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In unserem Alltag taucht der Begriff “Nano“ immer häufiger auf. In Zusammenhang mit Autolacken wird von einem schmutz- und wasserabweisenden Lotuseffekt gesprochen, in Imprägniersprays und Sonnencremes werden aktive Nanopartikel angepriesen. Der Begriff “Nano“ ruft in den Köpfen der Menschen eine positive Assoziation hervor, die für Fortschritt und Innovation steht. So ist es nicht verwunderlich, dass das Präfix bzw. der Namenszusatz Nano der Vermarktung von Produkten wie des Kleinwagens “Tata Nano“ des indischen Automobilherstellers Tata Motors oder des tragbaren Mediaplayers “iPod nano“ von Apple dient, um diese Produkte attraktiv und interessant wirken zu lassen. Doch was verbirgt sich eigentlich hinter dem Begriff Nano und wieso ist die Nanotechnologie so Aufsehen erregend? “Nanos“ kommt eigentlich aus dem Griechischen und bedeutet “Zwerg“. Die Nanotechnologie geht auf die winzige Welt der Atome und Moleküle zurück, die sich in der Dimension von Milliardstel Metern, also Nanometern (nm = 10-9 m), abspielt. Um sich dieser kleinen Maßstäbe bewusst zu werden: ein Nanometer verhält sich zu einem Meter wie der Durchmesser einer Haselnuss zu dem unseres Erdballs. Das Interesse der Materialwissenschaft, Medizin, Kosmetik, Elektronik sowie Energie- und Umwelttechnik an der Nanotechnologie ist vor allem in der Erkenntnis begründet, dass nanostrukturierte Systeme Eigenschaften besitzen, die mit traditionellen Verfahren nicht erzeugt werden können. Nanostrukturen besitzen im Verhältnis zu ihrem Rauminhalt eine viel größere Oberfläche als die uns bekannten makroskopischen Strukturen und so erklären sich außergewöhnliche Oberflächeneffekte und größeninduzierte Quantisierungseffekte.[1] Dadurch ergeben sich beispielsweise in der Materialwissenschaft vollkommen neue Möglichkeiten, von denen bislang nur geträumt werden konnte. Funktionale Materialien mit herausragenden Eigenschaften wie einer außergewöhnlichen Härte oder elektrischen Leitfähigkeit können so geschaffen werden. Insbesondere vor dem Hintergrund drohender Ressourcen- und Energieknappheit wird das Interesse an dieser Entwicklung verstärkt. Aber wie genau können solche kleinsten Strukturen generiert werden, die mit dem bloßen Auge und auch unter Zuhilfenahme von “normalen“ Mikroskopietechniken nicht erkennbar sind?
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Hierzu gibt es zwei Ansätze: der derzeit für konkrete Anwendungen meistverfolgte Weg der Darstellung von kleinsten Strukturen ist das Verkleinerungsprinzip (“Top-Down Approach“, “engineering down“), das als eine Fortsetzung und Erweiterung der Mikrotechnik verstanden werden kann (vgl. Abbildung 1–1).[2] Dieser (physikalischen) Vorgehensweise der Miniaturisierung, die Festkörperphysiker und Elektroingenieure zwingt, mit immer kleineren Materialbausteinen zu arbeiten, sind jedoch natürliche Grenzen gesetzt. Hier ist als ein besonders wichtiges Beispiel die Photolithographie zu nennen,[3] bei der sich immer mehr die Auffassung durchsetzt, dass eine weiter anhaltende Strukturminiaturisierung von beispielsweise Halbleiterstrukturen mit dem gegenwärtigen Verfahren bald nicht mehr praktikabel sein wird.[4]
Eine nun immer mehr in den Fokus rückende, von Chemikern verfolgte Alternative ist der Vergrößerungsansatz (“Bottom-Up Approach“, “engineering up“), bei dem kleinere molekulare Strukturen gezielt zu funktionalen Anordnungen mit eindeutiger Form arrangiert werden.[2] Hierbei spielt das Prinzip der Selbstorganisation für die Konstruktion von Nanostrukturen und Überstrukturen ähnlich wie in biologischen Systemen eine besondere Rolle.[1,4] Bereits 1959 erkannte der Physik-Nobelpreisträger Richard Feynman das große Potential des Vergrößerungsansatzes.[5] In seinem Vortrag „There is Plenty of Room at the Bottom“ beschreibt er visionär die neuen Möglichkeiten und Anwendungen, die sich aus dem Arrangement von Atomen und Molekülen ergeben könnten.
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Ein äußerst wichtiger Schritt bei der Entwicklung kleinster Strukturen wurde 1982 mit der Entdeckung der Rastertunnelmikroskopie (und 1986 der Rasterkraftmikroskopie) gemacht, für die Binning und Rohrer den Nobelpreis erhielten.[6] Mit Hilfe dieser besonderen Mikroskopietechniken können molekulare und atomare Strukturen abgebildet und Vorgänge auf der atomaren Größenskala visualisiert werden. Ebenso wurden große Fortschritte in der makromolekularen und supramolekularen Chemie erzielt, die es ermöglichen, funktionale Strukturen in den kleinsten Dimensionen kontrolliert zu generieren. Hier sind insbesondere D onald J. Cram,[7] C harles Pedersen [8] und Jean-Marie Lehn [9] zu nennen, die 1987 “für die Entwicklung und Verwendung von Molekülen mit spezifischer Wechselwirkung und hoher Selektivität“ den Nobelpreis verliehen bekommen haben. Erst das tiefere Verständnis der in natürlichen (makromolekularen) Verbindungen ablaufenden Prozesse und wirkenden Kräfte erlaubt es, diese zu imitieren und die Erkenntnisse für die Konstruktion von artifiziellen, funktionalen 3-dimensionalen Architekturen zu verwenden. Die Natur stellt beispielsweise Peptide über die hierarchische Organisation her; hier werden Aminosäuren als Monomereinheiten in einer spezifischen Abfolge aneinandergereiht (Primärstruktur), wobei die Art und die Abfolge der Aminosäuren entscheidend für die Art der ausgebildeten Sekundärstrukturen sind. Die hierarchische Selbstorganisation schließlich resultiert in komplexen Überstrukturen (Tertiär- und Quartärstruktur). Beispiele hierfür sind das Hämoglobin, das als reguliertes Protein den Sauerstofftransport im Körper übernimmt, oder Enzyme, die hochselektiv Stoffwechselprozesse katalysieren.
