, auch Leistungen, Maßnahmen und Ressourceneinsatz umfassen, jedoch Zielgruppen nur pauschal benennen: „Die Wirkung der Produkte ob in Bezug auf die Bevölkerung insgesamt wie auf Frauen und auf Männer ist eine Black Box. Dieser Punkt ist aber für die Integration von Gender Budgeting entscheidend.“ (Schreyögg, 2006, S. 8).
Die Gleichstellungsstelle hat Empfehlungen zu genderspezifischen Wirkungsindikatoren erarbeitet und vorgelegt und kommt zu folgender Zwischenbilanz: „Die Auswahl der steuerungsrelevanten Indikatoren ist Aufgabe der politischen Prioritätensetzung. Offen ist noch wie in welcher Form die Indikatoren zur Wirkung von Maßnahmen oder von Produktleistungen als Planungsgrößen sinnvoll für die Haushaltsplanung genutzt werden können. Diese Aufgabe ist erst noch zu meistern.
Wie geht es weiter? Die Aktivitäten der Gleichstellungsstelle zeigen Wirkung. Am 21. November 2006 wurde vom Münchner Stadtrat mit dem Beschluss zur Umsetzung des produktorientierten Haushalts beschlossen, zwei auf drei Jahre befristete Stellen zu schaffen. Die Aufgabe der zukünftigen Stelleninhaberinnen oder Inhaber ist im Rahmen eines groß angelegten Umsetzungsprojekts Grundlagen für ein ergebnis- und wirkungsorientiertes Controlling zu erarbeiten und die Grundlagen für die Verknüpfung der Controllingdaten mit der Haushaltsplanung zu erarbeiten. Gender Budgeting ist in diesen Projektauftrag integriert.“ (Schreyögg, 2006, S. 9f.).
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Mit dieser auf politischen Beschlüssen basierenden, kontinuierlichen Vorgehensweise wird die Vorgabe des Gender Budgeting auch die Münchner Stadtbibliothek erreichen. Zwar handelt es sich gegenwärtig ‚nur’ um Planung, doch sind die Vorbereitungen für ein flächendeckendes Gender Budget in München wesentlich weiter fortgeschritten als in den meisten deutschen Städten.
Die summarische Betrachtung der deutschen Gender Budget-Initiativen ergibt derzeit das folgende - noch ambivalente - Bild:
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Neben diversen regionalen Planungen sind es bisher lediglich die hier untersuchten Beispiele, deren erste Umsetzungsschritte einige datengestützte Teilaspekte hervorgebracht haben. Und selbst diese sind durchaus kritisch zu sehen. Eine neuere Expertise über das Berliner Projekt verweist darauf, „dass die Auswahl nur einiger Bereiche und Ressorts (‚aus Gründen der Machbarkeit’, im Rahmen von Pilotprojekten u. a. m.) ein Risiko für diese Methode darstellt. Es werden nämlich häufig Bereiche ausgewählt, in denen insgesamt mehr Frauen partizipieren bzw. profitieren. Fehlinterpretationen zu erreichten Ergebnissen zur Geschlechtergerechtigkeit sind damit vorprogrammiert. Dieses in der Anfangsphase nicht zu vermeidende geschlechterpolitische Risiko muss stets gesehen und in die Auswertung einbezogen werden. Nur durch die ständige Erweiterung der einbezogenen Bereiche und Ressorts kann es minimiert und schließlich abgebaut werden.“ (Schubert-Lehnhardt, 2006, S. 17).
Ein weiterer Aspekt: „Zum anderen verführt der Ausgangspunkt ‚vorhandene Daten’ geradezu dazu, in den Veröffentlichungen zu den Ergebnissen wiederum sehr stark Zahlenmaterial vorzustellen. Die Begründungen/Zielbestimmungen des gesamten Prozesses und des Anteils bzw. Beitrages des gewählten Produktes am Richtungspunkt Geschlechtergerechtigkeit wird demgegenüber vernachlässigt. Dies wird besonders am gedruckt und im Internet vorliegenden Zwischenbericht Lichtenbergs zu Gender Mainstreaming (einschließlich Gender Budgeting) vom April 2004 deutlich.“ (Schubert-Lehnhardt, 2006, S. 20f.).
Bereits die wenigen erhobenen und veröffentlichten Daten bedürfen also per se einiger Interpretation. Auch scheint es immer wieder notwendig, die Aufgabenstellung moderner Bibliotheken zu erklären und zu begründen und warum diese dennoch zu den ‚freiwilligen’ kommunalen Leistungen gehören.
