Juristische Ausbildung 2016(7): 747–761 Grundstudium ÖR apl. Prof. Dr. Klaus Meßerschmidt* Rechtsverordnungen: Rechtmäßigkeit und Rechtsschutz DOI 10.1515/jura-2016-0153 Rechtsverordnungen spielen sowohl im Verfassungsrecht (Art. 80 GG) als auch im Verwaltungsrecht eine beträchtliche Rolle. Sie werfen nicht nur verfassungsrechtliche Fragen auf, wie die des delegationsrechtlichen Bestimmtheitsgebots und der Mitwirkung von Bundesrat und Bundestag, sondern stellen auch neuartige Rechtsschutzfragen jenseits des § 47 VwGO. Wie gegenüber der in Rechtsverordnungsform ergangenen Flugroutenplanung des Bundes Rechtsschutz zu gewähren ist, hat in den vergangenen Jahren eine in mancher Hinsicht überraschende Klärung durch die Rechtsprechung erfahren. Das Thema »Rechtsverordnung« kann daher in vielfältiger Ausgestaltung prüfungsrelevant werden. I. Einleitung Längst übersteigt die Zahl der Rechtsverordnungen jene der Parlamentsgesetze um ein Mehrfaches.1 Dennoch spielen sie in Studium und Examen eine eher untergeordnete Rolle. Dies hat Gründe. Zum einen eignen sich Rechtsverordnungen aufgrund ihres Detaillierungsgrades und ihres oft technischen Charakters in der Regel weder als Lernstoff für das Curriculum noch als autonomer Prüfungsgegenstand in der Klausursituation. Zum anderen sind sie in ihrem rechtlichen Rang dem Parlamentsgesetz nachgeordnet und dürfen »wesentliche« Rechtsfragen nicht eigenständig regeln. Deshalb interessieren Rechtsverordnungen in Studium und Examen2 regelmäßig nicht als solche, sondern im Zusammenhang mit der verfassungsrecht- lichen Fragestellung der Grundlagen und Grenzen der Verordnungsgebung, wie sie in Art. 80 GG geregelt sind. Dies schließt nicht aus, dass besonders praxisrelevante Rechtsverordnungen wie etwa Gefahrenabwehrverordnungen oder die Baunutzungsverordnung im besonderen Verwaltungsrecht Lehrstoff und prüfungsrelevant sein können. Auch die Abgrenzung zu den verwaltungsrechtlichen Allgemeinverfügungen3 und die konkrete Normenkontrolle gemäß § 47 VwGO tauchen gelegentlich als Problemstellung auf. Durch die Flugrouten-Rechtsprechung des BVerwG ist gerade der Rechtsschutz gegenüber Rechtsverordnungen zu einem aktuellen Thema von erheblicher Bedeutung aufgestiegen. Grundkenntnisse über das Institut und Instrument der Rechtsverordnung4 sind daher unerlässlich, selbst wenn in einer Klausur die Rechtsverordnung nur als Aufhänger für andere Rechtsfragen, etwa der Vereinbarkeit ihres Inhalts mit den Grundrechten, dienen mag. Darüber hinaus verdient der Rechtsetzungstyp der Rechtsverordnung jedoch das Interesse der Studierenden, weil er mit Zentralfragen von Demokratie und Rechtsstaat konfrontiert: Welche Rolle kann neben der parlamentarischen Gesetzgebung exekutivischer Rechtsetzung zukommen? Welche Einbuße erleidet die Gewaltenteilung? Was darf der Normadressat von Rechtsverordnungen erwarten? Was bedeuten das Bestimmtheitsgebot und die Wesentlichkeitstheorie für Rechtsverordnungen? Doch spielt auch das Föderalismusthema in Rechtsverordnungen hinein, wie insbesondere aus Art. 80 II bis IV GG unschwer zu erkennen ist. Nicht zu Unrecht heißt es deshalb von den Rechtsverordnungen, dass sie die Staatsstrukturprinzipien modifizieren.5 Mehr noch: Sie sprengen auch die Abgren- 3 Vgl nur Kopp/Schenke VwGO, 21. Aufl 2014, Anh § 42 Rn. 50 ff. Dass Rechtsverordnungen und Allgemeinverfügungen teilweise austauschbar sind, belegt das Beispiel der Flugverfahrensverordnungen nach § 33 III LuftVO nF und der als Allgemeinverfügungen nach § 33 I LuftVO beschlossenen Flugverfahrensfestlegungen der Flugsicherungsorganisation (BAF). 4 Zur Ergänzung und Vertiefung der auf Grundlagenwissen beschränkten Stoffauswahl dieses Beitrags empfiehlt sich v. a. die Kommentarliteratur sowie Meßerschmidt LdR Art. Rechtsverordnungen, Losebl, Stand: 122. Lfg Dez 2004. 5 Kloepfer Verfassungsrecht I, 2011, § 21 Rn. 305 ff.   1 Vgl etwa die Angaben bei Schnelle Eine Fehlerfolgenlehre für Rechtsverordnungen, 2007, 1. 2 Zu Rechtsverordnungen zuletzt umfassend in dieser Zeitschrift v. Danwitz JURA 2002, 93 ff; zu einem Teilaspekt Möllers JURA 2007, 932 ff.     *Kontaktperson: Klaus Meßerschmidt, ist apl. Prof. an der HumboldtUniversität zu Berlin und lehrt öffentliches Recht und Europarecht an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen-Nürnberg. Kontaktadresse: Klaus.Meßerschmidt@fau.de.     Grundstudium ÖR – Klaus Meßerschmidt: Rechtsverordnungen: Rechtmäßigkeit und Rechtsschutz 748 zung zwischen Verfassungs- und Verwaltungsrecht, stellen sie doch zugleich untergesetzliche Normen und eine Handlungsform der Verwaltung dar.6 Wer Rechtsverordnungen als »Gesetz zweiter Klasse« und wegen des technischen Anscheins des Art. 80 GG in seinem individuellen Studienprogramm beiseiteschieben möchte, geht daher ein nicht unerhebliches Risiko ein. II. Begriff der Rechtsverordnung Juristen muss man vom Nutzen von Begriffsbestimmungen nicht überzeugen. Dennoch drängt sich im Fall der Rechtsverordnung ihre Notwendigkeit nicht jedem auf, da der Verordnungsgeber seine Elaborate regelmäßig zutreffend als »Verordnung« bezeichnet. Fehletikettierungen kommen fast nie vor. Außerdem enthalten Rechtsverordnungen jedenfalls in der amtlichen Fassung einen Vorspann mit Angaben zur gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage und zum Verordnungsgeber. Leider lassen viele Gesetzesabdrucke diese Information entfallen. Vor diesem Hintergrund müssen Studierende beachten, dass die Bezeichnung einer Regelung als »Ordnung« nur selten als Kennzeichnung einer Rechtsverordnung dient (so z. B. StraßenverkehrsOrdnung und Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung), sondern meist tradierte Gesetze mit sektoralem Kodifikationsanspruch (wie z. B. Strafprozessordnung, Zivilprozessordnung, Gewerbeordnung, Landesbauordnungen) schmückt. Darüber hinaus dient eine Begriffsbestimmung aber nicht nur dazu, einen Gegenstand als solchen kenntlich zu machen, sondern lenkt den Blick auch auf die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um die Rechtmäßigkeit eines Konstrukts wie einer Rechtsverordnung bejahen zu können. Auch wenn sich weder Art. 80 GG noch einer anderen Grundgesetznorm eine Legaldefinition der Rechtsverordnung entnehmen lässt, besteht über ihren Begriffskern Einigkeit: Die Rechtsverordnung stellt »einen untergesetzlichen und allgemeinverbindlichen Rechtssatz dar, der von der Exekutive auf der Grundlage einer parlamentsgesetzlichen Delegation der Rechtsetzungsbefugnis erlassen wird«.7 Um die Tragweite dieser Definition abschätzen zu können, muss man sich allerdings die einzelnen Elemente etwas genauer anschauen und ihren verfassungsrechtlichen Hintergrund in den Blick nehmen. Zunächst handelt es sich demnach bei einer Rechtsverordnung um einen Rechtssatz, mithin um eine Norm     6 Zum zweiten Aspekt Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle/Hill/Martini Grundlagen des Verwaltungsrechts II, 2. Aufl 2012, § 34 Rn. 18 ff. 7 Kluth/Krings/Uhle Gesetzgebung, 2014, § 24 Rn. 1 mwN.   und nicht um eine Einzelentscheidung wie bei einem Verwaltungsakt. Gegenüber dem Normadressaten ist sie in gleicher Weise verbindlich wie ein Parlamentsgesetz. Die Allgemeinverbindlichkeit charakterisiert die Rechtsverordnung als abstrakt-generellen Rechtssatz wiederum im Unterschied zu einer konkret-individuellen Behördenentscheidung. Dahinter verbirgt sich allerdings das Problem, ob es nicht auch bei der Rechtsverordnung – wie beim Parlamentsgesetz – eine Einzelfallregelung geben darf. Tatsächlich sind auch Einzelfallverordnungen und bloß organisatorische Regelungen möglich. Die »Untergesetzlichkeit« der Rechtsverordnung bezieht sich auf das Parlamentsgesetz, d. h. auf den formellen Gesetzesbegriff und nicht auf den materiellen Gesetzesbegriff,8 den i. d. R. auch eine Rechtsverordnung ausfüllt. »Untergesetzlich« bezeichnet somit kein materielles Defizit, sondern die Stellung der Rechtsverordnung in der Normenhierarchie. Dort teilt sie sich bekanntlich mit der Satzung den untersten, dritten Rang, während die Spitze der Normenpyramide die Verfassung und die mittlere Ebene das Parlamentsgesetz bilden. Ihre Unterlegenheit resultiert aus zwei weiteren Merkmalen und verweist zugleich auf Grundsätzliches: Urheber der Rechtsverordnung ist die Exekutive, also nicht das Parlament (soweit keine Beteiligung von Bundesrat oder Bundestag vorgesehen ist), und auch diese nicht in einem pauschalen Sinn. Art. 80 I 1 GG nennt als Adressaten Bundesregierung, Bundesminister und Landesregierungen. Ähnliche Eingrenzungen nehmen die Landesverfassungen vor. Der Fallbearbeiter sollte daher aufmerken, wenn in einer Klausur ein anderer Verordnungsgeber genannt wird. In einem solchen Fall ist zu prüfen, ob ein Fall der Subdelegation nach Art. 80 I 4 GG vorliegt. Unzulässig ist jedenfalls die Ermächtigung des Leiters einer Bundesoberbehörde.9 Ein Sonderproblem tritt ein, wenn mehrere Ermächtigungsadressaten eine gemeinsame Rechtsverordnung erlassen wollen. Dies ist möglich, wenn sie derselben Gebietskörperschaft angehören (zB mehrere Bundesministerien), während gemeinsame Rechtsverordnungen von Bundes- und Landesorganen oder mehrerer Landesregierungen wegen des Verbots der Mischverwaltung ausgeschlossen sind. Hiermit nicht zu verwechseln sind Sammelverordnungen eines Ermächtigungsadressaten, in denen auf mehreren Ermächtigungsnormen beruhende Vorschriften in einer Rechtsverordnung zusammengefasst werden.10       8 Vgl zum dualen Gesetzesbegriff Hesse Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl 1995, 216 f. 9 BVerfGE 8, 155 (163). 