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Überweisung, kartengestützte Zahlungen und Lastschriftverfahren gehören zu den innerhalb Europas etabliertesten bargeldlosen Zahlungsarten. Mit ihrer Verbreitung einher geht ein hohes Aufkommen zunehmend professionalisierten Missbrauchs, das den innereuropäischen Zahlungsverkehr erheblich stört. Eine Rückführung des mit Missbrauchsabsicht transferierten Buchgelds ist häufig aufgrund mangelnder Identifizierbarkeit oder Zahlungsunfähigkeit des begünstigten Missbrauchstäters rechtlich oder faktisch nicht möglich, sodass den übrigen Verfahrensbeteiligten hohe Schäden entstehen können. Im Bank-Kunden-Verhältnis stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, wer dieses finanzielle Risiko zu tragen hat. In der Vergangenheit war die Zuordnung des Missbrauchsrisikos ganz überwiegend nach nationalem Recht zu beurteilen. Einzige europarechtlich verbindliche Vorschrift war Art.8 der Fernabsatzrichtlinie (97/7/EG), die das Missbrauchsrisiko kartengestützter Zahlungen im Fernabsatz grundsätzlich der Bank zuweist.
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Durch Schaffung der europäischen Zahlungsdiensterichtlinie änderte sich dieser Zustand entschieden. Rechtspolitische Grundlage der Richtlinie war zum einen die Lissabon-Strategie der Europäischen Gemeinschaft zur Vollendung des Binnenmarkts. Zum anderen verlangte die SEPA-Initiative der europäischen Bankwirtschaft zur Schaffung eines einheitlichen Zahlungsverkehrsraums innerhalb der Europäischen Gemeinschaft einen harmonisierten europäischen Rechtsrahmen. Vor diesem Hintergrund schuf die Europäische Kommission im Zusammenwirken mit Europäischem Parlament und Europäischem Rat die Richtlinie 2007/64/EG vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt (Zahlungsdiensterichtlinie). Zusätzlich zu bereits bestehenden Zahlungsdienstleistern konstituiert die Zahlungsdiensterichtlinie mit den sogenannten „Zahlungsinstituten“ eine neue Kategorie von Zahlungsdienstleistern. Für diese Institute normiert die Richtlinie eine Reihe spezieller zulassungs- und aufsichtsrechtlicher Regelungen. Darüber hinaus werden umfassende Informationspflichten von Zahlungsdienstleistern gegenüber Zahlungsdienstnutzern festgelegt. Zudem enthält die Richtlinie Regelungen über die Ausführungszeit von Zahlungstransaktionen, die Wertstellung von Gutschriften und Belastungen und den Widerruf von Zahlungsaufträgen. Der europäische Gesetzgeber nutzte die Gelegenheit der Schaffung der Zahlungsdiensterichtlinie außerdem, um den bislang unharmonisierten Bereich der Missbrauchshaftung zwischen Bank und Kunde im bargeldlosen Zahlungsverkehr einer Harmonisierung zuzuführen.
Erfasst von der neuen Missbrauchshaftung werden insbesondere Überweisungen, kartengestützte Zahlungen und das Lastschriftverfahren. Ohne die nationalen Regelungen über die Missbrauchshaftung vollumfänglich abzulösen, schließen die neuen Missbrauchsvorschriften an bestehende Strukturen mitgliedstaatlichen Rechts an. Im Einklang mit bestehendem nationalem Recht ist strukturelles Kernelement der Richtlinienregelungen das Erfordernis der Autorisierung eines Zahlungsvorgangs für die Rechtmäßigkeit seiner Durchführung (Art.54 ZDR). Veranlasst der Zahlungsdienstleister einen Zahlungsvorgang ohne Autorisierung des Zahlungsdienstnutzers, hat er diesem den Betrag des nicht autorisierten Zahlungsvorgangs unverzüglich zu erstatten und gegebenenfalls das belastete Konto wieder auf den Stand zu bringen, auf dem es sich ohne den nicht autorisierten Zahlungsvorgang befunden hätte (Art.60 I ZDR). Ohne sich auf Missbrauchssachverhalte zu beschränken, bilden drittmissbräuchliche Zahlungstransaktionen den Hauptanwendungsbereich der Vorschrift. Grundsätzlich trägt mithin der Zahlungsdienstleister das Missbrauchsrisiko. Unabhängig von der Art des Zahlungsmittels gilt dieser Grundsatz für alle von der Zahlungsdiensterichtlinie erfassten Zahlungsdienste.
