NORDEUROPAforum
Zeitschrift für Politik,
Wirtschaft und Kultur
ISSN 1863639X
1/2005
15. Jahrgang (8. der N.F.)
Seiten 92-96

Ivo Asmus, Heike Droste und Jens E. Olesen (Hgg.): Gemeinsame Bekannte. Schweden und Deutschland in der Frühen Neuzeit. Münster: LIT Verlag 2003, 448 S., (= Geschichte, Forschung und Wissenschaft; 2/ Publikationen des Lehrstuhls für Nordische Geschichte; 4).

Die Geschichte des Ostseeraumes zu untersuchen und über das Medium einer internationalen Zeitschrift, die sich mehrsprachig und interdisziplinär ausschließlich der Geschichte der Ostsee und ihrer Anrainer widmet, einen Dialog über Quellen und Projekte zu führen, ist dem Vorwort von Gemeinsame Bekannte zufolge die Aufgabe der Forschung für die Zukunft. In diesem Sinne wollen die Herausgeber den vorliegenden Band als einen Schritt auf dem Weg der weiteren Vernetzung der Historiker des Ostseeraumes und ihrer Forschungsthemen verstanden wissen. Vereint wurden hier insgesamt 24 Beiträge erfahrener wie jüngerer Historiker, die aus dem Umfeld von Dissertationen oder längerfristigen Forschungsvorhaben hervorgegangen sind. Allen gemein ist, dass sie Themen aus der frühen Neuzeit behandeln. Ansonsten handelt es sich um ein Sammelsurium an Themen, die sich oft nur marginal berühren und trotz der umsichtig gewählten Einteilung in vier Themengruppen bisweilen bezugslos nebeneinander stehen.

Im ersten Teil des Werkes geht es um die kulturellen Beziehungen zwischen Deutschland und Schweden, der dann so weit von einander entfernt liegende Themen wie das magische Bewusstsein in der spätmittelalterlichen Volksfrömmigkeit am Beispiel des Bistums Lübeck, den fürstlichen Außenhandel am Ende des 16. Jahrhunderts, die wirtschaftlichen Beziehungen der Hansestadt Hamburg mit Schweden oder die Freimaurerei im Schwedisch-Pommern des 18. Jahrhunderts umfasst. Im ersten Abschnitt des Buches fallen vor allem drei Texte positiv auf:

Der Aufsatz von Hans-Jürgen Vogtherr behandelt Gustav Vasas Werbung um Katharina von Sachsen-Lauenburg im Spiegel der Briefe seines Lübecker Faktors Hinrick Niebur. Es ist eine solide Übersicht, die sich in der Darstellung der verschiedenen Versuche Gustav Vasas, unter den europäischen Herrscherhäusern eine Ehefrau zu finden, die seiner jungen Herrschaft die noch fehlende Reputation im europäischen Adel geben konnte, in großen Teilen auf bereits vorhandene Untersuchungen stützt. Der Briefwechsel des Hinrick Niebur wird dabei vorrangig zur Bestätigung der bereits vorhandenen Darstellungen insbesondere im Zusammenhang mit der Werbung um Katharina von Sachsen-Lauenburg genutzt. Vogtherr stellt deutlich die Verquickung von Vasas Brautwerbung mit seiner finanziellen Abhängigkeit von der Stadt Lübeck sowie die nicht zuletzt finanziellen Risiken heraus, die sein Lübecker Faktor im Zusammenhang mit dieser Brautwerbung eingegangen ist. Dadurch entsteht eine detailreiche Darstellung der schwierigen Verhandlungssituation, in der sich Hinrick Niebur befand. Des Weiteren wird deutlich, in welchem Maße sich dieser als Diener seines schwedischen Auftraggebers fühlte.

Eine äußerst gelungene Darstellung legt Simone Giese mit ihrem Aufsatz über die Bildungsreisen des schwedischen Adels zu Beginn der frühen Neuzeit vor. Sie konzentriert sich in ihrer Abhandlung auf die Peregrinatio academica und die Kavaliersreise, bei denen Ausbildung und Erziehung den Schwerpunkt des Reiseziels bilden. Giese zeichnet dabei den langsam verlaufenden Wechsel von der einen zur anderen Reiseform während des 16. und 17. Jahrhunderts und ihre unterschiedlichen Schwerpunkte nach und betont dabei ausdrücklich die Unterschiede hinsichtlich ihrer Studieninhalte und räumlichen Ausdehnung am Beispiel der Familie Oxenstierna. Zwar merkt man dem Aufsatz an, dass er als kurze Fassung aus einer längeren Dissertation bzw. Arbeit entstanden ist. Die klar strukturierte Einführung in die Thematik bietet jedoch auch dem thematisch unkundigen Leser einen guten Einblick. Die beiden Anhänge sind angesichts der zahlreichen im Aufsatz erwähnten Personen mehr als hilfreich.