10 Dietlein DÖV 1984, 788 ff.     Grundstudium ÖR – Klaus Meßerschmidt: Rechtsverordnungen: Rechtmäßigkeit und Rechtsschutz Die Exekutive oder genauer gesagt: Gubernative oder Exekutivspitze verfügt jedoch über kein selbständiges Verordnungsrecht. Dieser Grundsatz steht im Zentrum von Art. 80 I GG. In dessen Satz 1 wird der Kreis der Urheber einer Rechtsverordnung des Bundes als Ermächtigungsadressaten in einem Gesetz abschließend festgelegt. Vielmehr handelt es sich um eine Rechtsetzungsbefugnis aufgrund parlamentsgesetzlicher Delegation. Deshalb sind selbständige oder gesetzesvertretende Verordnungen dem GG fremd. Dies gilt unabhängig vom Regelungsinhalt (Totalvorbehalt).11 Die Ermächtigung wird überdies durch Satz 2 mittels spezifischer Bestimmtheitsanforderungen eingegrenzt, die den verfassungsrechtlichen Kern von Art. 80 GG ausmachen. Rechtstechnisch gesehen, handelt es sich bei der Verordnungsgebung daher durchaus um eine Ausnahme von der Rechtsetzungskompetenz des parlamentarischen Gesetzgebers.12 Wegen dessen Primat können Rechtsverordnungen nur innerhalb eines ihnen zugestandenen Freiraums als Instrument »exekutivischer Selbstprogrammierung«13 dienen. Die vorstehende Erläuterung vereinigt Aussagen, die teils dem formellen, teils dem materiellen Verordnungsbegriff nahestehen. Nach dem formellen Verordnungsbegriff unterscheiden sich Rechtsverordnungen von anderen Rechtssätzen nicht durch ihren Inhalt, sondern durch ihren Urheber, die Veröffentlichung gemäß Art. 82 I 2 GG und das nach Art. 80 I 3 GG erforderliche Zitat des ermächtigenden Gesetzes.14 Dieser inzwischen vorherrschende Verordnungsbegriff ermöglicht zwar eine trennscharfe Abgrenzung und hilft bei der Zuordnung von Grenzfällen, vermittelt aber keine Vorstellung von der typischen Erscheinung und Funktion von Rechtsverordnungen. Dies leisten die dem materiellen Verordnungsbegriff entlehnten zusätzlichen Merkmale, auch wenn es sich um keine zwingenden Kriterien des Verordnungsbegriffs handelt. Die Sicht der Rechtsverordnungen »im Spannungsfeld zwischen kompetenzrechtlicher Zuweisung und materieller Funktionenordnung«15 sollte daher nicht zu einem unauflöslichen Gegensatz stilisiert werden. 11 Betroffen sind somit auch nicht grundrechtsrelevante Rechtsverordnungen, vgl Sachs/Mann GG, 7. Aufl 2014, Art. 80 Rn. 6. 12 A. A. v. Münch/Kunig/Wallrabenstein GG II, 6. Aufl 2012, Art. 80 Rn. 3. 13 Vgl Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle/Hill/Martini (Fn. 6) § 34 Rn. 1 ff. 14 Jarass/Pieroth GG, 13. Aufl 2014, Art. 80 Rn. 2. 15 So der Untertitel der Monographie von Pegatzky Parlament und Verordnungsgeber, 1999.   749 III. Verfassungsrechtlicher Kontext 1. Rechtsverordnungen im Kontext der Rechtsetzung Die Rechtsetzungsform der Rechtsverordnung ist nicht aus sich heraus verständlich, sondern erschließt sich erst im Vergleich zu anderen Normen. Auf die Gesetzesakzessorietät der Rechtsverordnung wurde bereits hingewiesen. Ferner ist die Rechtsverordnung gegenüber der Satzung als dem zweiten Grundtypus untergesetzlicher Normen, dem autonomen Recht von Selbstverwaltungskörperschaften (namentlich der Kommunen), abzugrenzen. Weiterhin sind die Rechtsverordnungen von den Verwaltungsvorschriften zu unterscheiden, die keine außenverbindlichen Rechtssätze darstellen und Probleme eigener Art. aufwerfen. Über lange Jahre entwickelten sich diese teilweise zu einem Verordnungssubstitut dank einer Rechtsprechung, die ihnen über unterschiedliche Konstruktionen, zuletzt der normkonkretisierenden Verwaltungsvorschrift, eine normative Quasi-Verbindlichkeit zulegte. Erst die Judikatur des EuGH, die Verwaltungsvorschriften als Umsetzung von EU-Richtlinien nicht genügen lässt,16 hat zu einer teilweisen Renaissance der Rechtsverordnung geführt. Schließlich ist die Bezeichnung von EU-Rechtsakten als Verordnung eine Quelle möglicher Verwechslungen. Bildet die Rechtsverordnung des nationalen Rechts die unterste Stufe der Normenhierarche, so handelt es sich bei der Verordnung nach EU-Recht um einen neben der Richtlinie gleichberechtigten Typus des Sekundärrechts, der funktional den Gesetzen entspricht und nur dem europäischen Primärrecht (Vertragsrecht) untergeordnet ist. Einzelheiten, auf die es hier nicht ankommt, ergeben sich aus Art. 288 AEUV und der einschlägigen europarechtlichen Literatur.17 2. Rechtsverordnungen im historischen Kontext Art. 80 GG ist nicht ohne seinen verfassungsgeschichtlichen Hintergrund hinreichend zu verstehen. Bei den Beratungen um diesen Verfassungsartikel spielte die Erinnerung an das Notverordnungsrecht der Weimarer Reichsverfassung und insbesondere an das missbräuchliche Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 eine Rolle,   16 EuGH, Rs C-361/88, Slg 1991, I-2567 Rn. 22 ff. 17 Als Einstieg Meßerschmidt Europäisches Umweltrecht, 2011, § 2 Rn. 371 ff.     750 Grundstudium ÖR – Klaus Meßerschmidt: Rechtsverordnungen: Rechtmäßigkeit und Rechtsschutz das den scheinlegalen Übergang von der parlamentarischen Demokratie zur Willkürherrschaft des terroristischen »Führerstaates« besiegelte.18 Seither erscheint die Rechtsverordnung vielen als »suspektes Instrument«, obwohl sie heute einen unverzichtbaren Beitrag zur rechtsstaatlichen Steuerung leistet.19 Auch wenn die ursprünglich geplante Aufnahme eines ausdrücklichen Verbots der Übertragung der Gesetzgebungsbefugnis einer Positivformulierung der Anforderungen an die Verordnungsermächtigung gewichen ist,20 bedeutet dies keine Änderung in der Sache. Indem die Verfassung eine (parlaments-)gesetzliche Bestimmung von Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung verlangt, schließt sie eine Generalbevollmächtigung der Exekutive zur Rechtsetzung aus. Die Regelung des Verordnungsrechts in Art. 80 GG repräsentiert somit den im Grundgesetz ausgeprägten Willen, aus der Vergangenheit für die verfassungsrechtliche Gestaltung der Zukunft zu lernen, in beinahe pathetischer Weise. Dennoch ist sie von immer neuer und mitunter unerwarteter Aktualität. 3. Rechtsverordnungen im Kontext der Gewaltenteilung Art. 80 GG gewährleistet den Primat des Parlaments innerhalb der Rechtsetzung. Auch wenn es kein Rechtsetzungsmonopol des Bundestages gibt, muss doch der Vorrang des Gesetzes, wie ihn Art. 20 III GG zum Ausdruck bringt, gewahrt werden.21 Die Verfassungsnorm erfüllt diese Aufgabe unter sich wandelnden politischen Bedingungen. Stand bei Einführung der Vorschrift im Jahr 1949 die Erfahrung der politisch intendierten Aufhebung der Gewaltenteilung ganz im Vordergrund, so geht es in der parlamentarischen Demokratie des Grundgesetzes um die Ausbalancierung der Staatsgewalten durch normative Bändigung der Rivalität von parlamentarischer und guber- 18 Zur Erinnerung: Das mehr unter seiner Kurzbezeichnung als unter der NS-Propaganda-Langbezeichnung »Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich« bekannte Ermächtigungsgesetz bestand nur aus wenigen Artikeln, von denen im vorliegenden Zusammenhang vor allem Art. 1 interessiert, der kurzerhand besagte, dass Reichsgesetze außer in dem in der Reichsverfassung vorgesehenen Verfahren auch durch die Reichsregierung beschlossen werden können. Die durch Art. 2 gewährte Abweichungsbefugnis von der Reichverfassung tat dann das Übrige. 19 Vgl Schmidt-Aßmann FS Vogel, 2000, 477 ff, 478 f. 20 Leibholz/v. Mangoldt (Hg) JöR NF 1, 1951, 588. 21 Jarass/Pieroth (Fn. 14) Art. 80 Rn. 1.     nativer Rechtsetzung.22 Allerdings stehen Gesetzgebung und Verordnungsrecht längst nicht mehr für unterschiedliche Legitimationsmuster staatlicher Herrschaft. Repräsentierte die Verordnung in der konstitutionellen Monarchie die monarchische Exekutive und das (Parlaments-)Gesetz die Gestaltungsmacht der Volksvertretung, so gebricht es unter den Bedingungen des parlamentarischen Regierungssystems keinem der beiden Rechtsetzungstypen an demokratischer Legitimation. Auch die Rechtsverordnung ist demokratisch legitimiert, auch wenn die Legitimationskette sich um ein Glied verlängert. Dennoch bleibt die drohende Entparlamentarisierung der Gesetzgebung ein Dauerthema des Staatsrechts.23 Charakteristisch ist die Aussage des BVerfG: »Sinn der Regelung des Art. 80 I GG ist es, das Parlament darin zu hindern, sich seiner Verantwortung als gesetzgebende Körperschaft zu entäußern.«24 In dieser Funktionsbestimmung tritt ein signifikanter informeller Verfassungswandel zutage: Verstand man Art. 80 GG ursprünglich vor allem als Haltelinie für eine regulierungsfreudige, wenn nicht gar gezielt Gesetzgebungsfunktionen usurpierende Exekutive, so erkennt man darin inzwischen primär eine Inpflichtnahme des als Entscheider enttäuschenden parlamentarischen Gesetzgebers. IV. Vor- und Nachteile von Rechtsverordnungen Wenn hinter Rechtsverordnungen nicht in erster Linie das Streben der Exekutive nach Vergrößerung ihres Anteils an der Rechtsetzung steht und die parlamentarische Delegation von Rechtsetzungskompetenzen auch nicht durchgängig als Ausdruck von »Machtvergessenheit« gedeutet werden kann, drängt sich die Frage auf, welche sachlichen Gründe für das Rechtsetzungsinstrument der Rechtsverordnung sprechen können und welche Funktionen Rechtsverordnungen erfüllen. Allgemein liegen die Vorzüge der Verordnungsgebung in der damit einhergehenden (1.) Vereinfachung des Rechtsetzungsprozesses, (2.) dem Flexibilitätsvorteil der Rechtsverordnung, (3.) der Ermöglichung einer gestuften Rechtsetzung, (4.) der Aktivierung der Eigenverantwortung der Verwaltung und der Anerken- 22 Vgl zu letzterer grundlegend Axer Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, 2000 und v. Bogdandy Gubernative Rechtsetzung, 2000. 