Als Spezialvorschrift für Zahlungstransaktionen unter Verwendung eines Zahlungsinstruments ist Art.61 ZDR zu berücksichtigen. Er enthält eine Reihe von Bestimmungen, die den voranstehend bezeichneten Grundsatz durchbrechen und dem Zahlungsdienstnutzer partiell und unter bestimmten Voraussetzungen sogar vollumfänglich den Missbrauchsschaden zuweisen. Anders als sein Wortlaut zunächst vermuten ließe, erfasst der Begriff „Zahlungsinstrument“ neben Zahlungskarten gemäß der Begriffsbestimmung aus Art.4 Nr.23 ZDR auch „jeden personalisierten Verfahrensablauf, der zwischen dem Zahlungsdienstnutzer und dem Zahlungsdienstleister vereinbart wurde und der vom Zahlungsdiens t nutzer eingesetzt werden kann, um einen Zahlungsauftrag zu erteilen“. Die Regelung des Art.61 ZDR betrifft somit neben karten- insbesondere auch computergestützte Zahlungsverfahren wie das PIN/TAN-gesicherte Internet-Banking, die durch besondere, nur dem Zahlungsdienstnutzer bekannt gemachte Sicherheitsmerkmale als „personalisiert“ zu qualifizieren sind. Nicht von der Definition erfasst werden demgegenüber das Lastschriftverfahren und beleghafte Überweisungen, sodass sich Missbrauch in diesen Verfahren uneingeschränkt nach dem Haftungsgrundsatz des Art.60 I ZDR richtet.
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Bei von einem oder über einen Zahlungsempfänger ausgelösten Zahlungsvorgängen ist die Spezialregelung des Art.62 ZDR einschlägig. Anders als die voranstehenden Bestimmungen gilt diese Vorschrift für bereits autorisierte Zahlungsvorgänge und spricht dem Zahlungsdienstnutzer unter bestimmten Voraussetzungen einen Erstattungsanspruch gegenüber dem Zahlungsdienstleister zu. Der begrenzte Anwendungsbereich der Vorschrift betrifft Missbrauchssachverhalte, in denen der Zahlungsempfänger einen Zahlungsvorgang einleitet, der zwar vom Rahmenvertrag erfasst ist, für den es im Valutaverhältnis zwischen Zahler und Zahlungsempfänger jedoch keine legitime Grundlage gibt. Liegt eine derartige Konstellation vor und sind die übrigen Voraussetzungen aus Art.62 I a) und b) ZDR erfüllt, kann der Zahlungsdienstnutzer vom Zahlungsdienstleister die Erstattung des eingezogenen Betrags verlangen.
Von entscheidender Bedeutung für die Missbrauchshaftung ist außerdem die Obliegenheit des Zahlungsdienstnutzers zur Anzeige nicht autorisierter oder fehlerhaft ausgeführter Zahlungsvorgänge, deren Missachtung zur Präklusion des Berichtigungsanspruchs des Zahlungsdienstnutzers gegen den Zahlungsdienstleister führt (Art.58 ZDR).
Die Beweislastregelung des Art.59 ZDR hat erheblichen Einfluss auf die prozessuale Durchsetzbarkeit bestehender Ansprüche und bestimmt maßgeblich die faktische Verwirklichung der materiellen Haftungsregelungen.
