NORDEUROPAforum
Zeitschrift für Politik,
Wirtschaft und Kultur
ISSN 1863639X
2/2008
18. Jahrgang (11. der N.F.)
Seiten 7-51

Textanfang

Zusammenfassung

Summary

Einleitung

Zur Entwicklung des nordischen

Entstehung und Programm der No

Die „Gleichschaltung“ der Nord

Distanz und Ablehnung in Norde

Rivalität mit Ribbentrop

Die Nordische Gesellschaft nac

Der Niedergang der Nordischen

Schluss

Fußnoten


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Alfred Rosenberg und die Nordische Gesellschaft

Der „nordische Gedanke“ in Theorie und Praxis

Birgitta Almgren / Jan Hecker-Stampehl / Ernst Piper

Zusammenfassung

Dieser Beitrag widmet sich der Entstehung, der „Gleichschaltung“ sowie dem Ausbau und Niedergang der Nordischen Gesellschaft mit besonderem Fokus auf ihre führende Gestalt Alfred Rosenberg. Dabei werden zunächst der ideengeschichtliche Hintergrund und die organisationsgeschichtlichen Grundlagen dargelegt. Im Kern des Textes geht es um die Tätigkeit der Nordischen Gesellschaft in der Zeit des „Dritten Reichs“ unter der Schirmherrschaft Rosenbergs. Als Quellenmaterial werden neben Archivmaterial auch die Veröffentlichungen der Nordischen Gesellschaft herangezogen.

Summary

This contribution traces the emergence, Gleichschaltung, expansion and demise of the Nordische Gesellschaft [Nordic Society] with a special focus on its leading protagonist Alfred Rosenberg. In the beginning of the article, the history of ideas and the organisational foundations of the society are being set as a background. In the main part of the text the Nordische Gesellschaft’s activity during the “Third Reich” and under Rosenberg’s auspices is being analysed. Sources used comprise both archival material as well as the NG’s own publications.

Birgitta Almgren ist Professorin für Deutsch am Center for Baltic and Eastern European Studies an der Hochschule Södertörn in Stockholm. Kontakt: birgitta.almgren@sh.se. Jan Hecker-Stampehl ist wissenschaftlicher Mitarbeiter für nordeuropäische Geschichte am Nordeuropa-Institut der Humboldt-Universität zu Berlin. Kontakt: Jan.Hecker-Stampehl@staff.hu-berlin.de. Ernst Piper ist Privatdozent für Neuere Geschichte an der Universität Potsdam. Kontakt: ernst@ernst-piper.de.


Einleitung

Die Nordische Gesellschaft und ihr spiritus rector, Hitlers „Chefideologe“ Alfred Rosenberg (1893–1946), sind in jüngster Zeit wieder Gegenstand der Forschung geworden. Der Name der Gesellschaft ebenso wie die Namen ihrer führenden Vertreter, zu denen mehrere prominente Nationalsozialisten und Vordenker des nordischen Gedankens gehörten, verwiesen auf einen zentralen Aspekt in der NS-Ideologie. Schien man mit dem „Nordischen“ nicht einen der elementaren Bestandteile nationalsozialistischen Denkens aufgegriffen und für praktische Politik und die Gestaltung der Beziehungen zu Nordeuropa nutzbar gemacht zu haben? Doch obgleich die Nordische Gesellschaft qua Namensgebung und Zielsetzung den Kern dieser Ideologie zu treffen glaubte, hat sie letztlich nie die Wirkungskraft entfaltet, die ihr Rosenberg oder andere Füh-rungspersonen gerne zusprachen. In diesem Beitrag sollen Entstehung, „Gleichschaltung“, Ausbau und Niedergang der Nordischen Gesellschaft mit besonderem Fokus auf die Person Alfred Rosenbergs dargestellt werden. Dabei werden zunächst der ideengeschichtliche Hintergrund und die organisationsgeschichtlichen Grundlagen dargelegt. Im Kern des Textes geht es dann um die Tätigkeit der Nordischen Gesellschaft (NG) in der Zeit des „Dritten Reichs“ unter der Schirmherrschaft Rosenbergs. Welche Ziele setzte sich die NG auf außenpolitischem und ideologischem Gebiet? Welche Stellung kam ihr im Machtkampf innerhalb des NS-Regimes um die außenpolitische Kompetenz für Nordeuropa zu? Wie versuchte man, die Nordeuropäer von der Attraktivität des nordischen Gedankens zu überzeugen und auf welche Reaktionen traf man? Wie lässt sich das Scheitern der NG nachvollziehen und deuten? Als Quellenmaterial werden neben Archivmaterial auch die Veröffentlichungen der Nordischen Gesellschaft herangezogen.

Zur Entwicklung des nordischen Gedankens

Noch bevor die Nationalsozialisten das Konzept vom nordischen Menschen in ihrer Kulturpolitik formulierten, war der Norden seit Jahrhunderten Gegenstand romantischer Vorstellungen und Teil der Kulturmode in Deutschland gewesen. Die alte Wikingerwelt, die Edda-Mythen und die Saga-Literatur regten immer wieder die Phantasie an. Die deutsch-nordeuropäischen Verbindungen und gegenseitigen Einflüsse in Literatur, Kunst, Philosophie und Musik waren rege und vielfältig.1 Durch die alljährlichen „Nordlandreisen“, die Kaiser Wilhelm II. seit 1889 unternahm, war Skandinavien in den Blickpunkt der deutschen Medienöffentlichkeit gerückt. Auch die Bilder des schwedischen Künstlers Carl Larsson in seinem Buch Haus in der Sonne hatten in Deutschland großen Erfolg. Um die Jahrhundertwende spielten deutsche Theater Strindberg, Ibsen und Bjørnson. Rezensenten lobten den „germanischen“ Sinn für individuelle Eigenart und Kraft. ,Natürlich’, ,gesund’ und ,sauber’ wurden zu positiv aufgeladenen Schlüsselwörtern, die später vom Nationalsozialismus übernommen wurden.

Eine romantische Germanen-Ideologie, die das Deutsch-Germanisch-Nordische vermengte, hatte sich bereits in Johann Gottfried Herders Aufsatz „Iduna oder der Apfel der Verjüngung“ aus dem Jahr 1796 angekündigt.2 Die von den deutschen Romantikern verwendeten positiv konnotierten Begriffe ,germanisch’ und ,nordisch’ wurden von den Nationalsozialisten schließlich als positive Schlüsselwörter übernommen und mit rassistischen Komponenten versehen. Im NS-Diskurs wurden ,deutsch’, ,germanisch’ und ,nordisch’ allerdings als semantisch unbestimmte Synonyme verwendet. Die positiv aufgeladenen Begriffe wurden aus der geschichtlichen Realität herausgelöst und zu einem zeitlosen ideologischen Gemenge vermischt. Eine diskursive intertextuelle Kette aus Bildern des Nordens verband Fragmente aus der Germania des römischen Geschichtsschreibers Tacitus mit Texten von Montesquieu und Rousseau bis zu Comte de Gobineau, Houston Stewart Chamberlain, Hans F. K. Günther und Alfred Rosenberg. Textverfasser nahmen Elemente aus älteren Texten auf, indem sie für neue Zusammenhänge neue Texte konstruierten. Der Tacitus-Einschlag war frappant: Die Nordländer/Germanen seien Ureinwohner (bei Tacitus indigenae) und in sehr geringem Grad durch Zuwanderung oder durch Aufnahme fremder Stämme vermischt (minimeque mixtae).3 Noch heute berufen sich Neonazis in Schweden auf Tacitus. Auf Flugblättern wird ermahnt: „Entdecke dein nordisches Erbe! Lies Cornelius Tacitus’ Germania!”4

Der erste, der über eine nordische Rasse dozierte, war der französisch-russische Anthropologe Joseph Deniker in seinem 1900 publizierten Werk Les races et les peuples de la terre. Die meisten Rassentheoretiker des 19. Jahrhunderts hatten noch von ‚Ariern’, ‚Teutonen’ oder ‚Indo-Europäern’ gesprochen; populär wurde ‚nordisch’ als Rassebezeichnung jedoch erst in den 1920er Jahren, und zwar ohne dass der Begriff ‚arisch’ davon scharf abgegrenzt worden wäre. Hans Friedrich Karl Günther übernahm den französischen Begriff race nordique von Deniker, übersetzte ihn 1922 als nordische Rasse und platzierte diese am höchsten unter den biologisch determinierten Menschenrassen.5 1923 tauchte schließlich auch der Begriff „nordischer Gedanke“ erstmals in Schriften Günthers und anderer Autoren auf, die Geoffrey Field als „nordische Schule“ bezeichnet hat.6 Zum Zeitpunkt der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ 1933 konnte Günther auf eine seltsame Karriere zurückblicken: Er war weder Biologe noch Anthropologe, sondern hatte als Germanist über mittelalterliche Volksbücher und Märchen promoviert. 1920 hatte er in seinem Buch Ritter, Tod und Teufel nationalistische und rassistische Vorstellungen propagiert. Zwei Jahre später gelang ihm mit der populärwissenschaftlichen Schrift Rassenkunde des deutschen Volkes, in der er die seinerzeit gängigen Rassentheorien zusammenfasste, ein gewaltiger Durchbruch, der sich zu einem lang anhaltenden Erfolg auswuchs. 1933 erschien die sechzehnte Auflage dieser „Bibel der nordischen Schule“7, 1944 belief sich die Gesamtauflagenzahl auf eine halbe Million.8

Bei Günthers Gedankenkonstrukten und Pseudotheorien handelte es sich keinesfalls um gänzlich neue Ideen. In seinen Ausführungen, dass alle Hochkulturen der Welt von der nordischen Rasse geschaffen seien, die sich in „nordischen Wellen“ über Europa verbreitet hätten, lassen sich Olof Rudbecks Gedanken aus dem 17. Jahrhundert erkennen.9 Teilweise sind auch Vorstellungen von Carl von Linné ersichtlich, der von einem homo europaeus als dem „Salz der Erde“ gesprochen hatte. Linnés Klassifikation des Menschengeschlechts nach physischen und psychischen Eigenschaften in seinem Buch Systema Naturae von 1773 war einflussreich geworden. Es handelte sich hier folglich um „neualte“ Gedanken, die ideologisch aufgeladen und funktionalisiert wurden.

Günther, der die Rassentheorien popularisierte, lebte wie er lehrte, und heiratete ein „nordisches Mädchen“, die norwegische Musikstudentin Maggen Blom, die er in Dresden kennen gelernt hatte.10 1925 zogen sie nach Norwegen, später nach Schweden, wo Günther bei Hermann Lundborg am Rassenbiologischen Institut in Uppsala als wissenschaftlicher Assistent arbeitete.11 Die Nationalsozialisten brauchten ihn aber in Deutschland: Gegen die Proteste des Rektors, der Fakultät und der Professorenschaft der Universität Jena wurde er 1930 zum Professor für Sozialanthropologie nach Jena berufen. Der prominente Nationalsozialist Wilhelm Frick – seit dem 23. Januar Innen- und Volksbildungsminister Thüringens – hatte die Ernennung Günthers gegen alle Widerstände durchgepeitscht.12 Am 15. November 1930 hielt Günther vor einer überfüllten Universitätsaula in Anwesenheit Hitlers unter dem Titel Die Ursachen des Rassenverfalls des deutschen Volkes seit der Völkerwanderungszeit seine Antrittsvorlesung. Nach der Vorlesung sagten weder Rektor noch Dekan ein einziges Wort. Am Abend wurde ein Fackelzug durch Jena veranstaltet – nachgerade wie in einer Vorbereitung auf die Manifestationen der Machtübernahme des Nazi-Regimes am 30. Januar 1933.13

Nordische Träume und Vorstellungen einer nordischen Gemeinschaft sollten während der NS-Diktatur stark besetzte Themen werden. Dabei konnte man auf Norden-Schwärmereien und andere Vorstellungen zurückgreifen, die sich bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts ausgebildet hatten. Der Norden wurde ein Projektionsraum deutscher Sehnsüchte nach Schönheit. Reinheit und Stärke wurden oft diffus als der „nordische Gedanke“ apostrophiert.14 Rassentheoretiker verkündeten, dass die führenden Völker der Erde diejenigen mit stärkerem nordischem Einschlag seien. Trotz der Vermengung der deutsch-germanisch-nordischen Begrifflichkeiten behielt das Schlagwort von der „nordischen Rasse“ ideologische Hegemonie. Ein probates Heilmittel gegen den Niedergang und Verfall der Kulturen wurde mit dem Unwort Aufnordung empfohlen. Meyers Lexikon von 1936 führte zu diesem Lexem auf „[d]as Bestreben, in einem aus mehreren Rassen gemischten Volk den Anteil der nordischen Rasse zu erhöhen (entsprechende Gattenwahl, Erhöhung der Fruchtbarkeit nordischer Familien)“15. In einem anderen Lexikoneintrag wurde das Eintreten der Nordischen Bewegung „für Wiederaufnordung auf allen Gebieten“ erwähnt.16 Der nordische Gedanke und der Glaube an die große Weltmission der nordischen Rasse war auch der Kern von Alfred Rosenbergs Mythus des 20. Jahrhunderts aus dem Jahre 1930.17 

Noch in den 1920er Jahren war es allerdings keineswegs ausgemachte Sache, dass der nordische Gedanke in die nationalsozialistische Ideologie integriert würde. Während Hitler bemüht war, den Nationalsozialismus als Weltanschauung auf der Grundlage moderner wissenschaftlicher Erkenntnisse zu verorten, brauchte er gleichzeitig die Hilfe seines Chefideologen Rosenberg, um einen traditionellen, mystisch überhöhten, rassistischen Nationalismus zu legitimieren. Für Rosenberg war nur dem nordischen Menschen das wahrhaft Schöpferische gegeben. Der Mythos des nordischen Blutes wurde zudem mit dem Mythos der drohenden jüdischen Weltherrschaft kombiniert. Im Nationalsozialismus kam diesen Vorstellungen eine wichtige Rolle bei der Legitimierung einer aggressiven Außenpolitik zu: Das Abendland müsse durch eine geistig-kulturelle Expansion gerettet werden – eine „Neuordnung“ Europas stehe bevor. Was Günther, Chamberlain und andere entwickelt hatten, griff Rosenberg nun auf und entwickelte seine persönliche, vereinfachte Variante daraus, die zudem nicht in gleichem Maße auf rassenbiologischen Prämissen beruhte wie etwa bei Günther. Rosenberg begriff den nordischen Gedanken, den er zur „ideellen Leitgröße aller Lebensbezüge“18 überhöhte, von vornherein auch als machtpolitisches Mittel und machte so dessen Instrumentalisierung für die nationalsozialistische Außenpolitik möglich. Auch wenn Hitler nie vollends hinter dem „nordischen Gedanken“ stand, so war doch Rosenbergs Nordenbild, das Finnland mit einschloss und die deutsch-nordischen Beziehungen in den Kontext der Abwehr einer vermeintlichen bolschewistischen Gefahr stellte, auf Dauer gesehen durchaus nützlich.19 

Entstehung und Programm der Nordischen Gesellschaft

Die Nordische Gesellschaft wurde am 22. September 1921 in Lübeck im Anschluss an eine dort vom 1. bis zum 11. September 1921 stattfindende „Nordische Woche“ als private Vereinigung gegründet. Die Leitung des Sekretariats hatte seit der Gründung Dr. Ernst Timm inne. Als Ziel setzte sich die Gesellschaft selbst die „Förderung und Vertiefung der kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und den nordischen Ländern“20. Ihre Aufgaben sah sie in der Pflege der wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen im Ostseeraum, wobei der Schwerpunkt auf deutscher Seite besonders auf Lübeck, „die deutsch-nordische Großstadt des Mittelalters“21 gelegt wurde. Rosenberg stellte 1934 fest, „daß, treu ihrer alten Überlieferung, dieses Haupt der einstigen Hanse nunmehr eine Zentrale für eine neugeartete Zusammenarbeit Skandinaviens und der Ostseevölker zu werden verspricht“22. Allerdings war man von Anfang an bemüht darauf hinzuweisen, dass die Gesellschaft „keine Angelegenheit von lokaler Bedeutung“ sei und ihre Arbeit nicht nur Deutschland, sondern „alle Ostseestaaten“ angehe, und es ihr Bestreben sei, „den Wirtschafts- und Kulturkreis der Ostsee wieder zu schaffen, der durch fast jahrhundertelange Unachtsamkeit sowie Ungunst der ökonomischen und politischen Entwicklung zerbröckelt ist“23.

