Ausgabe 85

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  • Publication
    Living in the post
    Fretter, Carina; Nagel, Klara; Jacobs, Theresa; Wurzbacher, Oliver; Brkovic, Carna; Kordaß, Anne-Kristin; Fehrs, Kristiane; Paulson, Joy-Robin; Ramm, Ronda; Kravtsova, Victoria; Hodžić, Dženeta; Ćurak, Hana; Balcerzak, Agnieszka; Fretter, Carina; Nagel, Klara
    30 Jahre nach dem ersten Aufkommen des Begriffes Postsozialismus widmet sich dieser Band den vielfältigen (Re)Konfigurationen, die das Konzept seither durchlaufen hat und fragt nach seinem gegenwärtigen analytischen Gehalt. Anhand unterschiedlicher Kontexte untersuchen die Autor*innen die multiplen Verwendungen von und Perspektiven auf das Konzept. Sie wenden sich verschiedenen Formen von (materiellem) Erbe, künstlerisch-aktivistischen Projekten des Erinnerns oder Ost/West-Machtdynamiken zu und diskutieren das spannungsvolle Verhältnis zu post- und dekolonialen Theorien. Den Rahmen bildet dabei ein Fokus auf Praktiken des Erinnerns, der Vergegenwärtigung von Vergangenem und seinem Wirken in die Zukunft.
  • Publication
    Living in the post
    Fretter, Carina; Nagel, Klara; Fretter, Carina; Nagel, Klara
    Das Konzept Postsozialismus wird mittlerweile nicht nur als wissenschaftliche Kategorie verwendet, sondern zunehmend auch im Alltag und in künstlerisch-aktivistischen Kontexten angeeignet. In der Einleitung zu diesem Band geben wir einen Überblick über die Entwicklung des Begriffs und arbeiten sein spannungsvolles, aber produktives Verhältnis zu post- und dekolonialen Theorien heraus. Wie kann das Konzept Postsozialismus 30 Jahre nach dem Zusammenbruch der staatsozialistischen Systeme analytisch produktiv gemacht werden? Hierfür wenden wir uns Praktiken des Erinnerns zu und verbinden diese mit Überlegungen zum Begriff Postsozialismus. Die einzelnen Artikel beleuchten diese Verbindung anhand unterschiedlicher Regionen und Phänomene und stellen durch ihre diversen methodischen Zugänge und Perspektiven wichtige Beiträge zur Diskussion um die analytische Produktivität des Begriffs dar. Der auf Praktiken ausgerichtete ethnographische Fokus ermöglicht kontextspezifische Zusammenhänge zu analysieren, ohne übergreifende Dynamiken aus dem Blick zu verlieren. Durch die begriffliche Bezugnahme wird die Vergangenheit stets als Vergleichsfolie aufgerufen. Ein ethnographischer Blick kann dieses Spannungsfeld des Konzeptes zwischen Aufrufung und Reifizierung beleuchten.
  • Publication
    Multiple Transformationen
    Jacobs, Theresa; Wurzbacher, Oliver; Fretter, Carina; Nagel, Klara
    Seit Februar 2020 widmet sich ein interdisziplinärer Projektverbund in Sachsen gesellschaftlichen Erfahrungen und kulturellem Wandel im Osten Deutschlands und in Ostmitteleuropa vor und nach 1989. Vier Teilprojekte verschränken sich dabei unter dem gemeinsamen Begriff multipler Transformationen. Zur Theoretisierung ihrer handlungstheoretisch, praxeologischen Perspektive bedienen sich die Projektbearbeiter*innen gleichermaßen ethnografischer Methoden, Oral History, Teilnehmender Beobachtung und Quellenanalyse. Im Beitrag werden die theoretischen Vorüberlegungen ausgehend von der Transformationsforschung vorgestellt. Zwei volkskundlich-kulturwissenschaftlich geprägte Projekte gewähren darauffolgend erste Einblicke in den Wandel von alltäglicher Lebenswelten der Menschen: An der Kultur- und Kreativwirtschaft der sorbischen Minderheit wird die Bedeutung kulturellen Erbes zwischen ethnischer Selbstvergewisserung und ökonomischer Inwertsetzung am Beispiel der Band SERVI und des gleichnamigen Verlags aufgezeigt. Am Beispiel der Margarethenhütte in Großdubrau werden neue Vergemeinschaftungsformen auf Basis ehemaliger VEB-Mitarbeiter*innen beleuchtet, die nach 1989 einen neuen Umgang mit sozialem Erbe suchten. Dabei wird deutlich, dass interdisziplinäre Zusammenarbeit an Querschnittsthemen wie solchen des Umgangs mit verschiedenen Formen von Erbe für die Betrachtung multipler Transformationen ausgehend vom institutionellen Wandel 1989/90 fruchtbar werden kann.
