Bräuer, Siegfried: Wallfahrtsforschung als Defizit der reformationsgeschichtlichen Arbeit. Exemplarische Beobachtungen zu Darstellungen der Reformation und zu Quellengruppen

Kapitel 6. Geschichtliche Aufzeichnungen und Chroniken

Im Spätmittelalter gewinnt die städtische Chronistik ein eigenes Profil. Die Autoren stehen oft in enger Beziehung zum Stadtregiment. Das wirkt sich auf den Radius ihres Interesses an den berichtenswerten Ereignissen aus. Letztlich steht die eigene Stadt im Mittelpunkt, selbst wenn die Chronik an die Tradition der Weltchroniken anknüpft. Da sie sich in zunehmendem Maße zu einer „Neuigkeiten-Chronistik“ entwickelt, bleibt „die Ausformung des Sakramentskultus im Spätmittelalter“ nicht ohne Auswirkung auf sie, wie Rolf Sprandel in einer Überblicksskizze festgestellt hat<143>. Die Wallfahrtsthematik ist in diese Sakramentsfrömmigkeit eingeschlossen, aber im Blick auf die Chroniken noch nicht umfassender untersucht. Der Helmstedter Benediktiner Henning Hagen, der 1491 eine Chronik ausschließlich zur Orientierung des Rates seiner Vaterstadt verfaßt und die Frage der Wallfahrten, auch die Peter-und-Paul-Wallfahrt zum benachbarten Königslutter, völlig ausklammert, dürfte die Ausnahme sein<144>. Selbst das fast gleichzeitig (1490) begonnene und ebenfalls in enger Beziehung zum städtischen Rat geschriebene Stolberger Ratsjahrbuch notiert zu 1475: „Eodem anno wasz ein grosz wunderbar zulauffin gewest zur Wilsznacht zume heiligen blute von kleynen kindern und auch alten luten usz vil landen, steten und dorffern. Und habin nichts von zcerunge mit sich genomen; sundern szo balde esz die luthe ankam, habin sie geweinet, sich nicht mocht uffgehalden und von stund dovon gegangen, zu vil malhen barvossz und blos<145>.“

Durch seine geographische Lage, Frequenz in nahezu europäischem Ausmaß und die spektakulären Züge in Höhepunktzeiten hat Wilsnack eine besondere Anziehung auf die Chronisten der mittel- und norddeutschen Städte ausgeübt. Noch der bereits im Umfeld der Reformation über die Braunschweiger Stadtfehde von 1492/93 schreibende Braunschweiger Chronist hat zu Eingang seiner Aufzeichnungen festgehalten, daß 1488 „ok ein lopent na der Wilßnacke van knechten, megeden, kindern, fruwen und etliken manns ute Brunswigk“ stattfand<146>. Der Braunschweiger Zollschreiber Hermen Bote berichtet in seiner handschriftlichen Braunschweiger Weltchronik, deren Niederschrift noch im letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts begann, zunächst über den Kinderkreuzzug von 1211. Mit der Überschrift „vployp“ (Auflauf, Aufruhr) gibt er seinem knappen Bericht von vornherein das Gefälle, das er mit der Schlußbemerkung „wente de duuel hadde sick darmanghet menghet“ erläutert. Nachdem er zu 1318 erwähnt hat, daß „Otto de mylde“ von Braunschweig von seiner Pilgerreise zum Heiligen Grab nicht zurückgekehrt sei und „neymet wuste wur he bleff“, geht er bei 1384 auf Wilsnack ein: „Dat afflate kam vp in der nigen marcke to Brandenborch genomet to der wilsenacke van weghen eyner blodighen ostighen dat dar eyn toloip wart myt velen pelghrimen“<147>. Aus diesem objektiven Notat ist keine persönliche Position des Autors abzulesen. Spätere Stellungnahmen zu Wilsnack fehlen, da die Chronik mit dem Jahr 1438 abbricht. Sprandel reiht Hermen Bote unter die spätmittelalterlichen Kirchenkritiker ein und belegt das mit der Bemerkung aus der1492 in Mainz gedruckten „Croneken der sassen“, die Fahnen in den Dorfkirchen seien das Beste an den neuen Wallfahrten gewesen. Gottfried Wilhelm Leibniz hat diese Chronik dem Braunschweiger Konrad Bote zugeordnet. Das Verhältnis von Hermen Bote zu diesem Druckwerk ist nach wie vor ungeklärt<148>. Zu berücksichtigen ist außerdem, daß Bote in seiner Braunschweiger Chronik die Goldenen Jahre von 1300 und 1350 als Ablaßveranstaltungen sowie Kaiser Karls Gründung der Aachenfahrt und Santiago als Pilgerstätte positiv würdigt, desgleichen die Überführung des Heiligen Blutes von Frankreich ins Braunschweiger St. Ägidienkloster durch die Landesherren<149>. Selbst der bissige Zweizeiler aus Botes Spätwerk „Köker“ (1520) „Olde lude, pellegrimen unde grote heren,/ willen de legen [lügen], dat is in örer macht“, berechtigt nicht dazu, Bote für einen grundsätzlichen Kritiker der Wallfahrten zu halten<150>.

