Vom verliebten Haß über den erquickenden Verdruß zum schmerzlichsten Genuß. Weibliche Schönheit in Texten von Dante bis Sade
Humboldt-Universität zu Berlin
Die Kryptotheorien, die mit literarischen Schönheitsdarstellungen zum Ausdruck gebracht werden, sind äußerst widersprüchlich: Der verliebte Haß bezeichnet den extremen Kontrast zwischen der Verehrung der himmmlischen und der moralischen Perhorreszierung der sinnlichen Schönheit. Der erquickende Verdruß erfaßt einerseits die seit dem Humanismus des 16. Jahrhunderts einsetzende Entdeckung oder Wiederbelebung des antiken Hedonismus, andererseits Melancholie, Enttäuschung oder das christliche Gewissen, die den Humanismus begleiten. Der schmerzlichste Genuß soll die gewalttätige, individualistische Verwirklichung des Sensualismus bezeichnen, wie sie am Ende des 18. Jahrhunderts im Werk des Marquis de Sade zum Ausdruck gekommen ist, in dem die Trias Sinnenglück, Tugendhaftigkeit, Vernunft, die einen erheblichen Teil der Literatur des 18. Jahrhunderts geprägt hat, gegen die Trias Libido, Aggression, Vernunft ausgetauscht worden ist.