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Immerhin hat der Gender Budget-Prozess in Lichtenberg bereits zu der Einsicht geführt: „In vielen Kommunen Deutschlands wirkt sich die notwendige sparsame Haushaltsführung zunehmend auch im Bibliothekswesen aus - Schließungen vor allem von Stadtteil- und Fahrbibliotheken, Personalkürzungen (und damit Verkürzung der Öffnungszeiten), langsamere Erneuerung des Bestandes u. a. m. sind an der Tagesordnung. Im Sinne des oben beschriebenen geschlechterdifferenzierten Ansatzes ist vor solchen Entscheidungen stets zu prüfen,
Der Implementierungsprozess über die Produkte zeitigt also erste Erfolge in Form von genderspezifischen Aussagen. Die Einbeziehung weiterer Produkte sowie die Differenzierung bei Datenerhebung und -auswertung werden detailreiche Grundlagen für die politische Steuerung liefern.
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In progressiven Kommunen bildet derzeit der produktorientierte Haushalt einschließlich Kosten- und Leistungsrechnung die standardisierte Struktur für Zu- und Abfluss der Finanzmittel.
Auf diese Basis trifft der Gender Budget-Prozess, und so muss er integraler Bestandteil des Produkthaushaltes werden. Dies ist gleichermaßen Strategie, Standard und gegenwärtige Entwicklung und schließt daher auch die kommunalen Bibliotheken ein.
Allerdings zeigt der Reformwille der Kommunen durchaus unterschiedliche Ausprägungen. Häufig wurde das Neue Steuerungsmodell noch nicht mit allen Modulen umgesetzt, der Produkthaushalt wird von der Politik als intransparent kritisiert und abgelehnt, und auch die Verwaltungen signalisieren beginnende Reformmüdigkeit.
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Für die Bibliotheken zeigt sich dies an der versiegenden Zahl der Publikationen zum Neuen Steuerungsmodell und seinen Elementen in der Fachliteratur seit der Jahrtausendwende.
Angesichts dieser Erkenntnis kann auch über die künftige Vorgehensweise bei Implementierung von Gender Budgeting keine valide Prognose erstellt werden. Es gilt allerdings das Postulat, dass sich weitere Gender Budget-Vorhaben zunächst an den bestehenden Best-Practice-Kommunen orientieren werden.
Das originäre Instrumentarium des Gender Budgeting (s. Kapitel 3.4) geht allerdings weit über das Aussagepotenzial der Produkte hinaus.
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Der fortschreitende Implementierungsprozess wird sich also optional an den Produkten orientieren und mittels weiterer Datenerhebungen eine verwaltungsweite Durchdringung der Leistungen mit Gender-Spezifik anstreben und einfordern.
Darüber hinaus oder alternativ wird das internationale Instrumentarium Anwendung finden müssen, so etwa bei gendergerechter öffentlicher Repräsentanz, bei Vergütungsgerechtigkeit, Bewerberauswahl oder Aufstiegschancen, um nur einige zu nennen.
Unabhängig davon, welcher dieser Wege beschritten wird, sind zur Generierung von Erkenntnissen zusätzliche differenzierende Datenerhebungen erforderlich. Die Beteiligten richten sich daher auf die Langjährigkeit ihres Modus Operandi ein. Neben dieser recht jungen Methodik und Strategie muss stets deren essenzielles Reformziel Geschlechtergerechtigkeit durch Gender Budgeting im Blick behalten werden.
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Und hierfür eignen sich die Bibliotheken als Operationalisierungsbereich in besonderer Weise, da sie ihrerseits über Jahrzehnte Messinstrumente entwickelt und statistische Erhebungen ihrer Leistungen vorgelegt haben, die sich zwar bisher noch nicht flächendeckend an Produkten orientieren und auch primär keine gendersensible Spezifikation aufweisen, die jedoch wegen ihrer Profundität und Langjährigkeit durchaus bereits geeignet sind, grundsätzliche genderpolitische Aussagen zu treffen.
Zum Beleg dessen wird in den folgenden Kapiteln untersucht, welche Daten und Erkenntnisse aus empirischen Untersuchungen, statistischen Zeitreihen, historischen Dokumenten und fachlichen Forschungsergebnissen bereits vorliegen, auf die der Gender Budget-Prozess zurückgreifen kann.
Auch wird in diesem Zusammenhang aufgezeigt, welche Defizite in der standardisierten Bibliometrie bisher anzutreffen sind, die künftig eines Ausgleiches durch weitere Differenzierung bedürfen.
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Die so aus einem produktübergreifenden Prüfungsansatz hervorgehende Analyse bildet die Grundlage, um die Öffentlichen Bibliotheken als Fachbereiche mit ganzheitlichem Handlungsbedarf für einen Gender Budget-Prozess zu definieren und zu positionieren.
Der Fortgang dieser Untersuchung wendet sich daher im Folgenden den am stärksten genderrelevanten Komponenten der Bibliotheksarbeit zu: ihrer Nutzerschaft und ihrem Personal.
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