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Die dieser neuen Haftungsordnung zugrunde liegenden gesetzgeberischen Motivationen und Zielvorstellungen kommen in den richtlinieneigenen Erwägungsgründen zum Ausdruck. Hierzu gehören der Verbraucherschutz, die Stärkung des Binnenmarkts und der Rechtssicherheit und die Verminderung des Missbrauchsaufkommens. Ohne im Regelungswerk der Richtlinie ein derartiges ausdrückliches Bekenntnis des Gemeinschaftsgesetzgebers finden zu können, ist aufgrund des einhelligen Konsenses in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen zudem vom gesetzgeberischen Bestreben nach einem ausgewogenen Ausgleich zwischen den Interessen von Zahlungsdienstnutzer und Zahlungsdienstleister auszugehen. Im europäischen Kontext schlägt sich dieser in einem europaweit einheitlichen Kanon bestimmter Haftungsstrukturmerkmale wieder, dessen Berücksichtigung zur Gewährleistung des erwünschten Interessenausgleichs auch der Haftungsordnung der Richtlinie abzuverlangen ist.
Obwohl der Gemeinschaftsgesetzgeber die innereuropäische Rechtsordnung durch Schaffung der neuen Haftungsregelungen den in den Erwägungsgründen zum Ausdruck gebrachten Zielvorgaben in einigen Punkten näher gebracht hat, berücksichtigte er sie nicht konsequent und hätte zugunsten der selbst deklarierten Zielsetzungen gewinnbringendere Lösungen finden und zugleich die gemeinschaftsweit etablierten Haftungsstrukturmerkmale konsequenter einhalten können. Durch gezielte Herabsetzung der Haftung des Zahlungsdienstnutzers in den Umsetzungsgesetzen können die Mitgliedstaaten allerdings die nationale Missbrauchshaftung im Einklang mit Art.61 III ZDR den politischen Zielvorgaben und dabei durch Anknüpfung an bewährte Haftungsstrukturmerkmale gleichzeitig einem ausgewogenen Ausgleich zwischen den Interessen von Zahlungsdienstnutzer und Zahlungsdienstleister näher bringen:
Gegen die gemeinschaftsgesetzgeberischen Zielvorgaben verstößt zunächst Art.61 I ZDR. Anders als in der Vorschrift grundsätzlich vorgesehen, sollte die Haftung des Zahlungsdienstnutzers in beiden Tatbestandsvarianten dem Verschuldensprinzip unterworfen werden. Für eine Haftung des Zahlungsdienstnutzers gemäß Art.61 I Var.1 ZDR sollte überdies eine vertragliche Pflichtverletzung zur Voraussetzung gemacht werden. Auch der Zahlungsdienstleister sollte zudem an Schäden in Höhe von bis zu 150 Euro nach dem Prinzip des Mitverschuldens beteiligt werden. Der Grund für die Abkehr des Gemeinschaftsgesetzgebers von den genannten traditionellen Haftungsstrukturen ist nicht ersichtlich. Insbesondere der Blick auf die nationalen Rechtsordnungen in Deutschland, England und Spanien kann die Abweichungen nicht erklären, denn in allen drei Rechtsordnungen werden die bezeichneten Strukturen konsequent eingehalten. Zwar ist der englischen Rechtsordnung das Verschuldensprinzip fremd. Durch ausdrückliche Berücksichtigung der Haftung des Zahlungsdienstnutzers gemäß Art.61 II ZDR entschied sich der Gemeinschaftsgesetzgeber jedoch im Einklang mit der kontinentaleuropäischen Rechtstradition für das Verschuldensprinzip. Seine Nichtbeachtung in Art.61 I ZDR ist deshalb wenig nachvollziehbar. Vor diesem Hintergrund sollten die mitgliedstaatlichen Gesetzgeber den durch Art.61 III ZDR gewährten Umsetzungsspielraum ausschöpfen und die Haftung des Zahlungsdienstnutzers zumindest bei einfacher und grober Fahrlässigkeit von einer Pflichtverletzung und Verschulden abhängig machen und dem Prinzip des Mitverschuldens unterwerfen. Für vorsätzliche Pflichtverletzung und betrügerische Absicht des Zahlungsdienstnutzers verbleibt den Mitgliedstaaten demgegenüber kein Gestaltungsraum.