23 Vgl nur Meßerschmidt Gesetzgebungsermessen, 2000, 495 ff. mwN. 24 BVerfGE 78, 249 (272).   Grundstudium ÖR – Klaus Meßerschmidt: Rechtsverordnungen: Rechtmäßigkeit und Rechtsschutz nung ihrer Expertise sowie (5.) der Entlastung des Parlamentsgesetzes von Regelungsdetails. (1.) Anstelle des in Art. 76–78 GG geregelten und nicht selten schwerfälligen Gesetzgebungsverfahrens tritt die Verordnungsgebung aus einer Hand, soweit nicht die Föderalismussicherungsklausel des Art. 80 II GG die Zustimmung des Bundesrates verlangt, letzterem nach Art. 80 III GG ein (ergänzendes) Initiativrecht zugesprochen wird oder der Bundestag sich ein Mitwirkungsrecht in der Verordnungsermächtigung ausbedingt. Die Verordnungsgebung kommt so der oft postulierten »Notwendigkeit einer ›vereinfachten‹ Gesetzgebung«25 entgegen. (2.) Rechtsverordnungen sind häufig in Materien anzutreffen, deren Komplexität die Problemlösungskapazität des parlamentarischen Gesetzgebers übersteigt und/oder die von einem starken, insbesondere technischen Wandel geprägt sind. Dies erklärt die Prominenz der Rechtsverordnungen im Umweltrecht.26 Derartige Wandlungen zeitnah zu erfassen und rechtlich umzusetzen, ist typischerweise Sache des Verordnungsgebers.27 So ist etwa das Bundes-Immissionsschutzgesetz von einem Kranz von rund 40 thematischen speziellen Rechtsverordnungen umgeben. (3.) Am Beispiel des Immissionsschutzrechts lassen sich auch die Vorzüge einer gestuften, zeitlich gestreckten Rechtsetzung demonstrieren, wie sie inzwischen auch die EU-Rechtsetzung mit ihren Mutter- und Tochterrichtlinien in wichtigen Bereichen charakterisiert. (4.) Die trotz der in den letzten Jahren forcierten Outsourcing-Praxis überlebende Expertise der Verwaltung wird nicht nur für die parlamentarische Gesetzgebung fruchtbar gemacht, die nicht selten ministerielle Gesetzesentwürfe lediglich in ein parlamentsgesetzliches Gefäß umfüllt, sondern kommt unmittelbar der Verordnungsgebung zugute. (5.) Schließlich kommt der Verordnungsgebung auch eine legistische Qualität zu. Man stelle sich nur einmal vor, sämtliche immissionsschutzrechtliche Verordnungen würden in das BImSchG integriert. Dessen Umfang würde hierdurch nicht nur um das Zehn- bis Zwanzigfache wachsen, das Gesetz würde auch sehr unübersichtlich. Dieses Problem ließe sich vielleicht noch dadurch bannen, dass man bisherige Verord- 25 Carl Schmitt, zitiert nach J. Schmidt Die Beteiligung des Bundestages beim Erlaß von Rechtsverordnungen, 2002, 17. Das Ursprungsjahr 1936 dieser Sentenz verleiht ihr allerdings einen zweifelhaften Charakter. 26 Dazu insbes Saurer Die Funktionen der Rechtsverordnung, 2005, 59 ff. und Frankenberger Umweltschutz durch Rechtsverordnung, 1998. 27 BVerwGE 112, 194 (202) Rn. 38. Ähnlich BVerfGE 101, 1 (35) und 136, 69 (115) Rn. 105.   751 nungsinhalte in Gesetzesanhänge überführt. Die übrigen Vorteile der Verordnungsgebung gingen hierbei jedoch verloren. Die sich in vielen Gesetzen findende Formulierung. »Das Nähere regelt die Rechtsverordnung« oder »Die Rechtsverordnung regelt ferner das Nähere über …« entspringt daher nicht unbedingt gesetzgeberischer Bequemlichkeit, sondern mindestens ebenso häufig Klugheit. Diesen Vorzügen der Verordnungsgebung28 stehen jedoch auch Nachteile gegenüber, die von der grundsätzlichen Problematik der Durchbrechung der Gewaltenteilung – die Verwaltung wird zum Normgeber und Normvollzieher – bis zu den nachfolgend im Einzelnen behandelten Problemen reichen. V. Zur Rechtmäßigkeit von Rechtsverordnungen 1. Methodische Vorbemerkung Die Rechtmäßigkeit der Vorschriften einer Rechtsverordnung richtet sich nach ihrer Vereinbarkeit mit dem Gesetzes- und dem Verfassungsrecht. Liegt eine Rechtsverordnung vor, so ist zunächst zu prüfen, ob sie von einer gesetzlichen Ermächtigung gedeckt und ordnungsgemäß zustande gekommen ist. Im nächsten Schritt ist zu prüfen, ob diese Ermächtigung ihrerseits den Anforderungen des Grundgesetzes entspricht.29 Rechtsprobleme können sich hierbei allerdings nicht nur aus den spezifischen Anforderungen an Rechtsverordnungen und/oder Ermächtigungsgesetze ergeben, sondern allgemeiner Art sein. Falls der Inhalt der Verordnung oder der Ermächtigungsnorm gegen Grundrechte verstößt, hilft es natürlich nicht, dass sie im Übrigen im Einklang mit dem Grundgesetz steht. Entsprechendes gilt nach dem Homogenitätsprinzip (Art. 28 I GG) für Rechtsverordnungen der Länder, die sich auf keine bundesgesetzliche Ermächtigung stützen. Die nachfolgende Darstellung folgt indes nicht diesem Prüfungsschema, sondern orientiert sich im Interesse der Übersichtlichkeit und Systematik am Aufbau des Art. 80 GG. 28 Vgl auch Dreier/Bauer GG II, 2. Aufl 2006, Art. 80 Rn. 11; v. Münch/Kunig/Wallrabenstein (Fn. 12) Art. 80 Rn. 2 und Meßerschmidt (Fn. 4) 2. 29 Vom Schrifttum erarbeitete Fehlertypologien ermöglichen es, die Rechtmäßigkeit von Rechtsverordnungen wie nach einer Checkliste abzuarbeiten. Vgl insbes Schnelle (Fn. 1) 15 ff.   Grundstudium ÖR – Klaus Meßerschmidt: Rechtsverordnungen: Rechtmäßigkeit und Rechtsschutz 752 2. Die Antwort des Art. 80 I GG Der Prüfung der Einhaltung der Anforderungen des Art. 80 GG durch das der Verordnung zugrunde liegende Gesetz ist die Vorfrage vorgeschaltet, ob die Verordnung von der in Anspruch genommenen Ermächtigungsgrundlage gedeckt ist.33 Hierzu zwei Beispiele: So hatte das BVerfG in der letzten seiner vergleichsweise seltenen Entscheidungen zu Rechtsverordnungen zu prüfen, ob die recht vielfäl- tigen Regelungen in der Verordnung über Ausnahmen von straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften für Fahrzeuge und Fahrzeugkombinationen mit Überlänge (LKWÜberlStVAusnV) vom 19. 12. 2011 von den Ermächtigungsgrundlagen des § 6 I StVG (Straßenverkehrsgesetz) gedeckt sind.34 Dass eine Rechtsverordnung sich in den Grenzen der gesetzlichen Ermächtigung halten muss, ergibt sich zwanglos aus dem im Rechtsstaats- und Demokratieprinzip angelegten Vorbehalt des Gesetzes.35 Eine Kompetenzüberschreitung dürfte z. B. vorliegen, wenn in der Verordnung ein originärer politischer Gestaltungswille zum Ausdruck kommt.36 Die Feststellung, ob eine Verordnungsregelung sich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung hält, erfordert regelmäßig eine Auslegung sowohl der Gesetzes- als auch der Verordnungsnorm, da ein evidentes ultra-vires-Handeln des Verordnungsgebers die seltene Ausnahme bilden dürfte. Führte eine genaue Analyse aller Vorschriften in diesem Fall zur Aufrechterhaltung der Rechtsverordnung, so gelangte das BVerwG, das Rechtsverordnungen als untergesetzliche Normen im Rahmen der Normenkontrolle auch auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüfen darf (das Verwerfungsmonopol des BVerfG nach Art. 100 I GG gilt hier gerade nicht!), in einem anderen Fall zu einem gegenteiligen Befund.37 Dort ging es um die Entlassung eines einer extremistischen islamischen Organisation angehörenden Flughafenmitarbeiters. Die Flughafengesellschaft stützte sich hierbei auf die Verordnung zur Regelung des Verfahrens der Zuverlässigkeitsüberprüfung auf dem Gebiet des Luftverkehrs (Luftverkehr-Zuverlässigkeitsüberprüfungsverordnung – LuftVZÜV) vom 8. 10. 2001,38 die in ihrer damals maßgeblichen Fassung in § 5 II mehrere Regelvermutungstatbestände für das Fehlen der luftverkehrsrechtlichen Zuverlässigkeit enthielt. Das BVerwG fand, dass die als Grundlage herangezogene Verordnungsermächtigung des § 32 IIb LuftVG39 nicht den Erlass materiell-rechtlicher Regelungen über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses abdeckte, sondern nur zur Regelung von Einzelheiten der Zuverlässigkeitsüberprüfung nach § 29 d LuftVG und damit reiner Verfahrensfragen ermächtigte. Durch das Luftsicherheitsgesetz und die auf dessen § 17 I gestützte Luftsicherheits-Zuverlässigkeitsüberprüfungsverordnung (LuftSiZÜV) wurde diese Lücke geschlossen. Ein letztes Beispiel: In einem der 30 So auch BVerfGE 101, 1 (30) und 136, 69 (92) Rn. 45. 31 Hierzu und zu seiner Warnfunktion zuletzt näher BVerfGE 136, 69 (113 f.) Rn. 99 f. 32 Vgl Maunz/Dürig/Remmert GG, Losebl, Stand: 70. Lfg Dez 2013, Art. 80 Rn. 56. 33 So ausdrücklich BVerfGE 136, 69 (92) Rn. 45 im Anschl an BVerfGE 8, 51 (61); 101, 1 (30); 106, 1 (12) und 127, 293 (319). 34 BVerfGE 136, 69. 35 BVerfGE 136, 69 (92) Rn. 45. 36 Vgl BVerfGE 78, 249 (273). 37 BVerwGE 122, 182 (185 f.). 38 BGBl I S. 2625, geänd durch Art. 19 a Terrorismusbekämpfungsgesetz v 9. 1. 2002 (BGBl I S. 361). 39 Luftverkehrsgesetz idF v 27. 3. 1999 (BGBl I S. 550). Vor dem skizzierten Hintergrund der Chancen und Risiken von Rechtsverordnungen ist Art. 80 I GG bemüht, eine leistungsfähige Verordnungsgebung einerseits zu ermöglichen, diese andererseits aber an die Grundentscheidungen des parlamentarischen Gesetzes zu binden. Dies geschieht durch Formulierung von Anforderungen an den Inhalt der gesetzlichen Ermächtigung, die sich unmittelbar nur an das ermächtigende Gesetz richten.30 Ausdrücklich an den Verordnungsgeber wendet sich allein Art. 80 I 3 GG (Zitiergebot).31 Zwar liegt der Regelungsfokus somit auf dem Gesetz. Diese Anforderungen gelten spiegelbildlich aber auch für die – noch von weiteren Voraussetzungen abhängige – Verfassungsmäßigkeit der Rechtsverordnung. Im Mittelpunkt der Regelung steht nach der Festlegung des Kreises der potenziellen Ermächtigungsadressaten (Art. 80 I 1 GG) das Bestimmtheitsgebot des Art. 80 I 2 GG. Diese verfassungsrechtlichen Anforderungen entscheiden neben den prozeduralen Kautelen des Art. 80 II GG und neben den gewöhnlichen (kompetenziellen, prozeduralen und materiellen) verfassungsrechtlichen Anforderungen, denen Gesetze unterliegen, über die Verfassungsmäßigkeit einer parlamentsgesetzlichen Verordnungsermächtigung und damit mittelbar auch über das Schicksal der entsprechenden Verordnung.32 Es bedarf keiner weiteren Erläuterung, dass eine auf eine unzureichende Ermächtigungsgrundlage gestützte Verordnung gleichfalls verfassungswidrig und ungültig ist. Ist eine Rechtsverordnung zu beurteilen, so wird den Bearbeitern somit eine »verschachtelte« Prüfung abverlangt. 