Ausgabe 3.2016 / Kunst Medien
http://edoc.hu-berlin.de/18452/624
Re/Visionen der Utopie2024-03-19T04:00:56ZUtopie oder Uchronie?Divergierende künstlerische Bezugnahmen auf Wirklichkeit
http://edoc.hu-berlin.de/18452/8144
Utopie oder Uchronie?Divergierende künstlerische Bezugnahmen auf Wirklichkeit
Ott, Michaela
http://dx.doi.org/10.18452/7492
Heibach, Christiane; Krewani, Angela; Schramm, Samantha
Der Beitrag geht davon aus, dass sich zeitgenössische künstlerische Praktiken - ebenso wie naturwissenschaftliche Experimente - unterschiedlich auf Wirklichkeit beziehen beziehungsweise in ihren ästhetischen Setzungen unterschiedliche Wirklichkeitsbezüge konstruieren. Um diese Diversität erkenntnistheoretisch zu fassen, plädiert er für die Wiederbelebung des philosophischen, nicht auf das Digitale reduzierbaren Begriffs des Virtuellen. In seiner Deutung durch Gilles Deleuze gibt es einen Wirklichkeitsmodus ab, der mit jenem des Aktuellen eine 'Zweiseitigkeit' des Wirklichen erstellt, welche Deleuze erkenntnistheoretisch und ästhetisch fruchtbar macht. Da er das Virtuell Aktuelle mit Zeitlichkeit und ihrer wiederholungsbedingten (Selbst)Affizierung und Differenzierung gleichsetzt, spricht er der Wirklichkeit eine oszillierende, ausdeutbare, uchroniefähige Vervielfältigungspotenz zu. Diese offenbart sich unter anderem in jenen künstlerischen Verfahren, die Zeit-Bilder erstellen und Zeitlichkeit als nicht-lineares, aus Rück- und Vorgriffen erwachsendes, sich in unterschiedlichen Geschwindigkeiten dynamisierendes Geflecht aufscheinen lassen. Dieses legt nahe, das Unbekannte heute weniger in utopischen Entwürfen als in uchronischen, Zeit versetzenden, entstellenden und vervielfältigenden filmischen Kompositionen zu suchen. Das Virtuell Aktuelle in seiner Zweiseitigkeit wird damit auch erkennbar als Möglichkeit von Mediatisierung überhaupt, insofern es Verwirklichung von vermittelnden und zeitgebenden Prozessen abhängig erscheinen lässt. In einem anspruchsvollen künstlerischen Sinn ergibt sich diese aus der filmischen Exposition der Zeitigungsprozesse, aus ihrer Transformation von Bild und Ton und deren Changieren zwischen Figuration und Entfigurierung einschließlich der Betonung ihrer Kontingenz. Dass auch die digitalen Medien Virtualisierungen und uchronische Setzungen ermöglichen, wird an den zeitgenössischen Videoarbeiten von John Akomfrah gezeigt. Abschließend wird die Vermutung geäußert, dass uchronische Artikulationen schon aufgrund der Einsicht in die epistemisch-ästhetische Verflochtenheit auch der Geschwindigkeitsdivergenzen der Ausdrucksmodus der Zukunft schlechthin sein werden.
2016-10-01T00:00:00ZVon der Land Art zur Klimakapsel: Ökologische Utopien in der Medienkunst
http://edoc.hu-berlin.de/18452/8143
Von der Land Art zur Klimakapsel: Ökologische Utopien in der Medienkunst
Heibach, Christiane
http://dx.doi.org/10.18452/7491
Heibach, Christiane; Krewani, Angela; Schramm, Samantha
Seit den 1970er Jahren lässt sich - nahezu zeitgleich mit dem Erscheinen der berühmten Warnschrift The Limits to Growth des Club of Rome 1972 - in den Künsten ein zunehmendes Interesse für Fragen der Ökologie beobachten, das nicht zuletzt auch der Bewegung der Land Art-zugrunde liegt. Seitdem haben die Künste immer wieder versucht, Visionen von Gesellschaften unter den Bedingungen einer ökologischen Kehrtwende zu veranschaulichen - sei es, indem sie Artefakte, ökologische Projekte oder ganze Gesellschaftsentwürfe umsetzten. Von Buckminster Fullers geodätischen Domen über Joseph Beuys' Kohabitation mit einem Kojoten bis hin zu Prototypen neuer Lebenswelten, sei es als autarke, selbstregulierende Klimakapseln, sei es als Schaffung neuer Lebensräume auf anderen Planeten (Terraforming), reichen die Visionen, die vor allem in der Installations- und Medienkunst sowie in Literatur und Film das Genre der "Ökotopie" hervorgebracht haben. Dabei verweisen diese Visionen immer auch auf bestimmte Grundannahmen zum Mensch-Umwelt-Verhältnis und zu den jeweiligen Grenzziehungen zwischen Kultur und Natur. Ein Blick auf Beispiele ästhetischer Ökotopien seit den 1960er Jahren zeigt darüber hinaus auch bestimmte Verschiebungen in den jeweiligen kulturellen Wertesystemen: Sie reichen von techno-optimistischen Konzepten, in denen der Mensch noch über die Handlungshoheit im Ökosystem verfügt, bis hin zu postapokalyptischen Visionen, in denen Mensch und Technologie in eine Sackgasse geraten sind und nur noch durch Abschottung und Exklusion überleben können. Beide Formen basieren auf Ideen der Kybernetik mit jeweils sehr unterschiedlichen Konsequenzen, die in dem Beitrag herausgearbeitet werden. Ökotopien - so die Schlussfolgerung - legen Trends und Veränderungen frei, die uns den Spiegel unserer Selbsteinschätzung vorhalten.
