Kulturelle Aneignung im niederländischen „Goldenen Zeitalter“
Das Blauweißporzellan und der Orientteppich im Familienbildnis von Emanuel de Witte und Vergleichsbeispielen der Interieurmalerei
Kultur-, Sozial- und Bildungswissenschaftliche Fakultät
In dieser Bachelorarbeit erforsche ich mithilfe einer ikonologischen Studie die Darstellung
von Porzellan und Orientteppichen in Gemälden der niederländischen Interieurmalerei des 17.
Jahrhunderts. Von den rund zwanzig ausgewählten Interieurgemälden ist der vordergründige Gegenstand der Studie das Gemälde Familienbildnis des Malers Emanuel de Witte.
In den Gemälden des niederländischen Interieurs zeichnet sich ein selbstkonstruiertes Bild der frühneuzeitlichen Gesellschaft in der Niederländischen Republik ab, wobei diese die
kollektiven Umgangsweisen mit zwei besonderen Handelsgütern Asiens, Porzellan und
Teppichen, veranschaulichen. Beide Güter werden im Prozess der niederländischen
Nationenbildung als wesentlich mitbestimmende Elemente betrachtet. Somit entpuppen sich
das strahlende Blau-Weiß-Porzellan aus China und die farbenfrohen Teppiche aus dem Nahen
und Mittleren Osten als 'agents' im Entstehungsprozess kultureller und nationaler
Wertvorstellungen. Dieser Aspekt wird auch im Hinblick auf den Bildraum und die gewählten
Bildmittel beleuchtet, vornehmlich im Zusammenhang mit Malern der Delfter Schule. Hierbei
wird der Frage nach den kulturellen Bedeutungen des Porzellans und der Teppiche Asiens in
der frühneuzeitlichen niederländischen Gesellschaft durch einen Ansatz nachgegangen, der in
den postkolonialen Studien sowie in der Geschichte der Materialkulturen zu verorten ist.
Als ein Tool wird das Konzept der kulturellen Aneignung in die Bildanalyse mit einbezogen,
wenn die Bedeutung der abgebildeten Porzellangefäße und Teppiche hinsichtlich der
impliziten, zum Teil exotistischen, Projektionen auf die Objekte herausgestellt wird. Zudem
bietet die Bachelorarbeit eine Perspektive auf die Umgangsweise mit dem Konzept der
ästhetischen und technologischen Transformation, die den komplexen Angleichungsprozess
der östlichen Porzellanobjekte und Textilien an die kulturellen, sozialen und ökonomischen
Bedingungen in der Niederländischen Republik begleitete.
Wie zu zeigen ist, kennzeichnet die für die asiatischen Handelsgüter Porzellan und Teppiche
bewährte Form der Bilddarstellung eine Symbolik, die in einer frühneuzeitlichen Ethik,
Naturphilosophie und in der expandierenden Wirtschaftsmacht der calvinistischen
Gesellschaft eines niederländischen, begrifflich umstrittenen „Goldenen Zeitalters“ begründet
liegt. This Bachelor thesis investigates how porcelain and oriental carpets were visually
represented in the Netherlands in the 17th century on the base of an iconological analysis. The analysis comprises the painting Familienbildnis, produced by the painter Emanuel de Witte, and round twenty comparable domestic interiors.
A self-constructed image of the early modern Dutch Republic’s society is derived from the
interior paintings which illustrate the collective forms of interaction with two selected goods
from Asia, porcelain and carpets. Both goods are regarded as constitutive in the process of
Dutch nation building. In this sense, the shiny blue-and-white porcelain from China and the
colorful carpets from the Near and Middle East turn out to be agents in the making of cultural
and national values. This aspect is also considered from the perspective of the visual space
and the artistic means chosen in the production process, notably in regard to painters of the
Delft school. Thereby, the question for cultural associations with Asian porcelain and carpets
in the early modern Dutch society is pursued with a postcolonial as well as a material cultural
approach.
The concept of cultural appropriation is applied to the visual analyses as a tool, while
outlining the contextual meaning of the depicted porcelains and carpets in relation with the
thereby implicit, partially exoticist, projections into these objects. In addition, this thesis
offers a perspective on the conceptual approach to the aesthetic and technological
transformation that accompanied the complex adaptation process of eastern porcelains and
textiles to the cultural, social and economic conditions in the Dutch Republic.
A thereby proven type of visual representation for the highly demanded Asian trading goods
porcelain and carpets becomes apparent in a symbolism that grounds on early modern ethics, nature philosophy and the expanding economic power in the Calvinist society in a Dutch, notionally controversial “Golden Age”.
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