9 Zusammenfassung und Ausblick

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Gegenstand dieser Unersuchung war das internationale Konzept des geschlechtergerechten Haushaltes - Gender Budget - und seine Bedeutung für die Operationalisierungsebene Öffentliche Bibliothek.

Das Postulat der Gleichberechtigung der Geschlechter leitet sich her aus dem Auftrag des Grundgesetzes, und dessen Notwendigkeit speist sich aus den Erfahrungen der Geschichte.

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Es war zu begründen, warum eine Theorie wie das Gender Budget im 21. Jahrhundert nicht längst Realität, sondern vielmehr neu entstanden und nunmehr um Akzeptanz bemüht ist.

Dazu waren die wichtigsten Weichenstellungen der Geschichte im Kampf der Frauen um Bürgerrechte aufzuzeigen und im Kontext zu verankern. Dabei wurden menschenrechtliche Ideale und zeitgeistliche Strömungen in Relation zur gesellschaftlichen Stellung von Männern und Frauen an historischen Zäsuren verdeutlicht. Das Hauptaugenmerk der Untersuchung galt dabei der langsamen, jedoch effizienten Reform rechtlicher Vorschriften als Grundlage für die Erweiterung staatsbürgerlicher und bildungsrelevanter, sowie finanzieller und individueller weiblicher Handlungsräume.

Dem Erreichten gegenüber wurden die noch bestehenden Defizite herausgearbeitet, die zur Entstehung der internationalen Strategie Gender Mainstreaming und ihrer haushaltspolitischen Komponente Gender Budgeting geführt haben.

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Erläutert wurden die internationalen Wurzeln der Theorie in der Entwicklungspolitik einerseits, wie in den Frauenbewegungen der Länder, und auch die gewöhnungsbedürftige internationale Begriffsprägung und ihre Verbreitung.

Aus analytischen Gründen war es zunächst erforderlich, die systemimmanente Methodik und das im Aufbau befindliche Instrumentarium als Konzept praxisunabhängig zu diskutieren, unter Einbeziehung seiner Befürworter und Kritiker nach aktueller Quellenlage.

Hierbei zeigte sich, dass der Prozess der Operationalisierung und projektbezogenen Implementierung in Deutschland auch zehn Jahre nach Entstehung des Konzeptes noch kaum praktische Beispiele hervorgebracht hat. Die wenigen vorliegenden Teil- und Zwischenergebnisse wurden untersucht, verglichen und in ihrer Vorbildhaftigkeit charakterisiert.

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Obwohl sich der Implementierungsprozess in einem so frühen Stadium befindet, hat er doch bereits praktische Auswirkungen auf der operativen Ebene, auch auf der Ebene einzelner Bibliotheken. Da die Initiatoren den Prozess eingegliedert wissen wollen in den ebenfalls seit etwa zehn Jahren in Einführung befindlichen Prozess der Verwaltungsreformen, war auch hier zunächst die Stellung der Bibliotheken innerhalb der Verwaltungsreformen herauszuarbeiten.

In den Entwicklungssträngen Genderforschung, Gender Mainstreaming, Gender Budget in Synopse mit den Einflüssen der Verwaltungsreformen und deren bereits vollzogener Adaption wurden die Bibliotheken als Operationalisierungsebene verortet. In einigen Bibliotheken ist der Gender Budget-Prozess bereits praktisch angekommen.

Auch diejenigen Bibliotheken, deren Träger noch keine Gender Budget-Initiative ergriffen haben, sind auf den Prozess nicht unvorbereitet. Reformen sind ihnen vertraut, nicht nur weil sie um ihre Kunden werben müssen, sondern weil ihr kontinuierlicher Reformwille sie aufgeschlossen hält, auch für Pilotprojekte, auch im Rahmen der Verwaltungsreformen. Sie haben also Bereitschaft zu Reformen und gleichzeitig Erfahrung mit diesen.

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Die Theorie des Gender Budgeting, die Reformfreudigkeit der Bibliotheken, ihr Datenmaterial sowie vor allem ihre Kenntnis im Umgang mit Geschlechterfragen machen sie zu einem geeigneten Gegenstand für die Untersuchung von Bedeutung und prospektiven Auswirkungen des neuen Konzeptes.

Nutzerschaft und Personal wurden daher einer Gender-Analyse unterzogen und die Ansatzpunkte für ein künftiges Gender Budget explizit herausgestellt.

Die Bibliotheken erweisen sich dabei als relevantes Untersuchungsgebiet mit gleichermaßen deutlich gewordenem Handlungsbedarf.

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Dieser liegt weniger bei der Nutzerschaft als vielmehr beim Personal der Bibliotheken. Hier ist künftig verstärktes Augenmerk zu richten auf Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge, Fluktuation und Vertretungskräfte, Einarbeitungszeiten und Verwaltungsaufwand hierfür.

Die Vorgaben von Sparquoten zeigen in Frauenbetrieben stärkere Auswirkungen, und auch das Vergütungsniveau bedarf der Reform.

Die genannten Bereiche und deren Organisation weisen erhebliche Unterschiede auf zu männlichen Vollerwerbsbiografien und deren Verwaltung. Dies muss durch Gender Budgeting sichtbar gemacht und geschlechtergerecht reformiert werden.

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Der Gender Budgeting-Prozess benötigt umfassenderes Datenmaterial, wird differenziertere Ergebnisse zeitigen und als verwaltungsweiter Top-down-Prozess größere Öffentlichkeitswirksamkeit erzielen. Und er ist angelegt, um über die Analyse hinaus Konsequenzen nach sich zu ziehen im Hinblick auf die Mittelverteilung innerhalb des kommunalen Haushaltes.

Gender Budget ist ein erfolgversprechender Ansatz, auch für Öffentliche Bibliotheken. Es erfordert einigen Aufwand bei der Datenerhebung, ähnlich den Schritten der Verwaltungsreformen.

Vor allem jedoch sind seitens der Initiatoren der Reformwille und die Energie vonnöten, die für die Verwaltungsreformen so bereitwillig und zügig zum Einsatz kamen.

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Angesichts der bisherigen Fortschritte bei der Implementierung von Gender Budgets sollten sich deren Befürworter allerdings auf einen längerfristigen Prozess einstellen.


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28.11.2013