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Kritik verdient ferner Art.61 II ZDR. Auch bei grob fahrlässiger und vorsätzlicher Vertragspflichtverletzung sollte die Bestimmung stets eine Schadensbeteiligung des Zahlungsdienstleisters vorsehen und die Schaffung der Gefährdungslage durch den Zahlungsdienstnutzer konsequent berücksichtigen. Zwar würde diese Lösung nicht von einer entsprechenden einheitlichen Haftungsregelung in den Rechtsordnungen Deutschlands, Englands und Spaniens gestützt. Grund hierfür ist, dass das Recht des Zahlungsverkehrs sich bislang vornehmlich nach allgemeinem Vertragsrecht richtete und eine spezialgesetzliche Gefährdungshaftung zulasten des Zahlungsdienstleisters sich noch nicht für alle von der Richtlinie erfassten Zahlungsmittel durchsetzen konnte. Allein bei Kartenzahlungen im Fernabsatz haftet der Zahlungsdienstleister gegenüber dem Zahlungsdienstnutzer bereits nach derzeitigem Recht einheitlich aufgrund der gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe des Art.8 Fernabsatzrichtinie. Dennoch finden die Missbrauchsanfälligkeit der Zahlungssysteme und das hohe Schadensrisiko als typische Anknüpfungspunkte einer Gefährdungshaftung auch hinsichtlich der übrigen Zahlungsverfahren in allen drei untersuchten Rechtsordnungen auf unterschiedliche Weise Berücksichtigung: Zunächst gilt in den Rechtsordnungen unabhängig vom Zahlungsmittel gleichsam der im allgemeinen Vertrags- und Auftragsrecht wurzelnde Grundsatz, dass zunächst der Zahlungsdienstleister das Risiko missbräuchlicher Zahlungstransaktionen zu tragen hat. Darüber hinaus ist dem Zahlungsdienstleister auch bei pflichtwidrigem Verhalten des Zahlungsdienstnutzers auf Grundlage des allgemeinen Schadensersatzrechts je nach vom Missbrauch betroffenen Zahlungsverfahren eine Schadloshaltung nicht immer möglich. In Deutschland greifen die Spitzenverbände des deutschen Kreditgewerbes dem Gesetzgeber vor und halten für einige Zahlungsverfahren unterschiedliche Haftungsprivilegierungen des Zahlungsdienstnutzers bereit. Nicht zuletzt deshalb wird sich der deutsche Gesetzgeber bis zur Schaffung der Zahlungsdiensterichtlinie nicht in der Pflicht gesehen haben, zur Berücksichtigung der dem Zahlungsverkehr zugrunde liegenden besonderen Gefährdungslage eine spezialgesetzliche Gefährdungshaftung zulasten der die Zahlungsverkehrssysteme unterhaltenden Kreditwirtschaft hervorzubringen. In England verhält es sich ähnlich. Bereits spezialgesetzlich ausgeschlossen ist die Schadloshaltung des Zahlungsdienstleisters gegenüber dem Zahlungsdienstnutzer allerdings im Anwendungsbereich von §§ 83, 84 CCA. Aus dem Kreis der vorliegend untersuchten Zahlungsmittel erfassen die Vorschriften lediglich Kreditkarten. Hinsichtlich der übrigen Zahlungskarten finden sich im Banking Code und im Business Banking Code gewisse Haftungsprivilegierungen, die regelmäßig explizit in den Vertrag einbezogen und ansonsten als implied terms Vertragsbestandteil werden. In Spanien manifestiert sich das dem Zahlungsverkehr wesensimmanente besonders hohe Schadensrisiko insbesondere in der von der Rechtsprechung entwickelten analogen Anwendung des Art.156 LCC auf gefälschte Überweisungsträger, die konsequenterweise dem Grunde nach auch auf Missbrauch im kartengestützten Zahlungsverkehr und im Lastschriftverfahren zu erstrecken ist. Das den missbrauchsanfälligen Zahlungssystemen wesensimmanente, erhöhte Schadenseintrittsrisiko wird in allen vorliegend untersuchten nationalen Rechtsordnungen folglich auch ohne spezialgesetzlichen Niederschlag berücksichtigt. Seine konsequente Berücksichtigung in der Haftungsordnung der Zahlungsdiensterichtlinie wäre vor diesem Hintergrund kein Bruch mit bestehendem Recht, sondern entspräche bestehenden Tendenzen in der europäischen Rechtswirklichkeit. Im Einklang mit den übrigen gesetzgeberischen Zielvorgaben wäre eine quotale Schadensbeteiligung des Zahlungsdienstleisters auch bei grob fahrlässiger und vorsätzlicher Vertragspflichtverletzung des Zahlungsdienstnutzers gemäß Art.62 II ZDR als Ausdruck einer Gefährdungshaftung wünschenswert gewesen. Der Gemeinschaftsgesetzgeber sollte deshalb den durch Art.61 III ZDR gewährten Gestaltungsspielraum ausschöpfen und zumindest die Haftung des Zahlungsdienstnutzers für grobe Fahrlässigkeit durch quotale Schadensbeteiligung des Zahlungsdienstleisters herabsetzen.
