Über den Zusammenhang zwischen idealer und nicht-idealer Theorie
Bedarf Gerechtigkeit Ideale?
Philosophische Fakultät
Von Gerechtigkeitstheorien wird gemeinhin erwartet, dass diese handlungsleitend sein können. Gleichzeitig dominierten in den vergangenen Jahrzehnten sogenannte ideale Theorien den Diskurs um Gerechtigkeit, die auf kontrafaktischen Annahmen basieren, welche nicht die Realität abbilden. Gemäß der Mainstream-Auffassung konfligiert dieser ideale Charakter nicht mit dem Desideratum der Handlungsleitung: Ideale Theorien zeichnen die (vollkommen) gerechte Gesellschaft als ein Ziel, dem es entgegenzustreben gilt. Um dieses Ziel zu erreichen, brauche es darüber hinaus eine nicht-ideale Theorie, die mehr an der empirischen Wirklichkeit ausgerichtet ist und es als Ziel hat, bestehende Ungerechtigkeiten durch entsprechende Handlungsanweisungen zu beseitigen. Dieser Auffassung nach ist ideale Theorie somit zwar nicht selbst handlungsleitend, wohl aber eine notwendige Bedingung für Handlungsleitung. Dass ideale Theorie dieser Funktion gerecht werden kann, stößt hierbei zunehmend auf Widerspruch. Dabei lassen sich im Wesentlichen drei Gruppen von Fundamentalkritiken unterscheiden, die alle drei in der Konklusion münden, dass ideale Theorie nicht zur Handlungsleitung unter Realbedingungen beitragen kann: Erstens, Kritiken, denen entsprechend ideale Theorie nicht zur Genese von Handlungsanweisungen fähig und nötig ist; zweitens, Kritiken, denen entsprechend ideale Theorie nicht anwendbar auf das Hier-und-Jetzt ist; drittens, Kritiken, entsprechend denen idealer Theorie der Bezug zur Gerechtigkeit fehlt. In der vorliegenden Arbeit verteidige ich ideale Theorie gegen jede dieser drei Kritiken. Dafür (re-)konstruiere ich als erstes die Unterscheidung in ideale und nicht-ideale Theorie, stelle dann die Kritiken dar und formuliere schließlich entsprechende Entgegnungen. Dabei akzeptiere ich das Desideratum der Handlungsleitung und argumentiere dafür, dass alle drei Kritiken scheitern. Theories of justice are commonly expected to be able to guide actions. At the same time, the debate led on justice during the last decades was dominated by so called ideal theories. These theories are based on contrafactual assumptions, which do not portray the reality. According to the mainstream-view, this ideal character is not detrimental for the desideratum of action-guidingness: ideal theories describe the (fully) just society as an aim one ought to strive for. To accomplish this goal, however, a non-ideal theory is needed, which is rooted in the empirical reality and seeks to eliminate injustices through recommendations of actions. On this account, ideal theory is not action-guiding itself, albeit a necessary condition for action-guidingness. However, the idea that ideal theory can fulfil this function is increasingly disagreed with. Three main groups of fundamental critiques can be distinguished, which all three lead to the conclusion that ideal theory cannot contribute to action-guidingness under real-life conditions: Firstly, critiques, according to which ideal theory is neither able nor necessary to create recommendations for actions; secondly, critiques, according to which ideal theory is not applicable to the here-and-now; thirdly, critiques, according to which ideal theory does not connect to justice. In this thesis I defend ideal theory against each one of these three critiques. To do so, I, firstly, (re-)construct the distinction between ideal and non-ideal theory. Thereafter, I present the three critiques and formulate replies to them. In doing so, I accept the desideratum of action-guidingness and argue that all three critiques fail.
Dateien zu dieser Publikation
Verwandte Publikationen
Anzeige der Publikationen mit ähnlichem Titel, Autor, Urheber und Thema.
-
2013-04-25DissertationThe principle of solidarity: A restatement of John Rawls' law of peoples Trifunovic, MilicaIn der Dissertation habe ich versucht eine Theorie der globalen Gerechtigkeit darzustellen. Diese Theorie hat als ihre Basis das Denken von John Rawls. Rawls hat sich in seinem letzten Buch „Das Recht der Völker“ zu dem ...
-
2011-06-06DissertationRationale Rekonstruktion und empirische Realität Shubat, Abdul-HakimMan kann die allgemeinen Probleme, denen Weber sich in seinen kulturwissenschaftlichen Studien gewidmet hat, in zwei Hauptprobleme zusammenfassen: das erste liegt im Verhältnis zwischen kulturwissenschaftlichen Allgemeinbegriffen ...
-
2007-02-12DissertationUnterstellungen Hildebrandt, FraukeDer Unterstellungsbegriff ist ein zentraler Begriff innerhalb transzendentaler Argumente. Transzendentale Argumente sind Versuche, empirische Erkenntnis stabiler zu sichern als durch empirische Erkenntnis selbst. Dabei ...