4 Analyse von Patent- und Nicht-Patentliteratur

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Nachfolgend wird die Vorgehensweise zur Durchführung einer bibliometrischen Analyse beispielhaft auf der Grundlage von Patent- und Nicht-Patentliteratur vorgestellt. Bibliometrische Analysen von wissenschaftlicher Literatur sind nicht nur für den gesamten Forschungs- und Innovationsprozess von Bedeutung, sondern auch für Akteure aus Wirtschaft, Gesellschaft und Politik relevant. Die bibliometrischen Indikatoren, die aus wissenschaftlicher Literatur ermittelt werden, weisen jedoch auf die Anfangsphase des Innovationsprozesses und damit vom Markt weg.

4.1Patentinformationen als Indikatoren technisch-wissenschaftlicher Entwicklungen

Während in wissenschaftlicher Literatur der Stand von Forschung und Entwicklung dargestellt und Thesen innerhalb der Scientific Community diskutiert werden, sind Patentdokumente am Stand der Technik ausgerichtet. Mit ihren praktischen Ausführungsbeispielen richten sich Patente an den sogenannten Durchschnittsfachmann. Bei Patentanmeldungen kann davon ausgegangen werden, dass ein konkretes Ergebnis aus Forschungs- und Entwicklungsarbeiten vorliegt und dass der Anmelder aufgrund des Neuheitswertes auf einen ökonomischen Nutzen hofft.24 Der technische Fortschritt wird zudem in Patentdokumenten in einem relativ frühen Stadium dokumentiert.

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Es gibt eine Reihe von Indikatoren, die bei einer systematischen Auswertung von Patentliteratur herangezogen werden können. So kann beispielsweise die Gesamtzahl der in einem Bereich tätigen Anmelder und Erfinder als Früherkennungsindikator gewertet werden: Bei einer wachsenden Anzahl von Anmeldern und Erfindern sowie einer erhöhten Patentaktivität in einem begrenzten Zeitraum liegt die Vermutung nahe, dass innerhalb von bestimmten Technologiefeldern neue Problemlösungen erarbeitet werden konnten.

4.2 Konkurrenzanalysen zwischen Industrieunternehmen

Mit Hilfe einer Konkurrenzanalyse kann das Profil eines Unternehmens oder einer Forschungseinrichtung mit den anderen am Markt tätigen Institutionen verglichen werden. Die Beobachtung von Mitbewerbern ist unabdingbar, da in den unterschiedlichen Marktsegmenten oder Tätigkeitsbereichen verschiedene Anbieter gegeneinander konkurrieren. Eine Konkurrenzanalyse ist also ein Instrument, um sich am Markt zu behaupten oder Kollisionen zu vermeiden.

Zu Beginn einer derartigen Analyse erfolgt die Zusammenstellung von Stamm- oder Grunddaten der Konkurrenten (z. B. Umsatzgröße, Mitarbeiterzahl, Marktanteile oder Preisstrategie). Darüber hinaus müssen unternehmensrelevante Umfeld-Entwicklungen frühzeitig identifiziert werden. Mit Hilfe einer Analyse sollen Antworten auf typische Fragestellungen geliefert werden, beispielsweise auf die Fragen, welche Betätigungsfelder lukrative Entwicklungspotentiale bieten, welche Techniken in den nächsten Jahren anwendungsreif oder welches die wichtigsten Absatzmärkte für technische Lösungen sind.

4.3 Analyse und ihre Instrumente

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STN® AnaVistTM ist ein Analyse- und Visualisierungstool, das auf die CAS-Datenbank aufsetzt [21]. Diese Datenbank ist die umfassendste Sammlung von Veröffentlichungen aus dem Bereich der Chemie. Eine Recherche läuft mit Hilfe dieser Software im wesentlichen in folgenden Schritten ab: In einem ersten Schritt müssen die Daten gesammelt werden, d. h. über eine Suchanfrage wird ein Set von Dokumenten zusammengestellt (collect). Danach kann die Visualisierung der Daten beginnen (visualize). Dabei werden unterschiedliche Darstellungsformen systemseitig zur Verfügung gestellt (z. B. Balkendiagramme, Matrizen, Landscape). Eine Reihe von Features unterstützt das Erkunden der Daten (explore). So können beispielsweise über Filter-Funktionen Daten ein- oder ausgeblendet sowie Diagramme vergrößert und damit Details herausgezogen werden; einzelne Datensätze können farblich markiert und sortiert werden. AnaVistTM bietet vielfältige Möglichkeiten zum lokalen Speichern und Drucken der Ergebnisse (save and print).