3. Ermächtigungskonformität der Rechtsverordnung                                   Grundstudium ÖR – Klaus Meßerschmidt: Rechtsverordnungen: Rechtmäßigkeit und Rechtsschutz in Teil VI im Mittelpunkt stehenden Flugrouten-Fälle wurde das BVerwG mit der Frage konfrontiert, ob die Verordnungsermächtigung des (damaligen)40 § 32 I 1 LuftVG i. V. m. § 27 a LuftVO aF (§ 33 III LuftVO nF) die Schonung von Fremdenverkehrsregionen erlaubt.41 Es hat diese Frage bejaht. Bevor eine Rechtsverordnung wegen Unvereinbarkeit mit der in Anspruch genommenen Ermächtigungsgrundlage für nichtig erklärt wird, sind im Übrigen die Möglichkeiten einer gesetzes- bzw ermächtigungskonformen Auslegung zu nutzen.       4. Bestimmtheitsgebot Art. 80 I 2 GG verlangt, dass Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden. Diese als Bestimmtheitsgebot titulierte Kriterientrias ist nicht mit dem allgemeinen rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot zu verwechseln.42 Aus der rechtsstaatlich maßgeblichen Perspektive der Normadressaten genügt es, wenn die Verordnungsregelung hinreichend bestimmt ist. Das delegationsrechtliche kompetenzverteilende Bestimmtheitsgebot darf daher hinter dem allgemeinen Bestimmtheitsgebot zurückbleiben. Deshalb sind die Klagen über die Unbestimmtheit des Bestimmtheitsgebots,43 die sich auch auf seine spezifische Ausprägung in Art. 80 I 2 GG beziehen, wenig fruchtbar. Die Möglichkeit einer präziseren Fassung stellt die Gültigkeit einer Verordnungsermächtigung noch nicht in Frage.44 Noch viel weniger ist hiermit die Frage der Bestimmtheit der Verordnung selbst zu verwechseln. Da die Rechtsverordnung dazu prädestiniert ist, »die Kluft zwischen den unbestimmten, schwer anwendbaren Rechtsbegriffen eines Gesetzes und den gebotenen Einzelfallentscheidungen zu überbrücken«,45 leistet sie vielmehr einen wesentlichen Beitrag zu Normenbestimmtheit und Rechtsklarheit. Die Verwerfung einer Rechtsverordnung wegen Unbestimmtheit der zugrunde liegenden gesetzlichen Ermächtigung oder eigener Unbe- stimmtheit bildet daher einen extrem seltenen Ausnahmefall.46 Ein angemessenes Verständnis der Schrankentrias des Art. 80 I 2 GG gewinnt man, wenn man sich vor Augen hält, dass es einerseits keine Blankettermächtigung des Verordnungsgebers geben darf,47 andererseits aber auch die notwendige Flexibilität des Verordnungsgebers gewahrt bleiben muss. Hierfür reicht es nicht aus, dass das »Ob« der Verordnungsgebung regelmäßig im Ermessen des Ermächtigungsadressaten liegt,48 auch das »Wie« muss von Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers49 profitieren können. Die Anforderungen an die gesetzgeberische Bestimmung von Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung dürfen daher nicht überspannt werden. Das BVerfG verwendet nebeneinander mehrere sich ergänzende Formeln (»Selbstentscheidungsformel«, »Programmformel« und »Vorhersehbarkeitsformel«).50 Tendenz und Programm der Rechtsverordnung sind gesetzlich so weit zu umreißen, dass schon aus der Ermächtigung erkennbar ist, was dem Bürger gegenüber zulässig sein soll.51 Eine trennscharfe Unterscheidung von Zweck, Inhalt und Ausmaß ist hierbei nicht zu verlangen. Vielmehr genügt es, wenn unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Zielsetzung Voraussetzungen und Grenzen der Ermächtigung, insbesondere der Regelungsgegenstand und damit der mögliche Anwendungsbereich einer Verordnung, erkennbar sind. Ganz überwiegend werden die Ermächtigungsnormen diesen Anforderungen gerecht. Zur Illustration mag mit Blick auf die später behandelten Flugverfahrensverordnungen § 32 IV Nr. 8 LuftVG dienen.52 Diese Vorschrift bestimmt als Inhalt der Ermächtigung die Festlegung von Flugverfahren, d. h. von Anweisungen zur Steuerung des Verhaltens der Luftfahrzeugführer. Zweck der Ermächtigung ist nach ihrer erkennbaren Zielrichtung und unter Berücksichtigung von § 27 c I LuftVG die Gewährleistung einer sicheren, geordneten und flüssigen Abwicklung des Luftverkehrs. Eine aus      46 Vgl die Zusammenstellung bei Umbach/Clemens/Rubel GG II, 2002, Art. 80 Rn. 25 ff. 47 BK/Nierhaus GG, Losebl, Stand: 88. Lfg Februar 1999, Art. 80 Rn. 264 und Sachs/Mann (Fn. 11) Art. 80 Rn. 25. 48 Zur ausnahmsweisen Verpflichtung zum Verordnungserlass Westbomke Der Anspruch auf Erlaß von Rechtsverordnungen und Satzungen, 1976. 49 Grundlegend v. Danwitz Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, 1989; vgl auch Ossenbühl HStR V, 3. Aufl. 2007, § 103 Rn. 40 ff. 50 Vgl Epping/Hillgruber/Uhle GG, 2. Aufl 2013, Art. 80 Rn. 19. Ausführliche Kasuistik bei Schmidt-Bleibtreu/Sannwald GG, 13. Aufl 2014, Art. 63 ff. 51 BVerwGE 115, 125 (129) im Anschl an BVerfGE 78, 249 (272); 85, 97 (104 f.); BVerwGE 100, 323 (325 f.) und 112, 194 (200). 52 Im Anschl an BVerwGE 150, 114 (124) Rn. 29.   40 Zur Rechtsentwicklung Wöckel Festlegung von Flugverfahren, 2013, 47 ff. 41 In BVerwGE 123, 322 (328) bejaht. Gleiches gilt für die Berücksichtigung dichter Besiedlung bzw der Zahl der Betroffenen (BVerwGE 144, 1 [18] Rn. 51) und die Existenz gefährlicher Anlagen im Einwirkungsbereich einer An- oder Abflugstrecke (BVerwGE 150, 114 [121 f.] Rn. 23). 42 Vgl Kloepfer (Fn. 5) § 21 Rn. 322 f. und Sachs/Sachs GG, 7. Aufl 2014, Art. 20 Rn. 127. 43 Vgl Uhle (Fn. 7) § 24 Rn. 58. 44 BVerfGE 8, 274 (312) und 58, 257 (277). 45 Breuer NVwZ 1988, 104 ff, 110.       753         754 Grundstudium ÖR – Klaus Meßerschmidt: Rechtsverordnungen: Rechtmäßigkeit und Rechtsschutz drückliche Zielbestimmung dürfte nicht allgemein zu verlangen sein, wenn sich der Ermächtigungszweck aus den Motiven des Gesetzgebers oder dem Regelungszusammenhang ergibt.53 Indem als Regelungsgegenstände die Arten von Flügen, für die Flugverfahren festgelegt werden dürfen, und die Parameter für diese Verfahren benannt werden, ist auch das Ausmaß der Ermächtigung hinreichend bestimmt. Die niedrige »Durchfallquote« von Verordnungsermächtigungen mag auch mit einer zurückhaltenden Kontrollpraxis des BVerfG zu tun haben.54 Die gelegentlich geführte Diskussion um die »verfassungsrechtliche Verzichtbarkeit des Art. 80 I 2 GG«55 schüttet das Kind jedoch mit dem Bade aus und darf nicht dazu verleiten, die Prüfungsrelevanz des Bestimmtheitsgebots zu unterschätzen. Es scheint allerdings so, als seien die Kriterien des delegationsrechtlichen Bestimmtheitsgebots nicht erschöpfend. In der Verfassungsjudikatur wird darüber hinaus gesondert die Vereinbarkeit der Verordnung mit dem Parlamentsvorbehalt geprüft. Dieser gebiete es, »dass in grundlegenden normativen Bereichen, insbesondere im Bereich der Grundrechtsausübung, soweit diese staatlicher Regelung zugänglich ist, die wesentlichen Entscheidungen vom Gesetzgeber getroffen werden (…). Wann es einer Regelung durch den parlamentarischen Gesetzgeber bedarf, lässt sich nur im Blick auf den jeweiligen Sachbereich und die Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstandes beurteilen. Die verfassungsrechtlichen Wertungskriterien sind dabei den tragenden Prinzipien des Grundgesetzes, insbesondere den dort verbürgten Grundrechten, zu entnehmen.«56 Dies bedeutet, dass der Parlamentsvorbehalt und die jenen konkretisierende Wesentlichkeitstheorie der Verfassungsjudikatur, wie sie im vorstehenden Zitat rezipiert wird, nicht restlos im Bestimmtheitsgebot des Art. 80 I 2 GG aufgehen.57 Im Übrigen wird damit aber auch klargestellt, dass die verfassungsrechtlich gebotene Regelungsintensität in Abhängigkeit von der Eingriffsintensität variiert. Je schwerwiegender die Auswirkungen der gesetz- 53 Vgl zur Rolle der Auslegung Epping/Hillgruber/Uhle (Fn. 50) Art. 80 Rn. 24 mwN. 54 So Umbach/Clemens/Rubel (Fn. 46) Art. 80 Rn. 18. 55 Vgl Maunz/Dürig/Remmert (Fn. 32) Art. 80 Rn. 69 ff. (»weitgehende Bedeutungslosigkeit«) und Saurer (Fn. 26) 461 ff. mwN. 56 BVerfGE 136, 69 (114) Rn. 102 unter Bezugnahme auf BVerfGE 49, 89 (126); 61, 260 (275); 80, 124 (132); 83, 130 (142, 151 f.); 101, 1 (34) und BVerfGE 98, 218 (251), st Rspr. 57 Im Schrifttum wird das Verhältnis von Art. 80 I 2 GG und Parlamentsvorbehalt kontrovers beurteilt (insbes Identitäts- und AliudTheorie), vgl zur Übersicht Cremer AöR 122 (1997), 248 ff, 251 ff. und Nierhaus FS Stern, 1997, 717 ff, 720 mwN. Für eine Verbindung der Bestimmtheitskriterien mit der Wesentlichkeitstheorie z. B. v. Bogdandy (Fn. 22) 341 und Schmidt-Aßmann FS Vogel, 2000, 477 ff, 490. geberischen Delegation sind, desto höhere Anforderungen sind an die Bestimmtheit der Ermächtigung zu stellen.58 Umgekehrt ist vorstellbar, dass die Bestimmtheitsanforderungen bei Umsetzungsermächtigungen sinken, da der Spielraum des Verordnungsgebers bereits durch die umzusetzende EU-Richtlinie eingeschränkt wird. Auf diese umstrittene Frage59 kann hier nicht eingegangen werden. 