Vorliegende Studien zum Informationsverhalten

↓1

Als im Herbst 2004 im Rahmen unseres Projektes die Erarbeitung des Fragebogens begann, lagen bereits einige Studien zum wissenschaftlichen Informationsverhalten vor. An dieser Stelle sollen nur ausgewählte Studien kurz skizziert werden.

Die SteFi-Studie1

↓2

Im Rahmen eines Forschungsprojektes zur Nutzung elektronischer wissenschaftlicher Informationen in der Hochschulausbildung wurde im Jahre 2000 eine postalische Umfrage durchgeführt, an der sich 2 956 Studierende und 777 Hochschullehrer aus den Fächern Mathematik, Physik, Chemie, Informatik, Erziehungswissenschaften, Psychologie, Sozialwissenschaften, Elektrotechnik, Maschinenbau und Bauingenieurwesen beteiligten.

Das Antwortverhalten der Studierenden wurde von den Autoren des Studienberichtes folgendermaßen beschrieben:

↓3

„Die Formen der Nutzung und Beschaffung von Fachinformationen unterliegen zwar einer Veränderung von konventionellen zu elektronischen Formen, diese Veränderung verläuft aber schleppend.“ [3, S. 11]

↓4

Die Befragung der Hochschullehrer zeigte u. a., dass fast 80 % aller befragten Hochschullehrer elektronische wissenschaftliche Information häufig über das Internet suchen [3, S. 17].

In der Studie wurde auch herausgearbeitet, dass es fachspezifisch starke Unterschiede im Informationsverhalten und in der Informationskompetenz gibt [3, S. 19]:

↓5

„Unter den Hochschullehrenden haben die Informatiker/-innen, Chemiker/-innen und Physiker/-innen die höchste Einschätzung der eigenen Informationskompetenz. Schlusslichter in diesem Punkt sind die Ingenieur/-innen, Erziehungs- und Sozialwissenschaftler/-innen.“

Die ADL-Studie2

↓6

Im Rahmen einer Strategiestudie zur „Zukunft der wissenschaftlichen und technischen Information in Deutschland“ [9] wurde mittels einer postalischen Umfrage im Sommer 2001 das Informationsverhalten von 832 forschungs- und entwicklungsintensiven Unternehmen sowie von 1 385 Wissenschaftlern aus verschiedenen Fachdisziplinen untersucht [8]. Ein Ergebnis der Studie zum Informationsverhalten wird folgendermaßen zusammengefasst [9, S. 15]:

↓7

„Die meistgenutzten Recherche-Wege sind das Internet (unter Nutzung fachlich unspezifischer Suchmaschinen), gefolgt von wissenschaftlichen online-Fachdatenbanken und Bibliothekskatalogen (lokale, Verbund- und virtuelle Kataloge). Die, im Durchschnitt über alle Disziplinen relativ geringe, Nutzung von – qualitativ hochwertigen – Fachdatenbanken lässt sich zum Teil dadurch erklären, dass entsprechende Datenbanken für einzelne Disziplinen fehlen oder aber Zugangsberechtigungen zu diesen fehlen.“

In dieser Studie wird auch – wie schon in der SteFi-Studie – auf fachspezifische Unterschiede bei der Informationsrecherche und der Informationsbeschaffung hingewiesen [8; 9, S. 15].

Die SSG-Studie

↓8

Eine weitere Studie zum Informationsverhalten mit dem Schwerpunkt einer Nutzungsanalyse des Systems der überregionalen Literatur- und Informationsversorgung wurde im Juni 2003 von der Universitäts- und Landesbibliothek Münster in Zusammenarbeit mit infas3 vorgelegt [1]. Eine Zusammenfassung des ersten Auswertungsteils erschien 2004 [5]. Im Rahmen dieser Studie wurde im Sommer 2002 eine postalische Umfrage von etablierten Wissenschaftlern aus den fünf Fachgebieten Anglistik, Betriebswirtschaft, Biologie, Geschichte und Maschinenbau durchgeführt. Es beteiligten sich 1 581 Wissenschaftler.

Zu den Hauptergebnissen der SSG-Umfrage gehörte eine Benennung verschiedener „Kulturen“ des Informationsverhaltens in den Geistes- und Sozialwissenschaften bzw. der technischen und naturwissenschaftlichen Fachgebiete. Roswitha Poll charakterisiert diese beiden verschiedenen Gruppen wie folgt [5, S. 72]:

„Geistes- und Sozialwissenschaften:

↓9

Technik/Naturwissenschaften:

↓10

Es wurde gleichzeitig darauf hingewiesen, dass „eine solch grobe Rasterung die Besonderheiten der Fächer aber nicht ausreichend abbildet“ und „dass die Ergebnisse eines Faches nicht 1:1 auf andere Fächer der gleichen „Gruppe“ übertragen werden können“ [5, S. 72].