Die Verbindung zwischen kulturellen und wirtschaftlichen Aspekten wurde besonders betont. Örtliche Niederlassungen der Nordischen Gesellschaft wurden in Anlehnung an die Hansegeschichte als „Kontore“ bezeichnet, die Zentrale in Lübeck als „Reichskontor“. Die im Norden anzusiedelnden Kontore sollten die deutsch-skandinavischen Beziehungen vertiefen, die in Deutschland selbst zu gründenden der „Vertiefung der Kenntnisse über den ‚Norden‘“ dienen.24

Mit einem einzigen Wort konnte man ein ganzes Geschichtsbild heraufbeschwören, das in einer späteren Publikation der NG nach der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ wie folgt zusammengefasst wurde:

In der großen Zeit der Hanse ist noch einmal ein einigendes Band um die Völker an der Nord- und Ostsee geschlungen worden. Mit dem Verfall dieses gewaltigen freien Städtebundes aber schien die Trennung zwischen dem deutschen Volke und den nördlichen Völkern endgültig geworden zu sein.25

Vor dem Hintergrund dieses Geschichtsbildes sah sich die NG seit ihrer Gründung in der Pflicht, diese von ihr postulierten historischen Bande wiederherzustellen. Die hanseatischen Anspielungen wurden von Timm mit der „Verquickung von Kultur und Wirtschaft“ begründet. Die Gemeinschaft zwischen Deutschland und dem Norden spiele sich eben bei den Wirtschaftskontakten „im Rahmen persönlicher Beziehungen ab, und das ist in besonders starkem Maße der Fall im hanseatisch-nordischen Handelsverkehr: deshalb sind Kultur und Wirtschaft hier unzertrennlich und fördern sich wechselseitig“26.

Die Nordische Gesellschaft nahm schon in den 1920er Jahren für sich in Anspruch, die „größte Vereinigung auf ihrem Arbeitsgebiet“ zu sein, und führte ihre umfassendere Herangehensweise als Grund ihres Erfolgs an. Anders als andere Vereinigungen ähnlicher Art sei man nicht „auf ein einziges der nordischen Länder beschränkt“27 oder nicht auf nur eine bestimmte Sparte der Kontaktarbeit mit dem Norden:

Eben die Zusammenfassung aller an der Ostsee interessierten Länder auf allen in Frage kommenden Gebieten hat für die Arbeit der Nordischen Gesellschaft diejenige Grundlage gegeben, die sie berufen sein läßt, eine Arbeit zu leisten, die vielleicht über die bloße Förderung und Vertiefung der Beziehungen im üblichen Sinne ähnlicher Vereinigungen hinausgeht und für eine weitgehende und entscheidende Neubelebung des Ostseekomplexes in wirtschaftlicher und kultureller Richtung wirkt.28

Die NG entwickelte eine rege Publikationstätigkeit, mit der man die eigene Programmatik zu popularisieren suchte. So wurde das erstmals 1914 herausgegebene, wegen der Ereignisse des Ersten Weltkriegs zwischenzeitlich eingestellte und erst ab 1921 wieder erscheinende Deutsch-nordische Jahrbuch für Kulturaustausch und Volkskunde ab 1924 zugleich auch zum Jahrbuch der Gesellschaft.29 Das Jahrbuch war vom Deutsch-Nordischen Touristen-Verband begründet worden und publizierte neben landeskundlichen Artikeln Essays und Berichte über Kulturveranstaltungen mit nordeuropäischem Bezug.

Von zentraler Bedeutung war außerdem eine zunächst unter dem Titel Nordische Blätter veröffentlichte monatliche Zeitschrift, die 1924 von der zunächst 14-täglich, später monatlich erscheinenden Ostsee-Rundschau abgelöst wurde. Auch sie war ursprünglich keine Publikation der Nordischen Gesellschaft, wurde aber von dieser übernommen.30 Sie griff vornehmlich Wirtschaftsthemen auf und druckte Artikel wie „Der Außenhandel der nordischen Länder und Deutschlands“31 und zudem in fast jeder Ausgabe einen „Wirtschaftlichen Rundblick“ sowie einen „Ostsee-Frachtenbericht“. Ein Kulturteil rundete das Bild mit Feuilletons, Novellen und Ähnlichem ab. Gelegentliche historische Beiträge dienten einer kulturellen Untermauerung der wirtschaftlichen Ideen, wie etwa ein längerer Artikel des Historikers Fritz Rörig zur Hansegeschichte32 oder ein Beitrag unter der kuriosen Überschrift „Wie viele Brotsorten gibt es in Schweden?“33. Zu den Autoren zählten auch skandinavische Vertreter. Man verstand sich nicht nur als Informationsorgan, sondern versuchte auch, „Grundsätze einer künftigen deutschen Ostseehandelspolitik“34 auf die politische Tagesordnung zu setzen, ohne allerdings damit Erfolg zu haben.35 Immer wieder wurde die Gefahr beschworen, dass Deutschland seine wirtschaftliche Flanke in Richtung Ostseeraum nicht hinreichend absichere.

Als ein Ziel der Ostsee-Rundschau wurde ausgegeben, „die Zeitschrift so aufzuziehen, daß sie als größte und maßgebende Zeitschrift auf ihrem Gebiet mit ähnlichen in englischer Sprache im Norden erscheinenden Publikationen konkurrieren kann“36. Den westeuropäischen Ländern gelinge es von Jahr zu Jahr mehr, „das Interesse Skandinaviens von Deutschland ab- und dem Westen hinzuziehen“37. Auch im Deutsch-Nordischen Jahrbuch äußerte sich Timm in ähnlicher Manier – er war der Meinung,

daß die Gefahr nicht von der Hand zu weisen ist, Deutschland könne, abgesehen davon, daß es auf dem Gebiete der Weltwirtschaft in die Ecke gedrückt ist, auch noch die Seitenfühlung nach Norden hin dadurch […] verlieren, daß sowohl Deutschland wie Skandinavien aneinander vorbei und parallel miteinander nach Westen schauen38

Mit der Konsolidierung der weltwirtschaftlichen Lage wurde auch die Umstellung von einer wirtschaftszentrierten „zu einer rein unterhaltenden Zeitschrift“ begründet. Damit versuchte man sich auch von anderen Publikationen wie der in Kiel herausgegebenen Deutsch-Nordischen Zeitschrift und der Nordischen Rundschau des Nordischen Instituts an der Universität Greifswald abzugrenzen.39 

Die Nordische Gesellschaft konnte vor 1933 in gewissem Umfang eine Rolle im öffentlichen Leben Lübecks besetzen. Die Nordische Verkehrs GmbH, welche der NG gehörte und sich dem Skandinavientourismus widmete, gewährleistete eine stabile Finanzlage und stellte die Möglichkeit für Mitgliederreisen bereit.40 Neben Publikationen versuchte man, durch Vortragsabende, Vorführungen von Filmen (z. T. auch Eigenproduktionen der NG), Konzerte und Ausstellungen, den nordischen Gedanken zu popularisieren. Das von der Nordischen Gesellschaft begründete Deutsch-Nordische Schriftstellerhaus in Travemünde diente dem Zusammentreffen nordeuropäischer und deutscher Autoren. Als Hauptorganisatorin nutzte die Nordische Gesellschaft auch die Gelegenheit der 700-Jahrfeier Lübecks 1926 in hohem Maße zur Selbstdarstellung. Das Jahr 1931 wurde zum „Ostsee-Jahr“ ausgerufen, mit dem Ziel, Verkehr und Tourismus auf der Ostsee zu befördern und neben den deutschen Ostseestädten auch die nordischen Länder stärker in die Arbeit einzubeziehen.41 Es ging vor allem darum, der deutschen Bevölkerung den nordischen Gedanken näher zu bringen, was auch Ziel einer „Nordisch-Deutschen Woche für Kunst und Wissenschaft“ am 15.–23. Juni 1929 war, die Kultur-, Wissenschafts- und Sportveranstaltungen bot und mit prominenten Vortragsgästen (u. a. Reichsaußenminister Stresemann) zu locken suchte.42 Neben diese Aktivitäten trat das von der NG betriebene Nordische Pressebüro, welches die deutsche Tagespresse regelmäßig mit Meldungen und längeren Artikeln über die Ostsee-Anrainerstaaten versorgte. Das Nordische Pressebüro arbeitete auch mit deutschsprachigen Publikationen im Ausland zusammen, wie etwa den in Helsinki publizierten Deutsch-Finnischen Nachrichten.43 

Die „Gleichschaltung“ der Nordischen Gesellschaft

Die Ausgabe von Meyers Lexikon 1940 charakterisierte die Nordische Gesellschaft als „dt. kulturpolitische Organisation zur Pflege des nordischen Gedankens […] in Deutschland und den stammverwandten Ländern des Nordens auf der Grundlage wechselseitigen Verständnisses; 1921 gegr.; erhielt erst nach 1933 Bedeutung“44. Letzteres war eine durchaus zutreffende Einschätzung. Tatsächlich bemühten sich die nationalsozialistischen Machthaber nach der „Machtergreifung“ 1933, schon vorhandene Kulturorganisationen zu übernehmen, die Vertrauen im Ausland erworben hatten. Dabei wurde deren „Gleichschaltung“ angestrebt, so auch im Fall der Nordischen Gesellschaft, die bis dahin unabhängig von staatlichen oder parteipolitischen Einflüssen geblieben war und nun einer nationalsozialistischen Führung unterstellt wurde. Die NG hatte sich den neuen Machthabern aber auch bereits selber angedient, als Timm im Mai 1933 in Berlin Alfred Rosenberg aufsuchte. Bei Folgetreffen war teilweise auch Rosenbergs Privatsekretär, der damals erst 23 Jahre alte Student Thilo von Trotha anwesend, der auch Leiter des Länderreferats „Norden“ des am 1. April 1933 neu gegründeten und von Rosenberg geleiteten Außenpolitischen Amtes der NSDAP (APA) war. Anstatt diese Nordabteilung weiter auszubauen, wurde die NG dem APA de facto zugeordnet.45

Mit ihren langjährigen Beziehungen zu den skandinavischen Ländern und ihrer Einarbeitung in die nordische Thematik wurde die Nordische Gesellschaft als Hüterin des Norden-Mythos betrachtet.46 Man erhoffte sich neben dieser ideologisch-legitimatorischen Aufgabe nach innen aber auch einen Ausbau der Beziehungen zu Nordeuropa und eine Erhöhung der Akzeptanz des NS-Regimes nach außen.

Die Nordische Gesellschaft war nicht die einzige Organisation, die den nordischen Gedanken proklamierte. Zahlreiche „germanische“ und „nordische“ Glaubensgenossenschaften wie die Nordische Bewegung, der Nordische Ring, der Mittgart-Bund, der Ring der Norda, die Wikinger-Jungenschaft und der Bund Kinderland – um nur einige zu nennen – gehörten zu den „Nordgesinnten“ mit den disparatesten all-nordischen Gedanken.47 Aber sie alle wurden an die Seite gedrängt, als Hans F. K. Günther, der ideologische Frontmann und Rassentheoretiker, die Nordische Gesellschaft mit emotional gefärbten, religiös konnotierten Worten lobte. Ihre Mitglieder seien als „Bekenner“ des nordischen Gedankens die besonders „Nordischgesinnten“. Die Vordenker der NG wiederum wussten um Günthers Bedeutung für ihre ideologischen Wurzeln und dankten es ihm entsprechend.48 Euphorisch schrieb von Trotha im Juli 1933 an seinen Lehrer Günther, wie er sich die Arbeit der Gesellschaft für die Zukunft vorstellte: „Wir [das APA] können aus der NG jetzt machen, was wir wollen und haben es in der Hand, in ihr ein getarnt politisches Seitenstück zur SS zu schaffen, das mühelos den nordischen Gedanken in andere Länder verpflanzen kann.“49 Die Nordische Gesellschaft bestimmte nun das Bild, was die Arbeit für den nordischen Gedanken betraf; konkurrierende Organisationen wurden aufgelöst oder wurden Teil der NG, so etwa der Nordische Ring, der sich vor allem um die Popularisierung des nordischen Gedankens in der deutschen Bevölkerung kümmern sollte.

Gleich nach der “Machtergreifung“ der Nationalsozialisten 1933 bekam die Nordische Gesellschaft somit ihre kulturpolitische Funktion im ideologisch-propagandistischen Gefüge des „Dritten Reichs“ zugewiesen. Alfred Rosenberg wurde Schirmherr der Gesellschaft, und durch diese Verbindung wurde die Gesellschaft dem APA mit dem politischen Mandat unterstellt, alle deutsch-nordischen kulturellen Vereine zu verbinden.50 Sie sollte die Aufklärungstätigkeit organisieren – der Begriff Propaganda durfte dabei nicht gebraucht werden.51 Wegen der Organisation von Vortragsveranstaltungen in Dänemark, Norwegen und Schweden bestand Kontakt zum Auswärtigen Amt (AA). In einer Abmachung zwischen dem Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund, N.S.D., und der Nordischen Gesellschaft in Lübeck im November 1934 verpflichtete sich die Nordische Gesellschaft, den N.S.D. „bei allen Plänen und Absichten, die das Arbeitsgebiet der Nordischen Gesellschaft betreffen, mit allen Kräften zu unterstützen“.52 Der Vorstand der Nordischen Gesellschaft zeigte sich bereit, die nationalsozialistische Politik mit Rat und Tat zu unterstützen. Für Rosenberg, der sich Hoffnungen auf einen Staatssekretärsposten im AA oder sogar das Amt des Außenministers selbst gemacht hatte, schien sich mit dem Aufbau des APA in Verknüpfung mit der Schirmherrschaft über die Nordische Gesellschaft die Möglichkeit zu ergeben, „seine ideologischen Entwürfe wenigstens zum Teil in die Praxis umzusetzen. […] Die Idee eines Bündnisses mit England gegen den ‚jüdischen Bolschewismus’ war im ‚Mythus’ um das Konzept einer Verteidigung der weißen Rasse, Hand in Hand mit den skandinavischen Staaten, erweitert worden.“53 

Timm blieb 1933 im Amt und wurde Reichsgeschäftsführer. Ihm zur Seite stand ein Großer Rat, der „ausschließlich aus führenden Persönlichkeiten der NSDAP“ zusammengesetzt war.54 Der Große Rat hatte elf Mitglieder, wobei sich auch hier die polykratische Struktur des NS-Staates bemerkbar machte. Der Lübecker Bürgermeister Drechsler vertrat die regionalen Kräfte, und er war zugleich Präsident des Kleinen Rats. Regierungsrat Bogs war der Repräsentant des AA, Theodor Adrian von Renteln war Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages, Dr. Falk Ruttke vertrat den Reichsausschuss für Volksgesundheit, und Dr. Völker war Treuhänder der Arbeit für das Wirtschaftsgebiet Ostmark. Auch der NS-Blut-und-Boden-Ideologe Walther Darré, nunmehr Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft, gehörte dem Großen Rat an wie auch, dem Propagandaministerium zuzuordnen, der Präsident der Reichsschrifttumskammer Hans-Friedrich Blunck. Leiter der Nordischen Gesellschaft war der Gauleiter und nunmehr Reichsstatthalter von Mecklenburg-Lübeck Friedrich Hildebrandt. Die prägende Persönlichkeit aber in diesem Kreis wurde Alfred Rosenberg. Außer Otto von Kursell, dem baltischen Mitstreiter aus Münchner Tagen, und ihm selbst gehörten noch seine beiden engsten Mitarbeiter, der Gesandte Werner Daitz und von Trotha, dem Großen Rat an.