5. Prozedurale Anforderungen a) Zustimmungsbedürftige Verordnungen (Art. 80 II GG) Die Regelungen des Art. 80 II – IV GG haben die bundesstaatliche Ordnung Deutschlands zum Hintergrund. Das Verordnungsrecht des Bundes darf nicht die bundesstaatliche Kompetenzordnung aushöhlen. Zustimmungsrechte des Bundesrates sollen nicht durch Delegation der Rechtsetzung auf die Exekutive erlöschen.60 Deshalb kommen Rechtsverordnungen zu Gesetzen, die ihrerseits der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, nach Art. 80 II GG grundsätzlich nicht ohne Zustimmung des Bundesrates zustande. Als weitere Typen zustimmungsbedürftiger Rechtsverordnungen werden in Art. 80 II GG Verkehrsverordnungen (dort näher aufgeschlüsselt) und Rechtsverordnungen auf Grund von Bundesgesetzen, die von den Ländern im Auftrag des Bundes oder nach der Grundregel des Art. 83, 30 GG von den Ländern als eigene Angelegenheit ausgeführt werden, genannt. Dieses Zustimmungserfordernis steht jedoch – ebenfalls nach Art. 80 II GG – unter dem Vorbehalt anderweitiger bundesgesetzlicher Regelung. Ein solcher bundesgesetzlicher Ausschluss des Zustimmungserfordernisses ist deshalb unproblematisch, weil ein entsprechendes Gesetz seinerseits nur mit Zustimmung des Bundesrates zustande kommt.61 Das Tribut des Verordnungsrechts an den Föderalismus beschränkt sich im Übrigen nicht auf die Zustimmungsbedürftigkeit mancher Rechtsverordnungen. Seit 1994 besitzt der Bundesrat gemäß Art. 80 III GG auch ein Initiativrecht für zustimmungsbedürftige Rechtsver-                 58 BVerfGE 76, 130 (143); ähnlich u. a. v. Danwitz (Fn. 49) 90. Vgl auch BVerfGE 83, 130 (151 f.). Darüber hinaus variiert die fallbezogene Konkretisierung der Bestimmtheitsanforderungen auch nach Sachgebieten (zB Steuerrecht, Schulrecht, Prüfungsrecht), vgl SchmidtBleibtreu/Sannwald (Fn. 50), Art. 80 Rn. 75 ff. 59 Vgl Dreier/Bauer (Fn. 28) Art. 80 Rn. 9; Epping/Hillgruber/Uhle (Fn. 50) Art. 80 Rn. 28 und Schmidt-Bleibtreu/Sannwald (Fn. 50) Art. 80 Rn. 62, jeweils mwN. 60 BVerfGE 24, 184 (189); 114, 196 (231). 61 BVerfGE 136, 69 (102 f.) Rn. 74.         Grundstudium ÖR – Klaus Meßerschmidt: Rechtsverordnungen: Rechtmäßigkeit und Rechtsschutz ordnungen. »Verordnungsgebung unter Parlamentseinfluss«62 ist hierbei ein nicht zu unterschätzender Nebeneffekt, der möglicherweise ähnliche Begehrlichkeiten beim Bundestag geweckt hat. Im Unterschied zu diesen sog föderativen Verordnungen unter Beteiligung des Bundesrates sind Rechtsverordnungen, die mit Zustimmung des Bundestages zustande kommen, verfassungsrechtlich nicht geregelt.63 Einer dahingehenden Regelung bedurfte es nicht, da es in der Entscheidungsmacht des Bundestages liegt, in einem Gesetz die Zustimmungsbedürftigkeit von Rechtsverordnungen vorzusehen. Da das Verordnungsrecht der Exekutive sich dem Delegationsakt und keinem Verwaltungsvorbehalt verdankt64 und die Ermächtigung unter Partizipationsvorbehalt ein Minus gegenüber der zulässigen Volldelegation darstellt, ist gegen solche Mitwirkungsformen trotz mancher Kritik im Kern nichts einzuwenden.65 Dieser Kern von »Parlamentssouveränität« erklärt zudem, weshalb Rechtsverordnungen durch ein parlamentarisches Gesetz geändert werden können, während der umgekehrte Fall der Gesetzesänderung durch Verordnung ohne parlamentsgesetzliche Ermächtigung unzulässig ist. Auch wenn es naheliegender scheint, eine Verordnung im Verordnungswege zu ändern, kommt eine Änderung auf der höheren Ebene immer wieder vor, beispielsweise im Rahmen eines Artikelgesetzes, das neben Gesetzen auch darauf gestützte Rechtsverordnungen ändert. Die gegen den Änderungsvorbehalt mehrheitlich geäußerten Bedenken66 sind überzogen. Bemerkenswert und wegen des Schlüsselworts »Entsteinerungsklausel« auch merkfähig ist die Möglichkeit, dass eine durch Gesetz geänderte Rechtsverordnung durch entsprechende Bestimmung im Änderungsgesetz wieder Verordnungsrang erhalten kann.67 Die vom BVerfG in- 62 So der Untertitel der Studie von Schwanengel Einwirkungen der Landesparlamente auf die Normsetzung der Exekutive, 2002. Dazu grundlegend Uhle Parlament und Rechtsverordnung, 1999. 63 Hierzu J. Schmidt Die Beteiligung des Bundestages beim Erlaß von Rechtsverordnungen, 2002. 64 Zur hierüber neuerdings geführten Diskussion v. Bogdandy (Fn. 22) 304 ff. und Uhle (Fn. 7) § 24 Rn. 19 mwN. 65 Vgl schon BVerfGE 8, 274 (321); explizit BVerfGE 114, 196 (234 ff.); zur Kritik Schnelle (Fn. 1) 44 f. mwN; differenzierend insbes Bauer FS R. Schmidt, 2006, 237 ff; zum Sonderproblem der Mitwirkung von Parlamentsausschüssen BVerfGE 4, 193 (203) und Meßerschmidt (Fn. 4) 11 mwN. 66 Vgl nur Dreier/Bauer (Fn. 28) Art. 80 Rn. 30; v. Mangoldt/Klein/ Starck/Brenner, GG II, 6. Aufl 2010, Art. 80 Rn. 103 und Sommermann JZ 1997, 434 ff, 436 ff, jeweils mwN; a. A. Meßerschmidt (Fn. 4) 10 f. 67 BVerfGE 114, 196 (238 ff.) Rn. 190 ff; zuvor BVerwGE 117, 313 (318); sog Rückkehr zum einheitlichen Verordnungsrang; ablehnend u. a. Sondervotum in BVerfGE 114, 196 (250 ff.); Sodan/Haratsch GG, 3. Aufl 2015, Art. 80 Rn. 7; Epping/Hillgruber/Uhle (Fn. 50) Art. 80 Rn. 49; vertiefend Bauer (Fn. 65) 247.                         755 zwischen für möglich gehaltene Schaffung von Verordnungsrecht im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren68 bereitet allerdings rechtsdogmatische Kopfschmerzen69 und wird durch besondere Kautelen erkauft, denen solche »Parlamentsverordnungen«70 genügen müssen. Demgegenüber sind rechtsverordnungsvertretende Landesgesetze im Bereich bundesgesetzlicher Ermächtigungen nur kraft Art. 80 IV GG möglich.71 Im Ergebnis führen der innerhalb gewisser Grenzen mögliche Wechsel zwischen Gesetz und Verordnung und die zwingenden verfassungsrechtlichen oder fakultativen gesetzlichen Zustimmungsvorbehalte zu Hybriden zwischen Parlamentsgesetz und Rechtsverordnung.72 Erklären lässt sich dieser »Trend«, der zu Lasten der Normenklarheit geht,73 als Versuch des Gesetzgebers, »Regelungs- und Steuerungsdefizite bei der gesetzlichen Vorprogrammierung des Verordnungsgebers durch eine Beteiligung des Parlaments am exekutiven Entscheidungsprozess zu kompensieren«.74 Beschleunigungsvorteile gehen hierbei verloren, können jedoch durch Akzeptanzgewinne aufgewogen werden. Hierzu tragen auch in manchen Ermächtigungsgesetzen vorgesehene Mitwirkungsformen anderer Stellen, namentlich Anhörungsrechte von Gremien, Sachverständigen, interessierten Kreisen und Verbänden, bei.75 In jüngerer Zeit trat diese Problematik vor allem bei den als Rechtsverordnungen des Bundes ergangenen Flugroutenfestsetzungen des Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung (BAF) zutage. Der Streit um Beteiligungsrechte bei der Festsetzung von Flugverfahren wurde inzwischen vom BVerwG dahingehend entschieden, dass der Fluglärmkommission ein formelles Beteiligungsrecht zukommt, dessen Missachtung die Fehlerhaftigkeit der Rechtsverordnung zur Folge hat, während verfassungsgestützte Anhörungsrechte von Privaten und selbst der betroffe- 68 BVerfGE 114, 196 (238 ff.). 69 Vgl insbes Bauer (Fn. 65) 245 ff. und Möllers JURA 2007, 932 ff. Die Kritik am »Gesetzgeber als Verordnungsgeber« (Brosius-Gersdorf ZG 22 [2007], 305 ff.) kann sich auf ältere Sentenzen in BVerfGE 22, 330 (346) und 24, 184 (199) berufen. 70 Zu diesem Begriff Bauer (Fn. 65) 245 ff. 71 Hierzu näher Jarass/Pieroth (Fn. 14) Art. 80 Rn. 7 a mwN. 72 Noch pointierter Ossenbühl (Fn. 49) § 103 Rn. 63; »dritte Form der Rechtsetzung«. Gegen die Annahme von »Mischgebilden« Bauer (Fn. 65) 249; Epping/Hillgruber/Uhle (Fn. 50) Art. 80 Rn. 50 ff; dezidiert gegen eine Verwischung der Grenzen zwischen VO und Gesetz auch BVerfGE 114, 196 (235 ff.), obwohl eben dies dem BVerfG vorgeworfen wird. 73 Hierzu auch Schmidt-Bleibtreu/Sannwald (Fn. 50) Art. 80 Rn. 15 mwN. 74 Schwanengel (Fn. 62) 5; zu Einwänden J. Schmidt (Fn. 25) 130 ff. und Schnelle (Fn. 1) 52 ff, jeweils mwN. 75 Vgl Ossenbühl (Fn. 49) § 103 Rn. 58 f. und Schnelle (Fn. 1) 41 ff. mwN.                         Grundstudium ÖR – Klaus Meßerschmidt: Rechtsverordnungen: Rechtmäßigkeit und Rechtsschutz 756 nen Gemeinden abgelehnt werden.76 Insofern bleibt die Verfahrensgestaltung deutlich hinter dem Planfeststellungsrecht mit seiner Betroffenenpartizipation zurück. Begründen lässt sich dies nicht nur damit, dass Luftverkehrsgesetz und LuftverkehrsVerordnung kein solches Anhörungsrecht kennen, sondern auch damit, dass der Erlass von Rechtsverordnungen grundsätzlich keine zivilgesellschaftliche Mitwirkung voraussetzt. Im speziellen Fall der Flugroutenplanung könnte sich ein rechtsformunabhängiges Anhörungserfordernis im Rahmen einer durchzuführenden Umweltverträglichkeitsprüfung ergeben. Das BVerwG lehnt bereits die UVP-Pflichtigkeit der Flugroutenplanung ab.77 Jedoch ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, da der EuGH diese die Umsetzung der EU-UVP-Richtlinie betreffende Frage in einem noch laufenden Vertragsverletzungsverfahren prüft. b) Fehlerfolgen Rechtsfehlerhafte Rechtsverordnungen sind grundsätzlich nichtig oder gegebenenfalls teilnichtig.78 Die Nichtigkeitsfolge trifft insbesondere Rechtsverordnungen, die sich nicht innerhalb der Ermächtigung halten79 oder das Zitiergebot verletzen.80 Bei Verfahrensfehlern differenziert das BVerfG demgegenüber nach einem Evidenzmaßstab.81 Auch wenn spezielle Unbeachtlichkeits- und Fehlerfolgenregelungen wie §§ 45 VwVfG und § 214 BauGB für Rechtsverordnungen nicht bestehen, zögern die Gerichte, Rechtsverordnungen wegen »kleinerer« Verfahrensfehler für nichtig zu erklären.82 Die Verletzung von Anhörungspflichten überschreitet jedoch u. U. die Geringfügigkeitsgrenze. So hat das BVerfG in einer Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung, die unter Verstoß gegen die in § 16 b I 2 statuierte Pflicht, vor Erlass der Verordnung die Tierschutzkommission anzuhören, erlassen wurde, zugleich eine Verletzung des Art. 20 a GG gesehen.83 VI. Rechtskontrolle Der »ambivalente Charakter der Rechtsverordnung als Rechtsnorm einerseits und Verwaltungsinstrument andererseits«84 schlägt sich im diffizilen Rechtsschutz gegen Rechtsverordnungen nieder. 