Während die meist knappen und etwas formelhaften Notate über die Wallfahrten nach Wilsnack in städtischen Chroniken eher als Zeugnisse über die zwischenstädtische Kommunikation gelesen werden können, verhält es sich mit der ausführlichen Schilderung im Memoriale des Erfurter Klerikers Konrad Stolle anders. Im Kapitel „Wie das junge volk lieff zu deme heiligen blute zu der welssnacht da genesit meideburgk“ berichtet er ausführlich und detailreich, wie in der Woche nach St. Johannestag (24. Juni) 1475 in Türingen, Franken, Hessen, Meißen und anderen Ländern die jungen Leute, „knaben unnd juncfrawen, czwisschen czwenczig jaren, zu male kleine kindere zu deme heilgen blute lieffen“, ohne Geld und Wissen der Eltern. Dienstboten ließen ebenfalls alles stehen und liegen. In Gruppen zu 200 oder 300 zogen sie auf den Straßen, singend und mit Fahnen, vorangetragen wurde ein rotes Kreuz. Sie gingen teilweise barfuß, halb nackt und ohne Verpflegung. Versuche der Eltern, aber auch der Beichtväter, die Kinder und Jugendlichen zurückzuhalten, waren vergeblich. Aus Arnstadt waren es 324, selbst der Schulmeister ging mit. Nicht einmal vom anhaltenden Regen am Abend und in der Nacht von Peter und Paul (29. Juni) ließen sie sich beeindrucken. In Tennstedt brachen 34 Kinder auf. Gegenmaßnahmen des Erfurter Rates und geistlicher Richter fruchteten nichts. Eltern gingen um der Kinder willen mit. Manche ließen ihre Kinder und ihr Vieh sechs Wochen unversorgt zu Hause zurück. Ein Erfurter Waidanbauer verteilte seinen Verkaufserlös an die durchziehenden Arnstädter Kinder und reihte sich mit ein in den Zug. Aus einem fränkischen Dorf bei Coburg oder Bamberg waren 30 Wallfahrer Tag und Nacht 18 Meilen gegangen. Sie hatten auf ihrer Fahne eine Monstranz abgebildet, die Arnstädter einen Adler. Essen und Trinken erhielten sie von den Menschen in den Orten, durch die sie zogen oder durch Betteln. Die Gelehrten waren sich uneins, ob dieses Laufen dem himmlischen oder teuflischen Einfluß zuzuschreiben sei. Die Erfurter Verantwortlichen ließen die Tore schließen, damit die eigene Bevölkerung nicht von dem Drang, mitzulaufen, angesteckt werde. Aus Eisleben liefen 1100, aus Hettstedt 300, ein großes Volk kam aus Österreich und Ungarn. Als 310 Arnstädter nach 14 Tagen zurückkamen, wurden sie nicht nach Erfurt eingelassen. Sie mußten mit ihren Fahnen auf dem Graben hingehen und berichteten, daß sie von den brandenburgischen Markgrafen in Angermünde (dem heutigen Tangermünde) beköstigt und mit einem Berliner Groschen beschenkt worden seien. Sie ließen sie beschützen und umsonst bei Werben über die Elbe setzen. Die Mansfelder Grafen beköstigten die Wallfahrer auch mit Brot und Bier. Unterwegs wurden sie beherbergt, nur in Erfurt wollte man sie nicht einlassen. Erst eine Seuche brachte das Ende dieses Laufens<151>.

Die vielen Einzelheiten und der weithin objektive Duktus haben bis in die Gegenwart immer wieder dazu geführt, daß Stolles Schilderung fast als eine Art Protokoll verstanden wurde. Bereits der Editor Richard Thiele hat diese Auffassung gefördert, wenn er Stolle als „schlichten Biedermann“, als „Mann aus dem Volke“ bezeichnet, der von „dem inneren Drange, die Wahrheit möglichst klar zu stellen“, beseelt gewesen sei<152>. Es wird übersehen, daß der Kleriker Stolle einen nach geltenden literarischen Prinzipien gestalteten Text geschrieben hat und sein Memoriale nach Struktur, Quellenverarbeitung und Sprache noch gar nicht untersucht worden ist<153>. Bemerkenswert ist, daß Stolle zwar die spektakulären Züge des Wilsnacklaufens immer wieder anführt, aber die rituellen Aspekte und die Elemente eines geordneten Verlaufs (prozessionsartige Gruppen, Leisengesang, Fahnen mit Emblemen, rotes Kreuz) nicht übersieht. Er weiß nicht nur von Hilflosigkeit angesichts dieser Massenbewegung, sondern auch von der Unterstützung durch Bevölkerung und Obrigkeiten zu berichten. Die zwiespältige theologische Beurteilung verschweigt er nicht. Mit einem eigenen Urteil hält er sich zurück. Von einer unverhohlen geäußerten Kritik am Verhalten der Erfurter Obrigkeit abgesehen, begnügt er sich mit dem Urteil „Das was eyn winderlich ding“<154>.

Stärker noch als Stolle betont der Hallenser Ratsmeister Markus Spittendorf in seinen Denkwürdigkeiten die rituellen Aspekte und den geordneten Verlauf beim Durchzug von Wilsnack-Wallfahrern. Zuerst berichtet er, daß am 5. August 1475 24 Rückkehrer aus Wilsnack nach Halle kamen. Die Jüngsten seien sieben oder acht Jahre alt gewesen. Einer habe ein Panier mit einem Bild und dem Wappen von Freiburg getragen. Geordnet und singend seien sie daher gezogen, wie bei einer Prozession. Er fügt hinzu: „Das geschach viel.“ Am 28. August seien um 17 Uhr 130 Personen, „kleine jungen und meidtlein bey 7 oder 8 jahren und seuberliche grosse jungfrauen und meydte und junge gesellen und feine menner und frauen“, in Halle erschienen. Auch sie „gingen in einer procession und sungen umb die kirche zu Unser Lieben Frauen und S. Gedrauten, und die wollten zur Welsenach“. Ein Jahr später, vom 15. - 24. Juni 1476, habe erneut ein großes Laufen stattgefunden. Viel Volks sei aus Franken und Thüringen nach Wilsnack gezogen. Sie gingen wiederum „durch Halle in langen reihen ye zwey bey einander und sungen etc.“<155>.