Hatten sich die Aktivitäten bisher auf Lübeck konzentriert, wurde nun überall im Reich die Gründung weiterer Kontore forciert. Vorsitzender des Ost-Kontors war Erich Koch, Vorsitzender des Kiel-Kontors Hinrich Lohse, der 1935 Leiter der Gesellschaft wurde; sie beide wurden später Reichskommissare in den besetzten Ostgebieten. Der zuvor erwähnte Renteln, der aus Russland stammte, wurde später Generalkommissar in Litauen. Der durch von Trotha aufgebrachte Plan, Hans F. K. Günther in den Großen Rat oder gar zu dessen Vorsitzenden zu berufen, wurde wieder fallen gelassen.55

Reichsgeschäftsführer Timm beschrieb die Aufgaben der Nordischen Gesellschaft 1934 folgendermaßen:

Sie will als treue Dienerin am ganzen Neuaufbau des deutschen Volkes vor allem dazu beitragen, daß sich die Menschen in Deutschland in stetig wachsendem Maße ihrer nordischen Ursprünge bewußt werden. Sie will immer wieder darauf hinweisen, daß uns die eigentlich lebendige Kraft nicht aus der Übernahme fremder Kultureinflüsse zuwächst, sondern nur aus der Pflege der stamm- und artverwandten Beziehungen. Sie wünscht zu erreichen, daß das ganze deutsche Volk nicht mehr wie in all den letztverflossenen Jahrhunderten wie hypnotisiert nach Westen und Süden schaut, sondern sich seinen eigenen Ursprüngen im Norden und Osten zuwendet.56

Diese Reorientierung hin zu den eigenen Wurzeln im Norden ging auf Rosenbergs Bemühungen zurück, einen wissenschaftlichen Beweis für seine Theorie eines nordischen Urvolks als Wiege der Menschheit zu erbringen. Im Mythus, aber auch in anderen Schriften hatte er die These formuliert, dass „‚Ursprungsort’ und ‚Ausstrahlungspunkt’ aller großer Kulturen […] die Region im ‚hohen Norden’“57 sei. Im Hintergrund standen die Auffassungen der Theoretiker, welche eine norddeutsch-skandinavische Heimstatt der ‚nordischen Rasse’ ausgemacht zu haben glaubten.58 Aus dieser gemeinsamen Heimat ließen sich Legitimationsstrategien für die deutschen Hegemonialbestrebungen ableiten, für die NG stand zunächst aber die Frage der eigenen Ausrichtung im Raum.

Laut Timm war die Nordische Gesellschaft keine internationale Organisation, „sondern ein rein deutscher Zusammenschluß“. Ziel sei zwar primär die Arbeit innerhalb Deutschlands, um das, was man als aus dem Norden stammende eigentliche Wesenszüge der Deutschen bezeichnete, wieder aufzubauen. Dazu, so Timm, bedürfe es aber des Kontaktes mit den skandinavischen Völkern, welche ursprünglicher geblieben seien und die man gerne als Vermittler des „Nordischen“ sehen würde. Kulturelle und persönliche Kontakte wollte man „so eng wie möglich“ gestalten und skandinavische Aktivitäten entsprechender Art in Deutschland unterstützen, während man sich aus Nordeuropa gleichzeitig größere Aufgeschlossenheit dem nationalsozialistischen Deutschland gegenüber erhoffte.59 Der nordische Gedanke wurde dabei selbstverständlich hervorgehoben: „Wenn Deutschland wieder gesunden will, so muss es für immer sein Gesicht vom Süden ab und dem Norden zuwenden.“60

Die nationalsozialistische Propaganda im Ausland sollte unter dem Deckmantel traditioneller deutscher Kultur arbeiten. Die kulturelle Tarnung, die man dabei verwenden sollte, wird anhand folgender Formulierung in einer Denkschrift von 1934/1935 deutlich: „Gegen gemeinsame Tagungen von Gelehrten, Operngastspiele usw. lässt sich nichts Greifbares ins Feld führen.“ Die Nordische Gesellschaft arbeitete auch Empfehlungen für das außenpolitische Vorgehen aus:

Die Reihenfolge der drei außenpolitischen Truppenteile muss, jedenfalls für den Norden, genau umgekehrt sein als bisher: Voran die Kulturpolitik, hinterher die Wirtschaft, zum Schluss die eigentliche Außenpolitik. [...] Jeglicher Begriff einer Kulturpropaganda jedoch, den gerade die mit feinnervigem Ehrgefühl ausgestatteten Völker des Nordens durchaus nicht vertragen, muss vermieden werden. Schon der Schein einer ,Propaganda´ kann hier schädlich wirken, und Deutschland täte gut daran, sich eines alten englischen Grundsatzes zu bedienen, nämlich: wenig zu reden, aber viel und mit leichter Hand zu handeln.61

Konkreter Hintergrund für solche Überlegungen war eine wachsende Distanz zwischen Nordeuropa und dem „Dritten Reich“. Die Nordische Gesellschaft hatte starke negative Reaktionen in Schweden auf die nationalsozialistische Machtübernahme registriert und war beunruhigt:

Die starke Abkühlung des Verhältnisses zwischen Schweden und Deutschland hat bei uns viel Kopfzerbrechen gemacht. Sie hat mehrere Ursachen: Einmal die rote Regierung Schwedens, zum anderen die üble Haltung der großteils marxistischen, jüdischen, liberalen schwedischen Presse, zum Dritten den Umstand, dass auch deutschfreundliche Schweden den Vorgang der Revolution in Deutschland nicht begreifen. Auch die Emigranten spielen hier eine üble Rolle. Alle diese Umstände sind allerdings von Deutschland nicht in genügendem Grade gekannt und beachtet worden. Das schwedische Volk jedoch, das muß hier festgehalten werden, ist nach wie vor in seiner Grundhaltung deutschfreundlich, da sich eine generationenlange Freundschaft zwischen Völkern eben nicht in wenigen Monaten völlig wegradieren läßt. Daß das heutige Deutschland so vielfach nicht begriffen wird, ist angesichts der Größe und Konsequenz der Umwälzung ja vielleicht zu verstehen. Wirklich verstanden wird das neue Deutschland wohl nur von dem heranwachsenden Geschlecht in Schweden.62

Man war sich also der Gefahr durchaus bewusst, dass die Tätigkeit der NG in Schweden zu dem Eindruck führte, man verfolge im Norden „verkappte politisch-geistige Expansionsbestrebungen“63. Timm kritisierte 1936 aber auch die „überwiegende und stark lähmende Passivität der nordischen Länder auf dem Gebiet deutsch-nordischer Arbeit“. Man beginne dort erst langsam einzusehen, dass „dieses neue Deutschland keine Gefahr, sondern vielleicht sogar eine Rückendeckung für die nordischen Länder bedeutet“.64 

Neben dieser Selbstkritik stand jedoch auch eine durch die eigenen ideologischen Konstrukte bestärkte Selbsttäuschung. Insgesamt wurde die Situation eher positiv beurteilt. Die Vorstellungen einer nordischen, verwandten Mentalität würde eine kulturpolitische Eroberung des Nordens erleichtern. Denn im Grunde stehe „die deutsche Mentalität allen Nordländern sehr nahe und die Einflüsse von Deutschland her sind in jeder Weise durchaus lebendig“65. Die Beweise dafür meinte die Nordische Gesellschaft beispielsweise in den Schriften Verner von Heidenstams zu finden, der 1934 als erster von der NG mit dem so genannten Ehrensiegel „für besonders um Deutschland verdiente Nordländer“ geehrt wurde.66 

Für 1934 verzeichnete Timm „für die Nordische Gesellschaft ein Jahr rascher Ausdehnung in die Breite und Tiefe“. Die Zahl der Kontore, die sich über fast ganz Deutschland erstreckten, reichte nun an die 25.67 Die Arbeit der NG wurde im Rundfunk als „überzeugendes Bekenntnis dafür […], daß Deutschland und der Norden in ihrer rassischen Verbundenheit eine Einheit sind“, gewertet.68 Timm selbst vertrat 1934 das Selbstverständnis der NG als Sammelbecken „für alle die Bestrebungen und Gedankengänge, die sich dem heutigen deutschen Volk mit dem Worte ,nordisch’ verbinden“. Allerdings unterschied er zwischen diesem Ziel für die Arbeit in Deutschland und der Außenwahrnehmung.

Der Ausdruck [‚nordisch’, die Verf.] neigt von der skandinavistischen [sic!] Seite her ins Politische, und das ist ein Gebiet, das die Nordische Gesellschaft nicht zu betreten gedenkt. […] Wir müssen ausgehen von dem Nordischen als Begriff von Rasse und Volkstum. […] Zunächst einmal hat der nordische Gedanke in Deutschland in dieser Beziehung mit den skandinavischen Ländern als solchen gar nichts zu tun.69 

Diese publizierte Äußerung kann man durchaus als Maskierung von in Wahrheit weiter gehenden Interessen verstehen. Ein Schreiben von Trothas an Walther Darré hatte schon 1933 darauf hingewiesen, dass es gegenüber dem Norden durchaus um mehr ging:

Die Nordische Gesellschaft hat natürlich nach außen hin in erster Linie wirtschaftliche und kulturelle Ziele. Die nunmehr getroffene Gleichschaltung ist aber in dem Sinne erfolgt, daß gewissermaßen ‚unter der Decke’ außenpolitische und rassische Ziele durch die NG angestrebt werden sollen. Die NG ist dafür ein umso besseres Instrument, als sie in Skandinavien und Finnland einen guten Namen hat und das Wort ‚nordisch’, das die Gesellschaft eingebürgert hat, das aber nur im Sinne von ‚skandinavisch’ zu verstehen war, für uns von einer erfreulichen Doppeldeutigkeit ist.70

Bis heute sind die Begrifflichkeiten, mit denen man über „Skandinavien“ und den „Norden“ redet, unklar und verschwommen – meint man eine geographische Region (Skandinavien = Dänemark, Norwegen, Schweden) oder eine kulturell konstruierte regionale Identität (Norden = Skandinavien plus Finnland und Island)?71 Wer heute in deutschen Milieus von „nordisch“ spricht, riskiert aufgrund der nationalsozialistischen Konnotierung, dass ihm eine entsprechende politische Position unterstellt wird. In den skandinavischen Sprachen hingegen ist „nordisk“ bis heute ein zunächst unverdächtiger Begriff, auf dessen ideologische Aufladung im deutschen Sprachgebrauch in der Zeit des „Dritten Reichs“ deutlich verwiesen werden muss.

Für Rosenberg und die Kreise in der Nordischen Gesellschaft war der Norden-Begriff ein „rassisch“ bzw. „rassisch-geographisch“ konnotierter Begriff, der sich auf den „Nordischen Menschen“ und damit die „Nordische Rasse“ bezog, weniger also auf eine scharf abgegrenzte geographische Region. In Nordeuropa aber war „nordisk/nordisch“ ein Begriff, um eine supranationale Identität des Nordens wie auch eine demokratisch-freiheitliche politische Kultur zu bezeichnen. Natürlich gab es in Nordeuropa ebenfalls Sympathisanten des Nationalsozialismus und seines Verständnisses von „Norden“ und „nordisch“ sowie Vertreter der nordischen Rassenideologie72. Diese nahmen Kontakte zu Rosenberg wie auch zu Günther und Darré auf, in der Hoffnung, dass eine aus dem „Dritten Reich“ erwachsende pan-nordische Bewegung engere Bindungen an Deutschland mit sich bringen würde.73 Letztlich konnten diese Kreise jedoch zu keinem Zeitpunkt Deutungshoheit in ihren Ländern erlangen.

Die Doppeldeutigkeit des Norden-/Nordisch-Begriffs erachtete man innerhalb der Nordischen Gesellschaft nur für die Agitation in Richtung Nordeuropa als günstig. Der Pressedienst der NG bemühte sich, in Deutschland einen im Sinne des nordischen Gedankens angebrachten, „präziseren“ Sprachgebrauch durch Empfehlungen zu verbreiten. So wandte man sich in einer Mitteilung „gegen die Mode, Bücher wegen ihrer geographischen Herkunft als ‚nordisch’ zu bezeichnen“. Was im Kontakt mit Nordeuropa als begriffliche Unschärfe in Kauf genommen wurde, sollte in Deutschland selbst nicht fahrlässig gehandhabt werden:

Der ‚Schrifttumsdienst Nord’ schlägt deshalb vor:

1. Das Wort ‚nordisch’ möge nur verwendet werden, wenn die weltanschauliche Haltung im Sinne des Nordischen Gedankens einwandfrei klar ist. Besondere Vorsicht sei in der Verwendung der Bezeichnung bei deutschen Büchern zu empfehlen.

2. Im geographischen Sinne verwende man die Ländernamen und Länderbezeichnungen, die bei weitem inhaltvoller und charakteristischer sind als der Sammelbegriff ‚nordisch’, der eine Vielheit von fünf Staaten, die unter den verschiedensten Bedingungen stehen, umfaßt. Im anderen Fall ersetze man ‚nordisch’ durch ‚nordländisch’.74

Die Publikationstätigkeit wurde breit angelegt fortgesetzt. Die Ostsee-Rundschau änderte 1934 ihren Namen in Der Nordische Aufseher, 1935 bis zu ihrer Einstellung 1944 trug sie dann den Namen Der Norden.75 Die Zeitschrift war unter all diesen wechselnden Titeln für die Pflege der wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen mit Nordeuropa zuständig. Kurze Zusammenfassungen der Zielsetzungen der NG tauchten immer wieder auf, ansonsten bot man eine Mischung aus landeskundlichen Beiträgen, Wirtschaftsreporten und Belletristik und druckte Grußworte, Berichte und Redenauszüge von den Reichstagungen ab. Es fanden sich aber auch Texte zu Rassenfragen, so etwa ein Beitrag „Die ewige Stimme des Blutes“ vom Leiter des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP Walter Gross76 oder „Über das Wesen des Nordischen“ aus der Feder Thilo von Trothas77. Unter dem Deckmantel der germanischen Altertumskunde konnte man außerdem pseudo-wissenschaftliche Rechtfertigungen der expansiven deutschen Aggressionspolitik ab Ende der 1930er Jahre finden.78

Neben diese Zeitschrift trat eine weitere, die Rasse79, die 1934–1944 erschien und den nordischen Gedanken in Deutschland verbreiten sollte. Sie widmete sich primär rassenbiologischen Fragen und den sich daraus ergebenden geopolitischen Problemen, Fragen der „Rassenhygiene“ sowie dem Zusammenhang zwischen Rasse und Kultur. Eine Analyse dieser Zeitschriften zeigt die vier Hauptkomponenten dieses nordischen Gedankens:

1. Existenz einer nordischen Rasse von unvergleichbarem Wert,

2. Bedrohung der nordischen Rasse,

3.  Katastrophenszenario: Der Untergang der nordischen Rasse bedeutet den Untergang des Abendlandes,

4. Aufartung und Aufnordung als Heilmittel.

Ergänzt wurde das Publikationsangebot durch einen Wirtschaftsinformationsdienst, der unter den Namen Wirtschaftsdienst Nord (1935) bzw. Wirtschaftswart Nord (1936–1944) vom Reichskontor der NG herausgegeben wurde und der dem außenhandelspolitischen Interesse, wie es schon in der ‚alten’ NG vor 1933 präsent gewesen war, Rechnung trug. Seit Kriegsausbruch erhielt das Thema neue Züge und trat vor den Hintergrund der wirtschaftlichen Hegemonialbestrebungen Deutschlands.