Der Aufsatz von Ludwig Biewer über das Bild Gustavs II. Adolf in der Geschichtsschreibung konzentriert sich bei seiner Betrachtung auf die beiden Ende des 19. Jahrhunderts bedeutendsten Historiker Schwedens und Deutschlands: Reinhold Koser und Harald Hjärne. Im Jahr 1913 wurde die Deutsch-Schwedische Vereinigung gegründet, deren Ziel die Förderung des Kulturaustauschs zwischen den beiden Ländern war. Anlässlich des Jahrestages der Schlacht von Lützen und des Todestages von Gustav II. Adolf hielt die schwedische Abteilung dieser Vereinigung ihre Jahresversammlung ab, bei der Harald Hjärne seine Festrede zum Thema “Wasa und die Hohenzollern” hielt. Dieser Vortrag gelangte in der gedruckten Fassung zu Kaiser Wilhelm II., der den führenden Historiker des deutschen Kaiserreiches vor dem Ersten Weltkrieg, Reinhold Koser, um eine Wertung der Ausführungen Hjärnes bat. Biewer zitiert diese Bewertung Kosers zum Schluss seines Aufsatzes ausführlich und wertet sie als ein gutes Zeugnis für den Begutachteten ebenso wie für den Gutachter: Beide, so Biewer, maßen die Leistungen Gustavs II. Adolf mit den Maßstäben der Zeit, in der er handeln musste. Biewers Wertung ist geprägt von Sachlichkeit, wie er sie sowohl den beiden Historikern des ausgehenden 19. Jahrhunderts als auch deren Urteil über Gustav II. Adolf bescheinigt. Biewers Aufsatz ist trotz oder vielleicht gerade wegen seiner Kürze schlüssig, thematisch auf den Punkt gebracht und in sich rund.

Der zweite Teil trägt die Überschrift Biographien. Hier werden die Lebenswege einiger, für die deutsch-schwedischen Verhältnisse der frühen Neuzeit bedeutender und mehr oder weniger einflussreicher Zeitgenossen beschrieben. Arne Losman geht in seinem Aufsatz auf den in Helmstedt lehrenden schwedischen Physikprofessor Nicolaus Andreæ Granius und seinen bisweilen schwierigen Weg zu einer ordentlichen Professur ein. Dessen Karriere hatte ihren Höhepunkt kurz vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges, wobei seine Verdienste eher in seiner pädagogischen denn forschenden Tätigkeit zu finden sind. Losmans biografischer Abriss ist kurz und prägnant formuliert und bietet als einer der wenigen schwedischsprachigen Texte dieses Bandes eine noch ungewohnte Perspektive auf den wissenschaftlichen Austausch zwischen Europa und Skandinavien in der frühen Neuzeit.

Daniel Höffker und Beate-Christine Fiedler liefern mit ihren Aufsätzen zum hessischen Ratsherren und Diplomaten im schwedischen Dienst in der Grafschaft Hessen-Kassel, Hermann Wolff, und die Rolle, die jener für den schwedischen Reichskanzler Axel Oxenstierna spielte, sowie dem biografischen Abriss über den Diplomaten und Kanzler in den schwedischen Herzogtümern Bremen und Verden, Esaias von Pufendorf, personenbezogene und in ihrer Kürze dennoch detailreiche Einblicke in die diplomatischen Beziehungen zwischen der Großmacht des Nordens und zweier mit ihr verbündeter deutscher Grafschaften bzw. Herzogtümer. Wolff war hauptsächlich während des Dreißigjährigen Krieges für die schwedische Krone tätig, von Pufendorf vor allem in der Zeit nach dem Westfälischen Frieden. Zudem waren beide in unterschiedlichen Regionen und dadurch als Mittler von unterschiedlichen Bündnispartnern Schwedens beauftragt. Dennoch oder gerade deswegen ergänzen sich die beiden Aufsätze und bieten erstmals eine thematisch engere Verknüpfung innerhalb des Bandes. Die drei übrigen Aufsätze dieses Abschnitts behandeln wieder für sich stehende Themen. So untersucht Ivo Asmus die vom Grafen Carl Gustav Wrangel testamentarisch vererbten Grundbesitztümer insbesondere in Schweden-Pommern, Nils Jörn widmet sich den Familienbeziehungen am Wismarer Obertribunal in der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg und Dirk Schleinert geht aus einem familiengeschichtlichen Interesse heraus der Frage nach, wie die Familie von Lepel an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert zu ihren Besitztümern in Wieck gekommen ist. Der Aufsatz des schwedischen Professors Sven Lundkvist über die Schwierigkeiten bei der Publizierung der Briefe Axel Oxenstiernas gehört als einziger thematisch nicht eindeutig in den Kreis der biografischen Fragestellungen, wirkt damit etwas deplatziert und stört so ein wenig das Gesamtbild dieses zweiten Abschnittes.