Wenig überzeugend ist auch die Beweislastregelung des Art.59 II ZDR, die in Abkehr vom ursprünglichen Kommissionsentwurf KOM (2005) 603 Prozessvermutungen zugunsten des Zahlungsdienstleisters auf Grundlage der Aufzeichnungen über einen Zahlungsvorgang für zulässig erklärt und dadurch zahlreiche in den Erwägungsgründen zum Ausdruck kommende Zielvorgaben nachhaltig stört. Bereits nach derzeitiger Rechtslage bestehen in Deutschland und Spanien erhebliche Uneinigkeiten über den Beweiswert elektronischer Aufzeichnungen über Zahlungsvorgänge. Eine Erhellung der Rechtslage durch unmissverständliche europäische Vorgaben wäre sehr zu begrüßen gewesen. Den Mitgliedstaaten ist nun zu empfehlen, in Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie eine Übergangsregelung mit befristeter Zulässigerklärung der Prozessvermutung zu schaffen, um den Zahlungsdienstleistern ausreichend Zeit zur Verbesserung der Aufklärbarkeit von Missbrauchssachverhalten durch entsprechende Systemneuerungen zu geben. Mit dem weiten Wortlaut von Art.59 II ZDR ist eine derartige Übergangsbestimmung vereinbar.
Auch die gemeinschaftsgesetzgeberische Entscheidung zur Präklusion des Berichtigungsanspruchs des Zahlungsdienstnutzers gemäß Art.58 ZDR bei nicht unverzüglicher Anzeige eines unautorisierten Zahlungsvorgangs lässt sich weder durch einen Blick auf die derzeitige Rechtslage in Deutschland, England und Spanien erklären, noch ist sie vereinbar mit den eigenen Zielvorgaben der Richtlinie. In Abkehr von den nationalen Rechtsordnungen schwächt die Regelung die Rechtsposition des Zahlungsdienstnutzers beträchtlich. Eine Korrektur durch von der Bestimmung abweichende Umsetzungsgesetze lässt sich aufgrund des zwingenden Charakters der Richtlinienbestimmungen seitens der Mitgliedstaaten nicht erreichen.