Die Reichstagungen der Nordischen Gesellschaft 1934–1939

Zu den Höhepunkten im Veranstaltungsleben wurden die so genannten Reichstagungen. Die erste Tagung der Nordischen Gesellschaft unter neuen Vorzeichen fand im Juni 1933 statt. Diese Veranstaltung erhielt bereits durch eine „höchst markante Ansprache des Reichsleiters Alfred Rosenberg“80 besondere Bedeutung, galt allerdings noch nicht als Reichstagung. Die erste Reichstagung fand ein Jahr später statt. Ihr folgten bis einschließlich 1939 fünf weitere, die jeweils in Lübeck abgehalten wurden. Hitler nahm an keiner einzigen Tagung teil. Im Jahr 1940 ließ die weltpolitische Konstellation eine weitere Tagung nicht angeraten erscheinen: Dänemark und Norwegen waren inzwischen von deutschen Truppen besetzt, Schweden hatte sich im beginnenden Weltkrieg neutral erklärt, und Finnland war in einem geheimen Zusatzprotokoll zum Hitler-Stalin-Pakt der sowjetischen Einflusssphäre zugeschlagen worden. Dies alles war 1933 noch nicht absehbar gewesen. Rosenbergs Ansprache richtete sich „ausdrücklich an die Verständigungsbereitschaft der ausländischen Gäste“81, auf die nicht zuletzt eine Berufung auf Martin Luther Eindruck machen sollte:

Ein Vergleich des nationalsozialistischen Umbruchs sei nur mit der Epoche Martin Luthers zu ziehen: wie damals mittelalterliche Geborgenheit zusammengebrochen sei, Stellung zum Schicksal der Epoche genommen werden musste, innere Revolution wurde, was heute nach nur 400 Jahren schon als Tradition gilt, – das sei als Symbol einer, nun wiederholten Abkehr von innerlich überwundenen Kräften der Vergangenheit zu bewerten.82

Allerdings, so fühlte sich Rosenberg bemüßigt hinzuzufügen, gebe es einen Unterschied zwischen der lutherischen Revolution und der nationalsozialistischen, „nämlich die Stützung der neuen Weltanschauung durch militärisch-politische Machtposition des Staates“83. Das nationalsozialistische Liebeswerben um den Norden, die „nordische Arbeit“, kam nicht aus ohne den Verweis auf das altbekannte „und bist Du nicht willig, so brauch ich Gewalt“84. Doch vordergründig war von nordischer Schicksalsgemeinschaft die Rede; von nordischer Einigkeit hänge „letztlich die Existenz der weißen Rasse überhaupt“ ab85.

Ende Mai / Anfang Juni 1934 fand die erste Reichstagung der Nordischen Gesellschaft statt. Rosenberg hielt auf dem Lübecker Marktplatz eine Rede zum Thema Europa, der Norden und Deutschland86. Diese Rede widmete sich Nord- und Osteuropa und ergänzte so die Überlegungen, die Rosenberg zwei Jahre zuvor auf dem Europa-Kongress in Rom vorgetragen hatte. Dort war es vor allem um die europäischen Mächte Großbritannien, Frankreich und Italien gegangen. Nun, nachdem am 30. Januar 1933 der „vierzehnjährige Seelenkampf“87 zu Ende gegangen war, standen der Donauraum und der Ostseeraum im Mittelpunkt der Betrachtungen, war für den Balten Rosenberg der Traum in greifbare Nähe gerückt, dass die Allgemeinheit im Ostseeraum und nicht am Mittelmeer die Urheimat aller wahren Kultur sehen könnte. „Die Ostsee war einmal ein Mittelpunkt europäischer Weltpolitik“88, schwärmte er in Lübeck.

Ausgangspunkt von Rosenbergs Betrachtungen war das erneuerte Deutschland, wo sich nach der „Machtergreifung“ „in vielen Seelen die Vereinigung aller in ihnen enthaltenen volksschirmenden Bemühungen“89 vollzogen habe. Mit Deutschland, dem größten mitteleuropäischen Staat, müsse wieder gerechnet werden. Zugleich brauche der Ostseeraum „ein organisch gegliedertes Lebenssystem“, das allen das ihre zukommen lasse. Nur so ließen sich die „seelischen Voraussetzungen“ für ein „weitblickendes kulturelles und politisches Zusammenwirken“ schaffen.90 Leider fehlte es den umworbenen Skandinaviern am erwünschten Weitblick. Die Gesandten der skandinavischen Staaten hatten das anfänglich übernommene Protektorat über das Musikfest wieder niedergelegt und waren der Tagung ferngeblieben.91 Der enttäuschte Rosenberg vermerkte in seinem Tagebuch:

Die schmollenden amtlichen Vertreter Skandinaviens waren allerdings nicht gekommen, ihre marxistischen u. sonstigen Regierungsoberhäupter fürchten vielleicht doch eine Ansteckung durch Vernunft. Skandinavien ist es zu gut gegangen, es ist satt u. faul geworden. Die Wikinger sind ausgewandert, die Bürger zurückgeblieben. Erst ein schweres Schicksal wird das alte Blut wieder rebellisch machen können.92

Prophetische Worte, die aber nicht so in Erfüllung gingen, wie sie womöglich gemeint waren.

Diese Erste Reichstagung war Anlass für Reichsgeschäftsführer Timm, eine Zwischenbilanz über die seit 1933 eingetretenen Veränderungen zu ziehen. In einem Artikel im Nordischen Aufseher schätzte er die Entwicklung der Gesellschaft seit der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ als äußerst positiv ein. Seit der Gründung habe man sich „redlich bemüht, […] zur Gestaltung des großen nordischen Gedankens in Deutschland und zur Vertiefung der Beziehungen zwischen Deutschland und Skandinavien“ beizutragen. Einigermaßen selbstkritisch vermerkte Timm „daß alles, was in zwölf langen Jahren auf deutsch-nordischem Gebiet versucht worden war, von mehr oder weniger kurzatmigem Erfolg begleitet war“ und dass den Veranstaltungen, die man in Lübeck durchgeführt hatte, „letzten Endes die Wirkung in Breite und Tiefe gefehlt hat“. Doch mit der „Machtergreifung“ hätten sich die Grundbedingungen der Arbeit völlig gewandelt:

Plötzlich bekam die Nordische Gesellschaft einen tieferen Sinn im Gesamtrahmen des völkischen Wiederaufbaues. Plötzlich war deutsch-nordische Arbeit eine Angelegenheit des ganzen deutschen Volkes und plötzlich sah sich die Nordische Gesellschaft vor eine Aufgabe gestellt, die zwar den Ring ihrer Organisation gewaltig ausdehnte, aber zugleich auch die geistige Spannkraft verlieh, die zur blutvollen Ausfüllung dieses Ringes erforderlich ist.

Timm sah die Reichstagung als „Zeichen der neuen Zeit“, mit ihr werde „der erste Abschnitt im Neuaufbau der Nordischen Gesellschaft durch eine bedeutsame Veranstaltung beendet“.93 Timms Äußerungen waren umso mehr von Interesse und von Bedeutung, als er selbst vor 1933 kein glühender Anhänger des Nationalsozialismus gewesen war, sich nun aber zu dessen Fürsprecher machte.

1935 ließen sich die skandinavischen Gesandten schließlich doch dazu überreden, die Schirmherrschaft über das Nordische Musikfest zu übernehmen, gaben aber auch der zweiten Reichstagung nicht die Ehre ihrer Anwesenheit. Die Reichstagung 1935 fand erst in den letzten Junitagen statt, in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu einem wichtigen diplomatischen Erfolg des „Dritten Reichs“: Am 18. Juni, ausgerechnet am Jahrestag der Schlacht von Waterloo, war das deutsch-britische Flottenabkommen unterzeichnet worden, nach dem Deutschland im Verhältnis 35 zu 100 (deutsche zu britischer Tonnage) zur See wieder aufrüsten durfte. Damit war eine entscheidende Bresche in die einst in Versailles sanktionierte internationale Isolierung des Deutschen Reichs geschlagen. Nie waren Hitler und die Seinen ihrem Traum von einer Verständigung mit Großbritannien, das freie Hand auf den Weltmeeren haben sollte, während die Deutschen ihre territorialen Interessen im Osten verfolgten, näher als in diesem Moment. Rosenberg, der immer an der deutsch-britischen Verständigung gearbeitet hatte und 1931 und 1933 nach London gefahren war, musste es verschmerzen, dass er am Zustandekommen des Flottenabkommens nicht hatte mitwirken können. Verhandlungsführer war sein Rivale Joachim von Ribbentrop gewesen, der für diesen diplomatischen Erfolg im Jahr darauf mit dem Posten des deutschen Botschafters in London belohnt werden sollte.

Rosenbergs Rede auf der Reichstagung 1935 hieß „Nordische Wiedergeburt“ und handelte von der großen Schicksalsgemeinschaft der nordischen Völker. Der Völkische Beobachter bewertete seine Ansprache als

zielweisende, ergreifende Rede, die den großen Satz aufstellt, dass Deutschland mit den Staaten der nordischen Völker des Ostraumes und dem britischen Imperium zur großen Schicksalsgemeinschaft verschmolzen ist, eine weltanschauliche Zielsetzung, in der klar die Stellungnahme des Führers zum deutsch-britischen Flottenabkommen zum Ausdruck kommt.94

Rosenbergs „zielweisende Rede“ war geprägt von der neuen internationalen Konstellation. Frankreich, das unter den Alliierten des Ersten Weltkriegs gegenüber Deutschland, dem alten Erzfeind, die unversöhnlichste Position eingenommen hatte, geriet zunehmend in die Isolation. Allerdings trugen auch innenpolitische Schwierigkeiten dazu bei, dass im Jahr darauf die Besetzung des einem internationalem Reglement unterstehenden Rheinlands durch deutsche Truppen unter vergleichsweise schwachen Protesten hingenommen wurde. In Großbritannien hatte die Politik des Appeasement nach wie vor viele Anhänger, zumal es im Lande, namentlich auch in den Kreisen des Hochadels, eine nicht unerhebliche deutschfreundliche Strömung gab. Umgekehrt setzten starke Kräfte bei den Nationalsozialisten – namentlich Rosenberg, aber auch Hitler – auf die englische Option und hofften, mit den Briten zu einer Verständigung zu kommen. So war es nicht überraschend, wenn Rosenberg in seiner Lübecker Rede das eben geschlossene Flottenabkommen als „Beispiel einer wirklich aufbauenden Weltpolitik“ und „Grundstein europäischer Friedenspolitik“95 feierte. Hitler habe sich mit der ihm eigenen Bescheidenheit auf das für Deutschland Lebensnotwendige beschränkt und zugleich Englands Lebensrechte anerkannt, ein Weg, der vorbildlich für die Lösung der Streitigkeiten dieser Welt sei. Der „nordische Ostseeraum“ wurde „gemeinsam mit dem britischen Weltreich zu einem großen Schicksal Europas“, zugleich zu seinem Appell an die Friedensbereitschaft der Völker in aller Welt.96 

Rosenberg sah, wie es in seinem außenpolitischen Tätigkeitsbericht vom Oktober 1935 hieß, die „organische Notwendigkeit“, die nordischen Länder für Deutschland zu gewinnen, „um hier einen klaren Eintritt der skandinavischen Staaten in den deutschfeindlichen Ring zu verhindern“97. Politisch sei dies „angesichts der marxistischen Regierungen“ – gemeint waren die sozialdemokratisch geführten Regierungen der skandinavischen Länder – „außerordentlich schwer“98. Das APA habe sich deshalb bewusst auf das Gebiet der Kulturpolitik beschränkt und die Nordische Gesellschaft in zwei Jahren zu einer „entscheidenden Vermittlerstelle der gesamten deutsch/skandinavischen Beziehungen“99 ausgebaut. Es folgte eine Aufzählung verschiedener Aktivitäten, die mit dem Satz schloss: „Namentlich war die Reichstagung 1935 ein vollkommener Erfolg.“100 Spätestens bei der Lektüre dieses Satzes konnte sich selbst der wohlwollendste Leser des Eindrucks nicht erwehren, dass hier der Wunsch der Vater des Gedankens war, damit Rosenberg das eigene Wirken als von Erfolgen gekrönt darstellen konnte.

Auf dem Reichsparteitag der NSDAP in Nürnberg wurde am 11. September 1935 dem Vordenker der Nordischen Gesellschaft, Hans F. K. Günther, von Alfred Rosenberg der Preis der NSDAP für Wissenschaft verliehen. Thilo von Trotha ließ sich aus diesem Anlass zu der Feststellung hinreißen, Günther sei der „bedeutendste Forscher des heutigen Deutschlands“101. Vier Tage später, am Ende des Parteitags, wurden die Nürnberger Gesetze verabschiedet, die gewissermaßen zur rassistischen Theorie die rassistische Praxis liefern sollten. Das „Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ verbot Eheschließung und Intimbeziehungen zwischen Juden und Ariern. Weitere Fälle solcher „Blutschande“ zu unterbinden war ein dringendes Gebot, sollte die Wiederaufnordung der Deutschen gelingen.102 Mit dem Reichsbürgergesetz wurde der arische Teil der deutschen Staatsbürger nobilitiert, während für ihre jüdischen Mitbürger nur der minder privilegierte Status der Staatsbürgerschaft blieb.

All dies nahm man in Skandinavien mit Missbilligung zur Kenntnis: 1936 blieben die Diplomaten der Reichstagung der Nordischen Gesellschaft völlig fern.103 Rosenberg begrüßte indes in seiner üblichen Rede unverdrossen „eine ungeahnte Zahl von Geistern aus dem Norden“104. Sie alle seien eingeladen, die Erkenntnis mitzunehmen, dass Europa in Deutschland verteidigt werde und „dass Deutschland instinktsicher und zielbewusst zugleich, zugleich aber auch mit innerlicher Unbeirrbarkeit sich seine neue Lebensgestalt bildet“105. Endlich äußerte sich auch ein prominenter Nationalsozialist auf einer Reichstagung: Reichsinnenminister Wilhelm Frick hielt eine Ansprache über den nordischen Gedanken in der nationalsozialistischen Gesetzgebung.106

Das Jahr 1937 schien eine gewisse Wende anzudeuten. Erstmals stand ein praktisches Problem auf der Tagesordnung. Die Reichstagung – mit 3000 Teilnehmern die größte, die je stattfand – stand unter dem Motto „Wege zum Norden“, und damit waren tatsächlich ganz konkrete Fragen der Verkehrstechnik angesprochen. Die Gesandten Dänemarks, Schwedens und Finnlands waren diesmal gekommen, und mit ihnen hohe Beamte und Fachleute. Rosenberg bemühte sich sichtbar um Entgegenkommen, wenn er z. B. in seiner Festrede feststellte, dass „das Wort Sozialdemokratie im Norden durchaus andere Inhalte bezeichnet, als es in Deutschland der Fall gewesen ist“107. Im Jahr darauf, bei der fünften und vorletzten Reichstagung, „dominierten wieder die Ideologen“108. Man hatte sich ganz bewusst entschieden, der Tagung einen kleineren, engeren Rahmen zu geben. Unter der Überschrift „Tag des Nordens“ versammelten sich diesmal nur noch 800 Teilnehmer, die eingangs des bei einem Autounfall verunglückten von Trotha gedachten, mit dem die NG ihren wichtigsten Ideologen und Praktiker verloren hatte.109 

Bei der Eröffnungsveranstaltung saß neben Rosenberg Heinrich Himmler, der inzwischen ebenso wie Reichsinnenminister Wilhelm Frick, der Leiter der Deutschen Arbeitsfront Robert Ley, Joachim von Ribbentrop und Reichsjugendführer Baldur von Schirach dem Großen Rat angehörte.110 Es hatte, wie Rosenberg im Januar 1938 an Rudolf Heß schrieb, „von vornherein in meiner Absicht gelegen, die NG als ein Instrument der Partei aufzubauen“111. Der Große Rat, der nun Oberster Rat hieß, hatte nach wie vor elf Mitglieder, nun aber ausschließlich mehr oder weniger prominente Parteifunktionäre. Aus der ursprünglichen Besetzung waren lediglich Rosenberg, Darré und Oberbürgermeister Drexler verblieben. Die Vorsteher der immer zahlreicher werdenden Kontore (1939 waren es 43) waren in der Regel mit den jeweiligen Gauleitern identisch.112 Gleichwohl geriet die Nordische Gesellschaft 1938 in eine große Krise und Geschäftsführer Timm, der diese Funktion seit 1921 ausgeübt hatte, musste die NG verlassen.