  • Publication
    Between Decolonial and Postsocialist Political Imagination
    Brkovic, Carna; Fretter, Carina; Nagel, Klara
    This paper retraces the political imagination in the background of an activist-artistic-scholarly project of commemorating socialist heritage in Mostar, Bosnia and Herzegovina. It suggests that more analytical attention needs to be paid to the coevalness of postsocialism. As a growing body of literature demonstrates, postsocialism can provide inspiration for imagining utopian futures. However, this orientation towards the future is not all there is to its political imagination. The main argument of the paper is that postsocialist political imagination is an epistemological and political project of re-describing the failures – those of socialist modernity as well as of the contemporary postsocialist moment – in a way that acknowledges disappointment, but still makes it possible to act. With its focus on redescribing present failures, it differs from decolonial political imagination, which is a project of prescribing new models, blueprints, and examples for how to organize reality beyond the hegemonic concepts and institutions that have been developed within the modernity/coloniality nexus. While postsocialist and decolonial political imaginations are interwoven in complex ways, since both are critical epistemological and political projects, there are important differences between them and one cannot and should not be reduced to the other.
  • Publication
    Who is living in the post?
    Kordaß, Anne-Kristin; Kordaß, Anne-Kristin
    Die Perspektiven von Wissenschaftler*innen aus der DDR auf die Wiedervereinigung und Nachwendezeit betrachte ich als Erfahrungen postsozialistischer Subjekte, die in einem heute noch wirksamen West/Ost-Machtgefüge verortet sind. Ich werfe einen ethnographischen Blick auf die Erinnerungen postsozialistischer Subjekte mit dem Ziel, Erinnerungsdiskurse bezüglich der deutschen Wiedervereinigung sowie Nachwendezeit zu differenzieren. Zunächst plädiere ich mit der doppelten Sozialisierung/Kulturalisierung, die Menschen aus der DDR durch den Beitritt zur Bundesrepublik 1990 und das Leben in zwei unterschiedlichen Systemen erfuhren, für die Wertschätzung ostdeutschen Erfahrungsreichtums. Das Aufeinandertreffen von west- und ostdeutschem Wissenschaftssystem thematisiere ich anschließend mithilfe der Evaluationserfahrung. Der Rückblick auf die Evaluierung ist hilfreich, um heutige Machtverhältnisse, wie die Unterrepräsentation Ostdeutscher in den Eliten, zu verstehen. Abschließend steht eine Diskriminierungserfahrung im Wissenschaftsbetrieb des wiedervereinigten Deutschlands im Fokus, anhand derer ich die Differenzlinie West/Ost in intersektionaler Perspektive diskutiere.
  • Publication
    Möglichkeitsräume im Umbruch
    Fehrs, Kristiane; Nagel, Klara; Paulson, Joy-Robin; Ramm, Ronda; Fretter, Carina; Nagel, Klara
    In der hegemonialen Erzählung der Wendezeit bleiben viele Erfahrungen unerzählt. Wir zeigen in unserem Artikel auf, welche feministischen Geschichten durch eine postsozialistische Perspektive auf die Wendezeit sichtbar werden können. Dabei setzen wir uns mit der Verfassungsdiskussion der Wendezeit auseinander – konkret mit der Arbeit an den Verfassungsentwürfen des Zentralen Runden Tisches der DDR und des Kuratoriums für einen demokratisch verfaßten Bund deutscher Länder. Wir untersuchen, wie der Unabhängige Frauenverband, eine zentrale frauenpolitische Initiative der Wendezeit, feministische Forderungen in die Verfassungsdiskussion einbrachte und wie sich diese in konkretem Rechtstext niederschlugen. Mit unserer Arbeit gehen wir über das bloße Sichtbarmachen von Machtverhältnissen und Möglichkeitsräumen der Vergangenheit hinaus: Indem wir aufzeigen, wie die Frauen versuchten das Recht zu nutzten, um feministische Forderungen gesamtgesellschaftlich zu verankern, öffnen sich Möglichkeitsräume in der Gegenwart und für die Zukunft.