Bei dem Laien Spittendorf gibt es kein Anzeichen, daß er sich von dem Laufen nach Wilsnack distanziert hätte. Die kritischen Ansätze bei dem Kleriker Stolle sind erkennbar, fallen aber sehr maßvoll aus. Als Beleg für sein wachsendes Unbehagen gegenüber seiner Zeit, das die Form eines Unheilbewußtseins annehmen konnte, kann er u. a. das Papstschisma, Werwölfe und die Häresie in Böhmen anführen, die Wilsnack-Wallfahrt mit ihren epidemischen Begleiterscheinungen fehlt.<156> Stolle scheint auch kaum von der anhaltenden theologischen Kritik an der Verehrung des Heiligen Bluts in Wilsnack durch die Reform- und Frömmigkeitstheologen berührt zu sein, die gerade in Erfurt eins ihrer Zentren hatte<157>. Der Kontrast wird deutlich in der sarkastischen Äußerung der Magdeburger Bischofschronik zum Laufen nach Wilsnack 1475, in der sich die Position der Kritiker manifestiert, man müsse die Leute pilgern lassen, damit sie nicht verrückt würden.Bereits zum Jahre 1445 heißt es resignierend, es sei dem Erzbischof zwar nicht gelungen, den concurs nach Wilsnack abzuschaffen, aber in 18 Orten habe die Entstehung neuer Wallfahrten durch Heinrich Tocke verhindert werden können<158>.

Die Erfurter Ordinarien waren nicht weniger als die Magdeburger entschlossen, gegen eine neu aufkommende Verehrung von Heilig-Blut-Wundern in ihrer Diözese auch praktisch vorzugehen. Nicht in der Erfurter, sondern in der Mühlhäuser chronikalischen Überlieferung ist ein solches Ereignis festgehalten worden. Die älteste Version stammt schon von einem evangelischen Autor, dem Mühlhäuser Stadtschreiber Nikolaus Fritzler. In seiner zwischen 1563 und 1573 verfaßten „Beschreibung der kayserlichen reichs stadt Mulhausen in Düringen sambt derer gelegenheit fryheiten und zubehorungen auch was sich in und mit der vormoge anfenglichen jahren bieß auf dieße zeit zugetragen und verlofen ist nach folget zum theil vortzeichnet zu ersehen“ deutet er an, daß er auf ältere Quellen zurückgreift. Zu 1401 notiert er: „In diesem Jahre Freitages nach lichtweyhe [4. Februar] des morgens zu Mettenzeit entstundt ein groß Zeichen auf dem blobache vnter einer Linden, das man da fandt eine feine Oblaten betroffen mit mit vier tropffen bluts, das da fein vndt zart was vndt alle tage viel tzeichen thut. Haec verba in veteri libro statuorum vltimo folio scripta sunt<159>.“ Zu dieser Hostie sei ein „gros tzulauffen von fremden vndt heimischen“ entstanden. Darum sei „ein hewßlein vnter die Linden gebawet, darin die Ostien verwahret“. Viele Opfer an Wachs und Geld seien dargebracht worden. Der Rat habe deshalb am 1. Mai Albert Bottener als Schreiber dort bestellt, „der die wunder zeichen beschreiben sollte“. Am 29. Juni sei der Erfurter Provisor des Mainzer Bischofs, Ludwig von Bensforte, nach Mühlhausen gekommen und habe alle vier Räte zusammengerufen. Er teilte ihnen mit, daß er nach Beratung mit vielen geistlichen und weltlichen Autoritäten zum Urteil gelangt sei, „das die Ostien auf dem blobache nicht rechtschaffen vndt es mit dem zeichen eine lautter zauberey vndt wieder den Christen sey, habe derowegen beuehl, dieselbe abtzuschaffen“. Als er mit den Räten zu dem Häuslein kam, stellte er fest, daß die Blutstropfen „koll schwartz“ geworden waren. „Derhalben schafft ehr die Ostien abe vndt lest das heußlein einreißen.“ Das Opfergeld (57 Schock Groschen, 12 Mark an Landpfennigen weniger 3 1/2 Lot) und viel Wachs konfiszierte er. Dem Rat bescheinigte er schriftlich die kirchliche Rechtmäßigkeit der Maßnahme. Mit der Bemerkung „Also zurgehet die walfahrt“ beendet der Chronist seinen Bericht<160>.

Von der nachfolgenden Mühlhäuser Chronistik und Stadtgeschichtsschreibung ist Fritzlers Bericht immer wieder aufgegriffen und überarbeitet worden. Bei einer teilweise wörtlichen Wiederholung finden sich auch charakteristische Veränderungen. In der viel zitierten Stadtbeschreibung des Arztes Christian Gottlob Altenburg hat die Überlieferung ihre vorläufige Endgestalt gefunden. Er führt den Chronikbericht zweimal an. Bei der ersten Beschreibung der in reformatorischer Zeit abgerissenen Johanneskirche vor dem Frauentor geht er irrtümlich davon aus, daß sie mit der Kapelle auf dem Blobach identisch ist und ihr Bau „auf Vorstellung der Mönche“ veranlaßt worden sei. Das Urteil über die Hostie, sie sei nicht rechtschaffen, ersetzt er durch „nicht ächt“. Folgerichtig fügt er zum Vorwurf der Zauberei hinzu „(oder besser Betrügerei)“. Bensfortes Mitteilung, ihm sei befohlen worden, die Wallfahrt abzuschaffen, formt er um in die Angabe, Bensforte habe zur Abschaffung den Befehl gegeben. Später wiederholt Altenburg seinen Text noch einmal als Anmerkung zur Johanneskirche und verstärkt auch Fritzlers Schlußsatz: „So vergieng die Wallfahrt und der Betrug war aufgedeckt<161>.“ Hermann Gebhardt schließlich gibt dem Chronikbericht über die Wallfahrt zum Heilig-Blut-Wunder auf dem Blobach die zugespitzte Form: Die Hostienfinder waren einige Mönche. Die Mühlhäuser erbauten „eiligst“ die Kapelle, „um sich die Vorteile eines Wallfahrtsortes zu verschaffen“. Der Provisor habe erklärt, die Hostie sei ein Werk des Teufels. Die Hostie sei sofort zerbrochen und in die Erde gescharrt worden. Der Provisor habe die Stadt beim Papst verklagt und von dessen Bann sei sie erst 1416 durch demütiges Bitten und große Geldopfer losgesprochen worden<162>. Selbst die bislang noch nicht ersetzte Geschichte der Reformation in Mühlhausen von Heinrich Nebelsieck läßt den Einfluß der Chroniküberlieferung und des Textes von Altenburg erkennen<163>. Weniger bekannt als das Vorgehen des Erfurter Generalgerichts gegen die neue Wallfahrt von Mühlhausen ist eine ähnliche Maßnahme des Naumburger Bischofs im Jahre 1484 auf Druck der Landesherren, Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht von Sachsen, gegen die Wallfahrt von Beinschnette zu den Bildern von Jakobus und Maria, die bereits länger als ein Jahrzehnt bestand<164>.