2016-10-01T00:00:00ZUtopien im Spannungsfeld von Medientechnologien und Kunst
http://edoc.hu-berlin.de/18452/8142
Utopien im Spannungsfeld von Medientechnologien und Kunst
Krewani, Angela
http://dx.doi.org/10.18452/7490
Heibach, Christiane; Krewani, Angela; Schramm, Samantha
Der Beitrag arbeitet die utopischen Aspekte im Spannungsfeld von digitalen Medientechnologien und Kunst vor dem Hintergrund der Techniktheorie George Simondons auf, welcher Technikentwicklungen ein Imaginäres Potential zuschreibt. Ausgehend von den in der Kybernetik entwickelten utopischen Vorstellungen maschineller Verfahrensweisen und Rückkoppelungen werden diese Ideen in den Diskursen und Kunstformen interaktiver Medien neu verortet. Aus diesen geht deutlich hervor, wie die Technikutopien auch den alltäglichen Mediengebrauch definieren. Im Anschluss an die interaktiven Aspekte werden die utopischen Dimensionen von Softwaregestaltung fokussiert. Auch hier finden sich utopische Dimensionen vor allem in den Vorstellungen von allgemein zugänglicher Software verwirklicht, die sich vor allem in den MOD-Kulturen manifestieren. Die Künstlerin Cornelia Sollfrank verbindet die Zugänglichkeit von Software mit ästhetischen Bildprogrammen, was allerdings Konflikte mit dem Urheberrecht mit sich bringt.
2016-10-01T00:00:00ZPosthumanistische Visionen in Horrorfilmen der 1970er Jahre
http://edoc.hu-berlin.de/18452/8141
Posthumanistische Visionen in Horrorfilmen der 1970er Jahre
Engelke, Henning
http://dx.doi.org/10.18452/7489
Heibach, Christiane; Krewani, Angela; Schramm, Samantha
The article considers the inversion of counter-cultural utopias in 1970s horror films, focussing on the appropriation of experimental film aesthetics to produce visions of terror. It is argued that this inversion holds significant implications for understanding the historical context of current posthumanist thought. The two main examples, Donald Camell’s Demon Seed and Ken Russel’s Altered States, open up a nexus of narrative content, aesthetic strategies and media reflection that reaches deep into specific counter-cultural contexts. Employing the service of experimental filmmakers to produce special effects, these films highlight the intersections between counter-cultural aesthetics and the evolving horror film genre. At the same time, they also mark crucial shifts in the perception of utopian ideas of a technologically expanded consciousness. This shift is often overlooked in recent assumptions – often made only implicitly – of continuities between counter-cultural techno-imagination and posthumanist conceptions.
2016-10-01T00:00:00ZWhose Utopia von Cao Fei und das Versprechen der Utopie
http://edoc.hu-berlin.de/18452/8140
Whose Utopia von Cao Fei und das Versprechen der Utopie
Schramm, Samantha
http://dx.doi.org/10.18452/7488
Heibach, Christiane; Krewani, Angela; Schramm, Samantha
Das Video Whose Utopia der chinesischen Künstlerin Cao Fei entstand 2006 in der Osram Lichtfabrik in Foshan, China im Rahmen des dort realisierten Projektes Utopia Factory. Innerhalb von sechs Monaten organisierte die Künstlerin vor Ort verschiedene Workshops mit Fabrikarbeiter_innen, die in Bezug zur Osram Fabrik, aber auch zu den Wünschen und Träumen der Arbeiter_innen standen. Im Anschluss an eine auf Michel Foucault zurückgehende Auffassung von (Körper-) Utopien als imaginäre Figurationen, die "aus dem Körper hervorgegangen" sind, möchte ich am Beispiel von Whose Utopia weniger Entwürfe einer in der Zukunft liegenden Vision, sondern Konstruktionen utopischer Körper sowie deren mediale Bedingungen und Formen der imaginären Verwirklichung im Alltag betrachten. Die Performances der Arbeiter_innen treten als utopische Körper hervor, wobei diese im Video außerhalb der weiterlaufenden Produktionsprozesse als Raumzeiten des anderen Denkens und Wahrnehmens ausgestellt werden. Whose Utopia verdeutlicht die Durchkreuzung von Alltagsutopien und utopischen Körpern und offenbart damit auch ein Streben der Akteure nach sozial-politischen Utopien. Diese mikro-utopischen Entwürfe der Visionen des Alltags können zugleich als Abgesang der großen gesellschaftlichen Visionen des Utopischen verstanden werden, wobei im Video parallele Raumzeiten entworfen werden, in denen sich das Utopische entfaltet und schließlich wieder verworfen wird.