Distanz und Ablehnung in Nordeuropa

Bei dem Versuch, ihre Tätigkeit in die Benelux-Staaten auszudehnen, scheiterte die Nordische Gesellschaft, was wohl auch mit der schwachen Position ihres Protektors, des APA, zusammenhing. Bei ihren Bemühungen, in die Niederlande vorzudringen, begegnete sie dem geballten Widerstand von Deutsch-Niederländischer Gesellschaft, Propagandaministerium und Auswärtigem Amt; ähnlich war es in Belgien. Der Gesandte Freiherr von Richthofen verwies in seinem Bericht an das AA darauf, dass die Wallonen französisch orientiert seien und nur die „Flamenarbeit“ in Frage komme:

An dieser sind jedoch schon so viele deutsche Stellen beteiligt, dass schon jetzt vielfach ein Durcheinander und Gegeneinander in der Arbeit festzustellen ist. Wenn sich nun auch noch die Nordische Gesellschaft der Flamen annehmen will, wird die Verwirrung nur größer und Nutzen ist davon nicht zu erwarten.113

Rosenberg hatte 1938 die deutschen Gesandten in Kopenhagen, Oslo, Stockholm und Helsinki um Gutachten über die zwischenstaatliche Arbeit der Nordischen Gesellschaft gebeten. Die Antworten fielen vernichtend aus.114 In der Stellungnahme aus Oslo hieß es: „Die Reichstagungen in Lübeck rauschen an Norwegen ohne tieferen Eindruck zu hinterlassen vorüber.“115 Zwei Jahre zuvor habe die Presse überhaupt keine Notiz genommen. Die neue Vorschlagsliste der einzuladenden Journalisten sei „katastrophal“. Der deutsche Gesandte kam zu der Feststellung: „Zusammenfassend kann man sagen, daß die von der Nordischen Gesellschaft Norwegen und wahrscheinlich ebenso den anderen skandinavischen Staaten entgegengebrachte Liebe bisher unerwidert geblieben ist.“116

Tatsächlich war das Echo in Schweden nicht besser.117 In einem Schreiben der Gesandtschaft in Stockholm an das Auswärtige Amt vom 2. Juni 1938 über die Tätigkeit der Nordischen Gesellschaft in Schweden wurden auf fünf Seiten alle Fehler der Gesellschaft hervorgehoben. Mit „starkem Misstrauen“ sei die Tätigkeit beobachtet und vermerkt worden.118 Der fehlende Wille zur Aneignung der nationalsozialistischen Nordenvorstellungen, der auf nordeuropäischer Seite an vielen Stellen bemerkt werden musste, war allerdings nicht neu. Dass die Vorstellung eines „nordischen Gedankens“ eine deutsche Erfindung war, hatte bereits der finnische Autor Olavi Paavolainen nach einem Besuch 1936 in dem von der NG betriebenen Deutsch-Nordischen Schriftstellerhaus in Travemünde, dem Treffpunkt deutscher und nordischer Autoren, hervorgehoben: Der „nordische Gedanke“ sei eine deutsche Erfindung, alle Skandinavier und Finnländer könnten darüber nur staunen.119 Die Berichte der Deutschen Akademie-Lektoren aus Schweden bestätigten ebenfalls, dass der tradierte Mythos von den stammes- und artverwandten nordischen Völkern, die angeblich eine mentale Verbindung zum „Dritten Reich“ haben müssten, eine Illusion war. Illusionen hatte man sich offensichtlich auch über den Wirkungsgrad der eigenen Aktivitäten gemacht. Die Präsenz im Norden jedoch war dafür schlichtweg zu gering – zwischen 1933 und 1940 trat man nur zweimal mit größeren Veranstaltungen in Nordeuropa in Erscheinung. Aber auch in Deutschland selbst ließ die Veranstaltungsdichte zu wünschen übrig.

Die Frage, wie stark die Wahrnehmung der Nordischen Gesellschaft in Nordeuropa überhaupt sein konnte, traf auf eine Einschränkung in den Grundsätzen der NG, wie sie Timm auf der Ersten Reichstagung formuliert hatte. Dort hieß es unter anderem, die Arbeit der Nordischen Gesellschaft sei „eine Arbeit in Deutschland am deutschen Volk“, und zugleich: „Die Nordische Gesellschaft lehnt jede eigene Betätigung in den nordischen Ländern ab. Sie begrüßt jedoch den Einsatz von Angehörigen der nordischen Länder für gute Beziehungen zu Deutschland in ihrem eigenen Vaterland.“120 

Die Korrespondenz zwischen dem Auswärtigen Amt und der Deutschen Gesandtschaft in Stockholm enthüllt die sowohl ideologischen als auch administrativen Misserfolge der Nordischen Gesellschaft. Diese habe beispielsweise „eine höchst unglückliche Hand bei der Auswahl der eingeladenen Schweden“121 gehabt, als sie u. a. mit den Schriftstellern Marika Stjernstedt, Johannes Edfeldt, Vilhelm Moberg und Sven Stolpe einige der schärfsten Kritiker des nationalsozialistischen Deutschlands in das Deutsch-Nordische Schriftstellerhaus einlud. Sven Stolpe zum Beispiel habe sich „durch verunglimpfende Artikel über den Führer in der schwedischen Presse ausgezeichnet“122. Durch die Vermittlung Hermann Kappners von der Vertretung des Deutschen Akademischen Austauschdiensts (DAAD) in Stockholm konnten jedoch andere Autoren vermittelt werden, beispielsweise die schwedische Schriftstellerin und Übersetzerin Irma Nordwang, die sich „vorbehaltlos für das Schrifttum des Dritten Reiches eingesetzt“ habe. Nordwang konnte auf Einladung der Reichsfrauenführung einen längeren Studienaufenthalt in Deutschland verbringen.123

Auch in der schwedischen Presse wurde die nationalsozialistische Interpretation des nordischen Gedankens zurückgewiesen. Bertil Svahnström kam am 1. August 1939 in Svenska Dagbladet in einem längeren, im Tonfall sehr freundlichen Artikel zu dem Schluss, dass es aus der Sicht der Nordeuropäer einen nordischen Gedanken nicht geben könne. In Wirklichkeit handele es sich vielmehr um einen deutschen Gedanken. Insbesondere die Finnen könnten sich durch die These von der Überlegenheit der germanischen Rasse schwerlich geschmeichelt fühlen, denn sie seien nun mal keine Germanen. Rosenberg habe ihm gegenüber, so berichtet Svahnström, auch zugegeben, dass die Nordische Gesellschaft hier „in eine Sackgasse ... geraten ist“124. Für die Einbeziehung Finnlands in den Kreis der Adressaten habe gesprochen, „dass man bei Festsetzung der Interessensphäre der Nordischen Gesellschaft zum Vorteil des Geographischen vom Ideologischen abgesehen hätte“125. Svahnström schloss an diese Darlegungen die Frage an, ob sich hinter der Phantasmagorie von der nordischen Schicksalsgemeinschaft nicht eine Opposition gegen die Außenpolitik Ribbentrops verbarg, die auf die Stärkung der Achse Berlin–Rom–Tokio abzielte.

Rivalität mit Ribbentrop

Tatsächlich mag auch umgekehrt die Rivalität zwischen AA und APA dazu beigetragen haben, dass die Berichterstattung der Gesandtschaften, die ja dem AA unterstanden, über die Tätigkeit der dem APA zugeordneten Nordischen Gesellschaft so kritisch ausfielen. Außerdem ist die Rolle Hermann Kappners nicht zu unterschätzen. Als Chef des DAAD in Stockholm duldete er keine Konkurrenz und versäumte keine Gelegenheit, die NG zu marginalisieren.126 Rosenberg zog jedenfalls aus der Kritik Konsequenzen, kürzte das Programm der Reichstagung und entließ den seit 17 Jahren amtierenden Geschäftsführer Timm, der nun durch den bisherigen Organisationsleiter der Nordischen Gesellschaft Hans Jürgen Krüger ersetzt wurde.127 Mit Timm verlor die NG ihren nach von Trotha und Rosenberg profiliertesten Programmatiker.

Zum großen Schmerz Rosenbergs wurde im Februar 1938 als Nachfolger Konstantin von Neuraths im Amt des Außenministers mit Joachim von Ribbentrop ausgerechnet Rosenbergs schärfster Rivale auf dem Gebiet ernannt, das dieser als sein ureigenes ansah. Kaum vier Monate im Amt, entschied Ribbentrop gegen eine Tätigkeit der Nordischen Gesellschaft in Belgien und den Niederlanden.128 Besonders getroffen haben muss Rosenberg, dass Ribbentrop auch der Auffassung Geltung verschaffte, dass „die Ausdehnung der Tätigkeit der Nordischen Gesellschaft auf Estland und die übrigen baltischen Staaten nicht erwünscht ist“129. Hitler ließ seine Satrapen ihre Kämpfe ausfechten – das war schließlich sein generelles Herrschaftsprinzip. Im vorliegenden Fall kam hinzu, dass ihn die „nordische Arbeit“ schlicht und einfach nicht interessierte.130 

Die Nordische Gesellschaft nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs

Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs waren alle weiteren Pläne für eine „nordische Arbeit“ Makulatur. Vortragsveranstaltungen über die Neuordnung Europas und die Stellung des Nordens wurden im Frühjahr 1940 ausdrücklich untersagt.131 Polen hatte nicht zu den „gestaltungsstarken Völkern Europas“ gehört, denen der unverwandt hoffnungsvolle Rosenberg die Skandinavier zurechnete, deren „innere und dann auch äußere Wiedergeburt“ er als Frucht der Bemühungen der Nordischen Gesellschaft erwartete.132

Für die Arbeit der Nordischen Gesellschaft galt noch vor der Besetzung Dänemarks und Norwegens das resignierende Resümee Anfang 1940: „Der Norden hat das neue Deutschland nicht verstanden.“ Das anhaltende Liebeswerben, das „ein 80-Millionen-Volk für die Freundschaft mit dem Norden und seinen 14 Millionen Menschen bekundete“133, war im Wesentlichen unerwidert geblieben. Die Abgrenzungsversuche und die bleibende Distanz auf skandinavischer Seite hielt man den nordischen Ländern vor, und machte deutlich, dass die deutsche Geduld bald am Ende sei:

Keiner Großmacht kann zugemutet werden, immer weiter um die Freundschaft seiner Nachbarn zu werben, wenn das Echo ausbleibt oder das Echo in einer Haltung sehr zahlreicher Presseorgane ertönt, die den vom deutschen Volk heißgeliebten Führer mit Schmutz bewarfen und jedes ernstliche Bemühen vermissen ließen, sich in den seelischen, geistigen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsgang Deutschlands in den letzten 25 Jahren auch nur etwas hineinzudenken. […] Jetzt ist es am offiziellen Norden zu entscheiden, ob er das Seine dazu tun will, die Beziehungen zu dem mächtigen Reich der europäischen Mitte neu zu beleben.134

Im April 1940 schon kam es dann zum Überfall deutscher Truppen auf Dänemark und Norwegen. Während Dänemark fast kampflos erobert wurde, gab es in Norwegen militärischen Widerstand, der auch von britischen, französischen und polnischen Truppen unterstützt wurde. Nach der Okkupation präsentierte man den Nordeuropäern die Rechnung – nun stehe der Norden vor einer Wahl und müsse sich entscheiden.

Der Norden wird eine enge Zusammenarbeit mit Deutschland auf allen Gebieten des nationalen Lebens nicht entbehren wollen und die Kreuzfahnen des Nordens werden zu den Fahnen des Sieges finden. Sie werden über einer neuen Zukunft wehen. Zu ihr wird sich der Norden bekennen in diesem Jahr der Entscheidung.135

Aus diesen Äußerungen in der Anfangsphase sprach neben Wunschdenken auch Frustration – wie oft hatte man in der Nordischen Gesellschaft trotz der vorgeschobenen Beschränkung der Arbeit auf Deutschland mit einem Auge auf die Reaktionen im Norden geschielt und gehofft, eine Art Nebenaußenpolitik für Nordeuropa betreiben zu können.

Eine Publikation der NG verkündete zwar noch im Sommer 1940 einen aus den kriegswirtschaftlichen Bedingungen hervorgehenden dauerhaften Strukturwandel insbesondere der Handelsbeziehungen und hielt fest: „Eine neue Epoche bricht für den Handel zwischen Nordeuropa und dem Reich an“136. Doch suchte sich die NG auch neue Ziele: Im November 1940 wurde die Zweigstelle Niederdonau gegründet, im März 1941 das Kontor Prag eröffnet; bis 1944 wurden nach eigenen Angaben insgesamt 12 neue Kontore gegründet.137 Im Sommer 1941 erhielt auch Kopenhagen ein Kontor – doch wer als Besatzer kam, konnte die Illusion einer irgendwie gleichberechtigten Zusammenarbeit schwerlich aufrechterhalten.

Äußerungen über die Zusammengehörigkeit Deutschlands mit dem Norden und der Ostsee waren schon vor Kriegsausbruch Legion. Alfred Rosenberg betonte häufig die Schicksalsgemeinschaft um die Ostsee, drückte sich aber so vage aus, dass niemand verstand, ob er auch die Finnen, Esten, Letten und Litauer damit meinte.138 Ein Artikel Rosenbergs im Nordischen Aufseher von 1934 hieß „Die Schicksalsgemeinschaft der Ostsee“. Im selben Jahr wurde unter diesem Titel auch ein Sammelwerk von Dr. Fred Domes durch die Nordische Gesellschaft publiziert. In dem Buch wurde das Blut, das den Charakter des Volkes und der Volksgemeinschaft bestimme, besonders hervorgehoben. Diese vorgestellte Schicksalsgemeinschaft der Völker um die Ostsee war eine oft wiederholte Redewendung. In Greifswald beispielsweise betonte Professor Johannes Paul immer wieder, dass die Völker um die Ostsee eine Schicksalsgemeinschaft bildeten, die nicht nur geopolitisch, sondern auch „blutsmäßig“ bestimmt sei.139 

Was aber wurde unter „nordischen Völkern“ verstanden, vor allem unter den veränderten Umständen des Krieges? Semantische Umdeutungen und Neudefinitionen gehörten bekanntlich zum Wesen der „Gleichschaltung“. Hierfür gibt es ein bezeichnendes Beispiel: eine Definition in einem Rundbrief vom Reichsminister und Chef der Reichskanzlei H. H. Lammers vom November 1942.140 

Finnland war zum Problem geworden. Der Begriff „nordische Völker“ bezeichnete den NS-Behörden zufolge die Bevölkerung der nordischen Staaten Norwegen, Schweden, Dänemark, Niederlande und die flämischen Volksgruppen, die „infolge der gemeinsamen germanischen Abstammung“ dem deutschen Volke besonders nahe stünden, da sie „artverwandt“ seien. Wie also sollte Finnland betrachtet werden? Der Rundbrief von der Reichskanzlei stellt fest, dass der Führer Adolf Hitler angeordnet habe – vor allem „infolge der Waffenbrüderschaft, durch die das deutsche und das finnische Volk in ihrem gegenwärtigen Schicksalskampf miteinander verbunden“ seien –, dass Finnland und das finnische Volk hinfort in jeder Hinsicht als nordischer Staat bzw. nordisches Volk behandelt und bezeichnet werden sollten. In diesem Fall war offenbar eine Lenkung der Semantik vonnöten, auch wenn sie eigentlich im Widerspruch zur NS-Ideologie stand. Die richtige Bedeutung wurde folglich per Führererlass verordnet. Ethnische Aspekte, die sonst in anderen Zusammenhängen hervorgehoben wurden, wichen der Realpolitik. Auf diese Weise gelang die „diskursive Arisierung“ Finnlands, mit der man die deutsche Öffentlichkeit von der vermeintlichen Germanizität auch der Finnen überzeugen wollte.141

All dies erforderte eine Umorientierung, und Rosenberg bemühte sich, die Tätigkeit der Nordischen Gesellschaft zunehmend mit dem „neuen Europa“ der Nationalsozialisten zu legitimieren. In einem Artikel von 1940 beschwor er zwar wiederum die „nordische Schicksalsgemeinschaft“, doch die Resignation über das Unverständnis der Nordeuropäer klang aber auch hier wieder an – das trotz der ausdauernden Arbeit der Nordischen Gesellschaft anhalte.

Wir hatten dabei die Hoffnung, daß diese persönlich kulturellen Bestrebungen die Wege auch nach und nach für ein politisches Verständnis und für die tiefere Erkenntnis der großen germanischen Schicksalsgemeinschaft ebnen würden.