Der dritte Teil der Gemeinsamen Bekannten widmet sich den deutschen Provinzen Schwedens. Auch hier seien drei Beiträge besonders hervorgehoben:

Patrick Reslow zeigt die Gründe für die andauernden Diskussionen in der frühen Neuzeit bezüglich der schwedischen Machtausübungsansprüche in Schweden-Pommern auf. Während Schweden, ähnlich wie Frankreich, im 16. und 17. Jahrhundert eine Zentralisierung der Macht durchlebte, was auch eine Zentralisierung des Rechtswesens zur Folge hatte, blieben im Heiligen römischen Reich deutscher Nation die mittelalterlichen politischen Strukturen mit ihren zahlreichen Kleinstaaten bestehen. Eine Zentralisierung des Rechtswesens war unmöglich, da eine politische Zentralmacht fehlte, die diese hätte steuern können. So entstand die Konkurrenzsituation zwischen Reichskammergericht und Reichshofrat, was wiederum den Machtanspruch Schwedens in den deutschen Provinzen zum Streitthema der Zeit werden ließ.

Jürgen Bohmbach untersucht, inwiefern die beiden Herzogtümer Bremen-Verden und Pommern unter der schwedischen Krone in unterschiedlichem Maße zur Finanzierung etwa des Heeres herangezogen wurden und somit entsprechend ihrer Größe und wirtschaftlichen Lage in unterschiedlich starker Ausprägung finanziell unter der schwedischen Vorherrschaft litten. Für Bremen-Verden kann Bohmbach zumindest konstatieren, dass das Herzogtum relativ zu seiner ökonomischen Potenz stärker belastet war als Pommern und dass es somit durch die schwedische Herrschaft wirtschaftlich gravierend zurückgeworfen wurde. Dieser Rückstand, so Brohmbach, konnte erst im 19. Jahrhundert langsam wieder aufgeholt werden. Brohmbach will seinen Aufsatz vor allem als Einstieg und Anregung für weitere mikroökonomische Forschungen im Zusammenhang mit den deutschen Provinzen Schwedens, vor allem aber als Anregung für eine komparative Untersuchung der beiden Herzogtümer unter der schwedischen Herrschaft verstanden wissen. Das ist ihm mit seinem Aufsatz hervorragend gelungen.

Einen in der historischen Forschung ungewöhnlichen Untersuchungsschwerpunkt stellt Joachim Krüger mit seinem Aufsatz über den Lotshafen Grünschwade am Peenestrom und den zwischen Schwedisch- und Preußisch-Pommern geführten Kleinkrieg um Lizenzen vor. Angestoßen durch ein Projekt des Landesverbandes für Unterwasserarchäologie Mecklenburg-Vorpommern zeichnet er in seinem Aufsatz knapp und eindrucksvoll die Geschichte des Hafens bzw. Schiffsankerplatzes Grünschwade von seiner ersten bis zu seiner letzten urkundlichen Erwähnung in der Neuzeit nach.

Der vierte Abschnitt ist mit Krieg und Militär betitelt und versammelt Untersuchungen über die Regentschaft Christians IV. im Hinblick auf Pommern und Rügen. Jens E. Olesen zeigt in seinem auf Dänisch verfassten Aufsatz, dass Rügen und Pommern eine wichtige Rolle sowohl im Reichsrat als auch in der königlichen Politik Dänemarks spielten und ein entscheidender Faktor im Machtkampf zwischen Dänemark und Schweden um die Vorherrschaft im Ostseeraum im 17. Jahrhundert waren. Henning Langenbach diskutiert in seinem Aufsatz die Frage, welche Rolle der Festungsbau in Göteborg als Motor für die Konjunktur und das Bevölkerungswachstum in der neu gegründeten, noch jungen Stadt hatte. Er zieht dazu einerseits Daten zur Entwicklung der wichtigsten Verbrauchssteuer in der Stadt sowie deren relative Bevölkerungszahlen heran und gleicht sie andererseits mit den Ergebnissen seiner Untersuchungen zum Göteborger Festungsbau zwischen 1619 und 1660 ab. Herbert Langer und Maren Lorenz widmen sich dem Garnisonswesen Pommerns im 17. Jahrhundert. Während Langer dessen Anfänge in der ersten Hälfte des Jahrhunderts behandelt, liefert Lorenz Einblicke in das Justizwesen des schwedischen Militärs, insbesondere in das Verhältnis von Rechtsnorm und Alltag in der Garnisonsstadt Stralsund in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts. Auch diese beiden Aufsätze, am Schluss des vorliegenden Bandes stehend, bieten eine thematisch engere Verknüpfung und runden die Gemeinsamen Bekannten erfolgreich ab.

Bei den meisten Autoren dieses Bandes fällt ein angenehm unprätentiöser Sprachstil auf. Zwar verweisen die Autoren in verschiedenem Maße auf weiterführende Literatur und geben unterschiedlich ausführlich die Quellen und Sekundärquellen zu ihrem Forschungsthema an. Insgesamt bietet die Lektüre von Gemeinsame Bekannte aber eine gut zu rezipierende, vielseitige und hilfreiche Einführung in die Kontakte zwischen Deutschland und Schweden in der frühen Neuzeit.

Franzisca Priegnitz (Berlin)