1. Individueller Rechtsschutz gegen Rechtsverordnungen Den meisten Studierenden wenig vertraut sein dürfte die Fragestellung, wie Einzelne Rechtsschutz gegen fehlerhafte Rechtsverordnungen erlangen können. Fast allen werden noch die Stichworte »prinzipale« und »inzidente Normenkontrolle« einfallen.85 Wie man dorthin gelangt, ist auf den ersten Blick jedoch rätselhaft. Zunächst ist zwischen Rechtsverordnungen des Bundes und landesrechtlichen Rechtsverordnungen zu unterscheiden. Letztere werfen die geringeren Probleme auf. Hier dürfen die Grundzüge des Rechtsschutzes noch als bekannt vorausgesetzt werden. a) Rechtsschutz gegen landesrechtliche Rechtsverordnungen       76 BVerwGE 119, 245 (250 ff.); 121, 152 (169) und 150, 114 (124 f.) Rn. 30 f.; BVerwG, Beschl v 8. 1. 2015 – 4 B 46.14 – JurionRS 2015, 11898 Rn. 4, jeweils zu den Gemeinden; das BVerwG erläutert dort, worin sich die Flugrouten von den raumbedeutsamen Entscheidungen und Maßnahmen unterscheiden, bei denen es ein verfassungsunmittelbares Beteiligungsrecht der Gemeinden bejaht; insoweit a. A. Wöckel (Fn. 40) 332 f.; zu Privaten BVerwGE 150, 114 (124 f.) Rn. 30 f. Allerdings hält BVerwGE 150, 286 (287 f.) Rn. 11 ff. eine fehlerhafte Zusammensetzung der FLK für unschädlich, deutet aber an, dass dies nicht bei Willkür und kollusivem Zusammenwirken gilt. Nach der Koalitionsvereinbarung soll künftig sichergestellt werden, dass bei der Flugroutenfestlegung Kommunen und Öffentlichkeit in einem transparenten Verfahren frühzeitig beteiligt werden (vgl auch BR-Drs 337/15, S. 2 f.). 77 BVerwGE 149, 17 (20 ff.) Rn. 11 ff. und 150, 114 (125 f.) Rn. 32. 78 Maunz/Dürig/Remmert (Fn. 32) Art. 80 Rn. 137 f. mwN. 79 BVerfGE 13, 248 (254 ff.); 22, 330 (343 ff.) und 65, 248 (258 ff.). 80 BVerfGE 10, 221 (227) und 101, 1 (42 f.). 81 BVerfGE 34, 9 (25); 91, 148 (175 f.) und 120, 56 (73 ff.). 82 Vgl etwa BVerwGE 59, 48 (52). 83 BVerfGE 127, 293 (319 ff.). Hierzu Sachs JuS 2011, 572 ff.                                                 Bei landesrechtlichen Rechtsverordnungen bestehen grundsätzlich zwei Rechtsschutzmöglichkeiten: Zum einen haben die Fachgerichte die einem angegriffenen Verwaltungsakt zugrunde liegende Rechtsverordnung im Wege der Inzidentkontrolle, d. h. vornehmlich im Rahmen einer Anfechtungsklage oder Feststellungsklage, zu prüfen. Zum anderen eröffnet § 47 VwGO in Verbindung mit dem Landesrecht die prinzipale Normenkontrolle gegen im Rang unter den Landesgesetzen stehende Rechtsvorschriften, wie sie Rechtsverordnungen nun einmal darstellen. Inzwischen haben die meisten Bundesländer entsprechende Regelungen getroffen.86         84 Saurer (Fn. 26) 435. 85 Zur Erinnerung: Beim prinzipalen Rechtsschutz ist Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle der Rechtssatz selbst, beim inzidenten Rechtsschutz ist Verfahrensgegenstand ein auf dem Rechtssatz beruhender Vollzugsakt, wobei als Vorfrage die Rechtmäßigkeit des Rechtssatzes zu prüfen ist. 86 Vgl die Zusammenstellung bei Bader/v. Abedyll VwGO, 6. Aufl 2014, § 47 Rn. 26. Unabhängig hiervon ist nach § 47 I Nr. 1 VwGO das Normenkontrollverfahren gegen Satzungen und Rechtsverordnungen nach dem BauGB eröffnet.   Grundstudium ÖR – Klaus Meßerschmidt: Rechtsverordnungen: Rechtmäßigkeit und Rechtsschutz b) Rechtsschutz gegen bundesrechtliche Rechtsverordnungen Demgegenüber scheint es bei Rechtsverordnungen des Bundes so, als fielen diese durch sämtliche Raster des Rechtsschutzes hindurch. Zunächst ist evident, dass die speziell auf die Gültigkeit von untergesetzlichen Rechtsvorschriften zugeschnittene objektive – und gleichwohl antragsgebundene – Normenkontrolle nach § 47 VwGO bei Rechtsverordnungen des Bundes nicht greift.87 Diese prinzipale Normenkontrolle erfasst von vornherein nur unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschriften, mithin keine Rechtsverordnungen des Bundes. Aber auch die verfassungsgerichtlichen Normenkontrollen scheiden weitgehend aus. Die dem BVerfG anvertraute abstrakte Normenkontrolle hilft dem Rechtsschutzsuchenden nicht. Zwar schließt das hiernach auf seine förmliche und sachliche Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz überprüfbare Bundesrecht Rechtsverordnungen ein.88 Der auf Staatsorgane beschränkte Kreis der Antragsteller unterscheidet dieses Verfahren aber grundlegend von der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle (vgl Art. 93 I Nr. 2 GG, §§ 13 Nr. 6, 76 ff. BVerfGG). Die konkrete Normenkontrolle oder Richtervorlage scheidet schlechthin aus, weil sie auf die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen, worunter nur förmliche Gesetze,89 also keine bloß materielle Gesetze darstellende Rechtsverordnungen zu verstehen sind, beschränkt ist (vgl Art. 100 GG, §§ 13 Nr. 11, 80 ff. BVerfGG). Demgegenüber ist eine Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 I Nr. 4 a GG, §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG gegen jeden Akt deutscher öffentlicher Gewalt, mithin auch gegen Rechtsverordnungen theoretisch möglich, stößt aber auf die bekannten Hürden der (bei Rechtsnormen regelmäßig zweifelhaften) unmittelbaren Betroffenheit90 und der notwendigen Erschöpfung des Rechtsweges. Zumindest wegen dieser Subsidiarität, aber auch wegen ihres engen Prüfungsmaßstabes ist die Verfassungsbeschwerde91 daher nicht das Mittel der ersten Wahl gegen eine Rechtsverordnung. Das Kriterium der Rechtswegerschöpfung kann hierbei eine böse Überraschung bergen: Vor einer gegen eine Rechtsverordnung des Bundes (frühere Kulturpflanzen-Ausgleichszah                  757 lungs-Verordnung) gerichteten Verfassungsbeschwerde hatten die Beschwerdeführer in der von ihnen gewählten verwaltungsgerichtlichen Verfahrensart, wie es § 90 II 1 BVerfGG verlangt, den Rechtsweg ausgeschöpft, um am Ende vom BVerfG zu erfahren, dass anstelle der erfolglosen verwaltungsprozessualen Verpflichtungsklage eine Feststellungsklage zielführend gewesen wäre.92 Diese Rechtsschutzmöglichkeit hatte das BVerwG allerdings schon einige Jahre früher aufgezeigt.93 Dieser Entscheidung des BVerfG liegt eine doppelte Überlegung zugrunde: Erstens folgt die Notwendigkeit der Anerkennung einer fachgerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeit gegen untergesetzliche Normen aus Art. 19 IV GG. Dabei korrespondiert die Betonung des fachgerichtlichen Rechtsschutzes mit der Linie des BVerwG, wonach »die gerichtliche Kontrolle der Exekutive, auch soweit sie rechtsetzend tätig wird, Aufgabe der Verwaltungsgerichte« ist.94 Dementsprechend gelten Auseinandersetzungen um Rechtsverordnungen als öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art,95 womit eine wichtige Hürde in § 40 VwGO genommen und der Zugang zum Verwaltungsrechtsweg geebnet ist. Zweitens spricht der Grundsatz der Subsidiarität dagegen, die Verfassungsbeschwerde für den Bereich der untergesetzlichen Rechtsetzung als Primärrechtsschutz anzuerkennen. Dies gelte selbst dann, wenn die untergesetzliche Norm einer unmittelbaren verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht zugänglich ist.96 Eine Verfassungsbeschwerde gegen Rechtsverordnungen, die früher für möglich gehalten wurde,97 ist damit weitestgehend ausgeschlossen.98 Für das Primat des verwaltungsgerichtlichen Schutzes gegen Rechtsverordnungen spricht, dass diese nicht dem Verwerfungsmonopol des BVerfG unterfallen. Daher ist grundsätzlich der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet. Wegen der Begrenztheit der Normenkontrolle nach § 47 VwGO ist gegen Rechtsverordnungen des Bundes allerdings eigentlich nur die Inzidentkontrolle möglich. Der desungeachtet auf unmittelbar wirkende Rechtsverordnungen des Bun- 92 BVerfGE 115, 81 (92). Diese Wende deutete sich bereits in BVerfG (K), NVwZ 1998, 169 (170) und NJW 1999, 2031 an. 93 BVerwGE 111, 276 (278 ff.). Ähnlich die sozialgerichtliche Rspr zur Feststellungsklage nach § 55 SGG gegen den Normgeber, vgl nur BSGE 72, 15 (19 ff.). 94 BVerwGE 80, 355 (388) im Anschl an BVerfGE 68, 319 (325 f.). 95 BVerwG NVwZ 2002, 1505 f., 1506. 96 BVerfGE 115, 81 (92) mwN. 97 Vgl die Darstellung von Wöckel (Fn. 40) 323; dafür noch BK/Nierhaus (Fn. 47) Art. 80 Rn. 431 ff. und Epping/Hillgruber/Uhle (Fn. 50) Art. 80 Rn. 37. 98 So auch Lechner/Zuck BVerfGG, 7. Aufl 2015, § 90 Rn. 167 und Maunz/Dürig/Remmert (Fn. 32) Art. 80 Rn. 142.   87 Dazu kritisch Stern FS Schäfer, 1975, 59 ff, 68 f. 88 Vgl BVerfGE 101, 1 (30); 106, 1 (12); 127, 293 (318) und Jarass/ Pieroth (Fn. 14) Art. 93 Rn. 22. 89 Jarass/Pieroth (Fn. 14) Art. 100 Rn. 7. 90 Vgl Jarass/Pieroth (Fn. 14) Art. 93 Rn. 56. Da die Flugverfahrensverordnungen als self-executing-Normen weder vollzugsbedürftig noch vollzugsfähig sind (vgl Wöckel, Fn. 40, 326), ist dies hier jedoch keine Hürde. 91 Dazu etwa Pielow Die Verwaltung 32 (1999), 445 ff, 465 ff.                 