Wie schon in den 1920er Jahren wurde England als störender Faktor benannt.142 Die seit April 1940 veränderte strategische Lage brachte Rosenberg nun mit den Plänen zur Neuordnung Europas in Verbindung – eine genuin deutsch-nordische Arbeit wurde also von den größeren Plänen in den Schatten gestellt. Aus Rosenbergs Appell, „daß alle germanischen Völker diese geschichtliche Stunde so wie wir begreifen und gemeinsam mit uns das kommende neue Europa erbauen werden“143, sprach die Hoffnung, die Nordeuropäer mit den größeren europäischen Bestrebungen eher für eine Zusammenarbeit zu gewinnen als mit der deutsch-nordischen Idee. Noch deutlicher wurde diese Verschränkung in einem knappen Grußwort Rosenbergs zum 20. Jubiläum der Nordischen Gesellschaft, das mit den Worten schloss:

So hoffe ich, daß die Arbeit der Nordischen Gesellschaft auch in den kommenden Jahren einer europäischen Neuordnung an der Vertiefung des gegenseitigen Zusammenwirkens der Völker des Nordens weiterhin erfolgreich tätig sein wird.144

Ähnliches hoffte an gleicher Stelle der ansonsten weniger präsente Leiter der NG Hinrich Lohse:

Mit der wachsenden Erkenntnis des Nordens über seinen Platz im neuen Europa gewinnt die Nordische Gesellschaft die Anerkennung ihrer jetzt zwanzigjährigen Tätigkeit. Sie wird fortfahren in ihren Bestrebungen an [sic!] einem fruchtbaren Einsatz der nordisch-germanischen Kräfte in dem neuen Europa, für das Deutschland und seine Verbündeten heute kämpfen.145 

Jedoch auch diese Hoffnungen Rosenbergs und Lohses, die Nordische Gesellschaft würde „als das entscheidende Organ nationalsozialistischer Europa-Politik wieder erstehen“146, erwiesen sich als trügerisch.

Dass der „nordische Gedanke“ sowie die Vorstellung eines „nordischen Menschen“ und eines „Nordmännergeistes“ in Skandinavien etwas ganz anderes als in Deutschland bedeuteten, wurde nach der Okkupation Dänemarks und Norwegens besonders deutlich. Die stereotypen Vorstellungen eines konstant bleibenden nordischen Volkscharakters waren aber gemeinsam. In den täglichen Sendungen des schwedischen Rundfunks wurde zur „Bereitschaft“ und zum Zusammenhalt unter den „nordischen“ Völkern aufgefordert. Der bekannte schwedische Autor und dezidierte Nazigegner Vilhelm Moberg beispielsweise sprach Weihnachten 1940 im schwedischen Rundfunk über einen „schwedischen Volksgeist“, der durch die Jahrhunderte gewachsen sei: „Wald und Boden haben uns so geprägt und uns dabei das eigenste, die Quelle unserer Volksstärke gegeben: den Stolz und den Freiheitsdrang des einsamen Waldbewohnern und die Ausdauer des hartnäckigen Bauern.“147

Die Gegner der Nationalsozialisten in Schweden gebrauchten folglich auch „nordische“ Ideen und setzten nationale Geschichtsbilder als Werkzeug gegen die nationalsozialistische Propaganda ein. Im „Wesenskern“ des schwedischen Volkes liege ein starkes, tiefes Gefühl für Freiheit und Gerechtigkeit.148 Pläne für eine nordische Union oder einen nordischen Bundesstaat, wie sie im Zweiten Weltkrieg diskutiert wurden, bezogen sich ebenfalls explizit auf das „nordische“ Erbe der Freiheitlichkeit und der Demokratie.149 Den alten Nordmännergeist und Freiheitswillen, die stets lebendig und unbeugsam seien, betonte auch der schwedische Ministerpräsident Per Albin Hansson in seiner Rede im Mai 1945 nach der deutschen Kapitulation.150 Der nordische Mensch kenne nur Freiheit und Demokratie.

Der Niedergang der Nordischen Gesellschaft

Von Rosenbergs Traum der nordischen Schicksalsgemeinschaft war letzten Endes nichts geblieben. Mit Großbritannien befand sich das Deutsche Reich im Krieg, Dänemark und Norwegen waren besetzt, Schweden neutral, und Finnland und die baltischen Staaten waren nach dem geheimen Zusatzprotokoll zum Deutsch-Sowjetischen Nichtangriffsvertrag in die sowjetische Einflusssphäre gefallen. Ganz auf sich allein gestellt musste Finnland nach dem harten Winterkrieg 1939–40 gegen die Sowjetunion einen verlustreichen Waffenstillstand schließen. Alfred Rosenberg hat die Problematik des Hitler-Stalin-Paktes sehr nüchtern gesehen. Am 25. August 1939 notierte er in seinem Tagebuch:

Ich habe das Gefühl, als ob sich dieser Moskau-Pakt irgendwann am Nationalsozialismus rächen wird. ... Wie können wir noch von der Rettung und Gestaltung Europas sprechen, wenn wir den Zerstörer Europas um Hilfe bitten müssen?151

Über die Skandinavier notierte Rosenberg: „Jetzt sollen sie etwas kältere Luft aus Berlin verspüren, es wird ihnen in ihrer spießbürgerlichen Selbstzufriedenheit gut tun.“152 Hier sprach wieder der verschmähte Liebhaber, der nur für Finnland so etwas wie Mitleid empfand: „Einzig die Finnen können uns menschlich leid tun, aber sie hoffen selbst, dass über den Winter hinaus die Russen ihnen nichts antun können. Und bis dahin könnte sich die politische Lage sehr geändert haben ...“153 Tatsächlich erwies sich die kaltschnäuzige Opferung Finnlands als starke Belastung für die deutsche Position. Hatte die Arbeit der Nordischen Gesellschaft überhaupt irgendeinen positiven Effekt in Skandinavien gehabt, so war er nun jedenfalls mit einem Schlage zunichte gemacht. Die Empörung über die deutsche Politik war weltweit, in Nordeuropa aber war die Erbitterung besonders groß. Selbst Quisling wurde in seiner pro-deutschen Haltung unsicher. Italien belieferte Finnland mit Waffen,154 und auch unter den Deutschen gab es Sympathien für das um sein Überleben kämpfende Land, die sich freilich nicht artikulieren durften155.

Der Niedergang der Nordischen Gesellschaft hatte bereits mit dem Tod von Trothas und der Entlassung Timms begonnen. Zudem waren Rosenbergs Bemühungen um eine Verständigung mit dem Norden an der Weltlage gescheitert. Die Entwicklung, die von Trotha und Rosenberg herbeigesehnt hatten – dass der Nationalsozialismus über kurz oder lang in Nordeuropa Fuß fassen könnte – war bei weitem nicht erreicht worden. Nachdem es schon 1938 Verhandlungen mit Joseph Goebbels gegeben hatte, um gemeinsam Begehrlichkeiten der SS abzuwehren, traf sich Rosenberg im Februar 1941 erneut mit ihm.156 Bei dieser Gelegenheit schlug er nun eine Vereinigung der Nordischen Gesellschaft mit der Nordischen Verbindungsstelle des Propagandaministeriums vor. Letztlich war Rosenberg bereit, „die Schöpfung Trothas seinem Erzfeind Goebbels auszuliefern“157. Doch dieser Vorschlag scheiterte an Außenminister von Ribbentrop, der wohl fürchtete, dass ihm aus der Vereinigung der beiden Antipoden unliebsame Konkurrenz erwachsen könnte. Deshalb ließ er mitteilen, dass er „eine Änderung des augenblicklichen Zustands während des Krieges nicht wünsche“158. Zunehmend war zu erkennen, dass die Nordische Verbindungsstelle und das AA der NG den Rang streitig machten. Seit Rosenberg 1941 von Hitler zum Reichsminister für die besetzten Ostgebiete (das Baltikum, Weißrussland und die Ukraine) ernannt worden war159, wurde er durch die damit verbundenen Aufgaben so stark beansprucht, dass für ihn kaum noch eine Möglichkeit bestand, sich seinem nordischen Steckenpferd zu widmen. Als Schirmherr der NG war er in ihren letzten Jahren im Prinzip nicht mehr präsent. Seine engste Umgebung, die auch der Führung der NG angehört hatte, war ihm als Mitarbeiterstab in sein neues Amt gefolgt. APA und NG verwaisten in den Kriegsjahren zusehends.

So war man von der Nordischen Gesellschaft nach 1940/41 nicht mehr allzu viel zu hören. 1943 wurde ein vergeblicher Versuch unternommen, sie wieder zu beleben. Aus einer im Mai 1944 in Eisenach abgehaltenen Arbeitstagung von etwa 50 Vertretern der Kontorleitungen sowie der Verbindungsstellen in den „germanischen Nachbarländern“ sprach die verzweifelte Hoffnung, die Arbeit der NG trotz der Widrigkeiten des Krieges weiterführen oder revitalisieren zu können. Zweck des Treffens war laut einem Bericht das Gespräch über „ihre im Kriege doppelt wichtige Tätigkeit durch Planlegung, Aussprache und persönlichen Erfahrungsaustausch“. Gleichwohl musste der Bericht einräumen, was durch ein auf der Wartburg abgehaltenes Totengedenken für im Krieg gefallene Mitarbeiter der NG offenbar wurde, über das an gleicher Stelle berichtet wurde: die kriegsbedingte personelle Ausdünnung.

Es galt, die auf der Arbeitstagung versammelten „Männer und Frauen, die großenteils erst neuerdings als Vertreter der vielen zum Kriegs- und Reichsdienst einberufenen hauptamtlichen Mitarbeiter deren Aufgaben übernommen haben“ für die kommenden Aufgaben zu wappnen. Nochmals wurde die NG als Vermittlerin und Vorreiterin in der europäischen Neuordnung beschworen, doch war die Hoffnung, sie vermöge „als Bannerträger des nordischen Gedankens dazu beitragen, das Zusammenleben der europäischen Völker in eine neue organische Ordnung zu bringen“, nur noch Phrasendrescherei, die mit der Realität der Kriegslage nichts mehr zu tun hatte.160 

Die publizistische Tätigkeit ging jedoch weiter, und die Gesellschaft existierte unter nationalsozialistischen Vorzeichen noch bis 1945 fort.161 Doch wenn sie schon vorher nicht den erhofften Rang erreicht hatte, so sank sie im Chaos des Kriegs zur völligen Bedeutungslosigkeit herab. Ihr Schicksal ist ein gutes Beispiel für die Reibungsverluste, die entstehen konnten, wenn nationalsozialistische Theorie sich an der politischen Praxis abarbeiten musste. Und das galt nicht nur für die durch den Krieg nunmehr ausgesetzte Kulturpropaganda in den nordischen Ländern, sondern auch für den nordischen Gedanken, der theoretisch einen wichtigen Platz in der ideologischen Schulung des deutschen Volkes einnahm, aber angesichts der Notwendigkeit, die vielen nichtnordischen oder „gemischtrassigen Volksgenossen“ nun zu einer „Kampfgemeinschaft zusammenzuschweißen“, mindestens bis nach dem „Endsieg“ zurückstehen musste. „Die Nordische Gesellschaft, die ihre Tätigkeit mit so großen Hoffnungen und so großen ‚Ideen’ begonnen hatte, war zwischen die Mühlsteine geraten und wurde zerrieben.“162

Wenngleich der nordische Gedanke im Krieg keinen größeren Niederschlag mehr in der praktischen Politik fand, blieb er doch Teil der nationalsozialistischen Rhetorik. Selbst Hitler griff zu entsprechenden Argumenten für die Revitalisierung der „nordischen Rasse“.163 Zwar waren die politischen Hoffnungen, die Rosenberg mit dem nordischen Gedanken verbunden hatte, nicht erfüllt worden, doch als Teil des völkischen Gedankenguts und auch aufgrund der unklaren begrifflichen Abgrenzungen blieb der nordische Gedanke durchaus präsent. Im Denken etwa des SS-Ahnenerbes spielte das germanisch-völkische Denken eine wesentlich prägnantere Rolle als der nordische Gedanke, doch sind Anleihen und Überschneidungen unübersehbar.164

Schluss

Die Ideen- und Institutionengeschichte der Nordischen Gesellschaft hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Von der Lübecker Privatvereinigung mit dem Fokus auf kulturellem und wirtschaftlichem Austausch entwickelte sie sich seit 1933 zur „gleichgeschalteten“ nationalsozialistischen zentralen Organisation zur Verbreitung des nordischen Gedankens. Die Verankerung der NG im nationalsozialistischen Machtgefüge blieb letzten Endes schwach – zu viele konkurrierende Stellen machten ihr den Rang streitig. Obwohl man vermuten könnte, dass die NG mit der Besetzung des „nordischen“ Themas Deutungshoheit über einen zentralen Aspekt der nationalsozialistischen Ideologie erlangt hätte, war dies faktisch nicht der Fall.

Ein Grund dafür könnte in der starken Konzentration der ‚alten’ NG der Zwischenkriegszeit auf Wirtschaftsfragen liegen; die personellen Kontinuitäten wie im Fall von Geschäftsführer Timm trugen dieses Interesse in die Zeit nach 1933 mit sich. Bis zum Ende blieb die Wirtschaftspolitik ein zentrales Gebiet der Aktivitäten. Einen weiteren Grund könnte man in der Person Alfred Rosenbergs ausmachen. Rosenbergs Vision der „nordischen Idee“ war zwar auch mit rassenbiologischen Kriterien durchsetzt, hatte aber eben mehr mit Machtpolitik und wirtschaftlicher Hegemonie zu tun und war doch mehr eine Ausgangsbasis für die Begründung des deutschen Machtanspruchs denn ein Mittel für eine etwaige „ethnische Neuordnung Europas“. Rosenberg selbst verzettelte sich zudem in der Vielzahl seiner Aufgaben. Die NG war wichtig für ihn, aber sie war nicht seine einzige Betätigung und musste spätestens mit Kriegsbeginn stärker zurückstehen. Die Verknüpfung von NG und APA erwies sich nicht als schlagkräftig genug und brachte nicht die erhofften Resultate. Der etablierte diplomatische Apparat im AA hielt mit Erfolg die Hand auf sein angestammtes Wirkungsfeld und ließ die Konkurrenten mit ihren Bemühungen, eine Nebenaußenpolitik gegenüber Nordeuropa und anderen „germanischen Staaten“ zu etablieren, nicht zum Zuge kommen. Somit war die NG auch ein gutes Beispiel für die internen Machtkämpfe im „Dritten Reich“, die sich in diesem Fall zudem deutlich in den leitenden Personen widerspiegelten. Rosenberg wurde von Goebbels, von Ribbentrop und anderen zurückgedrängt und hatte zudem mit Hitlers innerer Distanz zur „nordischen Gefühlsduselei“ zu kämpfen.

Was die NG für die Volksmeinung und das populäre Bild vom Norden auch jenseits von „rassischen Fragen“ bewirkt hat, lässt sich zwar schwer messen. Doch sollte man Umfang und Gehalt der landeskundlichen Informationsarbeit, welche die NG über zweieinhalb Jahrzehnte hinweg betrieb, auch für die nationalsozialistische Zeit nicht allein von der rassenideologischen Aufladung her deuten. Über die Prämissen, unter denen die NG ihre Arbeit betrieb, muss man sich keine Illusionen machen und sie dürfen keineswegs verharmlost werden. Doch nicht jeder Artikel z. B. über finnische Teppichknüpfkunst hatte sogleich rassendiskriminierende Argumente aufzuweisen. Neben der offensichtlichen Überzeugungsarbeit wurde die Überlegenheit des „Nordischen“ eben auf allen Wegen und vor allem auch auf subtilen Wegen verbreitet.

Die Macht dieser nordischen Diskurse war und ist stark. Wie sehr Begriffe wie Norden und nordisch in den rhetorischen Traditionsfeldern durch die Jahrhunderte sich wiederholen und wandeln, ist bei weitem noch nicht erschöpfend erforscht worden, obgleich viele Fäden und auch größere Diskursstränge aufgenommen worden sind. Das Bedeutungsspektrum und die Argumentationsstrategien variieren in verschiedenen Zeiten und in verschiedenen politischen Systemen. Mit semantischen Verschiebungen und wechselndem Inhalt tauchten sie in neuen Zusammenhängen auf, je nachdem, wer sie verwendete und in welcher Absicht. Jedenfalls war vor Rosenbergs Schrift Mythus des 20. Jahrhunderts das Konzept des Nordischen nie mit solch extremer, religiöser metaphysischer Schwärmerei verbunden. Rosenberg glaubte, dass „das nordische Blut jenes Mysterium darstellt, welches die alten Sakramente ersetzt und überwunden hat“165.