2016-10-01T00:00:00ZAmbivalenzen der Utopie in der Gegenwartskunst
http://edoc.hu-berlin.de/18452/8139
Ambivalenzen der Utopie in der Gegenwartskunst
Mühl, Sebastian
http://dx.doi.org/10.18452/7487
Heibach, Christiane; Krewani, Angela; Schramm, Samantha
Die von Molly Nesbit, Hans Ulrich Obrist und Rirkrit Tiravanija kuratierte Utopia Station auf der Venedig Biennale 2003 gilt als eine der wichtigsten Kunstausstellungen, die sich im vergangenen Jahrzehnt der Wiederbelebung von Fragestellungen zum Verhältnis von Kunst und Utopie widmete. Neben der Präsentation einer Vielzahl künstlerischer Positionen artikulierte die Ausstellung selbst den Anspruch, einen utopischen Impuls zu aktualisieren. Die partizipatorischen und gemeinschaftsbildenen Elemente der Ausstellung zielten situativ darauf ab, eine kommunikativ befreite intersubjektive Praxis zu stiften, während die von Liam Gillick entworfene Ausstellungsarchitektur eine formalästhetische Überschüssigkeit ihrer Formzusammenhänge betonte und sich damit in die Tradition einer „funktionalen Utopie“ einschrieb. Anhand der beiden Register partizipatorischer Praxis und einer Utopie der Form lassen sich zwei wirkmächtige Konzepte erläutern, die den Bezug der Kunst auf den Topos der Utopie in der Gegenwartskunst prägen. Dabei wird deutlich, dass die Utopie insgesamt in einem im Vergleich zur Moderne veränderten Verständnis erscheint: Sie wird als wesentlich partikular gedacht und nicht mehr bereits intern auf einen Begriff des Ästhetischen bezogen, wie er für die utopische Ausdeutung der modernen Kunst noch paradigmatisch erschien.
2016-10-01T00:00:00ZZur Abwesenheit "großer" Utopien: Subjektiv-pragmatische Utopie-Entwürfe in der zeitgenössischen Kunst
http://edoc.hu-berlin.de/18452/8138
Zur Abwesenheit "großer" Utopien: Subjektiv-pragmatische Utopie-Entwürfe in der zeitgenössischen Kunst
Schütze, Irene
http://dx.doi.org/10.18452/7486
Heibach, Christiane; Krewani, Angela; Schramm, Samantha
Im 20. Jahrhundert, besonders in den Avantgarde-Bewegungen zu Beginn des Jahrhunderts, stellten Künstler_innen utopische Gesellschaftsentwürfe vor, die in vielen Fällen mit allumfassenden Ansprüchen verbunden waren. Heute sucht man dagegen nahezu vergeblich nach der Präsentation "großer" Utopien in der Kunst. Lediglich Ansätze oder Momente des Utopischen lassen sich finden. Diese Ansätze zeichnen sich, wie Iwona Blazwick beobachtet hat, oftmals durch Pragmatik aus und sie sind als bewusst subjektive Perspektiven erkennbar. Der Beitrag untersucht an zwei Beispielen aus der zeitgenössischen Kunst - dem Projekt Time/Bank von Anton Vidokle und Julieta Aranda (seit 2008) und der Installation Volumes (2012) von Paul Chan -, wie durch ein gewandeltes gesellschaftliches Kunstverständnis individuelle Zugänge zur Utopie eröffnet werden.
2016-10-01T00:00:00ZEditorial
http://edoc.hu-berlin.de/18452/8137
Editorial
Heibach, Christiane; Krewani, Angela; Schramm, Samantha
http://dx.doi.org/10.18452/7485
Heibach, Christiane; Krewani, Angela; Schramm, Samantha
Die Ausgabe der Kunsttexte begibt sich auf die Spurensuche von Utopien und zeigt anhand unterschiedlicher ästhetischer Objekte und Praktiken nicht nur die Bedingungen ihrer Formbildungen, sondern auch Re/Visionen und Fortschreibungen des Utopischen auf. Denn obwohl die großen Utopien in der Kunst - im Gegensatz zu Science-Fiction-Visionen in Literatur und Film - auf den ersten Blick heute kaum mehr wirksam zu sein scheinen, heften sie sich doch an die 'kleineren' ästhetischen Formenbildungen an - sie formulieren Ambivalenzen, tauchen in Techniken und Architekturen auf, sie schreiben sich wissenschaftlichen Technologien ein und beleben und modifizieren den Film. Diese Ausgabe geht auf zwei Panels der Arbeitsgemeinschaft "Medien und Kunst - Kunst und Medien" der Gesellschaft für Medienwissenschaft zurück, die im Rahmen von deren Jahrestagung 2015 in Bayreuth stattfanden und versammelt Beiträge von Henning Engelke, Christiane Heibach, Angela Krewani, Sebastian Mühl, Michaela Ott, Samantha Schramm und Irene Schütze.
2016-10-01T00:00:00Z