Die quellenkritischen Beobachtungen zur Überlieferung über das Heilig-Blut-Wunder auf dem Mühlhäuser Blobach mußten sich auf die Rezeption des Chronikberichtes von Fritzler beschränken, weil dessen Quellenverarbeitung noch nicht untersucht worden ist. Etwas anders verhält es sich mit dem Bericht über die Entstehung der Wallfahrt nach Wasserleben 1231. Lange Zeit war er nur in der Version des „Chronicon Halberstadiense“ des ehemaligen Halberstädter Augustiners und reformatorischen Pfarrers Johann Winnigstedt bekannt. Die ursprüngliche Fassung seines Chronikmanuskript blieb in Halberstadt, als er 1529 diese Wirkungsstätte verlassen mußte. Sie ging verloren. Von der Neufassung, die er hinterließ, als er 1569 in Quedlinburg starb, existieren zahlreiche Abschriften und Bearbeitungen, die quellenkritisch noch nicht untersucht sind. Eine größere Bekanntheit hat aber nur der Druck in Caspar Abels Chronik-Sammelband erlangt, in dem sich als Anhang zur Kurzbiographie von Bischof Friedrich von Halberstadt der „Bericht vom H. Blute zu Wasserleben“ nach einer alten Chronik aus dem Augustinerstift Neuwerk bei Halle findet<165>. Erzählt wird, wie eine Frau in Wasserleben namens Armgart trotz allen Fleißes arm blieb, während es ihrer Schwester gut ging. Diese gab, nach ihrem Erfolgsgeheimnis gefragt, an, sie habe den Herrgott im Kasten. Darauf behielt Armgart die Hostie nach der Osterkommunion im Munde, spukte sie in ein kleines Tuch, das sie einem Kasten verschloß. Nach einiger Zeit stellte sie fest, daß diese Hostie im Tuch ganz blutig war. Erschrocken sagte sie es ihren Mann, der den Pfarrer informierte. Dieser setzte Bischof Friedrich in Halberstadt davon in Kenntnis. Bei dem Versuch des Bischofs, die blutige Hostie mit Tuch in einem kostbaren Kelch bei einer Riesenprozession in den Halberstädter Dom zu überführen, kam es in der Kirche Husler, die als Prozessionsstation diente, zu einem neuen Mirakel. Das Blut begann im Kelch zu quellen. Der gelehrte Dompropst Johannes Semeca riet dem Bischof, das „Wunderblut“ wieder nach Wasserleben zurückzubringen. Dort „ward hernach solche grosse Walfart und Zulauf des Volckes aus allen Landen, daß daselbst geopfert wurden sechs Hinten Pfenninge, wovon der Bischoff das Jungfrauen-Kloster zu bauen angefangen“. Da Semeca dieser „Concurs des gemeinen Volckes“ mißfiel, habe er angeordnet, daß ein Halberstädter Dompriester die blutige Hostie sakramentsweise essen und der Kelch in einem Pfeiler des im Bau befindlichen Domes vermauert werden sollte. Er habe gesagt, „es ist der Leichnam und das Blut Christi uns zu einem andren Gebrauch verordnet und eingesetzt“. Das blutige Tuch aber sei zu Husler und Wasserleben als Heiligtum geblieben. Die Herren von Braunschweig-Grubenhagen hätten ein Stück davon bekommen, für das sie in Einbeck eine Kapelle errichtet hätten.

Wie stark Winnigstedt den Bericht der alten Chronik überarbeitet hat, ist nicht bekannt. Die beiden inzwischen veröffentlichten älteren Versionen des Heilig-Blut-Wunders von Wasserleben, ein um 1400 geschriebener lateinischer Text und ein niederdeutscher, der 1507 im Kloster Huysburg entstanden sein soll, aber nur als Abschrift von Mitte des 17. Jahrhunderts erhalten ist, unterscheiden sich von Winnigstedts Bericht. Während beide älteren Texte mit einer Passage in der liturgischen Formelsprache einsetzen („In nomine domini nostri Jesu Christ. Amen ...“), beginnt Winnigstedt narrativ im Sagen- bzw. Legendenstil („Es haben im Dorffe Wasserleben zwey Schwestern gewohnt, die eine reich, die andre arm ...“)<166>. Während der lateinische Text damit schließt, daß die gewandelte Hostie in den Halberstädter Dom und das blutige Tuch mit den daran klebenden nicht gewandelten Hostienteilen nach Wasserleben gebracht worden seien, ist der niederdeutsche Text aus Huysburg am Ende unpräziser und ausführlicher, fügt aber einen ebenso langen Teil über die nachfolgenden Wunder und den zu erwerbenden Ablaß an. Winnigstedt erzählt stattdessen die Maßnahmen des Dompropstes, die Wunderhostie und den Kelch zu beseitigen. Anschließend berichtet er über Semecas juristische Gelehrsamkeit als erster Glossator der Decreta Gratiani (Johannes Teutonicus), seine Initiative beim Dombau, seine nikromantischen Fähigkeiten, den Konflikt mit dem Papst wegen Verweigerung des Zehnten von geistlichen Gütern und die Mahnung zur verantwortlichen Amtsführung angesichts der persönlichen Rechenschaftslegung vor dem Richterstuhle Christi. In der Widmungsvorrede an den Halberstädter Rat stellt Winnigstedt fest, trotz Abweichungen von den Aposteln und ihren Nachfolgern habe „die Kirche hie zu Lande do zur Zeit mit ihren Hirten viel besser gestanden, denn jetzt unter den corrumpirten Pabstthum“. Unter diesem Aspekt sind sicher auch die Informationen über den Halberstädter Domherrn Johannes Zemeke (1220 Domscholasicus, 1235 Domdekan, erst 1241 Dompropst), zu sehen, dessen Identität mit dem bedeutendsten Dekretisten und Dekretalisten des frühen 13. Jahrhunderts, Johannes Teutonicus, nicht völlig gesichert ist<167>. Die erstaunliche Objektivität, die Winnigstädt bei der Wiedergabe des Berichts vom Heiligen Blute zu Wasserleben an den Tag legt, entpuppt sich somit eher als vermeintliche Objektivität. Das Ausmaß der reformatorischen Bearbeitung wird sich jedoch erst durch eine genauere Untersuchung zu der Chronik insgesamt feststellen lassen<168>.

