Positionen

Redaktion: Christof Baier / Marion Hilliges / Elmar Kossel / Lisa Roemer / Christof Baier / Marion Hilliges / Elmar Kossel / Lisa Roemer

Ausgabedatum: 28.04.2014

Die Gründung der Sektion Architektur Stadt Raum der kunsttexte.de als Publikations- und Diskussionsforum scheint in der mittlerweile erfreulich regen Diskussionskultur um die Potenziale der kunsthistorischen Architekturforschung einen Nerv getroffen zu haben. Architektur-, Stadt-, und Raumforschung sind bereits seit einigen Jahrzehnten keine Domäne der Kunstgeschichte mehr. Es handelt es sich vielmehr um Forschungsfelder verschiedenster, nicht nur geisteswissenschaflicher Disziplinen. Gerade Fragen zur Identitätsbildung, beziehungsweise zur Identitätskonstruktion in einer globalisierten Welt, zum Ortsbezug von Architektur und zu Vernetzungsprozessen haben die Architektur- und Raumforschung in den Sozial-, und Kulturwissenschaften aber auch in der Wissenschaftsgeschichte und der Mediengeschichte gefördert. Die Konkurrenzsituation der Universitäten sowie die Reformen an den Hochschulen (Bologna-Prozeß) haben dazu geführt, dass durch eine neue Profilgebung an den Kunsthistorischen Instituten mit Schwerpunkten auf Bildwissenschaften oder Gegenwartskunst besonders die Architekturgeschichte durch Streichungen ganzer Lehrstühle ins Abseits geriet. Allgemein schien so das Vorurteil bestätigt, dass es sich bei der klassischen Architekturgeschichte um eine verstaubte, positivistische Wissenschaft handele, die nicht in der Lage sei, Antworten auf neuere Ansätze der Forschung im Bereich der Global Art History, der Transkulturalität aber auch der historischen Bildgeschichte zu formulieren und diese neuen Anregungen für das eigene Feld nutzbar zu machen. Angesichts dieses Rechtfertigungsdrucks gerieten teilweise auch die Kernkompetenzen des Faches aus dem Blickfeld. Dabei befassen sich architekturhistorische Forschungen nicht nur mit ästhetischen und theoretischen oder gar werkmonographischen Fragestellungen, sondern sie berühren auch zentrale Aspekte der Selbstdarstellung und der Wertvorstellungen einer Gesellschaft. Besonders in unserer rekonstruktionsversessenen Zeit, in der die Denkmäler ganzer Epochen zur Disposition stehen, Geschichtsmanipulation und Nivellierung authentisch historischer Bausubstanz Tür und Tor geöffnet sind, vermag die Architekturgeschichte immer wieder den Blick entscheidend zu schärfen für Fragen nach der Repräsentation unserer Gesellschaft und nach dem Wert, den wir unserer eigenen Geschichte beimessen. Das erste Heft der Sektion Architektur Stadt Raum mit dem programmatischen Titel „Positionen“ widmet sich deshalb in erster Linie dem aktuellen Diskurs um neue interdisziplinäre Forschungsansätze und deren Nutzen für die kunsthistorische Architekturforschung. Die mit „Positionen“ bezeichneten Beiträge in dieser Ausgabe stammen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die in jüngster Zeit der Forschung entscheidende neue Impulse zu geben vermochten, neue Thesen aufstellten und innovative Fragen an den Gegenstand Architektur stellten. Die als offene und fortsetzbare Reihe konzipierten „Positionen“ verstehen sich als Diskussionsforum für die methodische und inhaltliche Neubestimmung der Architekturforschung. Die beiden Beiträge, die in die erste Ausgabe aufgenommen wurden, problematisieren den Stellenwert der Architekturgeschichte innerhalb der Kunstgeschichte (Kunstwissenschaft). Während Carsten Ruhl vor allem die Architekturforschung des 20. und 21. Jahrhunderts als ein von der Kunstgeschichte zu Unrecht „vernachlässigtes Forschungsgebiet“ differenziert erörtert und dessen Potentiale aufzeigt, gibt Cornelia Jöchner einen kritischen Literaturüberblick zur Architekturforschung nach 1968, um abschließend zu demonstrieren, wie neue Forschungsansätze anderer Disziplinen für die kunsthistorische Architektur- und Raumforschung fruchtbar gemacht werden können. Der Beitrag von Tina Zürn zur kinetischen Kunsterfahrung diskutiert die Wahrnehmung von moderner Kunst und Architektur durch die Bewegung des Rezipienten in den Räumen des Guggenheim Museums von Frank Lloyd Wright in New York. Unter dem Punkt „Tagungsberichte“ werden mit dem Round-Table „Die Ubiquität der Architektur. Die Globalisierung als Herausforderung der Architekturgeschichte“ und dem Symposion „Was ist Architekturgeschichte? 7 Positionen“ zwei Veranstaltungen besprochen, die die oben genannten Fragen für Forschung und Lehre diskutierten. Des Weiteren wird die stark interdisziplinär ausgerichtete Tagung „Gebaute Stadt/dargestellte Stadt – Die Aktualität einer Kultur- und Kunstgeschichte des Urbanen“ rezensiert. Mit diesem ersten Heft soll eine Reihe von weiteren „Positionen“ eröffnet werden, um die laufende Debatte zu Perspektiven der Architekturforschung als kunsthistorischer Disziplin zu bereichern. Die Sektion möchte Interessierten ein Forum bieten, das eine offene und kritische Auseinandersetzung mit den Themen anregt und auch den Dialog zu den Nachbardisziplinen fördert.