So sehr der „nordische Gedanke“ zentraler Teil der nationalsozialistischen Ideologie zu sein schien, so peripher war er letztlich in der praktischen Politik des „Dritten Reichs“ bzw. wurde er lediglich zur Bemäntelung anderer Ziele vorgeschoben. Die Hoffnung, größere Kreise in Nordeuropa für den nordischen Gedanken gewinnen zu können, erwies sich als trügerisch. Letztlich hat eine gewisse Unentschlossenheit, ob man sich nun stärker der „nordischen Arbeit im Inneren“ oder eher der Kontaktarbeit in Richtung Norden widmen sollte, mit zum Scheitern beigetragen. Entgegen den Beteuerungen, nur in Deutschland arbeiten zu wollen, verfolgte man eben doch beide Richtungen parallel, aber übersah oder unterschätzte dabei die zur gleichen Zeit in Nordeuropa stattfindende ganz andere (nämlich demokratisch-freiheitliche) Selbstvergewisserung darüber, was der Norden und was nordisch sei. In der NS-Diktatur hat Alfred Rosenberg seine Vorstellungen vom „Nordischen“ zwar bedingt zu einem aktiven Instrument der nationalsozialistischen Propaganda machen können. Zu einem erfolgreichen Instrument der deutschen Außenpolitik und ihrer Eroberungskriege sind sie jedoch nie geworden.


1  Siehe dazu Henningsen, Bernd: „Der Norden: Eine Erfindung. Das europäische Projekt einer regionalen Identität“. In: Ders. (Hg.): Das Projekt Norden. Essays zur Konstruktion einer europäischen Region. Berlin 2002 (= Wahlverwandtschaft – Der Norden und Deutschland. Essays zu einer europäischen Begegnungsgeschichte; 9), 17–36; ausführlicher mit vielen Beiträgen ders. u.a.: Wahlverwandtschaft: Skandinavien und Deutschland 1800 bis 1914. Ausstellungskatalog. Berlin 1997; weiterhin auch Müssener, Helmut: Deutschsprachige Belletristik in schwedischer Übersetzung 1870–1979. Bibliographie und Kommentar. Stockholm 1985; Müssener, Helmut und Gisela Frandsen: Deutschsprachige Publikationen in schwedischer Übersetzung. Stockholm 1981.

2  Herder, Johann Gottfried: „Iduna oder der Apfel der Verjüngung“. In: Die Horen 2 (1796). Abgedruckt in: Herders Sämtliche Werke. Hrsg. von Bernhard Suphan. Bd. 18, Berlin 1883, 483–502.

3  Tacitus, Cornelius P.: Germania. De origine et situ germanorum liber. Germania II, 6. Tacitus stellte den überzivilisierten Römern die freien, wilden Völker im Norden als Gegenbild und als Zivilisationskritik gegenüber. Auch französische Philosophen lobten 1600 Jahre später die skandinavischen Völker, bei denen der ideale Naturzustand bewahrt worden sei.

4  Wiederholte Anzeigen in Den Svenske Nationalsocialisten 2005–2006. Vgl. http://www.arminius.se/index.php?c=39&page=13., 10. November 2008.

5  Günther, Hans F. K.: Der Nordische Gedanke unter den Deutschen. München 1925, 26–48.

6 Field, Geoffrey G.: „Nordic Racism“. In: Journal of the History of Ideas 38 (1977:3), 523–540, hier: 523.

7  Ebd.

8  Lutzhöft, Hans-Jürgen: Der Nordische Gedanke in Deutschland 1920–1940. Stuttgart 1971 (= Kieler Historische Studien; 14), 31 f.; als Reaktion auf Lutzhöft vgl. Field, wie Fußnote 6, 523–540.

9  Zu Rudbeck vgl. Henningsen, Bernd: Die schwedische Konstruktion einer nordischen Identität durch Olof Rudbeck. Berlin 1997 (= Arbeitspapiere „Gemeinschaften“; 9).

10  Zu Günther vgl. Weissenberger, Elvira: „Der ‚Rassepapst’. Hans Friedrich Karl Günther, Professor für Rassenkunde“. In: Kißener, Michael und Joachim Scholtyseck (Hgg.): Die Führer der Provinz. NS-Biographien aus Baden und Württemberg. Konstanz 1997, 161–197; Hoßfeld, Uwe: „Die Jenaer Jahre des ‚Rasse-Günther’ von 1930 bis 1935. Zur Gründung des Lehrstuhls für Sozialanthropologie an der Universität Jena“. In: Medizinhistorisches Journal 34 (1999), 47–103.

11  Lutzhöft 1971, wie Fußnote 8, 36 ff.; zu Lundborg ausführlicher Hagerman, Maja: Det rena landet. Om konsten att uppfinna sina förfäder. Stockholm 2006, besonders das Kapitel „Ett litet ämbetsverk till de rasrena svenskarnas skydd“, 370–404.

12  Piper, Ernst: Alfred Rosenberg. Hitlers Chefideologe. München 2005, 236 f. 

13  Vgl. dazu auch Lutzhöft 1971, wie Fußnote 8, 40 f.

14  Siehe dazu ausführlicher Almgren, Birgitta: Illusion und Wirklichkeit. Individuelle und kollektive Denkmuster in nationalsozialistischer Kulturpolitik und Germanistik in Schweden 1928–1945. Stockholm 2001; dies.: Drömmen om Norden. Nazistisk infiltration i Sverige 1933–1945. Stockholm 2005; dies.: Germanistik und Nationalsozialismus: Affirmation, Konflikt und Protest. Traditionsfelder und zeitgebundene Wertung in Sprach- und Literaturwissenschaft am Beispiel der Germanisch-Romanischen Monatsschrift 1929–1943. Uppsala 1997. Zum Germanenbild, dem Traum von Norden, der „Aufnordung“ im Dritten Reich und den Begriffen Volk, Nation und Sprache siehe ebd., 82–98. 

15  „Aufnordung“. In: Meyers Lexikon. 8. Aufl., Bd. 8, Leipzig 1936, Sp. 702.

16  „Nordische Bewegung“. In: Meyers Lexikon. 8. Aufl., Bd. 8, Leipzig 1940, Sp. 451–452, hier: Sp. 451.

17  Rosenberg, Alfred: Mythus des 20. Jahrhunderts. Eine Wertung der seelisch-geistigen Gestaltenkämpfe unsrer Zeit. München 1930/1935. Hierzu ausführlicher Piper 2005, wie Fußnote 12, 179 ff.

18  Kroll, Frank-Lothar: „Alfred Rosenberg. Der Ideologe als Politiker“. In: Michael Garleff (Hg.): Deutschbalten, Weimarer Republik und Drittes Reich. Bd. 1, Köln u.a. 2008, 147–166, hier: 149.

19  Kuusisto, Seppo: Alfred Rosenberg in der nationalsozialistischen Außenpolitik 1933–1939. Helsinki 1984 (= Studia Historica; 15), 295 f.

20  Timm, Ernst: „Die Nordische Gesellschaft Lübeck“. In: Deutsch-Nordisches Jahrbuch für Kulturaustausch und Volkskunde 1924, 159–161, hier: 159.

21  Rörig, [Fritz]: „Die Hanse und die nordischen Länder“. In: Ostsee-Rundschau 2 (1925:16), 361–367, hier: 361 (Hervorhebung im Original gesperrt).

22  Rosenberg, Alfred: „Europa, der Norden und Deutschland“. In: Die Schicksalsgemeinschaft der Ostsee. Herausgegeben im Auftrage der Nordischen Gesellschaft von Dr. Fred. J. Domes. Oldenburg i.O. / Berlin 1934, 7–12, hier: 12.

23  o.A.: „Die Nordische Gesellschaft 1924“. In: Ostsee-Rundschau und Nordische Blätter 2 (1925:1), 1–4, hier: 1 (Hervorhebung im Original fett).

24  Elvert, Jürgen: „Europa und der Norden. Die Geschichte einer wechselseitigen Fehlwahrnehmung im 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.“ In: Bohn, Robert und Jürgen Elvert (Hg.): Kriegsende im Norden: vom heißen zum kalten Krieg. Stuttgart 1995 (= Historische Mitteilungen der Ranke-Gesellschaft: Beihefte; 14), 339–374, hier: 358.

25 Metzner, Ernst: „Bauerntum des Nordens“. In: Nordland-Fibel. Herausgegeben von der Nordischen Gesellschaft. Berlin 1938, 177–183, hier: 180.

26  Timm 1924, wie Fußnote 20, 160.

27  „Die Nordische Gesellschaft 1924“, wie Fußnote 23, 4.

28  Ebd.

29  Das Jahrbuch wurde Mitgliedern der NG kostenlos zugestellt. Siehe „Die Nordische Gesellschaft 1925“. In: Ostsee-Rundschau 2 (1925:24), 553–556, hier: 554. 1932 wurde das Erscheinen eingestellt.

30  So wird es jedenfalls in „Die Nordische Gesellschaft 1924“, wie Fußnote 23, 1 f., berichtet.

31  o. A.: „Der Außenhandel der nordischen Länder und Deutschlands“. In: Ostsee-Rundschau 2 (1925:3), 49–52.

32  Rörig 1925, wie Fußnote 21.

33  o. A.: „Wieviele Brotsorten gibt es in Schweden?“. In: Ostsee-Rundschau 4 (1927:3), 92.

34  Timm, Ernst: „Grundsätze einer künftigen deutschen Ostseehandelspolitik“. In: Ostsee-Rundschau 2 (1925:10), 219–222.

35  Neben die regulär erscheinende Zeitschrift trat eine Ostsee-Schriften genannte Reihe von Sonderheften, in denen vor allem Vorträge aus der Vereinstätigkeit abgedruckt wurden. Ab 1927 erschien die Ostsee-Rundschau zugleich als Vierteljahrsheft der Deutsch-Schwedischen Blätter. Hintergrund war ein Kooperationsabkommen der NG mit der Deutsch-Schwedischen Vereinigung in Berlin. Vgl. Ostsee-Rundschau 4 (1927:3), 59.

36  „Die Nordische Gesellschaft 1924“, wie Fußnote 23, 2.

37  „Die Nordische Gesellschaft 1925“, wie Fußnote 29, 553.

38  Timm, Ernst: „Die wirtschaftliche Bedeutung der Ostsee für Deutschland.“ In: Deutsch-Nordisches Jahrbuch für Kulturaustausch und Volkskunde 1926, 122–130, hier: 127 (Hervorhebung im Original).

39  Paul, Bengt: „5 Jahre ‚Ostsee-Rundschau’“. In: Ostsee-Rundschau 6 (1929:3), 51–53, hier: 52 f.

40  Loock, Hans-Dietrich: Quisling, Rosenberg und Terboven. Zur Vorgeschichte und Geschichte der nationalsozialistischen Revolution in Norwegen. Stuttgart 1970 (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte; 18), 165.

41  D. N.: „15 Jahre Nordische Gesellschaft. Ein Rückblick und ein Aufruf zur Mitgliederwerbung 4. bis 17. Oktober 1936“. In: Der Norden. Monatsschrift der Nordischen Gesellschaft 13 (1936:10), 431–435, hier: 434.

42  Petersen, C.: „Zur Nordisch-Deutschen Woche in Kiel“. In: Ostsee-Rundschau 6 (1929:4), 79–81.

43  „Die Nordische Gesellschaft 1924“, wie Fußnote 23, 2.

44  „Nordische Gesellschaft“. In: Meyers Lexikon. Bd. 8, Leipzig 1940, Sp. 452.

45  Das APA nahm deshalb auch Verdienste um den Aufbau der Nordischen Gesellschaft für sich in Anspruch; vgl. Lutzhöft 1971, wie Fußnote 8, 57 f.; zu Trotha siehe Kuusisto 1984, wie Fußnote 19, 299. Als Schüler Günthers war Trotha sehr vom Nordischen Gedanken geprägt und legte 1935 ein entsprechendes Manifest vor; vgl. ebd., 335.

46  Zum tradierten „Nordmythos“ siehe Hartmann, Regina: Deutsche Reisende in der Spätaufklärung unterwegs in Skandinavien. Die Verständigung über den „Norden“ im Konstruktionsprozeß ihrer Berichte. Frankfurt/Main 2000, insbesondere 329–335.

47  Vgl. dazu auch Lutzhöft 1971, wie Fußnote 8.

48  von Trotha, Thilo: „Hans F.K. Günther“. In: Der Norden 13 (1935:11), 354.

49  Bundesarchiv Berlin [im Folgenden BArch], NS 8/221, Schreiben von Trothas an Günther, 9. Juni 1933.

50  BArch, NS 8/222, Blatt 29. Denkschrift der Abmachung zwischen dem Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund und der NG vom 10.–11. September 1934 beigefügt, BArch, NS 8/222, Blatt 23.

51  Vgl. ferner auch die Zusammenstellung über die NS-Kulturpropaganda in Königliche Bibliothek Stockholm, Vilhelm Scharps Nachlass L 136:55.

52  BArch, NS 8/222, Blatt 23, Abschrift, unterzeichnet von Albert Derichsweiler, München, den 10. November 1934, und von Dr. Timm für die Nordische Gesellschaft in Lübeck, den 9. November 1934.

53  Bollmus, Reinhard: „Alfred Rosenberg – 'Chefideologe' des Nationalsozialismus?“. In: Smelser, Ronald und Rainer Zitelmann (Hgg.): Die braune Elite I. 22 biographische Skizzen. 3. Auflage, Darmstadt, 1994, 223–235, hier: 229.

54  Politisches Archiv des Auswärtigen Amts [im Folgenden PAAA], R 65814, Schreiben von Ernst Timm an das Auswärtige Amt vom 29. Juli 1933.

55  Loock 1970, wie Fußnote 39, 167 f. (Erläuterungen dort in Fußnote 27).

56  Timm, Ernst: „Die Nordische Gesellschaft, Organisation und Aufgabe.“ In: Die Schicksalsgemeinschaft der Ostsee, wie Fußnote 22, 35–39, hier: 36 (Hervorhebungen im Original).

57 Kroll 2008, wie Fußnote 18, 156.

58 Field 1977, wie Fußnote 6, 524.

59 Ebd., 36 f.

60  BArch, NS 8/222, Blatt 56, undatiert, wahrscheinlich 1935 geschrieben, terminus post quem Nov. 1934.

61  Beide Zitate BArch, NS 8/222, Blatt 34 (Hervorhebungen im Original unterstrichen).

62  BArch, NS 8/222, Blatt 39 (Hervorhebungen im Original unterstrichen).

63  Akten zur deutschen auswärtigen Politik 1937–1945., Bd. 5. Baden-Baden 1953, 471.

64  Timm, Ernst: „Zur Dritten Reichstagung der Nordischen Gesellschaft 1936“. In: Der Norden 13 (1936:7), 226.

65  BArch, NS 8/222, Blatt 49, undatierte Denkschrift der Nordischen Gesellschaft. Dem Inhalt nach zu urteilen, wurde sie wahrscheinlich 1935 verfasst. 

66  BArch, NS 8/222, Blatt 50. Siehe auch die Festrede Börries Freiherr von Münchhausens im Charlottenburger Schloss am 6. Juni 1934 anlässlich des 75. Geburtstags Verner von Heidenstams, BArch, NS 8/221.

67  Timm, Ernst: „’Der Norden’“. In: Der Norden 12 (1935:1), 3.

68  Döll, Walter Eberhard: „Der Nordische Aufseher. Zeitschriftenbericht, gehalten am 29. Dezember 1934 im Reichssender Leipzig“. In: Der Norden 12 (1935:3), 85–86, hier: 85.

69  Beide Zitate aus Timm, Ernst: „Nordischer Gedanke – nordisches Land“. In: Der Nordische Aufseher 11 (1934:1), 3–5, hier: 3 u. 5.

70  BArch, Kanzlei Rosenberg, Nordische Gesellschaft (I), EAP 99/361, Schreiben von Trothas an Darré vom 16. September 1933, zitiert nach: Loock 1970, wie Fußnote 39, 169.

71  Diese beiden Definitionen von „Skandinavien“ und „Norden“ sind lediglich die beiden üblichsten und bei weitem nicht die einzigen, doch soll diese grobe Unterscheidung in unserem Kontext genügen.

72  So etwa der Norweger Jon Alfred Mjøen (1860–1939), Herausgeber der Zeitschrift Den nordiske Race. Siehe dazu Emberland, Terje: Religion og Rase. Nyhedenskap og nazisme i Norge 1933–1945. Oslo 2003.