Keinem Zweifel über den reformatorischen Standpunkt der Autoren gibt es bei den Berichten über die Verehrung eines wundertätigen Marienbildes in Eilenburg und deren Ende. Der Eilenburger Kirchner Ferdinand Gundermann hat 1864 vom Bürgermeister der Stadt den Auftrag erhalten, die städtische Geschichte auf der Grundlage der früher veröffentlichten Chroniken korrigiert und ergänzend darzustellen. Im ersten Hauptteil, den „Begebenheiten nach der Zeitfolge“ berichtet er zum Jahr 1523, der erste evangelische Prediger Magister Andreas Kauxdorf habe zu dieser Zeit wohl auch „das betrügliche Marienbild aus der Kirche entfernen lassen, nachdem er es in seinen Predigten genau beschrieben hatte“. Die Statue sei hohl gewesen, habe an einer Wand mit verborgener Nische gestanden und seine beweglichen Teile, Kopf, Augen, und Hände, seien wohl entsprechend der Gaben der Pilger von einem verborgenen Priester „regiert“ worden. Kauxdorf habe die Bildsäule auf den Marktplatz tragen lassen. Nachdem sich die Bürger „von dem schnöden Betrug“ überzeugt hatten, sei sie zerschlagen worden<169>. Zu dem von Gundermann nicht näher lokalisierten Marienbild hat sein Vorgänger als Chronist, der städtische Schulrektor Carl Geißler, vermerkt, daß es den Anlaß gegeben, für die kranken Wallfahrer ein Hospital zu bauen. Das Marienbild sei nach Einführung der Reformation außer Gebrauch gekommen. Kauxdorf habe es aus der Kirche „öffentlich auf den Markt“ getragen, „um den Leuten den Betrug zu zeigen“<170>.

Gundermann und Geißler fußen nach eigenen Angaben im wesentlichen auf dem noch heute wegen seiner Materialfülle nicht ersetzten Werk des Liemehnaer Pfarrers Jeremias Simon aus dem Jahre 1696. Dieser geht zunächst im Rahmen seiner breiten Schilderung des „Aberglauben[s] unter dem Papstthum“ auf die „grosse Abgötterey und Betrug“ ein, die man mit wundertätigen Marienbildern und Wallfahrten in Freiberg, Zella, Liebenwerda und Eilenburg getrieben habe. Das große Marienbild in der Eilenburger Stadtkirche sei „ein recht betriegliches Götzen-Bild/ welches bloß zum Betrug/ Aeffung und Verführung der Leute verfertiget gewesen“. Der böse Feind habe hernach sein Abenteuer mit allerhand lügenhaftigen Kräften, Zeichen und Wunder getrieben, so daß „ein grosser Zulauff von vielen Leuten zu diesem Bilde damahls ist angestellet worden“. Danach gibt Simon eine ausführliche Schilderung, wie das ausgehöhlte Marienbild durch einen Pfaffen oder Mönch nach Bedarf „durch die verborgenen Schnüre / Drat-Züge und andere Instrumente“ regiert und reguliert werden konnte, „daß es bald die Augen/ als wenn es lebete/ gegen einen wandte/ oder von ihm abkehrte/ solche auff- oder zuthat/ ingleichen den Kopf bißweilen neigete/ wodurch es also ja oder nein zu verstehen geben wollte etc.“. Simon erläutert das an praktischen Beispielen, um dann darauf hinzuweisen, daß durch die Wallfahrten die Pfaffen reich geworden und die Stadt in ihrem Wachstum gefördert worden sei. Das Hospital vor dem Torgauischen Tor sei als Pilgerherberge errichtet worden. In ihm sollen sich früher viele hinterlassene Krücken und Stecken der Geheilten befunden haben<171>. Knapper geht Simon auf die Zerstörung des Marienbildes ein: Nachdem Kauxdorf sein Pfarramt vollständig angetreten hatte, habe er das „betriegliche Marien-Bild aus der Kirchen auf den öffentlichen Marckt lassen herfürtragen/ und den grossen Betrug/ den die Münche bißher damit getrieben/ entdecket/ und iedermänniglichen vor Augestellet/ hernach aber solches gäntzlich wegthun und zerschlagen lassen“<172>.