Peptidstränge und allgemein Oligomer- oder Polymerstränge, die definierte 3-dimensionale Strukturen und Konformationen unter gegebenen Bedingungen stabil ausbilden, werden als Foldamere bezeichnet.[10-13] Die Kontrolle über die Struktur ist ein wichtiges Kriterium, das erfüllt werden muss, um funktionale, makromolekulare Strukturen gezielt generieren zu können. Angestrebtes Ziel ist es, die Bildung der Sekundärstruktur kontrollieren, vielleicht sogar vorhersagen und möglicherweise die Selbstorganisation in komplexere Architekturen steuern zu können. Wenngleich die Natur dem Menschen bei der Generierung von komplexen makromolekularen Architekturen weit voraus ist, hat er dennoch den Vorteil, aus einer nahezu unbegrenzten Anzahl verschiedener Monomerbausteine und Verknüpfungsreaktionen auswählen und diese vielfältig kombinieren zu können. Somit sollte es möglich sein, komplexe molekulare Strukturen für diverse künstliche Funktionen zu erzeugen. Ein viel versprechender Ansatz, um funktionale makromolekulare Strukturen zu realisieren, nutzt helikal faltende Foldamere, in die responsive über externe Stimuli ansteuerbare Gruppen implementiert sind. Über die Integration von beispielsweise photoschaltbaren Azogruppen in das Foldamerrückgrat konnte gezeigt werden, dass die helikale Konformation durch die Einwirkung von Licht entfaltet werden kann.[14-16] Dies ermöglicht potentiell den Zugang zu ansteuerbaren Transportersystemen.
Um Foldamere für eine breite Anzahl von Anwendungsmöglichkeiten als funktionale Moleküle nutzen zu können, ist deren effiziente und modulare Darstellung notwendig. Eine Herangehensweise besteht darin, immer auf dasselbe Foldamerrückgrat zurückzugreifen, so dass die helikalen Foldamere idealerweise nach immer dem gleichen Prinzip unter Ausnutzung einer sehr effizienten Kupplungsreaktion dargestellt werden (vgl. Abbildung 1–2). Hierbei ist die Integration von verschiedenen funktionalen Strukturelementen in das Rückgrat möglich. Nach einem Baukastenprinzip werden helikogene Elemente, die die helikale Konformation stabilisieren, mit funktionalen, adressierbaren Strukturelementen kombiniert. Dieser Syntheseplan ermöglicht es, durch Wahl der eingefügten Strukturelemente die Foldamereigenschaften für spezielle Anwendungen maßzuschneidern. Strukturell (und damit synthetisch) erfordert er jedoch nur leichte Änderungen. Um den synthetischen Aufwand zu minimieren und auf das gleiche bekannte Foldamerrückgrat zurückgreifen zu können, sollte eine hocheffiziente Reaktion verwendet werden, die es ermöglicht, die unterschiedlichen Strangelemente unabhängig von der Natur der funktionellen Gruppen miteinander zu verknüpfen. Gleichzeitig muss das bei der Verknüpfung entstehende Strukturelement kommensurabel mit der helikalen Faltung sein oder idealerweise selbst eine helikogene oder responsive Einheit darstellen. Für die Konstruktion von beispielsweise Ionenkanälen in Anlehnung an Gramicidin A[17] könnte die ursprüngliche Helixstruktur so verändert werden, dass unter Nutzung ein und desselben Foldamerrückgrats lineare Bausegmente[18,19] integriert werden, die eine Aufweitung des Helixdurchmessers zur Folge haben und dadurch die Helix (selektiv) passierbar für Ionen machen (vgl. Abbildung 1–2 oben).
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Für die Konstruktion von responsiven Foldameren können adressierbare Einheiten in das gleiche Foldamerrückgrat (oder dessen Peripherie) integriert werden. Neben dem angesprochenen nicht-invasiven Stimulus Licht[20,21] ist der pH-Wert als ein in biologischen Systemen natürlich vorkommender Stimulus von besonderem Interesse.[22-24] Beispielsweise kann er die Entfaltung der Foldamerstruktur und dadurch die Freigabe von Wirkstoffen bewirken (vgl. Abbildung 1–2 unten).
Durch die Implementierung von diversen responsiven Einheiten in geeignete Foldamerrückgrate könnten Foldamere zukünftig eine wichtige Rolle in verschiedenen Bereichen der Sensorik,[25-27] Aktuatorik,[22,28] Katalyse oder dem Stofftransport spielen.[29]
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Ein Schritt in diese Richtung wird in dieser Arbeit gegangen, in der die Entwicklung sowie modulare Synthese und Charakterisierung einer neuen Klasse von Foldameren beschrieben wird.
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