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Einige Arten der Informationsbeschaffung werden von deutlich mehr als der Hälfte der Befragten selten oder gar nicht genutzt (Säulen 6 und 7 in den Histogrammen). Zettel- und Microfiche-Kataloge werden nur noch von einer kleinen Minderheit durchsucht. Jedoch ist auch die Nutzung einiger elektronischer Angebote, wie die Recherche in Web-Portalen, Eprint-Archiven und bibliographischen Datenbanken sowie die Durchsicht von elektronischen Fachzeitschriften nicht – vielleicht noch nicht – weit verbreitet.
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Wir unterscheiden die Nutzer nach ihrem Alter (unter 30 vs. ab 30) und ihrer fachlichen Orientierung (geistes- und sozialwissenschaftlich vs. natur- und technikwissenschaftlich). Das Informationsverhalten der nach diesen Merkmalen gebildeten vier Nutzergruppen unterscheidet sich signifikant, weicht jedoch bei einigen hier abgefragten Beschaffungsarten von Literatur nicht signifikant voneinander ab.
Die größten Unterschiede zwischen den vier Gruppen treten bei den fünf klassischen bibliotheksgestützten Beschaffungsarten auf. In 13 der 20 möglichen Fälle nutzen signifikant mehr bzw. weniger Vertreter einer Gruppe als erwartet die jeweilige Methode, um an benötigte Literatur zu kommen (Plus- oder Minuszeichen in Tabelle 4).
Es fällt auf, dass in allen diesen Fällen junge und ältere Nutzer niemals in die gleiche Richtung vom durchschnittlichen Verhalten abweichen und geistes- und sozialwissenschaftlich orientierte Nutzer nie in eine andere Richtung als natur- und technikwissenschaftliche der gleichen Altersgruppe. Beides gilt auch für die zweite Klasse von Beschaffungsarten (Teilfragen 6-10), die web-basiert oder bibliotheksgestützt sein können. Hier sind jedoch nur in fünf der 20 Fälle Abweichungen vom Durchschnitt zu beobachten.
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Bei den rein Web-basierten Methoden, wissenschaftliche Informationen zu recherchieren (Teilfragen 11 und 12), verhält sich keine der vier Gruppen von Nutzern besonders auffällig. In Fach-Portalen und Preprint-Archiven (Teilfrage 11) beschaffen sich in allen vier Nutzergruppen nur Minderheiten die von ihnen benötigte Literatur. Beim Suchen im Web (Teilfrage 12) überwiegen in allen vier Gruppen leicht diejenigen, die die benötigten Dokumente dort meistens oder öfters finden.
Ein Plus für junge sozial- und geisteswissenschaftlich orientierte Nutzer beobachten wir beim OPAC und bei den nur noch selten genutzten Zettel- und Microfiche-Katalogen, für junge natur- und technikwissenschaftlich orientierte bei der Durchsicht von Regalen in Bibliotheken. Wir führen das auf die größere Wichtigkeit von Büchern in der Ausbildungsphase zurück. Dass die sozial- und geisteswissenschaftlichen Studierenden mehr die Kataloge benutzen, liegt sicherlich daran, dass im Studium oft spezielle Quellen behandelt werden, während angehende Naturwissenschaftler Lehrbücher zu bestimmten Themengebieten – oftmals unabhängig vom Urheber – benötigen und deshalb mit einem „Browsen“ am systematisch geordneten Bibliotheksregal schneller die geeignete und verfügbare Literatur finden als durch Katalogsuche.
Ein Plus für ältere Nutzer jedweder fachlichen Orientierung ist bei der Durchsicht von gedruckten Zeitschriften und von Referenzenlisten zu verzeichnen. Relativ viele der natur- und technikwissenschaftlich ausgerichteten älteren Befragten sehen auch öfter elektronische Journale durch, relativ viele sozial- und geisteswissenschaftlich ausgerichtete erhalten Hinweise vom Bibliothekspersonal.