Wie bei der Schilderung des Wunderbetrugs gibt Simon das damals oft zitierte landesgeschichtliche Werk des kursächsischen Historiographen Lorenz Peckenstein, das „Theatrum Saxonicum“, als Quelle an. Peckenstein bezieht sich bei der „Beschreibung der Stadt Eilenburg“ auf die Mitteilungen eines vornehmen alten Eilenburgers, dem es „zweifelsohne auch von seinen Voreltern also berichtet worden“ ist, was es mit dem Wunderbild in der Stadtkirche auf sich hatte. Er bezeichnet es als „ein Wächssenes groß Marienbild“. Seine Darstellung ist teilweise wörtlich von Simon übernommen worden. Nur die Schilderung über die Beseitigung des Bildes ist bei Peckenstein kürzer und weicht erheblich ab von der lokalen Tradition. Peckenstein behauptet, Luther selbst habe „zu abschaffung solcher Abgötterey Anno 1514 [sic!] sich dahin begeben/ etliche Predigten gethan/ das Bild endlich niederlegen vnd zerschlagen lassen/ do denn der Pfaffen betrug befunden/ vnd dieselben außgesteubert worden“<173> . Diese Version entspricht der lutherischen Sicht dieser Zeit, nach der die Reformation vor allem als ein Werk des in Gottes Auftrag wirkenden Wittenberger Proeten zu sehen ist<174> . Der Eilenburger Geistliche und Poet Martin Rinckart, der sonst nicht versäumte, „Luthers Helden-Geist“ zu preisen, übernahm aus besserer Kenntnis der Lokaltradition Peckensteins Auffassung nicht. In seinem reimchronistischen „erste[n] Gedenck- vnd Danck Altar“ zum „Anfang vnd Vrsprung Des Evangelischen Reformationswercks ... zw Eilenburck“ nimmt er sich u. a. das ungeistliche Leben der Eilenburger Antoniter vor: „So übermässig stoltz vnd fett vnd dicke worden/ Als jhre Säwe selbst!.“ Die Frommen hätten unter dem Joch, das ihnen von den Mönchen auferlegt worden sei, geseufzt:

„Zu solcher Büberey kam jhnen wol zu statten Ein Schalck Marien-bild/ das sie geschnitzet hatten/
In vnser Kirch gesetzt/ vnd also zuregicht/
Daß es verwandeln kunt das Häupt vnd Angesicht/
Itzt deuten ja! jetzt nein/ bald weinen gar/ bald lachen/
Nachdem der Heller klang! So kam zu solchen Sachen/
Auch Meister Hemmerling/ vnd brachte Geld vnd Gunst/
Zu solchem Wunder-new/ durch Welsche Zauber-Kunst/
Die Stummen komen hier zur Red/ die Rede fassen
Die Tauben wiederumb/ die Krüppel ligen lassen
Die Steltz vnd Krücken all! vnd springen wie ein Reh
Die Blinden sehen zu etc. da siht man ein Gegeh.
Gekrabbelt vnd gekriech! auff allen Weg vnd Strassen!
Der will das Wunder sehn! der will jhm helffen lassen:
Der Gottes Mutter noch anbeten/ eh er sterb:
Herr Omnis mercket auch Dianen jhr Gewerb. (Act. 19 V. 24)<175>.“

Rinckart beschließt seinen „ersten Danck-Altar“ mit dem Sturm des Pfarrhauses unter Führung des Nikolaus Voit („ein frisches junges Blut“), der Flucht der Mönche und der Einsetzung von Kauxdorf als Pfarrer durch Luther. Auf die Zerstörung des Marienbildes geht er nicht ein<176>. Peckensteins und Rinckarts Hinweise auf die mündliche Ortsüberlieferung zu Wallfahrtsstätten signalisieren, daß die Historiographie der nachreformatorischen Zeit im Blick auf diese Thematik bereits in eine andere Phase eingetreten ist.


Fußnoten:

<143>

Rolf Sprandel: Chronisten als Zeitzeugen. Forschungen zur spätmittelalterlichen Geschichtsschreibung in Deutschland. Köln, Weimar, Wien 1994, S. 277-285 (= Kollektive Einstellungen und sozialer Wandel im Mittelalter NF, 3). - Zu den städtischen Chroniken allgemein vgl. Thomas Cramer: Geschichte der deutschen Literatur des späten Mittelalters. München 1990, S. 251-257 (= dtv 4553, Geschichte der deutschen Literatur im Mittelalter, 3). - Gert Melville: Chronik, in: Reallexikon der Literaturwissenschaft, Bd. 1. Berlin, New York 1997, S. 304-307.

<144>

Edvin Brugge und Hans Wiswe. Henning Hagens Chronik der Stadt Helmstedt, in: Niederdeutsche Mitteilungen 19/21 (1963/65), S. 113-280. - Sprandel sieht in Hagens Niederschrift trotz der Selbstbezeichnung als Chronik mehr ein Urkundenregestenwerk, vgl. Sprandel (wie Anm. 143), S. 14.

<145>

Jacobs (wie Anm. 136), S. 168.

<146>

Die Chroniken der niederdeutschen Städte. Braunschweig Bd. 3 I, S. 79 (wie Anm. 118). - Eine ebenfalls aus reformatorischer Zeit stammende Zwickauer Chronik, die früher Oswald Losan zugewiesen wurde, erwähnt Wilsnack nicht. Dafür notiert sie zu 1477: „Sein durchzogen di land die Michaels kinder mit grosser walfart“, vgl. Ernst Fabian: Die handschriftlichen Chroniken der Stadt Zwickau. I. Die Oswald Losanschen Annalen der Stadt Schwanfeld oder Zwickau von 1231-1534, in: Mitteilungen des Altertumsvereins für Zwickau und Umgegend 10 (1910), S. 1-68, hier S. 26. - Zu den Kinderwallfahrten zum Mont Saint-Michel im 15. Jahrhundert vgl. Ulrich Gäbler: Die Kinderwallfahrten aus Deutschland und der Schweiz zum Mont-Saint-Michel 1456-1459, in: Zeitschrift für schweizerische Kirchengeschichte 63 (1969), 221-331.

<147>

Stadtarchiv Braunschweig, H VI 1, Nr. 28: Hermann Bote: Braunschweiger Weltchronik, Bd. 2, Bl. 309v, 351v, 378r. - Zu Botes Chronik, vgl. Siegfried Bräuer: Hermann Botes Werk aus kirchengeschichtlicher Sicht, in: Herbert Blume und Eberhard Rohse (Hrsg.): Hermann Bote. Städtisch-hansischer Autor in Braunschweig 1488-1988. Beiträge zum Braunschweiger Bote-Kolloquium 1988. Tübingen 1991, S. 68-95, hier S. 80-92.

