Redaktion: Antje Kempe / Katja Bernhardt

Ausgabedatum: 12.04.2013

Im März 2013 eröffnete die Kunstkammer des KHM Wien nach zehnjähriger Umbauzeit wieder ihre Pforten für die Besucher. Einst als Ort der Wissensgenerierung wie der kaiserlichen Pracht gegründet und gepflegt, kann sie beispielhaft und aus aktuellem Anlass angeführt werden für die als anthropologische Konstante zu betrachtende Tätigkeit des Sammelns von Kunst, im weitesten Sinne von Dingen. Deren Ort, die Sammlung oder das Museum, beanspruchen ausgehend von den Kunst- und Wunderkammern des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit einen ganzheitlichen Repräsentationsanspruch. Jedoch müssen als die formierenden Kräfte Exklusionen und Inklusionen angesehen werden, die eine neue Bedeutungs- wie auch Deutungshoheit kreieren. Dem Warenkreislauf enthoben, werden die Objekte frei für neue semantische Aufladungen, die ihnen nicht selten von der Kunstgeschichte und ihren Vorläufern mit ihren historischen Narrativen zugeschrieben wurden. So ist es in erster Linie der Text in Form einer Informationstafel, eines Katalogbeitrags oder ähnlichem, der eine „Biographie“ der Dinge aufgrund von Zuschreibungen entwirft. Nicht mehr die Dinge selber stehen damit im Vordergrund, sondern das Schreiben bzw. der Umgang mit ihnen. Dergestalt wird der Versuch unternommen die beiden Erkenntnisformen des Zeigens – in Form des Fingerzeigs durch die museale Beschriftung – als aktiver Prozess sowie des Zeugens als passiver Part zusammenbringen zu wollen. Auf den ersten Blick entzieht sich der von Natalia Ganahl in ihrem Beitrag vorgestellte „Künstler-Kurator“ Vladimir Arkhipov diesem Verdikt, in dem es sich bei den von ihm zusammengetragenen Objekten zum einen nicht um Ready-mades handelt, sondern selbstgefertigte Alltagsgegenstände von verschiedenen Personen, die zum anderen nur für die Dauer der Ausstellung in die sakralisierte Sphäre des Kunst- und Ausstellungssystems aufgenommen werden, um danach wieder in die profane Welt der Alltagsgegenstände zurückzukehren. Damit scheint Arkhipov das nicht erst seit der Avantgarde zirkulierende Postulat von der Zerstörung der Museen einzulösen. aber mit seinen temporären Auratisierungen zugleich eine Gegenbewegung zu dem Verlust der Erinnerung, den die Objekte bei ihrem Übergang von einer Sphäre in die andere anheimfallen. Eine andere Form der Institutskritik, denn als diese kann die Arbeit von Arkhipov durchaus auch gesehen werden, beschreibt dagegen Seraina Renz mit ihrem Artikel über die zeitgenössische Belgrader Kunstszene. Sie wirft damit auch einen Blick auf die ökonomischen Mechanismen des Kunstbetriebes und verhandelt unter diesem Gesichtspunkt die Frage, ob die Freiheit des Künstlers im institutionalisierten Betriebssystem Kunst möglich ist. Die Problematik der Sammlung als Erinnerungsspeicher wird unter einer anderen Prämisse auch von Paul Kaiser in seiner Darlegung zur derzeitigen Ausstellungspraxis von DDR-Kunst beleuchtet. Das Beispiel zeigt, dass nicht die Ausstellungsobjekte selber, sondern der Umgang mit ihnen Bedeutungen generiert. Zugleich wird mit dem Depot, das eine eigene Form des Archivs darstellt, die unsichtbare Seite von Museen vorgestellt. Daneben wird das Format der Projektvorstellungen auch in dieser Ausgabe fortgeführt mit der Skizze von Alena Janatková zu Architektur und Erziehung in der Zwischenkriegszeit in einer transnationalen Perspektive. Einblick in aktuelle Forschungen geben zudem die zwei Rezensionen zu Tagungen in Cambridge und Tallinn.

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