Grundstudium ÖR – Klaus Meßerschmidt: Rechtsverordnungen: Rechtmäßigkeit und Rechtsschutz 758 des erweiterte Rechtsschutz99 wird abschließend am Beispiel der Flugverfahrensverordnungen dargestellt. Da es sich hierbei um Maßnahmeverordnungen100 handelt, sind die Ergebnisse zwar nicht unbesehen auf abstrakt-generelle Verordnungen übertragbar. Der gleichen Linie folgt die Rechtsprechung aber auch beim Rechtsschutz z. B. gegen die Verpackungsverordnung und andere Verordnungen des Bundes.101   c) Erstreckung des Rechtsschutzes auf Normenerlassklagen Dem wenn auch unvollkommenen Schutz des Bürgers vor verfassungswidrigen Rechtsverordnungen steht nach h. M. und Rechtsprechung i. d. R. kein subjektiver Rechtsanspruch auf Erlass einer Rechtsverordnung zur Seite.102 Der Delegatar wird regelmäßig nur ermächtigt, nicht jedoch verpflichtet. Indes sind ein subjektiver Anspruch auf Erlass oder umgekehrt Aufhebung einer Rechtsverordnung nicht schlechthin ausgeschlossen, sondern allein von Voraussetzungen abhängig, die nur in seltenen Ausnahmefällen erfüllt sein werden.       2. Referenzfall Flugverfahrensverordnungen In den beiden letzten Jahrzehnten hat das Rechtsschutzthema breitere Aufmerksamkeit wegen der als Rechtsverordnungen des Bundes erfolgenden Flugroutenplanung (Flugverfahrensverordnungen)103 auf sich gezogen und wiederholt die Rechtsprechung beschäftigt. Die sich hierbei stellenden intrikaten Probleme hat das BVerwG inzwischen weitgehend gelöst, wobei seine Begründungen allerdings nur unter erheblicher intellektueller Anstrengung 99 Vgl allgemein Kuntz Rechtsschutz gegen unmittelbar wirkende Rechtsverordnungen des Bundes, 2001. 100 Hierzu näher Ossenbühl (Fn. 72) § 103 Rn. 47 f. 101 BVerfGE 115, 81 (91 ff.) betr. Kulturpflanzen-AusgleichszahlungsVO; hierzu Fellenberg/Karpenstein NVwZ 2006, 1133 ff. mwN. 102 BVerwGE 7, 188; 13, 328 (328 f.); BVerwG Buchholz 415.1 Allgemeines Kommunalrecht Nr. 93; anders BVerwGE 80, 355 (358) und BVerwG NVwZ 2002, 1505; differenzierend Kopp/Schenke (Fn. 3) Vorb § 40 Rn. 8 a; § 40 Rn. 32 a; § 42 Rn. 9; § 43 Rn. 8 j; § 47 Rn. 13 f. mwN; weitergehend Würtenberger AöR 105 (1980), 370 ff. 103 Rechtsgrundlagen § 27 a II 1 LuftVO aF bzw § 33 II LuftVO nF und § 32 IV Nr. 8 und IVc LuftVG. Hierzu aktuell BVerwGE 150, 114 (123 f.) Rn. 28 sowie ausführlicher – auch zum Verhältnis der Ermächtigungsnormen – Wöckel (Fn. 40) 36 ff. und 52 ff. Die Neufassung der LuftVO erfolgte durch VO v 29. 10. 2015 (BGBl I S. 1894). Inhaltlich ist § 33 LuftVO gegenüber der Vorgängernorm unverändert (BR-Drs 337/15, S. 85 f.). nachvollziehbar sind. Es ist deshalb Studierenden nicht unbedingt zu wünschen, mit dieser aktuellen Problematik in einer Klausur oder mündlichen Prüfung konfrontiert zu werden. Doch ist dies nicht ganz auszuschließen. Deshalb sollen im Folgenden die Grundlinien dieser vom BVerfG schon 2006 prinzipiell »abgesegneten«104 Rechtsprechung nachgezeichnet werden. Ihre Logik erschließt sich am ehesten durch eine die wesentlichen Rechtsprechungspositionen zusammenfassende Aussage des maßgeblich an dieser Rechtsprechung beteiligten Vorsitzenden des 4. Senats des BVerwG. Es sei Aufgabe der Verwaltungsgerichte, sich des Rechtsschutzbegehrens des von einer Flugroute Betroffenen105 anzunehmen. Mit Blick auf Art. 19 IV GG könne der Rechtsschutz nicht daran scheitern, dass § 47 VwGO die Normenkontrolle nur für untergesetzliche Normen des Landesrechts eröffnet.106 Der Suche nach anderen geeigneten Klagearten lasse sich nicht entgegenhalten, § 47 VwGO entfalte insoweit eine Sperrwirkung.107 Dies widerspräche seiner Funktion eines zusätzlichen Rechtsbehelfs, der die bestehenden subjektiven Rechtsschutzmöglichkeiten nicht einschränken will.108 Bei dieser »Suche« sind nicht Kläger, sondern die Gerichte, zuvörderst das BVerwG auf die allgemeine Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO gestoßen.109 Angesichts der Subsidiarität dieser Klageart bedarf dies jedoch der Erläuterung. Die auf den ersten Blick naheliegende Anfechtungsklage kommt nur in Betracht, wenn sich ein Kläger gegen einen Verwaltungsakt wie den Planfeststellungsbeschluss wendet. Da die Festlegung der Flugverfahren unter Einschluss der Flugroutenplanung in Form einer Rechtsverordnung ergeht, scheidet die Anfechtungsklage aus, sofern sich der Kläger nicht gegen den Planfeststellungsbeschluss für den Flughafen und die diesem zugrunde liegende Grobplanung der Flugrouten wendet.110 Eine Verpflichtungsklage hat das BVerwG mit dem Argument für unstatthaft erklärt, »dass ein auf Aufhebung einer nichtigen und mithin nicht aufhebbaren, sondern rechtlich nicht existenten Norm gerichteter Antrag ins Leere                                         104 Siehe zuvor VI.1.b) und das dort referierte Urteil BVerfGE 115, 81. 105 Kritisch sind hier v. a. die Anfangsanflugpunkte und Warteverfahren. 106 Vgl dazu BVerfGE 115, 81 (92). 107 Zur fehlenden Sperrwirkung des § 47 VwGO BVerwGE 111, 276 (278) und zuvor Wysk ZLW 1998, 285 ff, 286 f. 108 Rubel DVBl 2015, 525 ff, 525 (erste Hervorhebung hinzugefügt). 109 Vgl BVerfGE 115, 81 (92 ff.); BVerwGE 111, 276 (278 f.). Im Schrifttum wird diese zuvor schon vom BSG vertretene Lösung teilweise kritisiert, vgl die Nachw. bei Schnelle (Fn. 1) 334 f. 110 Zur Funktion der Grobplanung BVerwGE 141, 1 (47 ff.) Rn. 150 ff. und 144, 1 (15) Rn. 48 und 144, 44 (79) Rn. 85 sowie BVerwG, Beschl v 8. 1. 2015 – 4 B 46.14 – JurionRS 2015, 11898 Rn. 7.                         Grundstudium ÖR – Klaus Meßerschmidt: Rechtsverordnungen: Rechtmäßigkeit und Rechtsschutz liefe«.111 Dass in den Flugroutenfällen schon kein Verwaltungsakt im Raum steht, auf den die Verpflichtungsklage gerichtet sein muss, übergeht das BVerwG. Die Feststellungsklage bietet sich demgegenüber wegen der offeneren Formulierung der Sachurteilsvoraussetzungen an. Zwar ist die Nichtigkeitsklage dort ebenfalls nur gegen Verwaltungsakte eröffnet, unter »Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses« lässt sich jedoch vieles unterbringen.112 Sie ist jedenfalls nicht auf die Klärung der allgemeinen Wirksamkeit einer Norm, sondern auf die Anwendung der Norm auf einen bestimmten Sachverhalt und mithin ein konkretes Rechtsverhältnis gerichtet.113 Ob dies der Konstellation der heute zunehmend anerkannten sog atypischen Feststellungsklage114 entspricht oder unter die in § 43 VwGO geregelte klassische Feststellungsklage fällt, kann hier dahinstehen. Das BVerwG hat sich damit in den Flugroutenfällen zunächst nicht auseinandergesetzt. Später musste es einräumen, dass eine (sonstige) Gestaltungsoder Leistungsklage in Betracht kommt. Angesichts der in § 43 II 1 VwGO niedergelegten Subsidiarität der Feststellungsklage muss der Nachweis geführt werden, dass die Feststellungsklage den effektiveren Rechtsschutz bietet. Das BVerwG sieht dies gegeben, wenn die Feststellungsklage eine Vielzahl potenzieller Anfechtungsverfahren erübrigt.115 Überzeugender ist jedoch die Argumentation, dass der Grundsatz der Subsidiarität im Verhältnis von Feststellungsklage und allgemeiner Leistungsklage nicht greift, weil insoweit keine Umgehung von besonderen Sachurteilsvoraussetzungen zu befürchten ist.116 Auch die analog § 42 II VwGO erforderliche Klagebefugnis117 lässt sich unter bestimmten, hier nicht im Einzelnen zu untersuchenden Umständen bejahen.118 Spätestens 111 BVerwGE 111, 276 (279). An dieser Argumentation zweifelnd Wöckel (Fn. 40) 327. 112 Vgl Kopp/Schenke (Fn. 3) § 43 Rn. 8. Das BVerwG präzisiert in den Flugrouten-Fällen allerdings nicht, wie Wöckel (Fn. 40) 325, zu Recht bemängelt, das feststellungsfähige Rechtsverhältnis. 113 Vgl BVerwGE 111, 276 (278 f.). 114 Nach Wöckel (Fn. 40) 326, liegt eine solche auch in den Flugrouten-Fällen vor. Dagegen jedoch allgemein Kopp/Schenke (Fn. 3) § 43 Rn. 8 g ff mwN. 115 BVerwGE 121, 152 (156). Das BVerwG fasst hier die Möglichkeit einzelner Freigabeentscheidungen ins Auge. Dieses Argument unterstreicht die Tendenz zur Zentralisierung des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, vgl dazu Fellenberg/Karpenstein NVwZ 2006, 1133 ff, 1134. 116 Wöckel (Fn. 40) 128 unter Bezugnahme auf BVerwGE 36, 179 (181 f.) und 77, 207 (211). 117 Zur entsprechenden Anwendung von § 42 II VwGO auf die Feststellungsklage auch BVerwGE 111, 276 (279 f.). 118 Vgl Rubel DVBl 2015, 525 ff, 526. 759 an dieser Stelle wird indes klar, dass die Gewährleistung von subjektivem Rechtsschutz gegenüber Flugroutenplanung gegenüber einer objektiven Normenkontrolle zurückbleibt. Gerügt werden kann nur die Verletzung von Schutznormen, im Wesentlichen also nur unzumutbarer Fluglärm, und insofern die Verletzung des rechtsstaatlichen Abwägungsgebots, während sonstige Abwägungsund Rechtsfehler nicht zu Buche schlagen. Darüber hinaus fordert innerhalb der Begründetheitsprüfung die gesetzgeberische Entscheidung, die Flugroutenplanung nicht zum Gegenstand eines Verwaltungsakts, sondern einer Rechtsverordnung zu machen, ihr Tribut. Den Klägern ist es nicht nur verwehrt, sich auf Rechtsgüter der Allgemeinheit zu berufen;119 anders als bei einem Planfeststellungsbeschluss ist Prüfungsmaßstab hier nicht das fachplanungsrechtliche Abwägungsgebot, wie es mittlerweile in fast allen Fachplanungsgesetzen verankert ist, sondern das dahinter wesentlich zurückbleibende, im Wesen jeder rechtsstaatlichen Planung angelegte, auf das »unabdingbar Gebotene« zurückgenommene rechtsstaatliche Abwägungsgebot.120 Dies wird zusätzlich damit begründet, dass das BAF bei der Flugroutenfestlegung keine planerische Gestaltungsfreiheit genieße, sondern dass im Vordergrund seiner Entscheidung Sicherheitsüberlegungen stünden, aus denen sich absolute Planungsschranken ergeben können.121 Planungsschranken könnten freilich auch im Kontext der fachplanerischen Abwägungskontrolle respektiert werden. Zugleich wird der Flugroutenfestlegung durch das BAF jedoch zutreffenderweise die Aufgabe der »Lärmbewirtschaftung« zugesprochen.122 So kann sich BAF alternativ für Bündelungs- oder lastenverteilende Streulösungen entscheiden.123 Das BVerwG bewegt sich hier offensichtlich auf einem schmalen Grat. Dem rechtsstaatlichen Abwägungsgebot wird vom BVerwG Schutznormcharakter zugesprochen.124 In dieser Aussage stecken eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute Nachricht lautet, dass die Klagebefugnis unabhängig davon eröffnet ist, ob die einschlägigen Nor-             119 BVerwG NVwZ 2015, 656 ff, 664 Rn. 93. 