<148>

Sprandel (wie Anm. 143), S. 18. - Zur Autorschaft der Cronecken der sassen vgl. Bräuer (wie Anm. 147), S. 81. - Hermen Bote verwendet den Topos, die in den Dorfkirchen hinterlassenen Fahnen seien das Beste gewesen, in seiner kritischen Schilderung der Geißlerbewegung, vgl. Bote (wie Anm. 147), Bl. 363v.

<149>

Bote (wie Anm. 147), Bl. 344v, 363rf., 183v.

<150>

Hermann Bote: Der Köker. Mittelniederdeutsches Lehrgedicht aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts, hrsg. von Gerhard Cordes. Tübingen 1963, S. 65, 2045f. (= Altdeutsche Textbibliothek, 60). - Vgl. ebenda, S. 49, 1515f.: „Mennich de schal to Rome gan/ nicht darumb, dat he will aflat halen.“ - Zu Botes Stellung zur Kirche vgl. Bräuer (wie Anm. 147), S. 93-95.

<151>

Richard Thiele (Bearb.): Memoriale thüringisch-erfurtische Chronik von Konrad Stolle. Halle 1900, S. 376-379 (= Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete, 39).

<152>

Ebenda, S. 8f.

<153>

Vgl. Auch Honemann weist neben einigen weiterführenden Bemerkungen vor allem auf die kulturgeschichtliche Bedeutung von Stolles „meist sehr lebendig erzählende(n) Bericht“ über spektakuläre Ereignisse wie die Wilsnacker und Niklashäuser Wallfahrt hin, vgl. Volker Honemann: Konrad Stolle, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters,Verfasserlexikon, Bd. 9. Berlin, New York 1996, Sp. 359-362, hier Sp. 361f.

<154>

Thiele (Bearb.): Memoriale, S. 378. - Vgl. ebenda, S. 376: „eine winderliche geschicht“ (wie Anm. 151). Thiele erläutert „winderlich“ mit „wunderlich“ (ebenda, S. 568). Es ist aber „schmerzlich“ gemeint, vgl. Jacob Grimm und Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch, Bd. 14 II. Leipzig 1960, Sp. 297.

<155>

Julius Opel (Bearb.): Denkwürdigkeiten des Hallischen Rathsmeisters Spittendorff. Halle 1880, S. 70f. und 211 (= Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete, 11).

<156>

Thiele (Bearb.) (wie Anm. 154), S. 478-480. - Vgl. Winfried Eberhard: Klerus- und Kirchenkritik in der spätmittelalterlichen deutschen Stadtchronistik, in: Historisches Jahrbuch 114 (1994), 349-380, hier S. 377.

<157>

Vgl. u. a. Hartmut Boockmann: Der Streit um das Wilsnacker Blut. Zur Situation des deutschen Klerus in der Mitte des 15. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für historische Forschung 9 (1982), S. 385-408. - Joseph Klapper: Der Erfurter Kartäuser Johannes Hagen, ein Reformtheologe des 15. Jahrhunderts, T. 1. Leipzig 1960, S. 96-113 [S.99.-106: Kritik der „Hexe zu Blomberg“ und der Wilsnack-Wallfahrt] (= Erfurter Theologische Studien, 9). - In seinem einflußreichen Seelsorgehandbuch „Supplementum Coelifodinae von 1503 bezeichnet der Erfurter Augustinereremit Johannes von Paltz die „peregrinatio vituberabilis“ (Niklashausen) und die „peregrinatio compusoria vel impetuosa“ (Grimmenthal, Wilsnack, Mont St. Michel), die zu tadelnde bzw. drängerische und heftige Wallfahrt, im Gegensatz zur „peregrinatio laudabilis“, der lobenswerten Wallfahrt, als Formen der trügerischen Wallfahrten, die er zu den Fallstricken des Teufels zählt, vgl. Johannes von Paltz: Werke, Bd. 2. Supplementum Coelifodinaem, hrsg. u. bearb. von Berndt Hamm u. a.. Berlin 1983, S. 385-393 ( = Spätmittelalter und Reformation. Texte und Forschungen, 3). - Zur Tradition der partiellen Wallfahrtskritik vgl. Klaus Schreiner: ‚Peregrinatio laudabilis’ und ‚peregrinatio vituberabilis’. Zur religiösen Ambivalenz des Wallens und Laufens in der Frömmigkeitstheologie des späten Mittelalters, in: Wallfahrt und Alltag in Mittelalter und früher Neuzeit. Internationales Round-Table-Gespräch Krems an der Donau 8. Oktober 1990. Wien 1992, S. 133-163 (= Österreichische Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse, Sitzungsberichte, 592; Veröffentlichung des Instituts für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit, 14).

<158>

Wilhelm Schum (Hrsg.): Gesta archiepiscoporum Magdeburgensis. Hannover 1883, S. 479 und 467 (Monumenta Germaniae historica. Scriptores, 14).

<159>

[Reinhard] Jordan: Chronik der Stadt Mühlhausen in Thüringen, Bd. 1. Mühlhausen 1900, S. 98. Jordan hält sich insgesamt mit seiner Textwiedergabe an die Chronik von Christian Thomas von 1727, der Fritzler überarbeitete und ergänzte. Die zitierte Passage druckt er aber nach Fritzler. - Zur Quellenproblematik der Mühlhäuser Chronik vgl. Thomas T. Müller: Bauernkrieg nach dem Bauernkrieg. Die Verwüstung der Mühlhäuser Dörfer Dörna, Hollenbach und Lengefeld durch Eichsfelder Adel und Klerus. Duderstadt 2001, S. 141-149.

<160>

Jordan (wie Anm. 159), S. 98. - Zu dem ersten auf Lebenszeit ernannten Erfurter Provisor und Vorsitzenden des Generalgerichts vgl. Georg May: Die geistliche Gerichtsbarkeit des Erzbischofs von Mainz im Thüringen des späten Mittelalters. Das Generalgericht zu Erfurt. Leipzig 1956, S. 91-97.