  • Publication
    Feminism, Nationalism, Decolonization
    Kravtsova, Victoria
    Since the 1990s, artists, academics and activists both in the countries of the former USSR and in the West have demonstrated that it is possible to look at the ex-Soviet space from a post- or decolonial perspective. However, there is as of yet no developed vocabulary that would address the questions of racism and colonialism from the perspective of the former USSR. Even though anti-racist movements are only now being formed in the region, discussions about racism have long been happening among (queer) feminists. In this article, I analyze how Russian/Soviet history is perceived by queer feminist activists, artists and scholars from Bishkek and Almaty. Based on the interviews collected during a monthly research stay in these two cities in Central Asia, the study opens a discussion about the ways in which the understandings of Russian/Soviet history and current power relations shape local feminist discourses and networks, thus contributing to the discussions on coloniality and inequality within transnational feminist movements.
  • Publication
    Daytonitis in Practice
    Hodzic, Dzeneta; Curak, Hana; Fretter, Carina; Nagel, Klara
    The aim of this ethnographic paper is to map the traces of temporality in everyday practices of energy and environment professionals in Bosnia and Herzegovina (BiH). In line with current anthropological research in the region, we aim to illustrate how clear divisions of time in BiH between post-socialism, post-war and an undetermined Europeanization process do not adequately address the nuances of multiple temporalities the interlocutors reference. Based on long-term ethnographic fieldwork in state institutions, we attempt to understand what living in the post entails for civil servants in BiH’s energy and environment sector. Specifically, we look at how temporal markers relate to the Dayton Meantime (Jansen 2015), especially in the context of Europeanization and Yugostalgia. Discussing the analytic productivity of postsocialism, working out certain (dis-)continuities, we focus on how civil servants employ references of Europeanization and Yugostalgia as temporal markers through which they make sense of their past, present and future.
  • Publication
    Adventure Warsaw – Adventure PRL!
    Balcerzak, Agnieszka
    Der Artikel beschäftigt sich mit der Praxis der Kommodifizierung des kommunistischen Erbes der Volkrepublik Polen (1945-1989) als touristische Destination und kulturelle Ressource im heutigen Warschau. Die ethnografische Analyse an der Schnittstelle von Geschichtstourismus, Museumswesen, Sachkulturforschung und Heritage Studies fokussiert sich auf zwei empirische Fallstudien als Beispiele für die kommerziell-vergnügliche Popularisierung der PRL-Geschichte. Das sind die Communist-Heritage-Touren des Tourismusunternehmens WPT 1313 und die Dokumentation des kommunistischen Erbes im Museum des Lebens in der PRL, die einheimische wie ausländische Tourist*innen mit der absurd-schauerlichen Realität des Alltagslebens im Kommunismus bekanntmachen oder diese ins Gedächtnis rufen. Der Artikel argumentiert, dass die Darstellung der 1989 untergegangenen PRL-Epoche als Destination, Ressource und Praxis auf prototypischer, nostalgischer Sehnsucht der Tourist*innen nach dem sinnlich-emotionalen Erfahren des Authentischen basiert. Beide kommerzialisierten Produkte der Warschauer Tourismus- und Unterhaltungskultur, die auf der Verquickung von Tourismus und Vergangenheit basieren, füllen eine touristische Marktlücke. Ein ethnografischer Blick auf die diese Nische ausfüllenden Praktiken, Räume und Agent*innen, veranschaulicht wie sie auf Vergnügung abzielende sinnlich-emotive und ästhetisch-performative Entdeckungs- und Erlebnisfelder der Vergegenwärtigung des kommunistischen Erbens schaffen und dabei zwischen kritischer Distanzierung und spielerischer Aneignung oszillierend, die touristische Infrastruktur in dem urbanen Raum Warschaus prägen.