120 Vgl BVerwGE 111, 276 (280) im Anschl an BVerwGE 56, 110 (122). Den Minimalstandard des »unabdingbar Gebotenen« akzentuiert BVerwGE 119, 245 (255 f.), die Abkehr von den Grundsätzen des fachplanungsrechtlichen Abwägungsgebots bekräftigen BVerwGE 121, 152 (157) und 123, 322 (330). 121 BVerwGE 121, 152 (158 ff.); 123, 322 (327); 150, 114 (117 f.) Rn. 12. BVerwGE 111, 276 (281) betont demgegenüber noch die Planungsaufgabe der BAF Doch auch BVerwGE 121, 152 (163) konzediert »mindestens eine gewisse Nähe zu Planungsentscheidungen«. 122 Vgl BVerwGE 121, 152 (157); 123, 322 (329). 123 BVerwGE 123, 322 (336). 124 BVerwGE 111, 276 (281).         760 Grundstudium ÖR – Klaus Meßerschmidt: Rechtsverordnungen: Rechtmäßigkeit und Rechtsschutz men als solche Schutznormen darstellen. Die »schlechte« Nachricht lautet, dass die Abwägungskontrolle sich auf die Berücksichtigung abwägungserheblicher privater Belange beschränkt. Unabhängig davon, ob es sich dabei um rechtlich geschützte Belange handeln muss125 oder ob alle privaten Interessen des Betroffenen auch außerhalb des einfachgesetzlichen bau- und fachplanungsrechtlichen Abwägungsgebots zählen,126 ist das Prüfungsspektrum, wie eingangs dargestellt, durch Ausklammerung der gegen die Planung sprechenden öffentlichen Belange verkürzt. Im Zweifel ist immer darauf zu achten, ob der Kläger geltend macht, in (verfassungs-)rechtlich geschützten Belangen wie seiner Gesundheit und/oder in seinem Eigentum verletzt zu sein. Eine weitere wesentliche Konsequenz des Absehens von der Überprüfung am Maßstab des fachplanungsrechtlichen Abwägungsgebots, dessen Kenntnis im Übrigen für alle Studierenden unerlässlich ist,127 besteht darin, dass das BVerwG bei den Flugverfahrensverordnungen auf die Kontrolle des Abwägungsvorgangs verzichtet und nur auf das Ergebnis des Rechtsetzungsvorgangs abstellt.128 Das Verhältnis von prozeduraler und materieller Kontrolle ist jedoch Teil einer noch größeren »Baustelle« und es leuchtet nicht unmittelbar ein, dass die gewählte Rechtsform eine Entscheidung der sonst inzwischen üblichen Kontrolle zu entziehen vermag. Man wird nicht so weit gehen wollen, in der Durchführung der Flugroutenplanung im Verordnungswege einen Formenmissbrauch zu sehen. Doch gibt es hier doch einiges Irritierende. Dies betrifft insbesondere die Verzahnung (»Wechselbeziehung«) des Flughafen-Planfeststellungsverfahrens mit der Flugroutenfestsetzung. Die vom BVerwG entwickelte »Koordinierungslösung« läuft darauf hinaus, dass die Rechtsverordnung die Planungsziele des Planfeststellungsbeschlusses berücksichtigen muss.129 Damit steht man vor dem zumin125 BVerwGE 48, 56 (66). 126 BVerwGE 107, 215 (220 ff.). Die Übertragbarkeit dieser Rspr auf das rechtsstaatliche Abwägungsgebot wird in BVerwGE 111, 276 (281) ausdrücklich offen gelassen. BVerwGE 119, 245 (256): »jedenfalls rechtlich geschützte Belange«. 127 Zur Erinnerung: Geboten ist, dass (1.) eine Abwägung überhaupt stattfindet, (2.) in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, (3.) die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange nicht verkannt wird und (4.) der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange nicht außer Verhältnis steht. St Rspr seit BVerwGE 34, 301 (309). 128 BVerwGE 150, 114 (123) Rn. 25 im Anschl an BVerwGE 125, 384 (386) Rn. 16. 129 BVerwGE 144, 1 (15 ff.) Rn. 48 und 51. Zwar bestehe keine Bindung, das BAF dürfe bei der Festlegung der Flugrouten die Ziele des Planfeststellungsbeschlusses aber nicht konterkarieren. In BVerwGE     dest ungewöhnlichen Phänomen einer rechtssatzförmigen Regelung nach Maßgabe eines Verwaltungsaktes. Im Regelfall stellt man sich das Verhältnis umgekehrt vor. Im Einzelnen prüft die Rechtsprechung, ob das BAF bei der Festlegung von Flugverfahren einschließlich der Flugroutenplanung von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist, den gesetzlichen, insbesondere durch § 29 b LuftVG bestimmten Rahmen erkannt und die Lärmschutzinteressen der Betroffenen in die gebotene Abwägung eingestellt und nicht ohne sachlichen Grund zurückgesetzt hat.130 Hingegen kommt es nicht darauf an, ob das BAF den unter dem Blickwinkel des Lärmschutzes angemessenste oder gar bestmögliche Lösung gefunden hat.131 Auch enthält § 29 b LuftVG keine Direktiven für die vom BAF zu treffende Abwägungsentscheidung, wenn sämtliche in Betracht kommenden Routen mit unzumutbarem Fluglärm verbunden sind.132 Wer über Grundwissen der gerichtlichen Abwägungskontrolle verfügt, wird damit auch im speziellen Fall der Flugrouten in der Klausursituation zu Rande kommen. Wie sinnvoll darüber hinaus der Erwerb von Spezialwissen133 ist, sei dahingestellt. Für die Praxis ist es selbstverständlich von eminenter Bedeutung, dass einerseits selbst unzumutbare Lärmbeeinträchtigungen einer Flugroute nicht zwingend entgegenstehen,134 andererseits aber auch unterhalb der Zumutbarkeitsschwelle objektiv unnötige Belastungen nicht hingenommen werden müssen.135 Bei Vorhandensein gefährlicher Anlagen im Flugkorridor ist zwischen (prohibitiver) Gefahr, (abwägungsrelevantem) Risiko und (tolerablem) Restrisiko sowie zwischen betriebsbedingten Havarien, Unfällen und terroristischen Anschlägen zu differenzieren.136 Erfolgreich ist eine Klage, wenn die Behörde das Interesse des Klägers an einem Schutz vor unzumutbaren Lärmbelästigungen willkürlich unberücksichtigt gelassen hat137 oder betriebs- oder unfallbedingte Gefahren für die öffentliche Sicherheit ignoriert.138     150, 114 (117) Rn. 10, wird der Planfeststellungsbehörde sogar das Recht zugesprochen, die Verschonung bestimmter, besonders schutzwürdiger Gebiete »mit bindender Wirkung für die spätere Festlegung von Flugverfahren fest[zu]stellen«. In BVerwGE 144, 1 (17) Rn. 51, war dies sinngemäß, aber noch etwas weicher formuliert. 130 BVerwGE 111, 276 (283). 131 BVerwGE 121, 152 (164). 132 BVerwGE 150, 286 (291 f.) Rn. 29 f. 133 Dazu zählt etwa die Frage, wie Flugverfahren in Bezug auf den internationalen Flugverkehr zu bewerten sind, vgl dazu die Flughafen-Zürich-Problematik in BVerwGE 123, 322. 134 BVerwGE 111, 276 (283). Konkretisierung der Unzumutbarkeit zuletzt in BVerwGE 150, 286 (290) Rn. 26. 135 BVerwGE 121, 152 (164); zuvor umstritten, vgl BVerwGE 119, 245 (257). 136 BVerwGE 150, 114 (118 ff.) Rn. 13 ff. Zum Restrisiko grundlegend BVerfGE 49, 89 (137 f., 143). 137 BVerwGE 111, 276 (283) und 119, 245 (256). 138 BVerwGE 150, 114 (128) Rn. 34.           Grundstudium ÖR – Klaus Meßerschmidt: Rechtsverordnungen: Rechtmäßigkeit und Rechtsschutz 3. Fazit Wenn man diese Rechtsprechung zu den Flugverfahrensverordnungen verallgemeinern darf, so unterliegen Rechtsverordnungen des Bundes einer sehr eingeschränkten Kontrolle, die auf die subjektive Betroffenheit der direkten oder indirekten Adressaten fokussiert ist und dort nach Maßgabe des einschlägigen Gesetzesrechts auf ein grundrechtliches Minimum reduziert sein kann. Bedeutet dies, dass Betroffene auch wegen formeller und sonstiger materieller Rechtsfehler nichtige Rechtsverordnungen hinzunehmen haben? Dem steht der in Art. 2 I GG als Teil der freien Entfaltung der Persönlichkeit gewährleistete Anspruch gegenüber, keine Eingriffe der öffentlichen Gewalt erdulden zu müssen, die die nicht ihre Grundlage in der Rechtsordnung haben.139 Eine auf einer verfassungswidrigen Ermächtigung beruhende Verordnung oder eine Verordnung, welche von der gesetzlichen Ermächtigung nicht gedeckt ist oder das Zitiergebot verletzt, könnte daher keinen Grundrechtseingriff rechtfertigen. Liegt ein solcher vor, dürfte der Umstand, dass der Leidtragende – wie im Falle der Flugrouten-Verordnung – nicht selbst Adressat der Norm, sondern lediglich reflexartig betroffen ist, der Geltendmachung dieses Anspruchs nicht im Wege stehen. 139 BVerfGE 6, 32 (41); 9, 83 (88) und 80, 137 (153). 761 Die zeitweilig befürchtete Rechtsschutzlücke gegenüber Rechtsverordnungen140 besteht mithin nicht. VII. Ausblick Die Rechtsverordnung dient als derivative Rechtsquelle im arbeitsteiligen Prozess der Rechtserzeugung141 der Operationalisierung staatlicher Regulierung.142 Das Vordringen gubernativer Rechtsetzung äußert sich allerdings nicht nur in der Verordnungsgebung. Im Vordergrund stehen vielmehr der starke Einfluss der Bundesregierung auf die parlamentarische Gesetzgebung und die durch Art. 23 GG nur unvollkommen verfassungsrechtlich domestizierte Abwanderung von immer mehr Rechtsetzungskompetenzen auf die europäische Ebene, welche selbst die Umsetzungsgesetzgebung häufig zur bloßen Exekution transnationaler, demokratisch schwach legitimierter Vorgaben degradiert und hierbei auch auf die Verordnungsgebung durchschlägt. Die rechtsstaatliche und demokratische Einbindung des Verordnungswesens ist in diesem weiteren Kontext zu sehen. 140 Vgl Schnelle (Fn. 1) 332 mwN. 141 Bauer (Fn. 65) 240. 142 Vgl Saurer (Fn. 26) 63 ff.