Die SSG-Umfrage brachte außerdem die Erkenntnis, dass Bibliotheksbestände weiterhin eine große Rolle spielen. Eine „häufige Nutzung“ der Zeitschriften gaben 73 % der befragten Wissenschaftler an, für Bücher bestätigten dies 67 % der Befragten und für das Internet 71 %. Damit bildeten Bücher und Zeitschriften gemeinsam die meistgenutzte Informationsquelle [5, S. 72f.].

Für die Informationsbeschaffung wurde der lokalen Bibliothek mit 38 % insgesamt der höchste Erfolg bescheinigt, während das Internet mit 31 % erst danach folgte.

Die RSLG-Studie

↓11

Von den vorliegenden angloamerikanischen Studien war für unser Projekt vor allem eine von der Research Support Libraries Group in Auftrag gegebene Studie [7] von Interesse.

Die im Jahr 2001 durchgeführte Studie beruht auf den Daten von 1 428 Wissenschaftlern, die sich an der Umfrage per Fragebogen beteiligten; zusätzlich wurden die Antworten von 224 postgradualen jungen Wissenschaftlern separat ausgewertet. Befragt wurden Wissenschaftler aller Fachgebiete, die für die Auswertung zu fünf Fachgruppen zusammengefasst wurden (1 Medical & Biological Sciences, 2 Physical Sciences & Engineering, 3 Social Sciences, 4 Area Studies & Languages, 5 Arts & Humanities).

Die Studie kam – prinzipiell übereinstimmend mit der SSG-Studie – zu der Erkenntnis, dass Bücher und gedruckte Zeitschriften in allen fünf Fachgebieten als am wichtigsten angesehen werden (durchschnittlich 93 %; der Tiefstwert lag bei den Physical Sciences & Engineering bei immerhin 90 %; Höchstwert erreichten die Area Studies & Languages mit 98 %). Dagegen wurden elektronisch zugängliche Bücher und Zeitschriftenartikel nur von 59 % der Befragten für wichtig gehalten, wobei sich hier ein starker Unterschied zwischen den einzelnen Fachgebieten zeigte – das Spektrum reichte von den Arts & Humanities mit 30 % bis zu den Medical & Biological Sciences mit 80 %.

↓12

Die Informationssuche mithilfe von Suchmaschinen im World Wide Web stellte sich für alle Fachgebiete als eine bewährte Methode dar; unabhängig vom Fachgebiet sahen etwa 4 von 10 Befragten diese als „sehr wichtig“ an. Dagegen war die Nutzung anderer elektronischer Quellen stark fachgebietsabhängig. Zwar lag der Online-Katalog der eigenen Institutsbibliothek im Durchschnitt kurz vor der Wichtigkeit der Internetrecherche mittels Suchmaschinen, jedoch traten hier starke Differenzen auf. Während der OPAC in den Medical & Biological Sciences nur von 32 % der Befragten als wichtig angesehen wurde, war dies bei 68 % der Wissenschaftler aus den Area Studies & Languages der Fall. Auch bei den bibliographischen Datenbanken gab es eine starke Streuung in der Einschätzung der Wichtigkeit, nur 29 % der Wissenschaftler aus den Arts & Humanities fanden diese sehr wichtig, während von den Medizinern und Biologen 60 % der Wissenschaftler dieser Meinung waren.


Fußnoten und Endnoten

1  Die Abkürzung beruht auf dem Namen des Forschungsprojektes: „Studieren mit elektronischen Fachinformationen“. Die Projekthomepage befindet sich unter http://www.stefi.de.

2  Die Abkürzung ADL steht für das Unternehmen Arthur D. Little, Inc., das vom BMBF mit der Durchführung der Studie beauftragt wurde.

3  Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH.



© Die inhaltliche Zusammenstellung und Aufmachung dieser Publikation sowie die elektronische Verarbeitung sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung. Das gilt insbesondere für die Vervielfältigung, die Bearbeitung und Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme.
DiML DTD Version 4.0Zertifizierter Dokumentenserver
der Humboldt-Universität zu Berlin
HTML-Version erstellt am:
29.03.2007