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Wünschenswert wäre zudem eine konsequente Berücksichtigung des nicht nur in den vorliegend untersuchten nationalen Rechtsordnungen Deutschlands, Englands und Spaniens, sondern im gesamten Rechtsraum der Gemeinschaft gemeinhin anerkannten Prinzips des Mitverschuldens gewesen. Im Einklang mit den übrigen gemeinschaftsrechtlichen Zielvorgaben wäre sie vor allem dem haftungsrechtlichen Gebot eines angemessenen Ausgleichs zwischen den Interessen von Zahlungsdienstnutzer und Zahlungsdienstleister zuträglich gewesen. Zur Herbeiführung einer interessengerechteren und flexibleren Haftungszuordnung und der Vermeidung starrer Alles-oder-Nichts-Lösungen ist das Prinzip des Mitverschuldens ein zentrales und unentbehrliches Korrektiv des Schadensersatzrechts. Entschiedene Kritik muss sich insofern die nahezu vollumfängliche Nichtbeachtung vorwerbaren Verhaltens des Zahlungsdienstnutzers gefallen lassen. Zwar listet Art.57 I ZDR eine Reihe von Pflichten des Zahlungsdienstleisters auf. Wie der Blick auf die nationalen Rechtsordnungen verrät, schweigt der Katalog jedoch über einige in der Praxis überaus bedeutsame Pflichten, wie etwa diejenige zur sorgfältigen Authentifizierung eines Zahlungsvorgangs. Wenig einleuchtend ist überhaupt die Nennung der bezeichneten Pflichten in Art.58 I ZDR, denn abgesehen von Art.61 V ZDR knüpft die Haftungsordnung keine zwingenden Sanktionen zulasten des Zahlungsdienstleisters an ihre Verletzung. Zur nachträglichen Implementierung des Prinzips des Mitverschuldens in die Missbrauchshaftung verbleibt den Mitgliedstaaten der Umsetzungsspielraum des Art.61 III ZDR. Dieser erlaubt allerdings weder die Herabsetzung der Haftung des Zahlungsdienstnutzers bei dessen vorsätzlicher Pflichtverletzung noch in anderen Fällen als der Haftung gemäß Art.61 I und II ZDR. Die Berücksichtigung von Mitverschulden des Zahlungsdienstleister im Fall der Präklusion des Berichtigungsanspruchs des Zahlungsdienstnutzers gemäß Art.58 ZDR scheidet deshalb ebenfalls aus.
Schließlich wäre ein abschließender, zwingender und harmonisierter Katalog beiderseitiger Sorgfaltspflichten zu begrüßen gewesen. Denn bereits der Blick auf die deutsche, englische und spanische Rechtsordnung reflektiert die Unübersichtlichkeit der in Rechtsprechung und Literatur angenommen Sorgfaltspflichten von Zahlungsdienstleister und Zahlungsdienstnutzer. Vor allem der innereuropäischen Rechtssicherheit dienlich wäre sowohl die Harmonisierung der Pflichten, als auch des Maßstabs beiderseitig anzuwendender Sorgfalt. Eine Nachbesserung durch den nationalen Gesetzgeber zur Behebung dieses Mangelzustands ist nur begrenzt möglich, denn zumindest eine europaweite Harmonisierung kann er offenkundig nicht bewerkstelligen. Zumindest auf nationaler Ebene lässt sich jedoch ein einheitlicher Pflichtenkatalog für Zahlungsdienstnutzer und Zahlungsdienstleister festlegen. Eine europaweite Lösung wäre demgegenüber denkbar durch einen Vorstoß der europäischen Bankwirtschaft. Mit der Festlegung einheitlicher und verbindlicher Pflichten betraut werden könnte etwa der zur Schaffung des einheitlichen Zahlungsverkehrsraums eingerichtete Europäische Zahlungsverkehrsausschuss (European Pa y ment Council).
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die neuen Haftungsbestimmungen der Zahlungsdiensterichtlinie bei näherer Betrachtung und vergleichendem Blick auf die bestehenden Regelungen in Deutschland, England und Spanien den politischen Zielvorgaben des europäischen Gesetzgebers nicht konsequent folgen. Vor allem auf Grundlage von Art.61 III ZDR können die mitgliedstaatlichen Gesetzgeber allerdings durch gezielte Ausschöpfung des gewährten Umsetzungsspielraums eine Reihe der den Richtlinienregelungen anhaftenden Defekte zugunsten der bekundeten europäischen Bestrebungen korrigieren. Eine vollumfängliche Ausräumung der voranstehend aufgeführten Kritikpunkte lässt sich wegen des zwingenden Charakters der Richtlinienregelungen allerdings auf nationaler Ebene nicht mehr erreichen.
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DiML DTD Version 4.0 | Zertifizierter Dokumentenserver der Humboldt-Universität zu Berlin | HTML-Version erstellt am: 29.10.2013 |