<161>

Christian Gottlieb Altenburg: Topographisch-historische Beschreibung der Stadt Mühlhausen in Thüringen. Mühlhausen 1824, S. 149f. und 220f.

<162>

Hermann Gebhardt: Thüringische Kirchengeschichte, seinen Landsleuten erzählt. Erste Hälfte. Gotha 1880, S. 355.

<163>

Heinrich Nebelsieck:Reformationsgeschichte der Stadt Mühlhausen i. Th. Magdeburg 1905, S. 16. Ebenda, Hinweis auf die Verehrung eines wundertätigen Jesusbildes in der Mühlhäuser Predigerkirche in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts.

<164>

Herrmann (wie Anm. 137), S. 278f.0

<165>

Caspar Abel: Sammlung Etlicher noch nicht gedruckten Alten Chronicken, als der Nieder-Sächsischen, Halberstädtschen, Quedlinburgischen, Ascherslebischen und Ermslebischen ... Braunschweig 1732, S. 252-382, hier S. 328-331 (Bericht). - Zu Winnigstedt vgl. [Eduard] Jacobs: Johann Winnigstedt, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Neudruck, Bd. 43. Berlin 1971, S. 458-460.

<166>

Hans Walther: Der älteste Bericht über das Wunderblut von Wasserleben, in: Zeitschrift des Harz-Vereins für Geschichte und Altertumskunde 56/57 (1923/24), S. 76-90, hier S. 79. - Ed[uard] Jacobs:. Das heilige Blut zu Waterler (Wasserleben) und Wernigerode, in: Ebenda, 12 (1879), S. 194-212, hier S. 201. - Vgl. auch ders.: Die Heiligblutkapelle zu Waterler, in: Ebenda 43 (1910), S. 188-200. - Abel (wie Anm. 165), S. 328.

<167>

Abel (wie Anm. 165), S. 258 und 330f. - Zu Zemeke vgl. N[orbert] Höhl: Johannes Teutonicus, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 5. München, Zürich 1991, Sp. 608.

<168>

Abel weist selbst indirekt auf eine spätere Bearbeitung seiner Druckvorlage hin, wenn er zu Semeca in der Anmerkung angibt: „Hiebey wird Crantzii Saxon. I. 8 c. 27. und Casp. Hedionis Chronic. citiret, dabey auch aus Mart. Delrio Disquisit. magic. I. 2. c. 32. sect. 2 in der Randglosse angeführt“, vgl. Abel (wie Anm. 165), S. 331. - Zumindest das viel benutzte Standartwerk des spanischen Jesuiten Martin Antonio Delrio „Disquisitionum magicorum libri VI“, das von 1599 an in 20 Aufl. erschien, kann Winnigstedt nicht mehr selbst benutzt haben. Zu Delrio vgl. C[andido] Pozo: Delrio, Martin Antonio, in: Lexikon für Theologie und Kirche, 2. Aufl., Bd. 3. Freiburg 1986, S. 212f.

<169>

Ferdinand Gundermann: Chronik der Stadt Eilenburg. Eilenburg 1879, S. 42,

<170>

Carl Geißler: Chronik der Stadt Eilenburg und der Umgegend. Delitzsch 1829, S. 51. - In den ernestinischen Hofrechnungen ist zu 1516 notiert, daß auf Anordnung Herzog Johanns 21 Groschen „zum Kirchbaw des spitals vor eylnburg“ gegeben worden sind, vgl. Buchwald (wie Anm. 84), S. 95.

<171>

Jeremias Simon: Eilenburgische Chronica Oder Beschreibung Der sehr alten Burg/ Schlosses und Stadt Eilenburg ... Leipzig 1696, S. 212-214.

<172>

Ebenda, S. 239.

<173>

Laurentius Peccenstein: Theatrum Saxonici. Dritter Theil/ Darinnen Poliographia vnd historische Beschreibung aller vornemsten Städte in Sachsen/ Meissen vnnd Thüringen/ sampt anstossenden Provinzen ... Jena 1608, S. 69.

<174>

Vgl. die bei Gundermann aus dem ältesten Kirchenbuch der Eilenburger Nikolaikirchengemeinde (1548) wiedergebene Reimchronik, in der es zu 1521 heißt: „Unter dem Luther ward reformirt,
1521 Dem Eylenbergk eilendt parirt,
Die Antonius-Schweinbrüder Arth
Ihr Schalkbild und Dieblöcher zerstört ...“
Zu 1535 hält der Reimchronist die Bedeutung der Steuerermäßigung durch den Kurfürsten fest und fügt hinzu:
„Und Luther selbst, der teutsche Prophet,
Mit seiner Predigt, die er da thät.“
Gundermann: Chronik, S. 14 und 15.

<175>

M. Martin Rinckart Catechismus: Catechismus-wol-thaten Vnd Catechismus-Lieder / Geschicht- vnd Gesangweise gesetzet Auf angehendes 1645. Jahr vnsers Heyland. Leipzig Gedruckt vnd verlegt von vnd bey Timotheo Ritzschen, S. 24, 25f. (Exemplar: Berlin, Staatsbibliothek, Yi 1266 R).

<176>

Ebenda, S. 26f. Rinckart wirft Peckenstein, dessen Titel er außerdem falsch angibt („Meißen Theatrum“) zu Unrecht vor, er setze das Marienbild ins Hospital. Er fügt hinzu, „aber vnser Vor-Eltern wissens besser. Im Hospital sind die Kriepel gelegen vnd ihre Krücken: aber das Bild in der Stadt-Kirchen“ (ebenda, S. 27). - Zur Lokalisierung der Antoniterkapelle im Obergeschoß der Sakristei in der Stadtkirche vgl. Wilhelm Büchting: Wie Eilenburg evangelisch wurde. Festschrift zum 400jährigen Jubiläum der Reformation 1917. Eilenburg [1917], S. 7. - Auszüge aus Rinckarts Reimchronik über die Antoniter und das Marienbild druckt Gundermann ab, vgl. Gundermann (wie anm. 169), S. 276f.


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Thu Oct 31 14:04:17 2002