73  Field 1977, wie Fußnote 6, 532.

74  Beide Zitate Holler, Kurt: „Mißbrauch des Begriffs 'Nordisch'“. In: Rasse. Monatsschrift der Nordischen Bewegung 5 (1938:7–8), 303.

75  Grund für den raschen erneuten Namenswechsel war laut Timm in Skandinavien und Deutschland geäußerter Argwohn und das, wie er meinte, Missverständnis, „daß uns schulmeisterliche Absichten unterschoben würden, die uns selbstverständlich vollkommen fern liegen“. Timm 1935, wie Fußnote 68, 3. Der Titel Der Nordische Aufseher spielte auf eine gleichnamige Zeitschrift an, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts vom deutschstämmigen Kgl. dänischen Hofprediger Johann Andreas Cramer in Kopenhagen herausgegeben worden war.

76  Gross, Walter: „Die ewige Stimme des Blutes“. In: Der Norden 12 (1935:6), 187–188.

77 Von Trotha, Thilo: „Über das Wesen des Nordischen“. In: Der Norden 12 (1935:6), 176–180.

78  So etwa den Beitrag des Leiters der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Staatsmuseums Wien, Eduard Beninger, über „Die germanische Frühgeschichte in den Sudetenländern“. In: Der Norden 16 (1939:2), 53–56; außerdem z. B. Mahn, H.: „Um Deutschlands Recht im Osten. Danzig – eine deutsche Hansestadt“. In: Der Norden 16 (1939:10), 354–362. Das Titelbild dieser Ausgabe vermeldete unter einem historischen Kupferstich vom Artushof „Danzig ist wieder eine wahrhaft freie Stadt des Deutschen Reiches“. Ebd., 353.

79  1934–1938 trug sie den Untertitel Monatsschrift der Nordischen Bewegung und wurde herausgegeben im Auftrage des Nordischen Rings von Richard von Hoff in Verbindung mit L. F. Clauß und Hans F. K. Günther. Ab dem sechsten Jahrgang 1939 lautete der Untertitel Monatsschrift für den Nordischen Gedanken und wurde im Auftrage des Nordischen Rings in der Nordischen Gesellschaft nur noch durch von Hoff herausgegeben. Nach dem Heft 3/1944 stellte sie ihr Erscheinen ein.

80  Westfälische Landeszeitung, 22. Juni 1933.

81  Ebd.

82  Ebd.

83  Ebd.

84  Lutzhöft 1971, wie Fußnote 8, 295 ff., beschreibt die irritierende Parallelität bedrohlicher Forderungen und beschwichtigender Erklärungen.

85  Westfälische Landeszeitung, 22. Juni 1933.

86  Rosenberg, Alfred: Gestaltung der Idee. Reden und Aufsätze 1933–1935. 27. Auflage, Bd.2: Blut und Ehre. Hrsg. von Thilo von Trotha. München 1943, 93–101.

87  Ebd., 94.

88  Ebd., 98.

89  Ebd., 93 f.

90  Ebd., 99.

91  Lutzhöft 1971, wie Fußnote 8, 303. Zur Tagung von 1934 auch Rauschning, Hermann: Gespräche mit Hitler. Neuausgabe Wien 1973, 131.

92  Das politische Tagebuch Alfred Rosenbergs aus den Jahren 1934/35 und 39/40. Hrsg. von Hans-Günther Seraphim. Göttingen 1956, 26.

93  Alle Zitate aus Timm, Ernst: „Erste Reichstagung!“. In: Der Nordische Aufseher. Monatsschrift der Nordischen Gesellschaft 11 (1934:3), 66.

94  Hartmann, W.: „Deutschland. Berufung im Kampf um Europa“. In: Völkischer Beobachter, 27. Juni 1935.

95  Rosenberg, Alfred: „Nordische Wiedergeburt“. In: Ders. 1943, wie Fußnote 86, 347.

96  Ebd.

97  Kurzer Tätigkeitsbericht des Außenpolitischen Amtes der NSDAP, Oktober 1935. In: Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof Nürnberg, 14.11.1945–1.10.1946. Bd. XXV, Nürnberg 1947, 19.

98  Ebd.

99  Ebd.

100  Ebd.

101  von Trotha, Thilo: „Hans F.K. Günther“ In: Der Norden 12 (1935:10), 354.

102 Vgl. Piper 2005, wie Fußnote 12, 517 ff.; ausführlicher zu den Nürnberger Gesetzen Essner, Cornelia: Die „Nürnberger Gesetze” oder die Verwaltung des Rassenwahns 1933–1945. Paderborn u.a. 2002.

103  Lutzhöft 1971, wie Fußnote 8, 303 f., stellt diesen Zusammenhang her.

104  Rosenberg, Alfred: „Nordische Verpflichtung“. In: Zimmermann, Walter (Hg.): Nordische Verpflichtung, Beiträge zum Nordischen Gedanken. Lübeck 1936, 17–20, hier: 17. Timm sprach ebenfalls von einer „sehr viel stärkeren persönlichen Beteiligung der nordischen Länder“; siehe Timm 1936, wie Fußnote 64, 226.

105  Rosenberg 1936, wie Fußnote 104, 19.

106  Frick, Wilhelm: „Das nordische Gedankengut in der Gesetzgebung des Dritten Reiches. Ansprache auf der 3. Reichstagung der Nordischen Gesellschaft in Lübeck, Juni 1936“. In: Rasse. Monatsschrift der Nordischen Bewegung 3 (1936:7–8), 257–261.

107  Rosenberg, Alfred: „Wege zum Norden“. In: Zimmermann, Walter (Hg.): Wege zum Norden. Beiträge zum Nordischen Gedanken. Lübeck 1937, 17–21, hier: 20. Im Original ist die erste Hälfte des Wortes „Sozialdemokratie“ gesperrt gedruckt. Sozial wollten auch die Nationalsozialisten sein, demokratisch nicht.

108  Lutzhöft 1971, wie Fußnote 8, 304.

109  o.A.: „’Tag des Nordens’. Fünfte Reichstagung der Nordischen Gesellschaft“. In: Der Norden 15 (1938:8), 279–282, hier: 279.

110  Vgl. die Übersicht bei Jacobsen, Hans-Adolf: Nationalsozialistische Außenpolitik 1933–1938. Frankfurt am Main / Berlin 1968, 646.

111  Akten der Parteikanzlei der NSDAP, Microfiche-Edition. Hrsg. vom Institut für Zeitgeschichte. München 1983. Nr. 22754: Antrag an den Stellvertreter des Führers, Januar 1938.

112  Lutzhöft 1971, wie Fußnote 8, 57; das Titelbild der Juli-Ausgabe 1939 von Der Norden verzeichnete 43 Kontore im Deutschen Reich und 5 Verbindungsleiter in allen Teilen des Nordens. Siehe: Der Norden 16 (1939:7), 213.

113  PAAA, R 61307, Schreiben vom 31. März 1938. 

114  Lutzhöft 1971, wie Fußnote 8, 58.

115  PAAA, R 61307, Schreiben vom 13. Mai 1938. Vgl. zu den norwegischen Reaktionen auf die Nordische Gesellschaft ausführlicher Loock 1970, wie Fußnote 39, 186–204.

116  Ebd.

117  Boog, Horst u.a.: Der Angriff auf die Sowjetunion. Frankfurt/Main 1991, 479.

118  Akten zur deutschen auswärtigen Politik 1937–1945. Ser. D, Bd. 5. Baden-Baden 1953, 471–476.

119 Paavolainen, Olavi: Som gäst i Tredje Riket. Helsingfors 1937, 46.

120  Timm, Ernst: „Nordische Gesellschaft 1934–1935“. In: Der Norden 12 (1935:6), 172–174, hier: 172.

121  Siehe dazu die Korrespondenz zwischen AA und der Deutschen Gesandtschaft in Stockholm: Riksarkivet, RA, Stockholm, Gesandtschaft Stockholm, Nordische Gesellschaft 147/3. Nr. 294. AA, Vol. 121, Blatt E020908-19, Brief an Herrn von Below, Deutsche Gesandtschaft, Stockholm. Auswärtiges Amt, Berlin den 7. August 1938, gez. Grundherr; Erwiderung von Belows „Auf die schriftliche Weisung des Herrn Vortragenden Legationsrats von Grundherr vom 7.v.Mts. Inhalt: Tätigkeit der Nordischen Gesellschaft in Schweden.“

122  Ebd.

123  PAAA, Gesandtschaft Stockholm, 95 Abt. 27, Akten betreffend: Deutscher Akademischer Austauschdienst (Dr. Kappner), Vierteljahresbericht vom 1.10–31.12.1937.

124  Svahnström, Bertil: „Norden – und der deutsche Gedanke“. In: Svenska Dagbladet, 1. August 1939.

125  Ebd.

126  Siehe dazu Almgren 2001, wie Fußnote 14, 215 u. 316–321. 

127  Zu den Hintergründen von Timms Entlassung siehe Kuusisto 1984, wie Fußnote 19, 327 f.

128  PAAA, R 61307, Schreiben der Vereinigung zwischenstaatlicher Verbände und Einrichtungen an das AA vom 28. Juni 1938.

129  PAAA, R 61307, Handschriftlicher Vermerk auf dem Schreiben der Vereinigung zwischenstaatlicher Verbände und Einrichtungen an das AA vom 30. Juni 1939.

130  Lutzhöft 1971, wie Fußnote 8, 301.

131  PAAA, R 61308, Schreiben des AA vom 14. März 1940.

132  Lutzhöft 1971, wie Fußnote 8, 348.

133  o.A.: „Ein offenes Wort“. In: Der Norden 17 (1940:1), 1–2, hier: 1.

134 Ebd., 2 (Hervorhebung im Original gesperrt).

135  „Jahr der Entscheidung“. In: Der Norden 17 (1940:7), 193.

136  Nordeuropa und das Reich kriegswirtschaftlich gesehen. Hrsg. im Auftrage der Nordischen Gesellschaft von Dr. Walter Zimmermann. Lübeck/Berlin 1940, 3. Das Vorwort, aus dem das Zitat stammt, ist auf den 10. Juni 1940 datiert.

137  o.A.:„Die Nordische Gesellschaft im Kriege“. In: Der Norden 21 (1944:6), 137–138, hier: 138.

138  Siehe Lutzhöft 1971, wie Fußnote 8, 291.

139  Paul, Johannes: „Nachwirkungen der Schwedenherrschaft in der Bevölkerung Pommerns und des Baltikums“. In: Deutsch-Schwedische Blätter 16 (1937:1), April 1937, 1.

140 RA Stockholm, Auswärtiges Amt, Vol. 127 Neue Reichskanzlei, Vol. 1494, Rundbrief von Lammers, Nov. 1942.

141 Vgl. hierzu auch Tuchtenhagen, Ralph: „Die Vermarktung des nördlichen Waffenbruders. Finnland in der deutschsprachigen Publizistik 1939–1945“. In: Manfred Menger und Dörte Putensen (Hgg.): Finnland und Deutschland. Forschungen zur Geschichte der beiden Länder und ihrer Beziehungen. Hamburg 1996 (= Greifswalder Historische Studien; 1), 287–315; sowie Hecker-Stampehl, Jan: „Vorposten des Nordens? Finnland als Bollwerk des Abendlandes in Veröffentlichungen aus dem Zweiten Weltkrieg“. In: Aleksanteri Suvioja und Erkki Teräväinen (Hgg.): Kahden kulttuurin välittäjä. Hannes Saarisen juhlakirja. Helsinki 2006 (= Helsingin yliopiston historian laitoksen julkaisuja; 20), 313–326. Die groß angelegten Versuche des NS-Staates zur Sprachlenkung misslangen weitgehend. Die täglichen Anweisungen der Pressekonferenz der Regierung wurden nicht befolgt, was beispielsweise der Begriff Drittes Reich zeigt. Siehe BArch, Sammlung Brammer, ZSg. 101/13, Nr. 700, Anweisung der Pressekonferenz der Reichsregierung vom 10. Juli 1939. In der nationalsozialistischen Diktatur war der ursprünglich christlich-philosophische Begriff Drittes Reich umstritten, um dann 1939 schließlich verboten zu werden. Zur Vorgeschichte des Begriffs siehe Petersen, Julius: Die Sehnsucht nach dem Dritten Reich in deutscher Sage und Dichtung. Stuttgart 1934.

142  Rosenberg, Alfred: „Nordische Schicksalsgemeinschaft“. In: Der Norden 17 (1940:8), 241–246, hier: 241.

143  Ebd., 246.

144  Rosenberg, Alfred: „20 Jahre Nordische Gesellschaft”. In: Der Norden 18 (1941:9), 257.

145 Lohse, Hinrich: „Leitwort“. In: Der Norden 18 (1941:9), 258.

146  Loock 1970, wie Fußnote 39, 185.

147 ”Så har detta lands skog och mark präglat oss, givit oss det egnaste, upprinnelsens källa till vår folkstyrka: Den ensamma skogsbons stolthet und frihetssinne och den sege odlarens ihållighet.” Zitiert in Lindahl; Kurt: Självcensur i stövelns skugga. Den svenska radions roll och hållning under andra världskriget. Stockholm 1998, 212.

148 Siehe u.a. Svenska folkets väsenskärna. Stockholm 1940. Das Buch erschien im Verlag Natur och Kultur, dessen Chef Johan Hansson, einer der heftigsten Antifaschisten in Schweden war. Siehe dazu Oredsson, Sverker: ”Det nordiska och det svenska – Kampen mellan nazister och antinazister”. In: Charlotta Brylla u.a. (Hgg.): Bilder i kontrast. Interkulturella processer Sverige/Tyskland i skuggan av nazismen 19331945. Aalborg 2005, 15–23.

149  Vgl. hierzu Hecker-Stampehl, Jan: „Föderationspläne in Nordeuropa im Zweiten Weltkrieg. Ein Überblick“. In: Imke Sturm-Martin und ders. (Hgg.): Europa im Blick. Westeuropäische Perspektiven im 20. Jahrhundert. Festschrift für Clemens A. Wurm. Hamburg 2007, 119–139.

150 ”När nöd kom på, visade sig den gamla nordmannaandan och frihetsviljan levande och okuvlig.” Zitiert in Lindahl 1998, wie Fußnote 147, hier: 182.

151  Das politische Tagebuch Alfred Rosenbergs, wie Fußnote 91, 75.

152  Ebd., 92.

153  Ebd.

154  Lutzhöft 1971, wie Fußnote 8, 362.

155 Ebd., 363.

156 Kuusisto 1984, wie Fußnote 19, 330.

157  Loock 1970, wie Fußnote 39, 185.

158  PAAA, R 61308, Aktenvermerk vom 12. Februar 1941.

159  Hierzu ausführlicher Pajouh, Christine: „Die Ostpolitik Alfred Rosenbergs 1941–1944“. In: Michael Garleff (Hg.): Deutschbalten, Weimarer Republik und Drittes Reich. Bd. 1, 2. Auflage, Köln/Weimar, 2008, 167–195.

160  „Die Nordische Gesellschaft im Kriege“, wie Fußnote 136, 137.

161  Offiziell liquidiert wurde die NG erst 1957. Jessen, Karsten: „Nordische Gesellschaft.“ In: Wolfgang Benz u.a. (Hgg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus. Berlin 2000 (= Digitale Bibliothek; 25), 615. Die Nordische Gesellschaft lebt heute als Deutsche Auslandsgesellschaft in Lübeck weiter. In der Gründungszeit der 1950er und 1960er Jahre stand der Austausch mit Nordeuropa im Vordergrund, in den 1960er Jahren bemühte sich die Wissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft Norden–Deutschland unter dem Dach der Auslandsgesellschaft um den Kontakt zwischen Germanisten, Nordisten und Historikern aus Deutschland und Nordeuropa. Siehe http://www.deutsche-auslandsgesellschaft.de, 12. Juni 2008.

162Loock 1970, wie Fußnote 39, 186.

163  Vgl. Field 1977, wie Fußnote 6, 536.

164  Vgl. zum Ahnenerbe Gasche, Malte: „Zum Konzept der ‚Germanenkunde’ im Ahnenerbe der SS“. In: Ethnographisch-archäologische Zeitschrift 47 (2006:1), 127–135.

165  Rosenberg 1930/1935, wie Fußnote 17, 114.