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Die meisten Unterschiede im Informationsverhalten, die wir beobachten, beziehen sich also auf das Alter. Dabei ist aber nicht erkennbar, dass die jungen Nutzer etwa stärker im WWW suchen oder weniger die Bibliothek besuchen. Vielmehr ist ihr Verhalten auf Spezifika der Ausbildungsphase zurückzuführen. Diese These wäre bei einer späteren Auswertung eventuell zu überprüfen durch eine differenzierende Betrachtung der untersuchten Nutzergruppen hinsichtlich ihres Ausbildungsstatus.
Innerhalb der beiden von uns gebildeten Altersgruppen sind nur einige wenige Unterschiede zwischen den Fächergruppen zu verzeichnen. Diese Unterschiede sind nicht so wesentlich, dass man mit ihnen unsere Ausgangshypothese des unterschiedlichen Informationsverhaltens der Fächer untermauern könnte, sie weisen aber auch nicht in die entgegengesetzte Richtung.
Es ist zu vermuten, dass die aus der SSG-Studie herauskristallisierten zwei „Kulturen“ des Informationsverhaltens in den Geistes- und Sozialwissenschaften bzw. der technischen und naturwissenschaftlichen Fachgebiete [5, S. 72] eine zu grobe Einteilung darstellen, um aussagekräftige Ergebnisse zum Informationsverhalten der verschiedenen Wissenschaftsgebiete zu erhalten. Ein Indiz hierfür gibt insbesondere die im Jahre 2004 durchgeführte Studie der DFG zum Informations- und Publikationsverhalten von DFG-geförderten Wissenschaftlern [6]. Diese Studie wertet das Wissenschaftlerverhalten nach der Zugehörigkeit zu vier Wissenschaftsbereichen aus: Geistes- und Sozialwissenschaften, Lebenswissenschaften, Naturwissenschaften und Ingenieurwissenschaften. Zwischen den drei letztgenannten Bereichen – die in unserer Auswertung zu Naturwissenschaften zusammengefasst wurden – bestehen teilweise erhebliche Unterschiede im Informationsverhalten. Es wurden aber auch innerhalb der gebildeten Wissenschaftsbereiche starke Unterschiede festgestellt: insbesondere zwischen Geistes- und Sozialwissenschaften. Für weitere Untersuchungen scheint also eine feinere Einteilung nach Fachgebieten sinnvoll zu sein.
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Unsere Hypothese, dass Literatur jetzt weniger in Bibliotheken und schon weitgehend im Web gesucht wird, kann nur sehr partiell bestätigt werden. Zwar ist die Nutzung von WWW-Suchmaschinen in allen betrachteten Nutzergruppen weit verbreitet, aber auch die klassische bibliotheksgestützte Suche ist keinesfalls aus der Mode gekommen. Diese Aussage muss relativiert werden, da wir vor allem Bibliotheksnutzer befragt haben.
Wir haben aber auch keine speziellen Nutzertypen – unabhängig von den vier analysierten Nutzergruppen – ausmachen können, die z. B. stark Bibliotheken nutzen und wenig im WWW suchen. Das eine impliziert fast immer das andere.
Mit diesen Ergebnissen können wir an jüngste Untersuchungen von Lutz Kreische [4] anknüpfen, der die Frage aufgeworfen hat, ob die empirisch belegte hybride Nutzung von Bibliotheken, d. h. die gleichzeitige Nutzung von elektronischen und konventionellen Angeboten der Bibliothek, durch verschiedene Nutzertypen oder den „hybriden Nutzer“ zustande kommt. Mit unserer Untersuchung denken wir, einen empirischen Beleg dafür erbringen zu können, dass es sich hier vor allem um den „hybriden Nutzer“ handelt. Unabhängig von den Fachgebieten ist eine starke Nutzung von Bibliotheksangeboten meist auch mit einer starken Nutzung des Internet verbunden, wohingegen eine seltene Nutzung von Bibliotheken häufig auch mit einer seltenen Nutzung des Internet korreliert.
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