4.3.1 Diagramme und Matrizen

Für die Rechercheergebnisse wird die Häufigkeit des Vorkommens von bestimmten Ergebnissen ermittelt. Häufigkeitsverteilungen beantworten beispielsweise die Fragen, wieviele Patente ein Erfinder angemeldet hat oder wieviele Patente in einem bestimmten Zeitraum angemeldet wurden. Nachfolgend werden zwei aufbereitete Datensätze vorgestellt, die mit Hilfe eines Tabellenkalkulationsprogramms erstellt wurden.25 In Abbildung 10 sind Forschungseinrichtungen und die Anzahl ihrer Veröffentlichungen zusammengestellt, erfasst wurden Patent- und Nicht-Patentliteratur. Bei den Einrichtungen handelt es sich nicht ausschließlich um Hochschuleinrichtungen.26

Die Forschungseinrichtungen können in drei Klassen eingeteilt werden: Einrichtungen, die ein hohes (Bereich 1), die ein mittleres (Bereich 2) und die ein geringes (Bereich 3) Publikationsaufkommen besitzen. Setzt man Publikationstätigkeit mit Forschungsintensität oder eingesetzten Forschungsmitteln gleich, sind die Einrichtungen aus dem Bereich 1 intensiv, die Einrichtungen aus dem Bereich 2 gelegentlich und die aus dem Bereich 3 selten in dem betrachteten Forschungsbereich tätig.

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Abb. 10: Forschungseinrichtungen und ihre Publikationstätigkeit

Mit Hilfe von STN® AnaVistTM können insbesondere Publikationen analysiert werden, denen sogenannte Technologie-Indikatoren zugeordnet sind. In der nachfolgenden Abbildung 11 ist die Entwicklung dieser Indikatoren für die Zeitsegmente 1975-1990, 1975-2000 und 1975-2006 aufgetragen. Ein Vergleich dieser drei Segmente zeigt, dass insgesamt ein Anstieg der Publikationstätigkeit in den Jahren 1975 bis 2006 zu verzeichnen ist. Der Indikator „Ceramics“ liegt mit großem Abstand im letzten Zeitsegment an der Spitze, es folgen leicht absteigend die anderen Indikatoren. Im Gegensatz zum Zeitsegment 1975 bis 2006 zeigt das mittlere Zeitsegment 1975 bis 2000 deutliche Sprünge zwischen den einzelnen Indikatoren. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass sich in den zurückliegenden Jahren die Forschungsaktivitäten insgesamt verbreitert haben, also neue Technologiebereiche für Unternehmen an Interesse gewonnen haben.

Abb. 11: Technologie-Indikatoren in unterschiedlichen Zeitsegmenten

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Rechercheergebnisse können auch in Form von Matrizen dargestellt werden. Es gibt eine Reihe von unterschiedlichen Auswertungsmöglichkeiten: Die Verteilung von Patent- und Nicht-Patentliteratur, die Häufigkeit von Erfindern oder die Häufigkeit von Anmeldern wird über die Software AnaVistTM in sogenannten Charts zusammengefasst. Diese eröffnen für Nutzer vielfältige Interaktionsmöglichkeiten.

4.3.2 Research Landscape

Auf einer topographischen Karte können Recherchedaten ausgebreitet werden. Jedes Dokument ist als Punkt innerhalb dieser Landschaft wiederzufinden. Erhebungen in der Karte, also Berge, sind als zusammenhängende Cluster von Dokumenten mit ähnlichem Inhalt gekennzeichnet. Die Höhe der Gebirgszüge macht eine Aussage über die Häufigkeit der Suchergebnisse; die räumliche Nähe der Gebirgszüge steht in Beziehung zur inhaltlichen Nähe zwischen den Dokumenten (vgl. Abb. 12). Ähnliche Inhalte werden auf der Grundlage einer Analyse von signifikanten Begriffen (Terms) der Titel- und der Abstractdaten herausgearbeitet. Beim Überstreichen der Landschaft mit dem Curser werden weitere Begriffe in der Research Landscape mit der Häufigkeit ihres Vorkommens angezeigt.

Abb. 12 Projektverwaltung und Visualisierung mit Hilfe von STN® AnaVistTM

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Das System bietet darüber hinaus eine Reihe von ausgefeilten Funktionalitäten und Interaktionsmöglichkeiten: Dokumente können markiert und farblich hervorgehoben, Bereiche der Research Landscape können vergrößert und unterschiedliche Perspektiven auf die Karte gewählt werden. Die Bildschirm-Oberfläche der Software AnaVistTM ist übersichtlich gestaltet, sie ist in drei Bereiche unterteilt: Verwaltung der Rechercheergebnisse in Projektordnern (linke Bildschirmleiste), Darstellung der Rechercheergebnisse beispielsweise in Form einer Research Landscape (Hauptfenster) und Anordnung der Schaltflächen in einer Menüleiste (obere Bildschirmfläche).


Fußnoten und Endnoten

24  „Patente werden für Erfindungen erteilt, die neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind.“ § 1 PatG – Patentfähige Erfindung, URL: http://bundesrecht.juris.de/patg.

25  Die Rechercheergebnisse können über AnaVistTM im CSV-Format auf dem lokalen Rechner gespeichert werden.

26  Zur Erläuterung der Graphik: Die Namen der jeweiligen Institutionen sind im Diagramm aus Platzgründen nicht aufgeführt.



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04.04.2007